Engel und Dämon

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„So schnell sieht man sich wieder. Du siehst verwirrt aus. Hast du irgendeine Frage, die du dir nicht selbst beantworten kannst?“ Die Stimme durchdrang die Gedanken des Blonden, wobei dieser seinen Blick wieder vom Boden abwandte und auf den Jungen sah, der auf den Rücken des stolzen schwarzen Pferdes saß. Wieso war er hier? Hatte er ihn nicht weit weg reiten sehen?

„Cido? Warum bist du hier? Ich dachte, dass du ins Dorf reiten willst.“ Xenio war über das Auftauchen des anderen Jungen verwirrt, wobei dieser nur träge lächelte. „Ja, das wollte ich auch, aber dann ist mir eingefallen, dass du bestimmt noch irgendwo unterwegs sein musstest und ich habe kehrt gemacht. Schließlich will ich dich nicht in einer überfüllten Stadt töten. Das würde zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen.“

„Du hast von deinem Vorhaben also noch nicht abgelassen?“ Die eisblauen Augen des Kämpfers gefroren, wobei Cido nicht verhindern konnte, dass ihn ein Schauer über den Rücken lief. „Nein, habe ich nicht. Ich habe es Kevin versprochen. Schließlich ist er für mich gestorben.“

„Er ist für dich gestorben? Wie hast du denn das geschafft?“ Xenio wurde immer verwirrter. Sein Weltbild zerbrach Stück für Stück und das gefiel ihm nicht. Er mochte es nicht, wenn er seine Denkweise ändern musste. Das würde nämlich bedeuten, dass er falsch lag und er durfte sich nicht irren. Niemals und vor allem nicht in diesem Fall.

„Ja, ist er. Der Tod von Sebastian hat den Menschen in ihm erweckt und in einem Kampf gegen seinen Peiniger hat er diesen getötet und ist selbst dabei gestorben. Ohne ihn wäre ich jetzt tot und das Dorf wäre auch ausgelöscht worden. Er hat seine Sünden wieder gut gemacht und seinen Opfern durch seinen Tod ihr Leben zurückgegeben. Nur Sebastian ist noch tot, denn diesen Menschen hast du getötet“, erzählte Cido ruhig die gekürzte Fassung der Geschichte, wobei ihn Xenio immer noch ungläubig ansah.

Er konnte es nicht glauben, dass diese Bestie sich für jemanden opfern konnte. Das war wider ihrer Natur. Doch dann schnaubte er nur und fixierte den Jungen vor sich. „Mein Tod wird aber Sebastian nicht zurückbringen. Ich bin nicht verflucht. Willst du deine Hände wirklich mit meinem Blut beflecken? Es wird weder Kevin noch Sebastian wieder zum Leben erwecken. Du wirst dann nur mit der Schuld leben müssen, dass du jemanden getötet hast.“

„Nein, du irrst dich. Klar, sie werden dadurch nicht mehr lebendig. Da stimme ich dir zu. Aber ihre Seelen können Frieden finden und ich hätte kein schlechtes Gewissen, denn ich hätte die Welt dann nur von einem unnötigen Mörder befreit. Also hätte ich ihr einen Gefallen getan“, widersprach Cido dem Kämpfer, wodurch dieser nur belustigt auflachte. „Wenn man dich so reden hört, dann könnte man es dir glatt glauben. Aber ich sehe es dir an. Du bist nicht fähig jemanden zu töten. Außerdem woher willst du wissen, dass ich ein Mörder bin? Sebastians Tod war ein Unfall, der mir schrecklich Leid tut. Aber sonst habe ich nur Tiere getötet und keine Menschen. Ich kam um das Dorf zu befreien, indem ich die Bestie töten wollte. Doch wie du ja gesehen hast, ging mein Plan ein wenig schief.“

Cidos Augen flackerten kurz unter der Unsicherheit, die Xenios Worte in seinem Verstand säten, wodurch der Kämpfer noch breiter, dämonischer lächelte. „Siehst du? Ich habe Recht. Du bist dir nicht sicher und du wirst mich niemals töten. Denn du kannst es einfach nicht.“

Der Körper des Braunhaarigen zitterte leicht und er hatte den Blick von Xenio abgewandt, wobei er mit den Tränen kämpfte. Der Kämpfer hatte Recht. So verdammt Recht. Er war nicht fähig diesen zu töten. Aber nicht weil er nicht töten wollte, sondern weil er diesen Menschen nicht töten konnte.

