Einfach nicht hinfallen

Текст
Автор:
Из серии: Verhasst #2
0
Отзывы
Читать фрагмент
Отметить прочитанной
Как читать книгу после покупки
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

Meine Finger zitterten, als ich weiter auf den User starrte. Marc war wieder online. Er war wieder da. Sein Bild hatte sich verändert. Es war eine einsame, schwarze Krone, die im Mondschein lag. Ich verstand es nicht und auch seine Statusnachricht irritierte mich: „Nur anschreiben, wenn es wirklich wichtig ist. Ich will meine Ruhe haben.“

Warum war er plötzlich wieder da? Was sollten das neue Bild, das so traurig wirkte und der Text, der jeden von ihm wegtrieb? Ich verstand es nicht mehr. Es wirkte, als wäre es nicht Darkking, der hier online kam.

Ich musste trocken schlucken und meine Hände fühlten sich taub an, als ich den Mauszeiger auf das Anrufsymbol legte und dennoch nicht die Taste betätigen konnte. Das war so lächerlich und dennoch konnte ich es nicht ändern. Ich hatte Angst, dass er mich verstoßen würde und alles in mir schrie danach Skype zu schließen. Er schien mich nicht sprechen zu wollen, sonst hätte er mich doch schon längst angerufen, oder nicht?

Ich wusste nicht, wie lange ich das Bild der einsamen Krone betrachtete, doch immer wieder bildeten sich Tränen in meinen Augen, die ich wegblinzelte. Das war nicht fair. Er war endlich wieder da und ich sollte ihn anrufen oder zumindest anschreiben, doch alles in mir verkrampfte sich. Ich hatte Angst, dass er mich dann endgültig von sich stieß.

Plötzlich erklang der Anrufton und Skype zeigte mir, dass mich Marc anrief. Ich traute meinen Augen nicht und starrte das kleine Bild an, das mir zeigte, dass Darkking versucht mich zu erreichen. Das war nicht wahr. Er wollte endlich sprechen. Kam er deswegen online?

Meine Hände zitterten so stark, dass ich drei Anläufe brauchte, um den Anruf entgegen zu nehmen und ich konnte die Freude und Erleichterung nicht aus meiner Stimme verbannen, als ich meinen Liebsten endlich wieder begrüßen konnte: „Hallo, Marc. Schön, dass du dich endlich meldest. Ich… Ich hatte schon Angst, dass-“

„Hallo, Felix. Ich wollte dir nur sagen, dass du dich nicht mehr bei mir melden sollst. Es… es ist nicht gut, wenn wir uns weiter sehen. Diese Beziehung steht unter keinem guten Stern. Wenn wir uns weiter treffen, wird dein Leben nur zerstört und das möchte ich nicht. Du hast jemanden verdient, der dir immer zur Seite stehen kann und dich mit all seiner Kraft unterstützt. Das kann ich nicht.“

„Marc? Was? Nein!“ Ich konnte seine Worte nicht glauben. Das passierte gerade nicht wirklich. Es war ein böser Traum! Erst der Anruf von Mastermind und jetzt Darkkings Worte. Das konnte in diesem Moment nicht die Wahrheit sein! Niemals wollte ich das akzeptieren! Ich wollte mit Marc alt werden! Warum will er mir das jetzt kaputt machen?!

„Bitte, Felix. Mach es mir nicht schwerer, als es eh schon ist. Ich habe lange darüber nachgedacht und jede Nachricht von dir hat mich erreicht, aber sie hat mir auch gezeigt, dass ich nicht der Freund sein kann, den du brauchst. Dein Vater hat damals den ersten Stein für die Mauer zwischen uns gelegt und jeder Tag, der verging, baute die Mauer weiter aus. Wir haben keine gemeinsame Zukunft, Felix.“ Es war so ungewohnt ihn nicht zu sehen, doch ich hörte, dass es ihm wirklich schlecht ging. Die Kraft war gänzlich aus seiner Stimme verschwunden. Ich spürte nicht einmal die Sicherheit, die sie immer in mir erweckte. Es schien, als wäre der starke König, der einst auf seinem Thron gesessen hatte, tatsächlich verschwunden.

„Dann reißen wir sie wieder ein! Ich will nicht, dass sich unsere Wege trennen! Wir schaffen alles, wenn wir es nur wollen! Ich will dich nicht verlieren, Marc! Du bist alles für mich! Gott, ich liebe dich, mein dunkler König!“ Ich wusste nicht, woher ich diesen Kampfgeist nahm. Vielleicht hatte mich die Zeit mit Robert mehr gelehrt, als ich mir jemals eingestehen würde.

