Tasuta

Für Jetzt und Für Immer

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Märgi loetuks
Für Jetzt und Für Immer
Für Jetzt und Für Immer
Tasuta audioraamat
Loeb Birgit Arnold
Lisateave
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

KAPITEL ACHTZEHN

„Wach auf“, flüsterte Daniel Emily ins Ohr.

Sie wurde langsam wach und nahm die Tasse Kaffee, die er ihr anbot, dann bemerkte sie, dass Daniel angezogen war. „Wo gehst du hin?“

„Ich habe heute etwas vor“, erwiderte er.

Emily schaute sich um und stellte fest, dass die Sonne kaum aufgegangen war. „Etwas? Was für ein etwas?“

Er warf ihr einen Blick zu. „Es ist ein Geheimnis. Aber kein ein ‚Ich heiße eigentlich Dashiel‘-Geheimnis. Du musst dir keine Sorgen machen, das verspreche ich dir.“ Er drückte ihr einen Kuss auf ihren Kopf.

„Sehr beruhigend“, meinte Emily sarkastisch.

„Wie dem auch sei“, sagte Daniel. „Ich wäre dir sowieso nur im Weg.“

„Warum?“, fragte Emily verschlafen.

Daniel zog seine Augenbrauen hoch. „Sag jetzt nicht, dass du es vergessen hast.“

„Oh mein Gott!“, rief Emily aus. „Das Bürgertreffen. Es ist heute, nicht wahr?“

Daniel nickte. „Ganz genau. Und ich glaube auch, dass jemand um sieben Uhr mit Cynthia verabredet ist. Jetzt ist es viertel vor sieben.“

Emily sprang aus dem Bett. „Du hast Recht. Oh mein Gott. Ich muss mich anziehen.“

Obwohl sie Cynthia dankbar war, dass sie ihr Bed & Breakfast-Wissen mit ihr teilte, so wünschte sie sich doch, dass die Frau nicht auf ein so frühes Treffen bestanden hätte.

„Jetzt beeilst du dich aber“, bemerkte Daniel mit einem Glucksen. Er trank seinen Kaffee aus und schnappte sich dann seine Jacke.

„Vergiss nur nicht die Bürgerversammlung, okay?“, bat ihn Emily. „Sieben Uhr abends im Rathaus.“

Daniel grinste. „Ich werde dort sein, das verspreche ich dir.“

*

Cynthia kam mit zwei ihrer Pudel am Haus an. Sie trug ein Maxikleid, dessen fuchsienfarbiger Ton sich mit ihrer roten Haarfarbe biss.

„Guten Morgen“, rief Emily, die ihr von der Tür aus zuwinkte.

„Hallo Schätzchen“, sagte Cynthia. Sie schien es eilig zu haben, den Pfad zum Haus entlang zu gehen.

„Danke, dass du dich hier mit mir triffst“, fügte Emily hinzu, als die Frau näherkam. „Möchtest du einen Kaffee?“

„Oh, das wäre wunderbar“, antwortete Cynthia.

Emily führte sie in die Küche und schenkte ihnen beiden eine des noch immer kochenden Kaffees ein. In diesem Moment sprang Mogsy an der Glas Tür zwischen der Küche und dem Haushaltszimmer auf und ab. Cynthia ging hinüber und schaute durch das Glas ins andere Zimmer.

„Ich wusste gar nicht, dass du Welpen hast!“, rief sie aus. „Oh, sie sind einfach so goldig.“

„Die Mutter war ein Streuner“, erklärte Emily. „Ich wusste gar nicht, dass sie trächtig war und plötzlich gab es fünf Welpen.“

„Hast du schon ein Zuhause für sie gefunden?“, wollte Cynthia wissen, während sie sie durch die Glastür hinweg angurrte.

„Noch nicht“, erwiderte Emily. „Ich meine, die Welpen sind im Moment sowieso noch zu jung, um ihre Mutter zu verlassen. Du ich kann sie ja schlecht rauswerfen, um für sich selbst zu sorgen. Deshalb gehören sie jetzt mir.“

„Also sobald sie sich entwöhnt haben, nehme ich dir gerne eines ab. Jeremy hat seine Aufnahmeprüfung für St. Matthew’s bestanden und ich will ihm ein Gratulationsgeschenk machen.“

„Du würdest einen nehmen?“, fragte Emily erleichtert. „Das wäre großartig.“

„Aber sicher“, erwiderte Cynthia und drückte Emilys Arm. „Wir kümmern uns in dieser Stadt umeinander. Willst du, dass ich ein wenig herumfrage? Mich umhöre, ob jemand einen Welpen möchte?“

„Ja, das wäre wunderbar, danke“, antwortete Emily.

