Briefe über den Yoga

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

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Ich glaube, Ramatirthas Verwirklichungen waren mehr mentaler Art. Sein höheres Mental hatte sich geöffnet, und er erlebte dort eine Verwirklichung des kosmischen Selbstes, doch finde ich keinen Beweis eines umgewandelten Mentals und Vitals; eine derartige Umwandlung ist weder das Ergebnis noch das Ziel des Yoga des Wissens. Die Verwirklichung des Yoga des Wissens besteht darin zu fühlen, wie man in der Weite von etwas Schweigendem lebt, etwas Eigenschaftslosem und Universalem (das Selbst genannt) und alles Übrige nur als Formen und Namen erkennt; allein das Selbst und nichts anderes ist wirklich. Die Verwirklichung von „mein Selbst in anderen Formen“ ist ein Teil hiervon oder ein erster Schritt, doch sollte in der vollen Verwirklichung das „mein“ verschwinden, so dass es nur noch das eine Selbst gibt oder besser noch nur Brahman. Denn das Selbst ist nichts als ein subjektiver Aspekt des Brahman, so wie der Ishvara sein objektiver Aspekt ist. Das ist vedantisches „Wissen“. Sein Ergebnis ist Friede, Schweigen, Befreiung. Was die tätige Prakriti anbelangt (Mental, Vital, Körper), so ist es kein Ziel des Yoga des Wissens, diese umzuwandeln – das wäre nutzlos, da man glaubt, dass nach der Befreiung mit dem Tode alles abfallen würde. Die einzige gewünschte Veränderung ist, sich von der Vorstellung des Ego zu befreien und nur das höchste Selbst, Brahman, als wahr zu erkennen.

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Ich habe R.s Bücher nicht gelesen und weiß weder etwas über seine Person noch über die Ebene seiner Erfahrungen. Die Worte, die du von ihm zitierst, könnten sowohl Ausdruck eines einfachen Glaubens als auch einer pantheistischen Erfahrung sein; es ist ersichtlich, dass sie, falls sie besagen oder die These aufstellen wollen, das Göttliche sei überall und alles und dass daher alles gut, da göttlich sei, für diesen Zweck sehr unzulänglich sind. Doch als Erfahrung ist dieses Gefühl oder diese Verwirklichung etwas sehr Allgemeines in der Sadhana des Vedanta, ja es gäbe in der Tat ohne diese Erfahrung keine vedantische Sadhana. Ich selbst hatte sie auf verschiedenen Ebenen des Bewusstseins und in zahlreichen Formen, und ich kenne eine große Anzahl von Menschen, die sie in sehr überzeugender Form hatten – nicht als intellektuelle Theorie oder Wahrnehmung, sondern als spirituelle Wirklichkeit; zu konkret, um sie in Abrede zu stellen, angesichts der Widersprüche die sie für den gewöhnlichen Verstand mit sich bringen mag.