„Warum muss es immer nach deinem Kopf gehen, Felix?! Ich höre von dir nichts anderes mehr, als alles, was du willst! Kein einziges Mal kümmert es dich, wie es mir geht! Was glaubst du, wie ich mich gefühlt habe, als mich dein Vater einfach weggeschickt hat?! Klar, er versprach mir eine Lösung, aber ich habe in seinen Augen gesehen, dass es diese niemals geben wird! Ich wäre in dieser schrecklichen Stunde so gerne bei dir geblieben! Aber man ließ mich nicht und du hast auch keine Sekunde dafür gekämpft! Du wolltest mich nicht bei dir haben und jetzt glaubst du, dass es einfach wieder funktioniert! Ich bin kein Hündchen, das immer angerannt kommt, wenn du danach pfeifst! Ich liebe dich auch, Felix! Deswegen ist mir dieser Schritt so schwer gefallen und ich habe solange nichts von mir hören lassen! Aber immer wenn ich an diesen Abend zurückdenke. An den Moment, als du in die Arme deine Mutter flohst, um dort Trost und Halt zu finden. Ich war für dich vergessen! Unwichtig! Dein Vater musste mich wegschicken! Nicht einmal dafür war ich dir wichtig genug! Kein Abschied! Nichts! Ja, Felix, ich liebe dich, aber du-“ Marc lachte traurig auf und ich spürte, wie sich mein Herz schmerzhaft zusammen zog, als ich seine nächsten Worte hörte. „Aber du liebst mich nicht, Felix. Also, hör auf mir zu schreiben oder mich anzurufen. Lass mich gehen, wenn du mir schon nicht nahe sein kannst. Wir sind nicht füreinander gemacht. Nicht wir.“

Ich war überfordert und starrte den Bildschirm an. Mein Körper begann sich kalt anzufühlen und in meine Hände und Füße kroch eine leichte Taubheit. Ich spürte, wie ich trocken schluckte und mir Tränen in die Augen krochen. Das war nicht sein Ernst. Nein, diese Worte konnte er nicht wirklich so meinen! Ich hatte doch gerade noch Mastermind gesagt, dass ich immer bei Marc sein wollte. Wieso konnte ich ihn von meinen Gefühlen überzeugen, aber der Mensch, den ich wirklich liebte, zweifelte an meinen Empfindungen. Das war nicht fair!

„Marc, nicht. Ich… ich kann mich bessern. Es war einfach zu viel für mich. Mein bester Freund sprang vor meinen Augen in den Tod. Das muss man erst einmal verdauen.“ Ich wollte ihn nicht so leicht aufgeben, doch ich hörte ihn nur verzweifelt lachen.

„Es geht schon wieder nur um dich. Ich hatte nie das Gefühl, dass du so ein großer Egoist wärst, aber Katastrophen zeigen gerne das wahre Gesicht eines Menschen. Leb wohl, Felix.“

Er legte auf und ging sofort wieder offline. Ich spürte, wie sich die Tränen weiter in meinen Augen sammelten, um dann ein Wettrennen über meine Wangen zu starten. Das war jetzt nicht wirklich passiert. Marc hat jetzt nicht wirklich mit mir Schluss gemacht! Das konnte er mir doch nicht antun! Oder doch?

Erneut dachte ich nur an meine Gefühle und nur langsam kamen seine Worte zurück in meine Erinnerungen. Es fiel ihm nicht leicht, aber anscheinend war unsere Beziehung eine Qual für ihn. War ich wirklich so unfähig, über den eigenen Tellerrand zu blicken? Kurz kehrten meine Gedanken zu Chris zurück und ich spürte, wie mich ein Schauer erfasste. Warum dachte ich jetzt an ihn? Das war nicht gut. Es ging um Marc und mich. Ich musste ihn von uns überzeugen! Irgendwie! Am Besten ich fuhr am Wochenende zu ihm. Genau!

Wenn ich vor ihm stand, dann würde er mich nicht einfach so wegschicken können. Er musste uns noch eine Chance geben. Ich wollte diese Zukunft nicht so leicht aufgeben, denn in meinen Augen war sie mehr als perfekt. Wir liebten uns und deswegen sollten wir auch zusammen sein. Marc würde das auch noch verstehen. Ganz bestimmt und ich würde ihn dabei helfen…

Kapitel 4

„Er hat was?!“ Leon starrte mich verblüfft an und auch Alex schien mich irritiert zu mustern. Wir hatten gerade Pause und ich nutzte die Chance, um ihnen von dem Gespräch mit Marc zu erzählen. Ich wollte die Meinung eines Außenstehenden hören und auch wenn die Beiden nicht ganz unparteiisch waren, so kannten sie uns doch. Zumindest Alex hatte schon das Vergnügen mit Marc gehabt.