Schnell fütterte sie die Hunde, dann setzten sich die zwei Frauen an den Tisch.

„Also“, begann Cynthia, während sie eine dicke Mappe herauszog. „Ich habe mir erlaubt, einige der Formulare zu organisieren, die du brauchen wirst. Dieses hier ist für die Hygiene.“ Sie legte ein blaues Stück Papier vor Emily auf den Tisch. Darauf folgte ein rosa Papier. „Heizung.“ Schließlich legte sie ein gelbes ganz oben auf den Stapel. „Abwasser und Aufbereitung.“

Emily betrachtete die Formulare mit einer gewissen Furcht. Die Tatsache, dass es sich hier um hochoffizielle Papiere handelte, gab ihr das Gefühl, der Aufgabe kein Stück gewachsen zu sein.

Doch Cynthia war noch nicht fertig. „Hier habe ich auch ein paar Visitenkarten. Namen und Telefonnummern von anständigen Menschen. Sie werden für dich alles auf den neuesten Stand bringen. Ich habe sie damals engagiert. Gute Jungs, die besten ihrer Art. Ich würde ihnen mein Leben anvertrauen.“

Emily nahm die Karten und steckte sie ihn ihre Tasche. „Sonst noch etwas?“

„Trevor wird versuchen, es dir schwer zu machen. Er kennt jeden Gesetzesverstoß, den es gibt. Achte darauf, dass alles, was du tust, rechtlich und logistisch erlaubt ist, dann solltest du keine Probleme haben.“

Emily schluckte. Nun hatte verängstigter als je zuvor. „Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass ich nur eine leidenschaftliche Rede halten müsste.“

„Oh, versteh mich nicht falsch“, rief Cynthia aus, während sie mit ihren Händen, deren rosa Nägel an Krallen erinnerten, in der Luft herumfuchtelte. „Mit der Rede gewinnst du etwas neunzig Prozent. Lass dich nur nicht von Trevor bei den anderen zehn Prozent aus der Fassung bringen.“ Sie tippte mit ihren Fingern auf die Papiere auf dem Tisch. „Mach deine Hausaufgaben. Sicher und kompetent.“

Emily nickte. „Danke, Cynthia. Ich schätze es wirklich sehr, dass du dir die Zeit nimmst, das alles mit mir zu besprechen.“

„Kein Problem, Süße“, erwiderte Cynthia. „In dieser Stadt kümmern wir uns um einander.“ Sie stand auf, wodurch auch ihre Pudel aufsprangen. „Bis später dann. Sieben Uhr?“

„Du kommst zu der Versammlung?“, fragte Emily überrascht.

„Natürlich!“ Sie klopfte Emily auf die Schulter. „Wir alle kommen.“

„Alle?“, fragte Emily nervös.

„Alle, denen du und das Bed & Breakfast wichtig seid“, erklärte Cynthia. „Wir würden es um nichts in der Welt verpassen wollen.“

Emily brachte Cynthia zur Tür, sie fühlte sich dankbar und nervös zugleich. Dass die Leute aus der Stadt sie unterstützen wollten, löste ein warmes Gefühl in ihr aus. Aber dass sie alle da sein würden und sie Gefahr lief, sich vor ihnen zu blamieren, ließ das Ganze plötzlich sehr viel furchteinflößender wirken.

*

Später am Abend, als Emily ihrem Outfit gerade ihren letzten Schliff verlieh, klingelte es an der Tür. Sie runzelte die Stirn, denn sie wüsste nicht, wer vorbeikommen sollte, weshalb sie zur Tür ging, um nachzusehen. Als sie sie öffnete, war sie geschockt, wer wirklich vor ihr stand.

„Amy?“, schrie Emily. „Oh mein Gott!“

Sie zog ihre Freundin in eine Umarmung. Amy drückte sie zurück.