Natürlich heißt dies nicht, dass alles hier gut sei oder dass in der Einschätzung der Werte ein Bordell nicht schlechter als ein Ashram sei; es heißt vielmehr, dass alle ein Teil der einen Manifestation sind und dass sowohl im inneren Herzen der Dirne als auch des Weisen oder Heiligen das Göttliche wohnt. Und weiterhin besteht die Erfahrung darin, dass es Eine Kraft ist, die in der Welt sowohl im Guten als auch im Bösen wirkt – eine Kosmische Kraft; diese wirkt im Erfolg (oder Misserfolg) des Ashrams und im Erfolg (oder Misserfolg) des Bordells. Die Dinge dieser Welt geschehen durch die Anwendung der Kraft, doch die Art der Anwendung ist abhängig von der Natur des Anwendenden – der eine gebraucht sie für die Werke des Lichtes, der andere für die Werke der Finsternis und wieder ein anderer für beides. Ich glaube nicht, dass irgendein Vedanta-Anhänger (außer vielleicht ein sehr moderner) behaupten würde, auf Erden sei alles gut – vielmehr besteht die orthodoxe vedantische Vorstellung darin, dass alles hier ein unentwirrbares Gemisch von Gut und Böse ist, ein Spiel der Unwissenheit und daher ein Spiel der Dualitäten. Die christlichen Missionare nahmen vermutlich an, alles, was Gott tut, sei moralisch gut, so dass sie entsetzt waren über die taoistischen Priester, welche die Arbeit des Bordells durch ihre Riten stützten. Doch waren es nicht christliche Priester, die Gottes Hilfe für die Vernichtung von Menschen in der Schlacht anriefen, und sangen nicht einige das Te Deum anlässlich eines Sieges, der durch das Hinmorden von Menschen und den Hungertod von Frauen und Kindern errungen wurde? Der Taoist, der nur an das Unpersönliche Tao glaubt, ist folgerichtiger; und der Vedantin, der glaubt, der Höchste sei zwar jenseits von Gut und Böse, doch die Kosmische Kraft hier, die aus dem Höchsten stammt, wirke durch die Dualitäten und daher im Guten und im Bösen, in Freude und in Leid, dieser Vedantin hat eine Theorie, die zumindest den beiden tatsächlichen Erfahrungen des Höchsten hinreichend Rechnung trägt: einerseits Ganz Licht, Ganz Seligkeit, Ganz Schönheit, andererseits eine Welt, in der Licht und Finsternis vermischt sind, Freude und Leid, das Schöne und das Hässliche. Der Vedantin sagt, die Dualitäten kämen durch eine trennende Unwissenheit zustande, und solange du diese trennende Unwissenheit hinnimmst, vermagst du dich von ihr nicht zu befreien; es ist jedoch möglich, sich durch die Erfahrung von ihr zu lösen und die Verwirklichung des Göttlichen in allem und überall zu haben, und dann beginnst du, das Licht zu erkennen, die Seligkeit, die Schönheit hinter allem, und dies ist das einzig Wesentliche, das zu geschehen hat. Du beginnst auch, die eine Kraft zu erkennen, und kannst sie gebrauchen oder dich gebrauchen lassen für das Anwachsen des Lichtes in dir und in anderen – und nicht länger zur Befriedigung des Egos und für die Werke der Unwissenheit und Dunkelheit.

Was das Dilemma hinsichtlich der Grausamkeit der Dinge anbelangt, so weiß ich nicht, welche Antwort R. geben würde. Eine Antwort darauf wäre vielleicht, dass das Göttliche zuinnerst durch das seelische Wesen gefühlt wird und die Natur dieses seelischen Wesens die des Göttlichen Lichtes, der Harmonie, der Liebe ist, dass es aber durch das mentale und trennende vitale Ego verhüllt wird; und hieraus entstehen Kampf und Hass und Grausamkeit. Daher ist es etwas ganz Natürliches, in der Freundlichkeit die Berührung des Göttlichen zu fühlen, während Grausamkeit als Entstellung oder Perversion der Natur empfunden wird; dies jedoch würde denjenigen, der die Verwirklichung erlangt hat, nicht daran hindern, das Göttliche hinter der Verkleidung zu fühlen und zu finden. Mir sind sogar Fälle bekannt, in denen die Wahrnehmung des Göttlichen in allem, begleitet von einer intensiven Erfahrung universaler Liebe oder von einer weiten Erfahrung innerer Harmonie, die außergewöhnliche Wirkung hatte, alles umher freundlich und hilfreich zu machen, selbst das Gröbste und Härteste und Grausamste. Vielleicht ist eine derartige Erfahrung in R.s Behauptung über die Freundlichkeit zu suchen. Was das Göttliche Tun anbelangt, so besteht die Verwirklichung des Vedanta-Anhängers darin, dass hinter dem wirren Durcheinander von Gut und Böse etwas tätig ist, das er als das Göttliche erkennt; und zurückblickend sieht er, was jeder Schritt in seinem Leben, ob glücklich oder unglücklich, für sein Vorankommen bedeutete und wie er schließlich zum Wachsen seines Spirits führte. Dies tritt natürlich voll in Erscheinung, sobald die Verwirklichung fortschreitet; vorher bedarf er des Glaubens, und es mag sein, dass er oft seinen Glauben wanken sah und sich eine Zeitlang dem Schmerz, dem Zweifel und der Mutlosigkeit hingegeben hat.