„Ja, er hat einfach Schluss gemacht. In seinen Augen passen wir nicht zusammen. Beziehungsweise ist er der Meinung, dass er mir nicht so zur Seite stehen kann, wie ich es verdiene oder auch ich zu ihm stehen kann. Ich weiß nicht, woher er diese irrsinnige Idee hatte. Schließlich bin ich doch mit ihm gegangen, als ihn meine Eltern aus den Haus geworfen hatten.“

„Aber als Robert starb, bist du wieder nach Hause, oder?“, fragte Alex nach und ich sah ihn kurz entgeistert an. Was hatte das Eine mit dem Anderen zu tun? Ich liebte Marc und würde immer zu ihm stehen. Egal, was auch kam. Schließlich hatte ich die letzte Zeit nicht umsonst gekämpft. Er war Teil meines Lebens und ich wollte nicht, dass er sich selbst daraus entfernte.

„Ja, weil ich Trost gebraucht hatte. Ich musste mit meinen Eltern darüber reden. Sie kannten Robert auch. Marc hatte ihn erst das zweite Mal gesehen. Er hätte meine Trauer niemals verstanden. Schließlich war er ja auch dagegen, dass ich Hilfe rief!“ Ich wurde ungehalten, weil ich das Gefühl hatte, dass man mir schon wieder ein falsches Handeln unterstellte und das war nicht richtig. Ich hatte nichts falsch gemacht. Das sahen sie alle nur nicht.

„Das mag ja alles sein, aber versetzt dich doch mal in Marcs Lage. Du hast ihm gesagt, dass du ihn liebst, aber in deiner größten Not rennst du doch zu deinen Eltern und lässt ihn stehen. Mich hätte das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch verletzt.“

„Das ist doch Blödsinn, Alex. Wir sind noch Kinder. Niemand kann von uns verlangen, dass er sich schon gänzlich von seinen Eltern losgesagt hatte. Ich würde in meiner tiefsten Not auch zu meinen Eltern gehen. Sie wissen meistens was dann zu tun ist.“

„Ja, das kann schon sein, Leon. Aber du bist auch nicht in einer Beziehung. Für dich gibt es im Moment nur deine Freunde oder deine Eltern, wenn du Rat und Trost suchst. Aber der Mensch, den man liebt, sollte immer die erste Anlaufstelle sein. Ich würde mich auf jeden Fall verletzt fühlen, wenn meine Freundin sich bei ihren Eltern ausweint, anstatt zu mir zu kommen. Das gleicht schon fast einem Vertrauensbruch.“

 

„Ach, komm schon, Alex! Das sagst du jetzt so, weil du ein gestörtes Verhältnis zu deinen Eltern hast. Für dich sind sie an Toms Tod schuld. Das kannst du ihnen einfach nicht verzeihen und dadurch hast du gar nicht mehr dieses Urvertrauen in dir, was jedes Kind besitzt.“

„Das mag ja sein, aber ich verstehe Marc und aus. Ich könnte es auch nicht ertragen, wenn man mich hinten anstellt und nur kontaktiert, wenn es einem gut geht. Das erweckt in mir das Gefühl, dass man mich nicht in seinem Leben haben möchte. Mehr hab ich dazu nicht zu sagen.“ Abwehrend verschränkte Alex die Arme vor seiner Brust und machte damit deutlich, dass dieses Thema nun für ihn erledigt war.

„Okay, Alex. Ich möchte am Wochenende zu ihm fahren, um noch einmal Auge in Auge mit ihm zu reden. Denkst du, das ist eine gute Idee, oder wird er mich dann nur davon jagen beziehungsweise gar nicht erst rein lassen?“ Nervös spielte ich mit dem Saum meines Shirts und sah meinen besten Freund ruhig an. Seine Meinung war mir wichtig und wenn er Marc wirklich verstand, dann konnte er mir vielleicht schon sagen, ob meine Idee mit Erfolg gekrönt sein könnte oder nicht.