„Komm rein“, sagte Emily und öffnete die Tür weiter. Sie schaute schnell auf die Uhr. Sie hatte immer noch Zeit, mit Amy zu reden, bevor sie zu der Versammlung musste.

„Wow“, sagte Amy, als sie sich umschaute. „Dieses Haus ist ja sogar noch größer als ich angenommen hatte.“

„Ja, es ist riesig.“

Amy kräuselte ihre Nase und schnüffelte. „Ist das Rauch? Ist etwas angebrannt?“

„Oh, das ist eine lange Geschichte“, winkte Emily ab. In dem Moment begannen die Welpen im Haushaltszimmer zu bellen.

„Du hast einen Hund?“, fragte Amy schockiert.

„Einen Hund und fünf Welpen“, erklärte Emily. „Das ist auch wieder eine lange Geschichte.“ Sie konnte es nicht verhindern, noch einmal auf die Uhr zu schauen. „Was machst du hier, Ames?“

Amys Lächeln fiel von ihrem Gesicht. „Was ich hier macht? Ich bin hier, um meine beste Freundin zu besuchen, die vor drei Monaten vom Radar verschwunden ist. Ich meine, ich sollte diejenige sein, die dich fragt, was du hier machst. Und wie dein langes Wochenende sich verdammt nochmal erst in zwei Wochen und dann sechs Monate verwandelte. Und dann habe ich noch nicht einmal deine Nachricht erwähnt, in der du meintest, dass du darüber nachdenkst, hier ein Unternehmen zu gründen!“

Emily konnte einen Hauch Verachtung in der Stimme ihrer Freundin hören. „Was ist so verrückt an der Vorstellung, dass ich mein eigenes Unternehmen gründen könnte? Denkst du etwa, ich schaffe das nicht?“

Amy verdrehte die Augen. „Das meine ich doch gar nicht. Ich will damit nur sagen, dass du die Dinge hier ziemlich schnell angehst. Man bekommt den Eindruck, als ob du dich hier niederlassen willst. Du hast sechs Haustiere!“

Emily schüttelte ihren Kopf, sie war mehr als nur ein wenig gereizt und fühlte sich angegriffen. „Es ist ein Streuner und seine Welpen. Ich lasse mich nicht nieder, ich experimentiere nur. Ich versuche neue Dinge und genieße endlich einmal mein Leben.“

Jetzt war es Amy, die ein Seufzen ausstieß. „Und ich freue mich ja auch für dich, wirklich. Ich finde es toll, dass du dein Leben genießt, nach deiner Zeit mit Ben verdienst du das. Aber ich denke, dass du noch nicht lange genug darüber nachgedacht hast. Ein Unternehmen zu gründen ist nicht einfach.“

 

„Du hast es doch auch gemacht“, erinnerte Emily sie.

Amy führte einen Online-Parfumhandel seit sie mit der Schule fertig war, und verkaufte ihre Ware im Internet. Es hatte sie ein Jahrzehnt schlafloser Nächte und siebentägiger Arbeitswochen gekostet, bis sie damit endlich genug Geld verdiente, um davon leben zu können, doch nun ging es steil bergauf.

„Du hast Recht“, sagte Amy. „Ich habe ein Unternehmen gegründet und es war hart.“ Sie rieb sich ihre Schläfen. „Emily, wenn du das wirklich machen willst, dann komm zumindest für eine Weile zurück nach New York, um es dir genau zu überlegen. Stell einen Businessplan zusammen, sprich mit der Bank über einen Kredit, finde einen Buchhalter, der dir mit den Finanzen hilft. Ich könnte dich beraten. Wenn du dann immer noch sicher bist, die richtige Entscheidung zu treffen, dann kannst du immer noch hierher zurückkehren.“

„Ich weiß bereits, dass ich die richtige Entscheidung treffe“, erwiderte Emily.