Zwischen ihnen existierte etwas. Eine Verbindung, die sich tief in ihr Schicksal graben würde. Das spürte Cido mit jedem Herzschlag, den er den Kämpfer weiter ansah. Er konnte sein Schicksal nicht töten, weil er damit auch sich selbst umbringen würde.

Plötzlich hörte er die Schritte, die an ihm vorbeischritten und als er seinen Blick hob, erkannte er Xenio, der einfach weiterging und somit dieses erneute Treffen für beendet erklärte.

Cido sah ihm nach, doch dann schüttelte er den Kopf und befahl Nojira ihm zu folgen. „Warte! Xenio! Wieso hast du den Jungen getötet?“

Der Kämpfer stoppte bei der Frage, als er dann tonlos seufzte und seinen Blick zurück auf den Boden wandern ließ. „Ich konnte den Schlag nicht mehr stoppen. Schließlich habe ich einfach angenommen, dass der Junge von der Bestie bedroht wird.“

„Du hättest sie vielleicht ansprechen sollen.“ Die Stimme von Cido war sanft und er lächelte sogar, wodurch Xenio nur schnaubte. „Das ist nicht meine Art. Ich hau erst drauf und stelle dann die Fragen. Erspart man sich meist einiges an Ärger.“

„Oder man schafft sich welchen.“ Die Worte waren nur ein Flüstern und im nächsten Moment trieb Cido das Pferd einfach an und ritt davon, wodurch Xenio ihm nur nachsah und seine Worte immer und immer wieder im Kopf wiederholte:

Oder man schafft sich welchen.

„Warum kann ich ihn nicht töten? Jedes Mal wenn ich ihn sehe, denk ich mir, dass ich jetzt sein Lebenslicht einfach auslösche, aber wenn ich ihm dann gegenüber stehe, kann ich es einfach nicht. Was er jetzt wohl tut? Bestimmt freut er sich darüber, dass Kevin tot ist. Er hat seine Rache bekommen. Das Biest lebt nicht mehr. Sicher wird er in seinem Dorf dann ein Freudenfest veranstalten.“ Cido seufzte, während er sich langsam im Schritt des Pferdes wiegen ließ.

„Dieser Typ hat es dir wirklich angetan, habe ich Recht?“, erklang eine sehr sanfte, weibliche Stimme, während sich der Brustkorb des Pferdes unter den Worten bewegte, wodurch Cido überrascht eine Augenbraue hob. „Seit wann kannst du sprechen? Vor allem warum tust du es jetzt erst? Du hättest mir deine Wünsche und Ideen so oft sagen können, anstatt mich durch die Gegend zu schubsen, wie du es gerade brauchst.“

„Schon immer und ich liebe es einfach Menschen anzustupsen“, erklärte sich Norija, was Cido nicht unbedingt glauben wollte und die Skepsis verschwand nicht aus seinem Geist, bevor er dann seufzte. „Ja, du könntest vielleicht Recht haben. Genauso wie der Kerl Recht hat. Ich kann ihn einfach nicht töten.“

„Gut, dann wäre das nun geklärt“, meinte Norija ruhig und schnitt dann ein anderes Thema an: „Nun zu meinen Problemen. Ich hab schon seit längerer Zeit Alpträume, in denen die Dunkelheit sich zusammenschließt und die Welt zu überrennen droht. Fast jede Nacht wache ich schweißgebadet auf und hoffe, dass dies niemals geschieht. In diesen Träumen seid auch ihr, du und Xenio, mir begegnet. Zwölf dunkelrote Augenpaare starren mich aus der Dunkelheit an, bevor sie die Seelen der Menschen überrennen und nur ihr Zwei steht zwischen der Welle aus Schwärze und den Menschen, die um ihr Leben schreien.“

„Na, das klingt ja wirklich prickelnd. Vor allem nach viel Spaß. Ich weiß nicht, was dieser Traum bedeutet, aber ich bezweifle, dass Xenio und ich jemals zusammen kämpfen werden. Schließlich ist er ein Mörder und ich habe nicht vor ihm zu vertrauen. Aber wenn deine Träume ein schlechtes Omen sind, dann sollten wir versuchen die Dunkelheit so gut es geht zu meiden.“ Cidos Stimme war alles nur nicht begeistert, wobei er kurz seufzte und den nächsten Worten des Pferdes lauschte: „Du bist gut. Man kann die Dunkelheit nicht meiden. Wo Licht ist, muss auch Schatten sein. Das ist ein Naturgesetz und es wird sich bestimmt für uns nicht einfach mal so ändern.“

„Ich weiß, aber wir müssen es zumindest versuchen. Wahrscheinlich ist es nicht gut, wenn wir in der Dunkelheit hier draußen sein werden. Wir sollten versuchen vor Einbruch der Nacht ein Dorf zu erreichen, wo wir sicher sind.“ Der Junge blieb einigermaßen ruhig, wodurch das Tier nur zustimmte und seine Schritte beschleunigte, denn die Sonne ging bereits unter und tauchte den Horizont in einen rötlichen Schein.