„Ich weiß es nicht. Das hängt davon ab, wie sehr er dich wirklich liebt. Dafür kenne ich ihn zu schlecht beziehungsweise weiß nicht, wie er für dich empfindet. Vielleicht hat er auch andere Motive, dass er sich von dir getrennt hatte. Man weiß es ja nie. Schließlich kommt er aus dem Forum von Mastermind.“

Bei der Erwähnung des Namens konnte ich ein Zittern nicht unterdrücken. Kurz war da der Impuls ihnen auch von diesem Gespräch zu erzählen. Es würde vielleicht sogar von Vorteil sein, wenn sie wussten, dass mir der Kerl nachstellte. Konnte er mir wirklich gefährlich werden? Schließlich wollte er mich doch nur sehen.

„Felix? Ist irgendwas los? Du bist plötzlich weiß wie die Wand.“ Alex sah mich besorgt an und auch Leon schien verwirrt über meinen Zustand. „Ist noch irgendetwas passiert? Wieso hast du so stark auf den Namen Mastermind reagiert?“

Ich strich Alex’ Hände von meinen Armen, als er begann mich durchzuschütteln, bevor ich dann trocken schluckte. Es wäre nicht gut, wenn ich sie jetzt anlog. Anscheinend hatte mich das Gespräch mit dem Kerl mehr aus der Fassung gebracht, als ich es mir eingestehen wollte.

„Gestern… bevor mich Marc anrief, hat mich Mastermind kontaktiert. Er schrieb mir erst eine E-Mail und rief mich dann über Skype an. Ich weiß nicht, wie das möglich war. Schließlich war er nicht in meiner Kontaktliste. Er sagte mir, dass ich die Finger von Marc lassen sollte und wollte sich mit mir treffen.“

„Du hast doch abgelehnt, oder?“

„Natürlich, Alex! Ich hab doch nicht vergessen, was er mit Farfarello getan hat!“

„Farfarello?“ Leon sah irritiert zu Alex.

„Das war Toms Nickname in dem Forum. Gut, Felix. Das war richtig. Diesem Kerl kann man nicht vertrauen! Das ist der totale Psychopath! Du darfst dich niemals auf ihn einlassen! Er kann Menschen manipulieren!“

„Ich weiß, Alex, aber auch wenn ich abgelehnt habe, meinte er, dass er mich trotzdem mal besuchen wird. Keine Ahnung, wie er das schaffen will. Er weiß ja gar nicht, wo ich wohne, aber ich habe doch irgendwie Angst.“

„Das solltest du auch. Oh Gott, ich hab dir gesagt, dass du dich aus diesem Forum fernhalten sollst. Jetzt hast du den Schlamassel! Verdammt!“

„Aber ich war doch schon lange nicht mehr in dem Forum. Als du gesagt hast, dass ich gehen soll, hab ich es auch getan! Er hat mich kontaktiert, weil es Marc so schlecht ging und ihn als seinen Besitz bezeichnet!“

„WAS?!“ Alex packte mich an den Schultern und ich zuckte überrascht zusammen. Sein Griff war so fest, dass er schon fast schmerzte und erst als Leon ihn sanft von mir wegschob, nahm er wieder Abstand zu mir.

„Das ist nicht wahr! Marc hat doch gesagt, dass er keinen Kontakt mit Mastermind hat! Ist er doch ein Lügner?! Und ich hab ihn zum Grab von Tom geführt! Dieses Schwein! Bestimmt hat er sich noch darüber lustig gemacht!“

„Jetzt beruhige dich erst einmal, Alex. Bestimmt gibt es dafür eine Erklärung und nur weil Mastermind ihn so betitelt, muss es noch lange nicht heißen, dass es wahr ist. Du sagtest doch gerade, dass es ein Psychopath ist. Wer weiß, wie ihre Beziehung zueinander wirklich ist. Vielleicht ist Marc nur ein Mensch, den Mastermind gerne für sich hätte.“

Leons Worte legten auch die Zweifel in mir ein wenig. Ich hatte mich auch gefragt, ob Marc ein doppeltes Spiel spielte. Das war auch ein Punkt, den ich am Wochenende gerne klären würde, wenn ich ihm gegenüber stand.

„NEIN! Marc ist ein Lügner! Ein dreckiger Lügner und du solltest dich von ihm fernhalten, Felix! Vergiss ihn einfach! Er steckt mit Mastermind unter einer Decke! Lass ihn los, bevor er dich zerstört!“

Alex’ Verhalten wirkte so surreal und alle auf dem Pausenhof sahen sich verwirrt zu uns um, doch mein bester Freund schien es nicht einmal zu bemerken. Er fixierte mich weiter und schien nur eine Antwort zu akzeptieren. Ich war jedoch nicht bereit ihm diese zu geben. Nein, ich liebte Marc und ich glaubte ihm, dass er mit Mastermind nicht unter einer Decke steckte. Niemals wollte er mir schaden und deswegen würde ich auch gehen.