„Wie denn?“, schrie Amy. „Du hast keinerlei Erfahrung! Du könntest praktisch feststellen, dass es dir gar nicht gefällt! Und dann was? Dann hast du dein ganzes Geld verschwendet. Dann hast du keine Ersparnisse mehr, die dich auffangen können.“

„Weißt du, ich hatte diese Predigt von meiner Mutter erwartet, Amy, aber nicht von dir.“

Amy seufzte schwer. „Es ist schwierig, dich zu unterstützen, wenn du mich komplett aus deinem Leben ausschließt. Ich will mich nicht mit dir streiten, Emily. Ich bin hierhergekommen, weil ich dich vermisse. Und weil ich mir Sorgen um dich mache. Dieses Haus? Das bist nicht du. Langweilst du dich hier nicht? Vermisst du New York denn gar nicht? Vermisst du nicht einmal mich?“

Emilys Herz schmerzte bei der offensichtlichen Verzweiflung in Amys Stimme. Doch zur selben Zeit erkannte sie an der Uhr, die an der Wand hing, dass ihr die Zeit davonlief. Die Bürgerversammlung würde bald anfangen und ihre Zukunft bestimmen. Sie musste dort erscheinen und zwar so gelassen und gefasst wie möglich.

„Es tut mir leid“, sagte Amy trocken, als sie bemerkte, dass Emilys Blick immer wieder zu der Uhr an der Wand schweifte. „Halte ich dich von etwas ab?“

„Nein, natürlich nicht“ antwortete Emily und nahm Amys Hand in ihre. „Aber können wir später darüber reden? Ich habe gerade viel zu tun und –“

„Es war noch nie ein Problem, wenn ich unangemeldet aufgekreuzt bin“, grummelte Amy.

„Amy“, sagte Emily warnend. „Du kannst nicht einfach in mein Leben platzen, mir sagen, dass ich es falsch mache und dann auch noch erwarten, dass ich dankbar dafür bin. Ich freue mich, dich zu sehen, wirklich. Und du kannst auch so lange bleiben, wie du willst. Aber jetzt muss ich zu einer Bürgerversammlung.“

Amy zog eine Augenbraue hoch. „Eine Bürgerversammlung? Um Himmels Willen, Emily, hör dir doch mal selber zu! Versammlungen sind für langweilige Käffer. Das bist nicht du.“

Schließlich verlor Emily ihre Geduld. „Nein, du liegst falsch. Das Mädchen, das ich in New York war? Das war nicht ich. Das war eine alberne Frau, die Ben wie ein liebeskranker Welpe hinterhergelaufen ist und darauf wartete, dass er ihr sagte, dass sie gut genug zum Heiraten wäre. Ich erkennte die Person, die ich einmal war gar nicht mehr wieder. Kannst du es denn nicht sehen: das hier bin ich. Wo ich jetzt bin, wer ich jetzt bin fühlt sich richtiger an als New York es je tat. Und wenn dir das nicht gefällt, oder mich nicht einmal unterstützen kannst, dann sind wir fertig miteinander.“

Amys Mund klappte auf. Noch nie, in all den Jahren ihrer Freundschaft, hatten sie sich so sehr gestritten. Noch nie hatte Emily ihre älteste und beste Freundin angeschrien.

Amy drückte ihre Handtasche fest an ihre Brust, dann zog sie eine Packung Zigaretten heraus. Ihre Finger bewegten sich schnell, als sie eine herausnahm und sich zwischen die Zähne steckte. „Genieß deine Versammlung, Emily.“

Sie verließ das Haus und ging zu ihrem Mercedes, der auf der Straße stand. Emily beobachtete mit einem Gefühl des Bedauerns, wie sie davonraste.

Dann ging sie zu ihrem eigenen Auto, schaltete es ein und fuhr, entschlossener denn je zuvor, zum Rathaus.

KAPITEL NEUNZEHN

Das Rathaus von Sunset Harbor war ein formelles und doch einfach gehaltenes Gebäude aus rotem Ziegelstein. Auf dem Rasen standen kleine Bäume und ein altes Holzschild mit goldener, geprägter Schrift. Als Emily die Treppe hinaufrannte, konnte sie geradezu spüren, wie die Urahnen der Stadt auf sie hinabblickten.

Sie platzte durch die Doppeltür und rannte zum Empfangstresen, wo eine Frau sie freundlich anlächelte.