„Ob wir es schaffen?“ Norijas Stimme war unsicher, doch Cido klopfte ihr nur aufmunternd auf den Hals. „Wir schaffen das. Du bist schnell und das nächste Dorf dürfte nicht allzu weit weg sein. Es müsste bald auftauchen.“

„Was ist eigentlich mit Xenio? Er ist doch auch von dem Traum betroffen.“ Darüber wollte Cido nicht nachdenken, doch die Worte des Pferdes zwangen ihn dazu, wodurch er nur kurz erschöpft die Augen schloss. Eigentlich wollte er so wenig wie möglich mit diesem Menschen zu tun haben, doch dies schien nicht möglich zu sein.

„Er ist gut bewaffnet und weiß sich effektiv zu verteidigen. Der schafft es bestimmt auch alleine. Wir brauchen uns also keine Sorgen zu machen“, meinte Cido ruhig und lächelte kurz, bevor er sich leicht nach vorne legte, um Norija im Galopp zu unterstützen.

Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, in der Cido nur die Schläge der Hufe auf den trockenen Boden hörte, bis endlich eine Stadt am Horizont auftauchte.

„Endlich! Land in Sicht, Kapitän! Nach unendlicher Seereise ist endlich Land in Sicht! Sollen wir anhalten oder daran vorbei segeln?“, fragte Norija Cido ein wenig albern. „Natürlich wollen wir anlegen! Segel setzten und volle Kraft voraus!“, spielte der Gefragte sofort mit. Dann ging schon ein Ruck durch das Tier, als es seine Schritte noch einmal beschleunigte und sich die Umrisse immer schneller und deutlicher abzeichneten.

Doch auch die Dunkelheit wurde immer gegenwärtiger und tauchte die Welt in ein unheimliches Zwielicht, in der die Schatten zum Leben erwachten und sich zu grausigen Gestalten formten.

Im nächsten Moment wehte ein eiskalter Wind über das Land, der Cido streifte und ihn unangenehm frösteln ließ. Es war nicht nur die Kälte, die er brachte, sondern auch eine unaussprechliche Bedrohung, die ihm folgte.

 

Cido wollte gerade seine Erkenntnis mit Norija teilen, als das Pferd im nächsten Moment stolperte und der Junge im hohen Bogen über den Hals des Tieres flog.

Er überschlug sich selbst ein Mal, bevor er dann unangenehm bremste und liegen blieb. Sein ganzer Körper schmerzte. „Aua! Was sollte das? Warum bremst du so abrupt?“

„Ich habe nicht gebremst, sondern bin über etwas gestolpert“, begehrte Norija sofort auf, wodurch sich der Junge umsah, doch es gab nichts, was im Weg lag. „Verarschen kann ich mich auch ganz gut alleine. Hör auf mich zu belügen. Du hast das mit Absicht getan. Willst du mich denn umbringen?“

„Wenn ich das gewollt hätte, dann hätte ich dich die nächste Klippe runter geschmissen. So glaub mir doch. Irgendwas hat mir ein Bein gestellt“, verteidigte Norija ihre Unschuld, wodurch Cido nur schnaubte. „Gut zu wissen, dass du schon überlegt hast, wie du mich umbringen kannst.“

Er erhob sich und klopfte sich den Staub aus der Kleidung, wobei ihn jede Bewegung schmerzte, doch er versuchte es so gut es ging zu verstecken. Auch Norija kam langsam wieder auf die Beine, wobei ihr Blick sich nicht geändert hatte und man sah, dass sie sich von der Anschuldigung verletzt fühlte. „Sei doch froh, dass ich dich überhaupt trage. Du könntest genauso gut selbst laufen. Dann würdest du zumindest nicht mehr so tief fallen!“

„Ja, vielleicht wäre das besser. Dann würde ich wahrscheinlich auch länger überleben“, ging Cido sofort auf den Streit ein, wobei Norija etwas sagen wollte, doch eine dunkle Stimme mischte sich belustigt ein: „Sieh mal einer an. Hier hab ich ja bald nichts mehr zu tun. Ihr bringt euch ja schon fast gegenseitig um. Wie langweilig.“

Als sich der Junge zu der Stimme wandte, erblickte er einen schwarzen Löwen, der Stirnhörner trug und den Stachel eines Skorpions anstelle eines Schwanzes hatte. Er hatte so ein Wesen noch nie zuvor gesehen. Woher kam es? War dies eine Gestalt aus der Dunkelheit? Die rot glühenden Augen würden zumindest dafür sprechen.