Ich streckte meine Brust raus, um mich sicherer zu fühlen und sah Alex dann direkt in die Augen. „Tut mir Leid, aber das kann ich nicht. Ich werde am Wochenende zu Marc fahren und mit ihm reden. Diese Liebe will ich nicht aufgeben und Mastermind ist krank. Bestimmt bildet er sich nur irgendetwas ein.“

„Felix, das wagst du nicht. Du-“ Alex wollte noch mehr sagen, doch der Gong zum Ende der Pause erklang und Leon berührte ihn am Arm, um mit ihm zurück ins Klassenzimmer zu gehen. Der Blick, den mir mein bester Freund zuwarf, zeigte mir deutlich, dass dieses Thema noch lange nicht beendet war. Er würde mich nicht gehen lassen und ich wollte es mir nicht verbieten lassen. Das würde bestimmt eine anstrengende Woche werden.

Ein Seufzer glitt über meine Lippen, als die Spannung aus meinem Körper wich und ich mich ebenfalls auf den Weg in mein Klassenzimmer machte. Der Kampf war mit Roberts Tod anscheinend wirklich noch nicht vorbei. Es hatten sich nur die Gegner geändert…

Gegen alle Erwartungen war die restliche Woche doch ruhiger, als ich vermutet hatte. Immer mal wieder traf ich mich mit Leon und Alex in der Pause. Mein bester Freund schwieg dabei die meiste Zeit und ich spürte, dass etwas zwischen uns stand, was man unbedingt klären musste, doch ich wollte darüber nicht reden. Es war in meinen Augen alles gesagt und wenn Alex das anders sah, dann musste er seinen Mund aufmachen.

Leon selbst schien über die Schweigsamkeit von Alex ebenfalls irritiert, doch er konzentrierte sich dann immer gänzlich auf mich. Der große Kerl wurde mir mit jedem Wort, das seine Lippen verließ ein Stück sympathischer. Ich konnte bis heute noch nicht verstehen, wie ich es geschafft hatte, dass ich ihn von einer Freundschaft überzeugen konnte.

Der Samstag kam und ich packte gerade noch ein paar Kleinigkeiten ein, falls ich doch länger bleiben sollte. Ich war immer noch gänzlich davon überzeugt, dass ich mit Marc reden wollte und ihn auch von unserer Beziehung überzeugen würde. Niemals wollte ich mit einem einfachen Nein gehen. Er musste mir eine bessere Erklärung geben als seine Letzte. Die kaufte ich ihm nämlich nicht ab. In meinen Augen gab es niemanden, der besser zu mir passte als Marc. Er war der Mann meiner Träume und alleine bei der Erinnerung an seine dunkle, warme und beschützende Stimme lief mir ein Schauer über den Rücken.

Ich wollte wieder in seinen starken Armen versinken und seinen herben Duft einatmen. Seine großen Hände sollten mich halten und die Welt um uns herum aussperren. Warum konnte es nicht mehr so sein, wie in unserer ersten Nacht. Das erste und einzige Mal, dass ich neben ihm liegen durfte. Es wirkte für mich heute nur noch wie ein Traum und diesen wollte ich jetzt endlich zur Wirklichkeit machen.

Voller Tatendrang warf ich mir meinen Rucksack auf den Rücken und verabschiedete mich mit einem kurzen Wort von meinen Eltern. Nur mein Vater wusste, wohin ich wirklich unterwegs war. Für Mutter würde ich mich ein wenig mit Leon und Alex treffen. Ich wollte nicht auch noch gegen sie kämpfen müssen. Erst einmal musste ich die Wogen in meiner Beziehung wieder glätten, bevor ich sie verteidigen konnte.

Ich seufzte, als ich die Haustür hinter mir ins Schloss zog und langsam den kleinen Garten durchquerte. Ich hatte gut Zeit. Der Bus in die Stadt von Marc würde erst in einer viertel Stunde fahren und um zur Haltestelle zu kommen, musste ich nur dreimal umfallen. Dennoch wollte ich ihn auf gar keinen Fall verpassen. Marc würde sich schon noch umsehen, wenn ich vor seiner Tür stand und ich hoffte für ihn, dass er dann bessere Argumente hatte, als bei unserem letzten Gespräch.