„Hi, ich bin zu spät zu der Versammlung“, sagte Emily, während sie durch ihre Unterlagen blätterte, um den Brief zu finden, in dem stand, in welchem Raum sie sich einzufinden hatte. „Ich weiß nicht mehr, in welchem Raum sie stattfindet. Es geht um das Anwesen in der West Street.“

„Du musst die Bed & Breakfast Dame sein“, sagte die Empfangsdame mit einem wissenden Lächeln. „Hier ist dein Namensschild. Die Versammlung ist in die Haupthalle verlegt worden, weil so viel Interesse bestand. Geh einfach durch die Doppeltür hier rechts.“

„Danke“, erwiderte Emily, während sie ihr Namensschild an ihrem Kleid befestigte und sich fragte, was die Frau wohl mit dem großen Interesse meinte.

Sie ging zu den Doppeltüren, auf die die Frau gedeutet hatte, und zog sie auf. Sie war erstaunt zu sehen, wie viele Leute sich hereingequetscht hatten. Ein Großteil der Stadtbewohner waren zur Diskussion erschienen. Sie sah Patels, Joe aus dem Diner, die Bradshaws und Karen aus dem Gemischtwarenladen. Ob ihr Anwesen nur zu einem Bed & Breakfast wurde oder nicht, schien die Menschen weitaus mehr zu interessieren als sie angenommen hatte.

Ihr Herz schoss in die Höhe, als sie Daniel ganz vorne sah. Er war gekommen. Diesmal hatte er sie nicht im Stich gelassen. Als sie nach vorne eilte und sich neben ihn setzte, drehten sich alle Köpfe zu ihr um. Er drückte ihre Knie und zwinkerte ihr zu.

„Du schaffst das schon“, redete er ihr gut zu.

Dann sah Emily, dass Trevor Mann auf der anderen Seite des Ganges mit hochgezogener Augenbraue und einem fiesen Grinsen zu ihr herüberschaute. Sie begegnete seinem kalten Blick mit zusammengekniffenen Augen.

Glücklicherweise hatte sie nur die ersten fünf Minuten der Versammlung verpasst. Der Bürgermeister hatte gerade erst die Mitglieder des Gremiums vorgestellt und war das Programm durchgegangen.

„Also“, sagte er, wobei er zu Emily und Trevor deutete. „Ihr seid dran. Eure Argumente bitte.“

Trevor vergeudete keine Sekunde. Sofort sprang er auf seine Füße und drehte sich zum Publikum um.

„Ich lebe auf dem benachbarten Grundstück“, begann er. „Und ich lehne die Umfunktionierung zu einem Bed & Breakfast komplett ab. Wir haben bereits ein Bed & Breakfast in der Stadt und brauchen kein zweites in einer ruhigen Straße voller Wohnhäuser wie der West Street. Das würde mein Leben immens stören.“

„Nun ja“, erwiderte Emily mit schüchterner Stimme. „Genau genommen leben Sie gar nicht auf dem Anwesen, es ist ihr Zweitwohnsitz.“

„Genaugenommen“, zischte Trevor, „gehört Ihnen das Haus gar nicht.“

„Aha“, murmelte Emily, als sie erkannte, dass Trevor Mann sich nicht zurückhalten und stattdessen auch dreckige Mittel einsetzen würde.“

Sie versank immer mehr in ihrem Stuhl, denn sie war von der Situation überwältigt, während er Statistiken über die Lärmverschmutzung und erhöhte Müllabfuhr, die ständige An- und Abreise von Touristen sprach sowie darüber, dass die Einheimischen von steigenden Preisen aus der Gegen getrieben würden, wenn „so etwas“ eröffnet werden sollte. Sie kam sich wie ein Fisch vor, der seinen Mund nur auf und zumachte.

„Und außerdem“, fuhr Trevor Mann fort, „haben wir es hier mit einer unerfahrenen Frau zu tun, die nichts davon versteht, ein Unternehmen zu führen. Ich möchte auf jeden Fall nicht, dass das Land hinter meinem Haus für so ein Projekt verwendet wird, das nur ihrem eigenen Stolz dient.“

Er setzte sich wieder triumphierend hin und wartete anscheinend auf Applaus oder andere Zeichen der Zustimmung, doch es herrschte Totenstille.

„Lassen Sie jetzt auch einmal die arme Frau zu Wort kommen?“, fragte Dr. Pate.