„Ein Marcanos!“ Die Stimme von Norija war voller Angst, wodurch Cido in seiner Vermutung bestätigt wurde. Das war eine der Gestalten von denen das Pferd geträumt hatte.

„Du siehst richtig, Fürstin der Finsternis. Warum hast du uns verlassen? Du hättest an der Seite von Satan diese Welt regieren können, schwarzes Einhorn“, sprach der Neuling weiter, wodurch Cido noch weniger verstand und er sich fragend zu der Stute wandte: „Einhorn?“

„Ja, du musst nur daran glauben, dann siehst du das Horn“, erklärte sich Norija, wodurch Cido ungläubig mit den Augen blinzelte, als das schwarze Horn vor seinen Augen erschien. Es glänzte majestätisch im Schein des Mondes und zog jeden Sterblichen in seinen Bann, wodurch Cido seine Hand hob und es sanft berührte.

Ein gleißender Schmerz durchschoss seine Finger und er zog sie gepeinigt zurück, wobei er Norija ein wenig vorwurfsvoll ansah. „Das ist ja messerscharf.“

„Ja, ich weiß. Ich bin keines dieser weißen Einhörner, die den Menschen helfen und ihnen ihre Träume erfüllen. Nein, ich bin schwarz wie die Nacht und geboren, um zu zerstören. Aber ich kann es einfach nicht. Ich kann nicht dabei zusehen, wie die Welt zerstört wird.“ Sie senkte demütig ihr Haupt, denn die Scham über ihr Sein kehrte zurück und legte sich schwer auf ihre Seele.

„Unsinn. Du bist ein schwarzes Einhorn. Deine Zauber sind kraftvoll und mächtig. Das Horn dient perfekt für den Angriff und dazu, um für einen schnellen Tod des Gegners zu sorgen. Sie ist das perfekte Böse“, sprach das Löwenwesen einfach weiter, wobei Cido auf seine Hand sah, die nun leicht zu bluten anfing.

„Es tut mir Leid. Ich hätte dich warnen sollen.“ Die Stimme des Einhorns war bedrückt und sie wagte es nicht den Jungen anzusehen.

„Du bist schön. Wunderschön. Und du kannst es mit allen weißen Einhörnern auf der Welt aufnehmen. Doch dein Horn ist wirklich gefährlich“, versuchte Cido das Tier aufzuheitern, wobei er leicht lächelte und auch Norija wirkte ein wenig positiver gestimmt.

„Genug geredet. Kommen wir endlich zur Sache. Ich hab noch mehr zu erledigen“, mischte sich der Marcanos ein, wobei er mit einem markerschütternden Schrei auf Cido zustürmte. Sein Haupt senkte er dabei und ließ seine tödlichen Hörner auf den Jungen zurasen. Dieser starrte ihn nur an. Was sollte er tun? Musste er wirklich kämpfen? Aber seine Glieder fühlten sich so schwer an. Er konnte sich nicht bewegen. Würde er jetzt sterben? Nein, bitte nicht…

„Langsam wird es dunkel. Ich sollte mir ein Lager aufbauen und morgen weitergehen“, reagierte Xenio auf die angebrochene Dunkelheit. Er war es gewohnt in der Wildnis zu übernachten. Schließlich hat er so einen Großteil seiner Kindheit verbracht, wodurch er den Weg verließ und damit begann ein Lager aus Ästen und Blätter zu bauen.

Die Nacht war kalt, sonst hätte er darauf verzichtet, doch nun wollte er nicht riskieren, dass ihn die tiefen Temperaturen überraschten und vielleicht das Leben kosteten. Doch kaum war alles fertig gebaut, spürte er eine andere Präsenz. Sie wartete auf etwas und starrte ihn an. Er konnte ihre Blicke auf seinem Rücken spüren.