„Du fährst wirklich?“ Die Stimme von Alex stoppte mich und erst jetzt erkannte ich, dass er neben unserem Gartentor stand. Seine Hände hatte er in den Jackentaschen versteckt und er starrte auf den Boden. Es dauerte zwei Herzschläge bevor er sich von der Wand abstieß und mich dann ansah.

„Sieht ganz so aus. Du willst mich nicht gehen lassen, richtig?“ Ich machte mich auf einen erneuten Ausbruch von Alex gefasst, doch er sah mich nur verzweifelt an, bevor er dann den Kopf schüttelte.

„Ich habe nicht das Recht, es dir zu verbieten. Dennoch würde ich gerne wissen, warum du das tun willst. Marc hat dich jetzt wochenlang ignoriert. Mastermind kontaktiert dich und als dieser Idiot mit dir Schluss macht, beschließt du, dass du zu ihm fahren willst. Wieso lässt du ihn nicht los, obwohl er dir nur Kummer bereitet und dich offensichtlich in Gefahr bringt?“

„Weil ich ihn liebe, Alex. Er gibt mir so ein gutes Gefühl. Ich will das Alles nicht so einfach wegwerfen. Außerdem, wenn ich jetzt nicht kämpfen sollte, dann würde ich ihm Recht geben, aber er ist mir nicht egal. Ich will meine Zukunft mit ihm teilen. Verdammt, Alex! Ich liebe ihn! Das wirft man nicht einfach so über Board!“

„Du bist jung, Felix. Irgendwann würdest du schon einen neuen Partner finden. Liebe kommt und geht. Marc ist doch nur eine Schwärmerei für dich und daher ist er es nicht wert, dass du dich so sehr an ihn kettest. Er ist nicht dein Seelenpartner.“

„Woher willst du das wissen?! Aber selbst wenn du Recht haben solltest... Es wäre mir egal, Alex! In diesem Moment liebe ich ihn und ich will ihn nicht so einfach aufgeben! Darum, bitte, Alex. Lass mich gehen. Wenn du wirklich mein bester Freund sein willst, dann lässt du mich zu ihm.“

Irgendetwas berührte ich in Alex, denn plötzlich trat ein Funkeln in seine Augen und er senkte kurz mit einem Lächeln seinen Kopf, bevor er mir auf die Schulter klopfte: „Wenn du glaubst, dass es das Richtige ist, dann geh. Du weißt, wo du mich findest, wenn es nicht so gut läuft. Ich werde immer da sein, ja?“

Ich hörte ein leichtes Zittern in seiner Stimme und er konnte mir auch nicht mehr in die Augen sehen, als er sich dann schon von mir abwandte und davon ging. Ein komisches Gefühl breitete sich in meinem Herzen aus und zauberte ein Lächeln auf meine Lippen. Erneut war ich froh, dass Alex mein Freund war.

Kurz rückte ich meinen Rucksack auf meinem Rücken zurecht und wandte mich dann in die Richtung der Haltestelle. Jetzt konnte mich nichts mehr davon abhalten, dass ich zu Marc fuhr. Ich wollte mit ihm reden und ihm zeigen, dass eine gemeinsame Zukunft nicht unmöglich war. Zumindest, wenn wir es wirklich beide wollten…

Das Wohnhaus erhob sich vor mir und ich spürte, wie ich nervös wurde. Alles in mir schrie danach, dass ich ihn vielleicht zumindest vorher anrufen sollte, aber eine kleine Stimme flüsterte mir zu, dass er wahrscheinlich eh nicht rangehen würde.

Ich atmete noch einmal tief durch, um mich zu sammeln, bevor ich an die Klingelleiste trat und kurz nach seinem Namen suchte. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich gar nicht wusste, wie er mit Nachnamen hieß. Verzweiflung stürmte meinen Verstand, als mein Herz schneller zu schlagen begann und ich weiter auf die mir unbekannten Namen starrte.

Ich erinnerte mich noch genau an seine Wohnungstür, aber die Haustür wollte sich nicht öffnen lassen. Entweder ich klingelte auf gut Glück bei einem beliebigen Namen oder ich wartete darauf, dass jemand rein oder raus ging.

Kurz sah ich mich auf der Straße um. Sie wirkte fast leer. Nur vereinzelt fuhren Autos an mir vorbei. Es konnte eine halbe Ewigkeit dauern, bis hier jemand käme, der mich reinließe. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und klingelte bei jemandem. Ich machte mich schon darauf gefasst, dass ich gefragt wurde, wer da war, doch ohne dass eine Stimme erklang, hörte ich das Surren des Türöffners.