Ein ‚Hört, hört‘ drang aus dem Publikum. Es machte Emily glücklich zu wissen, dass ihr die Stadtbewohner den Rücken freihielten. Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, wahre Freunde hier gefunden zu haben, die sie bei ihrem Streit mit Amy auch dringend brauchte. Bei dem Gedanken an Amy flatterten sofort noch mehr Schmetterlinge in ihrem Bauch.

Als sie aufstand, konnte sie spüren, dass alle Augen im Raum auf ihr lagen. Sie räusperte sich und begann ihre Rede.

„Zuerst möchte ich euch allen sagen, wie viel es mir bedeutet, dass ihr gekommen seid. Ich denke, es ist wahr zu sagen, dass ich anfangs nicht sonderlich beliebt war. Ich war distanziert und skeptisch. Aber diese Stadt hat mir nichts als Liebe, Wärme, Großzügigkeit und Freundschaft entgegengebracht. Dank euch habe ich diesen Ort und euch alle lieben gelernt. Ich fühle mich wieder so wie als kleines Kind, wenn ich hier meine Sommer verbrachte. Ihr alle seid wie Eltern und Mentoren für mich und habt mir gezeigt, wie ich zu der Frau werden kann, die ich heute bin. Ich will nicht reich werden. Ich will einfach nur die Chance haben, in dieser Stadt zu leben und meinen eigenen Unterhalte verdienen zu können. Ich will die Chance haben, das Haus meines Vaters zu reparieren, was ihm mehr bedeutet hätte als alles andere auf dieser Welt. Ich bin noch nicht bereit, wieder fortzugehen. Und ich will die Chance haben, dieser Gemeinschaft etwas zurückzugeben.“

Emily bemerkte all die aufmunternd lächelnden Gesichter im Raum. Ein paar Zuhörer tupften sich sogar mit einem Taschentuch über die Augen. Sie setzte ihre Rede fort.

„Das Haus in der West Street gehört meinem Vater. Die meisten von euch kannten ihn. Aus den Geschichten, die ihr mir über ihn erzählt habt, dass er ein geschätzter Teil der Gemeinschaft war.“ Sie spürte, dass ihre Emotionen sie zu ersticken drohten. „Ich vermisse meinen Vater. Ich denke, ihr vermisst ihn auch. Sein Haus zu restaurieren, fühlt sich so an, als würde ich ihn dadurch ehren. Es in ein Bed & Breakfast umzuwandeln fühlt sich so an, als würde ich ein Teil der Stadt werden, die ihm so viel bedeutete. Ich bitte euch nur darum, dass ihr mir die Chance gebt, ihn und euch stolz zu machen.“

Auf einmal applaudierte der ganze Raum. Emily war überglücklich, die Liebe und Zuneigung zu spüren, die sie ihr entgegenbrachten, seit sie sich ihnen geöffnet hatte.

Doch noch bevor der Applaus nachlassen konnte, sprang Trevor Mann zurück auf die Füße.

„Wie rührend, Miss Mitchell“, sagte er. „Und so nett es auch ist, dass Sie der Gemeinschaft etwas zurückgeben wollen, muss ich doch noch einmal unterstreichen wie unqualifiziert Sie sind, ein Anwesen dieser Größe, ganz zu schweigen von einem erfolgreichen Bed & Breakfast zu führen.“

Das war es. Er hatte ihr dem Kampf angesagt und Emily war bereit dafür.

„Im Gegensatz zu Mr. Manns Irrglauben“, sagte sie, „habe ich sehr wohl Erfahrung. Ich bewirtschafte das Anwesen nun schon seit mehreren Monaten und in dieser Zeit habe es komplett umgewandelt.“

„Ha!“, schrie Mr. Mann auf. „Erst gestern hat sie den Toaster in die Luft gejagt!“

Emily ignorierte seine Versuche, sie aus der Ruhe zu bringen. „Ich habe außerdem all die notwendigen Genehmigungen für die geleistete Arbeit eingeholt sowie Pläne der Dinge erarbeitet, die noch nötig sind, um das Anwesen von einem Zuhause in ein Unternehmen umzuwandeln.“

„Oh wirklich?“, spottete Trevor. „Wollen Sie mir etwa sagen, dass Sie Genehmigungen für das Abwasser und den Strom eingeholt haben? Von zugelassenen Handwerkern?“

„Ja, das habe ich“, antwortete sie und zog die Formulare hervor, die Cynthia ihr gegeben hatte.