Worauf wartete sie? Warum griff sie ihn nicht einfach an? Was versprach sie sich von dieser Position? Dort waren eindeutige Mordabsichten zu spüren, dennoch rührte sich der Fremde nicht und ohne sein Zutun wanderte seine Hand langsam immer tiefer, aber blieb auf der Höhe seines Gürtels liegen.

Er spürte, wie die Angst allmählich seinen Geist befiel und sich Stück für Stück seiner Gedanken bemächtigte. Doch er zwang sie nieder. Sie würde ihn nur unnötig belasten und vielleicht in den Tod treiben. Beides waren Dinge, auf die er getrost verzichten konnte.

Seine Sinne waren geschärft und er lauschte auf jedes noch so verräterische Geräusch, doch er vernahm nichts. Er schien alleine zu sein, doch Xenio wusste, dass es nicht so war. Die Gegenwart des anderen war für ihn fast greifbar.

Langsam wanderte seine Hand zu dem Schwertgriff und legte sich um diesen, wobei sein Blick weiter versuchte die Dunkelheit zu durchdringen. Ohne Erfolg. Er konnte niemand sehen und erneut beschlich ihn die falsche Sicherheit, dass er doch alleine war. Sein Instinkt sagte ihm etwas anderes und dieser hatte ihn noch nie getäuscht.

„Zeig dich, Feigling! Ich weiß, dass du da bist!“, schrie er auf und hoffte, dass sein Beobachter sich daraufhin zu erkennen geben würde, wodurch er im nächsten Moment das Geräusch von Hufen vernahm und einige Atemzüge später tauchte ein schwarzer Pegasus vor ihm auf.

„So? Du nennst mich also einen Feigling, was? Derweil bist du es, der hier Angst hat“, spottete das Tier, wobei seine roten Augen den Menschen unnachgiebig fixierten.

Xenio verstand nicht, was dieses Wesen von ihm wollte, wodurch er den Geflügelten nur verwirrt ansah. „Was willst du von mir und warum versteckst du dich in der Dunkelheit?“

„Nun ja, ich will nicht viel von dir. Nur dein Leben. Also eine Kleinigkeit. Und warum ich mich verstecke? Das tat ich nicht. Ich habe dich nur aus der Dunkelheit heraus beobachtet, um mich zu vergewissern, dass du der Richtige bist. Und ja, das bist du. Deine Aura ist unverwechselbar stark. Du bist der Junge, der unsere Herrschaft bedroht“, sprach der Pegasus ruhig weiter, wobei Xenio noch weniger verstand. „Ich bedrohe niemanden. Den Einzigen, den ich besiegen wollte, ist mittlerweile tot. Ich habe keine Ambitionen mehr irgendwen anzugreifen oder gar zu töten.“

„Jetzt vielleicht nicht. Aber glaube mir, das wird noch geschehen. Du wirst es nicht verhindern können. Niemand kann seinem Schicksal entgehen. Auch du und der braunhaarige Junge nicht.“ Das geflügelte Pferd näherte sich nicht mehr, sondern war in einem angenehmen Abstand stehen geblieben.

„Was hat Cido damit zu tun?“ Der blonde Kämpfer verstand immer weniger, „der ist ja nicht einmal in der Lage irgendwen anzugreifen. Warum sollte er eurem Plan im Weg stehen? Mich kann ich ja noch verstehen, aber ihn? Nein, das kann ja nur ein Scherz sein.“

„Das Schicksal will es so. Die Prophezeiung hat uns vor euch gewarnt und somit müssen wir euch vernichten. Lieber jetzt, als dann wenn ihr euer Schicksal angenommen habt.“ Der Schweif des Pegasus schlug unruhig hin und her.

„Nun, wenn es wirklich nicht anders geht, dann greif mich an. Aber ich versichere dir. Der Preis für mein Leben ist vielleicht zu hoch für dich.“ Damit zog Xenio die Klinge aus ihrer Scheide und stellte sich in Angriffshaltung, wodurch er das Schwert ruhig vor sich hielt und einen sicheren Stand mit seinen Beinen suchte.