 

Sofort hastete ich zur Tür und drückte sie auf. Der erste Teil war also geschafft. Jetzt nur noch hoch zu Marc und ihn überzeugen. Das würde ich jetzt auch noch hinkriegen. Ich fühlte mich stark und unaufhaltsam, als ich die Treppen emporstieg, um dann vor meinem Ziel stehen zu bleiben.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich spürte, wie die Zweifel zurückkamen, aber dort war auch die Freude, Marc endlich wiederzusehen. Kurz kam mir in den Sinn, dass es passieren könnte, dass er wütend auf mich wurde, doch diese Möglichkeit schob ich nach ganz weit hinten. Ich war hier und Marc liebte mich. Niemals könnte er mich so mir nichts dir nichts wegschicken. Das war nicht möglich.

Mit einem tiefen Atemzug drückte ich auf die Klingel und wartete darauf, dass sich die Tür öffnen würde. Jede Sekunde, die verging, machte mich nervöser und verstärkte das Kribbeln in meinem Bauch. Bald würde ich ihn wiedersehen. Schon bald würde ich seine Stimme hören und mich in seine Arme werfen können. Niemals würde er mich einfach wegschicken können.

Ich wartete lange und in mir starb die Freude unter dem Verdacht, dass er wohl nicht Zuhause war. Es war vielleicht doch keine gute Idee gewesen, ohne Ankündigung zu ihm zu fahren. Wieso nahm ich auch an, dass er da war? Ich wusste, doch wie beschäftigt er immer war. Hatte ich denn gar nichts aus unserer Zeit gelernt? Gott, wie dumm kam das jetzt, wenn ich hier vor seiner Tür auf ihn wartete? Das wirkte ja überhaupt nicht verzweifelt! Wieso hatte ich nicht besser nachgedacht oder gleich auf Alex gehört! Stopp! Nein! So weit wollte ich jetzt nun auch wieder nicht gehen. Ich war hier, um zu kämpfen und wenn es sein müsste, würde ich auf seine Rückkehr warten.

Gerade freundete ich mich mit dem Gedanken an, dass ich vor seiner Tür kampieren würde, als sie sich dann doch vor mir öffnete. Freude stürmte mein Herz, als sich das Holzgebilde bewegte und ich wollte schon gleich lossprudeln, doch als ich in das fremde Gesicht blickte, kam ich gerade einmal bis zum „Hi“.

Neckische, gefährlich tiefe, grüne Augen sahen mich an. Das lange, schwarze Haar fiel nass über die breiten Schultern. Mein Gegenüber hatte gerade ein mal ein lässiges T-Shirt und eine Jogginghose an. Kurz wurde ich gemustert, bevor sich der Fremde zurück in die Wohnung drehte und zu rufen anfing: „Darky? Da steht ein verschüchterter Zwerg vor der Tür! Ich glaub, der hat sich verlaufen!“

Darky? Mir war klar, woher diese Abkürzung kam, aber das zeigte mir auch, dass mein Gegenüber Marcs richtigen Namen nicht kannte. Er schien ein Kerl aus dem Internet zu sein. Aber warum war er jetzt hier in Marcs Wohnung? Das machte keinen Sinn! Marc liebte mich doch!

Ich spürte, wie sich meine Augen mit Tränen füllten, als ich die Antwort meines Geliebten hörte: „Ein Zwerg? Ich erwarte heute keinen Besuch. Lass mal sehen.“

Im nächsten Moment erschien auch Marc vor mir. Sein Haar war ebenfalls nass, doch er trug nur eine Stoffhose und ein Handtuch um seine Schultern. Das Wasser lief in sanften Bahnen über seine breite Brust und veranlasste mich trocken zu schlucken. Wie konnte ein einziger Mensch so wunderschön sein?

Es dauerte einen Moment bis ich mich von seinem Oberkörper lösen konnte und in sein Gesicht sah. Dort war keine Liebe, keine Freude oder Zuneigung, sondern nur Erschrecken und Verwirrung. Wieso war der Kerl bei ihm?

„Felix?! Wieso? Was machst du hier?“ Kurz sah sich Marc im Flur um, bevor er mich dann schon fast grob in seine Wohnung zerrte. Er schloss die Tür hinter uns und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Immer noch versuchte ich zu verstehen, was das Alles zu bedeuten hatte.

„Ich wollte noch einmal mit dir reden.“ Meine Stimme war leise und ich war mir nicht einmal sicher, ob mich Marc überhaupt gehört hatte, doch anscheinend war dies der Fall, denn es trat Mitleid in seine Augen.