 

„Und was ist mit dem Formular für Ihre unterirdische HHE-200 Abwasserentsorgung?“ fuhr Trevor fort, der immer frustrierter klang. „Haben Sie die auch schon ausgefüllt?“

Emily zog noch mehr von Cynthias Dokumenten aus ihrer Mappe. „Drei Kopien, wie vorgeschrieben.“

Trevors Gesicht begann zu erröten. „Was ist mit der Scheune, die bei dem Sturm beschädigt wurde? Sie können sie nicht so lassen, wie sie jetzt ist, sie ist eine Gefahr. Aber wenn Sie sie wiederaufbauen, dann müssen Sie sich an den Bebauungsplan halten.“

„Das ist mir bewusst“, erwiderte Emily. „Dies hier sind meine Entwürfe für die beschädigten Nebengebäude. Und bevor Sie fragen, ja, sie erfüllen alle Anforderungen der internationalen Baugesetze des Jahres 2009. Und“, fuhr sie mit lauter werdender Stimme fort, damit Trevor sie nicht unterbrach, „ich habe sie mit dem Oberlandesarchitekten Maines versehen lassen.“

Trevor zog die Brauen zusammen.

„Das ist doch alles irrelevant“, meinte er plötzlich, da er seine Frustration nicht länger zurückhalten konnte. Sie vergessen den Elefanten im Raum. Dieses Haus wurde vor Jahren führ nicht bewohnbar erklärt. Und sie hat ihre Steuerrückzahlungen nicht geleistet. Sie lebt dort illegal und theoretisch gehört ihr das Haus nicht einmal mehr.“

Das Publikum schwieg und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Bürgermeister.

Emily Herz schlug ihr bis zum Hals, das war der Moment der Wahrheit.

Schließlich stand der Bürgermeister auf und wandte sich dem Publikum zu. Er versuchte, sein Grinsen zu verstecken, was ihm jedoch gründlich misslang.

„Ich denke, wir haben genug gehört, nicht wahr?“, begann er. „Das Haus wurde für nicht bewohnbar erklärt, weil es so viele Jahre lang leer stand. Aber wir haben es uns alle angeschaut und festgestellt, dass es mittlerweile definitiv wieder bewohnbar ist – es ist wunderschön.“

Aus der Menge klang zustimmender Jubel.

„Und wegen der Steuerrückzahlung“, fuhr er fot. „Emily kann sie im Laufe der Zeit bezahlen. In unserer Stadt sehen wir es lieber, wenn die Bewohner sie abbezahlen, egal wie spät, als überhaupt keine Steuern einzunehmen. Außerdem würde die Stadt von den Steuern und dem Handel, der ein Bed & Breakfast einbringt, langfristig viel mehr profitieren.“

Er wandte sich an Emily und lächelte sie breit an.

„Ich habe vor, Emily die Genehmigung zu erteilen, das Haus in ein Bed & Breakfast umzuwandeln.“

Jubel brach im Publikum aus. Emily schnappte nach Luft, denn sie konnte kaum glauben, was da geschah. Trevor Mann lehnte sich stumm in seinem Stuhl zurück.

Die Menschen kamen zu Emily, schüttelten ihre Hand, küssten ihre Wange und klopften ihr auf die Schulter. Emily akute auf ihrer Unterlippe, weil sie von ihren Gefühlen so überwältigt war. Birk und sein Sohn Jason, der Feuerwehrmann, den Emily kennengelernt hatte, traten an sie heran, um ihr zu gratulieren. Raj Patel erinnerte sie an die Hühner, für die er ein neues Zuhause suchte.

„Wenn du bei den Rohren oder der Elektrizität Hilfe brauchst, dann bin ich gerne dabei“, sagte ein Mann und reichte ihr seine Visitenkarte.

„Barry“, las sie seinen Namen vor. „Vielen Dank, ich werde mich bei dir melden.“

Karen meinte, dass sie ihr einen guten Preis machen könnte, wenn sie all ihre Einkäufe in ihrem Laden erledigte. Emily war von der Großzügigkeit und der Unterstützung der Menschen überwältigt.

„Wenn du dein Bed & Breakfast eröffnest, dann darf ich deine Künstlerin sein, oder?“, fragte Serena, die sie freundschaftlich umarmte.