Doch das Fanatsiewesen bewegte sich keinen Zentimeter sondern schien noch auf irgendetwas zu warten, wodurch Xenios Augen sich unwillig verdunkelten. „Worauf wartest du?“

„Auf das Zeichen meines Freundes Marco. Er greift gerade den braunhaarigen Jungen an und wir haben einen kleinen Wettbewerb am Laufen, wer wohl seinen Gegner schneller tötet. Nun warte ich auf das Startsignal.“ Der Pegasus setzte sich gelassen hin, wodurch er Xenio nur noch mehr verwirrte und er sich kurz entspannte. „Bitte was?“

„Mein Freund Marco, der Marcanos, ist gerade bei deinem kleinen Freund und dessen Begleiter um sie auszulöschen. Klar, es scheint unfair zu sein, weil ich nur einen besiegen muss und er zwei, doch dafür hat er auch die besseren Waffen und ich nun ja. Sieh mich doch an, ich bin nur ein fliegendes Pferd. Wie soll ich da schon jemanden töten?“, erklärte sich der Pegasus ruhig, jedoch verlor Xenios Blick seine Skepsis keine Sekunde. „Und das soll ich dir jetzt glauben?“

„Du kannst es auch sein lassen. Schließlich wirst du eh nicht mehr lange leben.“ Diese Überheblichkeit in der Stimme seines Gegners gefiel dem Blonden nicht. Doch was sollte er tun? Und als das geflügelte Pferd demonstrativ seine Mähne nach hinten warf, schürte es die Wut in Xenio noch mehr. Er ließ sich doch nicht so vorführen! Was dachte sich dieses Mistvieh dabei?! Niemand spottete so über ihn! Nicht über ihn! Niemals!

Seine Finger legten sich wieder fester um den Schwertgriff und im nächsten Moment stürmte er auf seinen Gegner zu. Er attackierte den Pegasus direkt und ohne Umwege, jedoch hob dieser nur seinen linken Huf und wehrte den Schwerthieb ab, bevor er den Kämpfer ein wenig von sich stieß. „Na, na, na. Ich bitte um ein wenig Geduld. Es dürfte nicht mehr allzu lange dauern. Genieße lieber deine restlichen Atemzüge noch und schließe deinen inneren Frieden. Wir wollen ja nicht, dass du irgendetwas in deinem Leben noch bereust, wenn du stirbst.“

Xenio konnte es nicht fassen. Sein Angriff hatte ihm keinen Schaden zugefügt. Wie sollte er dieses Wesen töten, wenn er es nicht angreifen konnte? Das war doch unmöglich. Aber irgendeine Schwachstelle musste er doch haben. Irgendwo.

Seine Augen huschten über den schwarzen Körper und suchten diesen nach verwundbaren Punkten ab. Er wusste nicht, woher er diese Fähigkeit besaß, doch er konnte den Schwachpunkt eines Wesens direkt sehen, wenn er sich darauf konzentrierte, was voraussetzte, dass er ein wenig Ruhe hatte.

Gerade als das leichte, rote Glitzern in sein Blickfeld geriet, wurde die Stille von einem Löwengebrüll durchbrochen. Im nächsten Moment erhob sich das geflügelte Wesen wieder. Es fixierte den Kämpfer nun finster. „Das war das Zeichen. Nun wird es Zeit zu sterben, Jüngling.“

Das Pferd stieß einen Schrei aus, der niemals aus solch einer Kehle hätte kommen können, doch das Blut in Xenios Adern gefrieren ließ und kurz darauf stürmte sein Feind schon auf ihn zu.

Xenio konnte den Tritten und Stampfern des Tieres mit flüssigen Bewegungen ausweichen, wobei er kritische Angriffe mit seinem Schwert blockte. Immer das rote Glitzern vor den Augen. Diese Stelle musste er treffen, dann wäre der Kampf vorbei.

Mit einem schwungvollen Schlag trieb er das Tier von sich weg, bevor er das Schwert fester griff und die Stelle fixierte. Sie lag auf Herzhöhe, jedoch war sie nur von der Seite aus zu erreichen.

Mit einem verzweifelten Schrei rannte er auf das Tier zu, sofort versuchte dieses nach ihm zu schlagen, doch Xenio duckte sich unter den Hufen hinweg und ließ sich kurz auf den Boden fallen, um mit einer Rolle neben dem Tier zum Stehen zu kommen. Noch im Sprung nach oben riss er sein Schwert empor und stieß es mit aller Kraft in die einzige Stelle, die an diesem Tier verwundbar war.

Sein Feind wusste nicht, wie es um ihn geschah, als Schmerzen durch seinen Körper rasten und das Leben aus ihn herausrissen. „Was? Wie hast du…?“

„Das ist meine Fähigkeit. Ich kann jede Schwachstelle erkennen. Egal von welchem Wesen. Dafür aber brauche ich Zeit. Zeit, die du mir mit dem langen Gespräch gegeben hast“, erklärte sich Xenio, wobei er unberührt auf das sterbende Wesen herabblickte.