„Warum hast du nicht vorher angerufen?“ Marc war die Situation sichtlich unangenehm, wobei er dann schon abwinkte und mich ins Wohnzimmer schob. „Ist jetzt auch egal. Nimm ruhig auf der Couch Platz. Willst du etwas trinken?“

Ich verstand nicht, was er gerade versuchte, doch ich konnte durchaus etwas zum Trinken gebrauchen: „Ja, wäre nicht schlecht. Wer? Wer ist der Kerl?“ „Alles zu seiner Zeit, Felix. Setzt dich bitte. Ich mache uns schnell einen Tee, okay?“ Ich nickte nur als Zustimmung und trat dann gänzlich in das Wohnzimmer ein.

Irgendwie fühlte ich mich lächerlich mit meinem Rucksack voller Hoffnungen auf den Rücken vor dem unbekannten Kerl auf der Couch, der mich breit angrinste. Alles in mir sträubte sich, mich zu ihm zu setzen. Er musterte mich ruhig weiter, während er breit auf der Couch saß. Mein Blick glitt kurz zu dem Sessel. Der schien schon um einiges verlockender.

Mit gesenktem Haupt trottete ich an mein Ziel, ließ den Rucksack daneben auf den Boden gleiten und nahm dann darauf Platz. Ich hörte, wie sich der Fremde bewegte und zwang mich immer noch seinen Blick auszuweichen.

„Hast du Angst, Zwerg? Was hast du denn in deinem Beutel?“ Die Stimme kam mir jetzt beim zweiten Mal hören auf sonderbare Weise bekannt vor. Sie schürte die Angst in mir, die ich diesem Menschen gegenüber empfand, doch auch wenn ich wusste, dass ich nicht mit ihm reden sollte, beantwortete ich ihm seine Fragen. Er schien ein Freund von Marc zu sein, also sollte ich versuchen mich gut mit ihm zu stellen. „Ich bin verwirrt und in meinem Rucksack hab ich nur ein paar Sachen zum Übernachten.“

Plötzlich lachte der Kerl auf und ein eisiger Schauer glitt über meine Rücken, als mich die Erkenntnis traf, noch bevor ich seine nächsten Worte hörte: „Ach, du bist das. Der Welpe!“

Mastermind! Warum war Mastermind hier?

Meine Augen waren vor Schreck geweitet und ich zog mich noch mehr zusammen. Kauerte mich schon fast auf dem Sessel hin, um so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Niemals hatte ich damit gerechnet, dass der Kerl hier sein würde.

„Warum?“ Mehr brachte ich nicht über meine Lippen. Ich spürte, dass ich die Antwort nicht hören wollte, aber alles in mir schrie, dass ich diese Situation endlich verstand. Jede Sekunde, die ich mehr in Unwissenheit verbrachte, schürte das Gefühl in mir, dass ich ein unbedeutender Wicht war, dem man nichts erzählen musste.

Mastermind lächelte breit und beugte sich nach vorne. Er wirkte nun auf mich, als würde er mich belauern. Bereit zum Sprung und mich zu erlegen, was mein Unwohl fühlen nur noch stärker werden ließ. Ich wusste, dass er meine Frage gehört hatte. Das teuflische Glitzern in seinen Augen nahm immer mehr zu, desto länger er mich betrachtete.

„Ich hab Darky ein wenig abgelenkt. Das war alles.“ Er zuckte mit den Schultern und entgegen meiner Erwartungen lehnte er sich wieder nach hinten und machte sich breit, während ich mit jeder Sekunde, die verging, kleiner wurde. Ich hätte wirklich vorher anrufen sollen oder auf Alex hören. Seine Ängste wegen Mastermind waren berechtigt gewesen. Wie sehr ich mir gerade wünschte, dass er jetzt bei mir wäre.

Schließlich kam Marc mit einem Tablett in das Wohnzimmer. Darauf stand eine Kanne mit dampfendem, rotem Tee, drei Tassen und eine Dose mit Zucker. Nur langsam entspannte ich mich, da ich nun nicht mehr mit Mastermind alleine war. Ruhig stellte Marc das Tablett auf den Couchtisch und schenkte dann ruhig ein. Mastermind bekam die erste Tasse, wobei er ohne zu fragen einen Löffel Zucker rein gab. Als er die zweite Tasse einschenkte, sah er mich fragend an: „Willst du auch Zucker, Felix?“

Бесплатный фрагмент закончился. Хотите читать дальше?