Emily gab ihr ein Lachen zur Antwort.

Daniel bahnte sich seinen Weg durch die Menschenmenge, zog sie in seine Arme und drückte sie fest an sich. „Ich bin so stolz auf dich.“

„Ich kann es noch gar nicht glauben!“, schrie Emily. Dann warf sie ihren Kopf zurück und lachte laut, als er sie herumwirbelte. „Wir haben die Genehmigung! Ich wette, bei unserem ersten Treffen hättest nie gedacht, dass ich es einmal so weit schaffen könnte.“

Daniel schüttelte seinen Kopf. „Um ehrlich zu sein, dachte ich, dass du etwas total Dämliches anstellen würdest, wie das Gas aus Versehen anlassen und somit das ganze Haus in die Luft zu jagen. Ich half dir nur aus reinem Eigeninteresse“, fügte er scherzend hinzu.

„Ach wirklich?“, fragte Emily, während sie sich streckte und ihm einen Kuss auf die Lippen gab.

Daniel erwiderte ihren Kuss zärtlich. Emily sog seinen Geruch ein und dachte darüber nach, wie unvorhersehbar das Leben wirklich sein konnte. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie noch Ben geküsst und war davon ausgegangen, dass sie ihn heiraten würde. Wie dumm sie gewesen war. Wie komplett anders sich Daniels Küsse anfühlten.

Als er sie wieder auf ihre Füße stellte, schaute Emily zu ihm auf und nahm seine Hand. Amys Worte, wie schwer es war, ein Unternehmen aufzubauen, und dass die meisten von ihnen noch im ersten Jahr scheiterten, hallten in ihren Gedanken wider. „Jetzt fängt der ernste Teil an“, sagte sie zu Daniel, „die Planung. Finanzielle Investitionen. Es ist ein großes, großes Risiko.“

Daniel nickte. „Ich weiß. Aber warum feiern wir nicht erst? Genießen den Moment.“

„Du hast Recht“, antwortete sie mit einem Lächeln. „Es ist ein Sieg, wir sollten feiern. Aber trink besser nicht zu viel, schließlich musst du morgen sehr früh aufstehen.“

Daniel runzelte verwirrt die Stirn. „Muss ich das? Warum denn?“

Emily schaute ihn mit festem Blick an. „Ich weiß, wo du immer hin verschwunden bist“, erklärte sie, „Zum Hafen.“

„Oh das“, meinte Daniel, der sich auf einmal nicht mehr so wohl zu fühlen schien. „Was ist damit?“

„Ich habe veranlasst, dass ein neuer Motor für dein Boot geliefert wird.“

Daniels Augen weiteten sich überrascht. „Das hast du getan? Aber du hast doch gar nicht das Geld dafür!“

Sie lächelte. „Du hattest auch nicht das Geld, um mir einen Toaster zu kaufen, doch du hast es trotzdem getan, nur um mich aufzuheitern, als mich das Glück verlassen hatte. Deshalb wollte ich auch etwas für dich tun, um mich bei dir zu bedanken.“

Daniel war absolut aus dem Häuschen und Emily wusste, dass sich das finanzielle Opfer allein schon wegen seinem Gesichtsausdruck gelohnt hatte.

„Okay, das schreit geradezu nach Gordon’s Bar!“, entgegnete Daniel.

Emily zog eine Augenbraue hoch. „Wirklich? Du willst in die Stadt gehen? Was ist mit den ganzen Wichtigtuern und ihrem Getratsche?“

Daniel zuckte nur mit den Schultern. „Ich mache mir nichts mehr daraus. Du bist mir wichtiger.“ Er drückte einen Kuss auf ihr Haar.

Emily schlang ihren Arm um seine Hüfte.

Als sie sich zum Gehen wandten, sah sie jemandem an der Tür stehen, der sie beobachtete. Es war Amy. Emily blieb stehen und bereitete sich innerlich schon auf einen Streit vor. Doch anstatt eine Konfrontation anzufangen, hielt Amy ihre Daume hoch. Dann warf sie ihre eine Kusshand zu und ging davon.

„Wer war das“, wollte Daniel wissen.

Emily lächelte in sich hinein. „Nur jemand aus meiner Vergangenheit.“