 

Er sah, dass der Pegasus noch etwas sagen wollte, doch da erlosch der letzte Lebensfunke in ihm und die Worte blieben unausgesprochen auf dessen Lippen liegen.

Doch dem Jungen war es egal. Er wollte nicht noch mehr von diesem Wesen hören, wodurch er das Schwert aus dem toten Körper zog und das Blut kurz abschlug, bevor er es zurück in die Scheide steckte. Dieser Sieg war einfacher als erwartet. Zwar wusste Xenio, dass er dank dieser Fähigkeit oft Kämpfe verkürzen konnte, doch meistens besaß er nicht die nötige Ruhe um sie einzusetzen.

Er schritt an der Leiche vorbei und folgte mit zügigen Schritten dem Weg. Seine Zeit lief ihm davon. Wahrscheinlich würde er eh zu spät kommen, doch er wollte es versuchen. Denn irgendwie konnte er es nicht zulassen, dass man Cido tötete. Irgendetwas in ihm bäumte sich bei dem Gedanken, dass der braunhaarige Junge tot sein konnte, schmerzhaft auf und ließ in ihm den Wunsch erwachen, dass er dies verhindern musste. Er musste ihm helfen, wobei er nicht einmal den Grund dafür wusste. Er war sich nur einer Sache wirklich sicher, dass er seines Lebens nicht mehr froh wurde, wenn Cido starb…

„Pass auf! Seine Hörner sind gefährlich!“, warnte Norija Cido, dieser jedoch lächelte nur schmerzverzerrt, bevor er seine Hand auf die Wunde an seinem Bauch legte. Es war nur ein Kratzer. Er konnte noch ausweichen und somit schlimmeres verhindern. Dennoch schmerzte es, auch wenn es nicht stark blutete.

„Das hab ich auch schon bemerkt“, schnaubte der Braunhaarige zornig, als erneut ein Schrei erklang und der Marcanos zufrieden nickte. „Gut, Pegio hat auch angefangen den Jungen zu attackieren. Dann können wir ja weitermachen.“

Sie waren also zu zweit. Der Traum von Norija war richtig. Cido und Xenio sollten diese Dunkelheit verhindern, doch wie sollte das gehen? Sie waren doch nicht stark genug und der Braunhaarige besaß ja nicht einmal eine Waffe um sich gegen den Marcanos zu verteidigen.

Erneut stürmte das Löwentier auf den Jungen zu, doch er konnte ausweichen, wobei sein Blick verzweifelt zu Norija glitt. „Warum hilfst du mir nicht?! Du könntest ihn doch einfach besiegen! Ich dachte, dass wir Freunde wären!“

„Tut mir Leid, das ist dein Kampf und ich mische mich nicht gerne ein“, verweigerte das Einhorn seine Hilfe, wodurch Cido sie fassungslos ansah. „Wie bitte?! Willst du mir sagen, dass du, wenn es so sein sollte, untätig dabei zusehen wirst, wie mich dieses Monster umbringen wird!?“

Das Schweigen des gehörnten Pferdes war Antwort genug, wodurch Cido sich fühlte, als würde man ihm den Boden unter den Füßen wegziehen und beinahe hätte er dem nächsten Angriff von dem Marcanos nicht ausweichen können.

„Das kann doch nicht dein Ernst sein!?“ Cido konnte es nicht fassen. Er war der festen Überzeugung, dass Norija seine Verbündete war, doch jetzt stand sie da und tat nichts um ihm zu helfen. Sie würde einfach dabei zusehen, wie er sterben würde. Das ging doch auf keine Kuhhaut.

„Doch ist es. Und jetzt pass lieber auf, Junge. Sonst stirbst du schneller als dir lieb ist“, mischte sich Marco ein und fixierte den Braunhaarigen dunkel, doch Cido wich auch jetzt wieder nur aus.

Er konnte alleine nicht gewinnen. Das Energiefeld, das ihn gegen Kevin geholfen hatte, unterstand nicht seiner Kontrolle und auch so führte er keine Waffe mit sich. Er war hilflos und würde sterben, wenn kein Wunder geschah.

Erneut stürmte der Marcanos auf ihn zu, doch bevor dieser bei Cido ankam, durchschnitt ein Pfeil die Luft und schlug hart in die Schulter des Tieres ein, wodurch es zu Fall gebracht wurde. Er blieb nur wenige Meter vor dem Jungen liegen und stöhnte unter Schmerzen.

Cido verstand es nicht. Wo kam dieser Pfeil denn jetzt her? Irritiert sah er in die Richtung und erblickte den weiß gekleideten Kämpfer, der sich dem Schauplatz näherte und den Bogen zurück auf seinen Rücken legte, bevor er die Klinge aus der Scheide zog und sich das Mondlicht in dem Metall spiegelte.

„Xenio? Du hier?“ Cido traute seinen Augen nicht. Er hätte niemals damit gerechnet, dass ihm der Kämpfer zur Hilfe eilte, wobei Marcanos ebenso verwirrt war. „Was ist mit Pegio geschehen?“

„Ich bin hier, um für dich zu kämpfen und der Pegasus hat das Duell verloren“, beantwortete Xenio die Fragen mit einer ungewohnten Ruhe, wobei er schließlich auf dem Kampfschauplatz zu stehen kam und Marco dunkel fixierte. Dann hob er sein Schwert und deutete damit auf diesen. „Also, bist du bereit zu sterben?“

Doch Norija trat neben den Marcanos und funkelte Xenio zornig an. „Halt dich da raus. Marco ist der Gegner von Cido und nicht deiner. Los, kämpfe und beweise dein Geschick gegen mich.“

Jedoch ignorierte der Kämpfer das Einhorn gänzlich und sah weiterhin das Löwentier an. Als er erneut etwas sagen wollte, entwaffnete ihn die Stute mit einem Schlag und drängte sich gänzlich in sein Sichtfeld. „Dein Gegner bin ich, hast du das jetzt verstanden?“

Cido verstand die Welt nicht mehr. Warum griff Norija jetzt Xenio an? Er dachte, dass das Einhorn auf ihrer Seite war. Wieso bedrohte sie jetzt seinen Retter? Das passte alles nicht mehr zusammen. Irgendetwas hatte er übersehen. Irgendein Detail. Doch er kam nicht darauf, was.

Die Augen der Stute wurden rot und sprühten vor Mordlust, wobei sie Xenio weiter fixierte. „Also, bereit zu sterben?“

Xenio lächelte müde. „Du wirst mich auch nicht besiegen. Aber wenn ich dich töten muss, bevor ich gegen den Marcanos antreten kann, dann werde ich das wohl tun.“

Mit diesen Worten hob er das Schwert auf, um es in der nächsten Sekunde zu Cido zu werfen. „Hier, damit du dich verteidigen kannst.“

„Aber? Aber mit was willst du angreifen?“ Die grünen Augen flackerten ängstlich, wodurch Xenio zuversichtlich lächelte. „Keine Angst. Ich bin eine wandelnde Festung und habe mehr zu bieten als Pfeil und Schwert.“

So wirklich konnte Cido diese Worte nicht glauben, doch er versuchte es zumindest, wodurch er dann schon kurz zu dem Löwentier sah, doch dessen Blick war auf die zwei anderen gerichtet. Anscheinend waren die gerade interessanter als er.

„Also los, Pony, greif mich an“, provozierte Xenio auch diesen Gegner, wodurch Norija nur aggressiv schnaubte: „Ich bin kein Pony. Aber wenn du es so willst. Ich hoffe, dass dein Ego nicht allzu sehr darunter leiden wird, wenn dich ein Pony zerquetscht.“

Ihre Hufe schlugen hart auf den Erdboden auf und ihr Horn leuchtete bräunlich auf, als sich schon zwei Erdplatten neben Xenio bildeten und sich rasend schnell auf ihn zu bewegten, um ihn zu zerquetschten.

„Oh Shit“, huschte es über seine Lippen, als er mit einer Flugrolle auswich und im nächsten Moment wieder auf den Beinen war, „du hättest ruhig sagen können, dass du zaubern kannst.“

Ja, dieser Fakt machte den Kampf nicht wirklich einfacher. Vielleicht hätte er sein Schwert doch nicht hergeben sollen. Doch das Einhorn schnaubte nur amüsiert, bevor sein Horn erneut leuchtete und es den Kopf von unten nach oben zog. Im nächsten Moment erschien eine gewaltige Feuerwand um Xenio herum. Er war eingesperrt und durch das Knistern der Flammen konnte er die schlagenden Hufe des Pferdes hören.

Der schwarze Schatten schnellte durch die Flammen und streifte Xenio am Arm, wo das Horn eine blutende Wunde hinterließ. Schmerz durchschoss die Gedanken des Kämpfers und er stöhnte kurz auf, bevor er sich den Arm hielt, als das Einhorn schon zurückkehrte. Immer und immer wieder.