Was meine Schriften anbelangt, so weiß ich nicht, ob sie die Schwierigkeit beheben würden. Du würdest in ihnen meist die Darlegung der vedantischen Erfahrung finden, denn diese ist es, durch die ich zuerst zu gehen hatte zu etwas, das jenseits davon liegt; und nun, nachdem ich zu diesem „Jenseits davon“ gelangt bin, scheint sie mir die gründlichste und radikalste Vorbereitung für all dies Jenseitige zu sein, wobei ich aber nicht behaupten will, dass sie unerlässlich ist. Wie immer die Lösung auch sei, der Vedanta-Anhänger ist vermutlich im Recht, wenn er, um nach dort zu gelangen, auf der Anerkennung der beiden Tatsachen besteht, nämlich einerseits das Überwiegen des Bösen und des Leidens hier und andererseits die Erfahrung dessen, was frei davon ist – und nur durch eine wachsende Erfahrung kann man zu einer Lösung gelangen, sei es durch einen Ausgleich, durch eine überwältigende Herabkunft oder durch Weltflucht. Wenn wir hingegen von der grundsätzlichen Annahme ausgehen, das Überwiegen des Leidens und des Bösen in der gegenwärtigen harten äußeren Wirklichkeit der Dinge, würde all das widerlegen, was von Weisen und Mystikern erfahren wurde, nämlich das zu verwirklichende Göttliche, dann scheint eine Lösung nicht möglich zu sein.

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Nein, ich meinte natürlich nicht, dass der Anhänger des Vedanta, der ein größeres Wirken hinter den Erscheinungsformen der Welt sieht, in einer anderen als dieser stofflichen Welt lebt – hätte ich dies gemeint, wäre alles, was ich schrieb, ohne Bedeutung oder Sinn gewesen. Ich meinte einen Vedanta-Anhänger, der in dieser Welt mit all ihrem Leid, ihrer Unwissenheit, ihren Widerwärtigkeiten, ihrem Bösen lebt und dem ein volles Maß all dieser Dinge zuteil wurde, Verrat und Treulosigkeit der Freunde, Misslingen der äußeren Ziele und Wünsche im Leben, Angriff und Verfolgung, sich häufende Krankheiten, unentwegte Schwierigkeiten, Kämpfe und das Versagen auf dem Yogaweg. Nicht, dass er in einer anderen Welt leben würde, doch seine Art, die Prüfungen, Schläge und Gefahren dieser Welt zu tragen, ist eine andere. Er sieht sie als die Natur der Welt an, als Ergebnis des Ego-Bewusstseins, in dem er lebt, und versucht daher, in ein anderes Bewusstsein zu wachsen, in welchem er spürt, was sich hinter den äußeren Erscheinungen befindet; und in dem Maße, wie er in dieses größere Bewusstsein hineinwächst, beginnt er, mehr und mehr das Wirken dahinter zu fühlen, das ihm hilft, im Spirit zu wachsen, und das ihn zur Meisterung und Befreiung von Ego und Unwissenheit führt, bis er erkennt, dass alles auf dieses Ziel gerichtet war. Solange er dieses Bewusstsein mit seiner größeren Erkenntnis der Dinge nicht erreicht hat, muss er im Glauben wandern, und dieser Glaube mag ihn manchmal im Stich lassen, doch wird er immer wiederkehren und ihn durch alle Schwierigkeiten tragen. Nicht jeder muss diesen Glauben und dieses Bewusstsein annehmen, doch hinter ihnen steht etwas Großes und Wahres für das spirituelle Leben.

 

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Ich habe das Gefühl, dass ich etwas zu deiner Äußerung über die Seele Indiens sagen muss und zu dieser „Betonung der Diesseitigkeit bis zum Ausschluss der Jenseitigkeit“, die X bemerkt haben will. Ich verstehe nicht ganz, in welchem Zusammenhang seine Bemerkung gemacht wurde oder was er mit Diesseitigkeit meinte, doch ich erachte es als notwendig, meinen Standpunkt in dieser Sache darzulegen. Mein eigenes Leben und mein Yoga waren, seit ich nach Indien kam, sowohl diesseitig als auch jenseitig, ohne jede Ausschließlichkeit nach einer Seite. Alle menschlichen Interessen sind vermutlich diesseitig, und die Mehrzahl von ihnen hat meinen Gesichtskreis berührt, während andere, wie die Politik, sogar in mein Leben eingetreten sind; in dem Augenblick, da ich meinen Fuß am Apollo-Bunder in Bombay auf indischen Boden setzte, begann ich, spirituelle Erfahrungen zu haben, doch waren diese von der Welt nicht getrennt, sondern hatten einen inneren und unendlichen Bezug zu ihr, wie zum Beispiel das Gefühl des Unendlichen, das den stofflichen Raum durchdringt, und des Immanenten, das in den stofflichen Gegenständen und Körpern wohnt. Gleichzeitig sah ich mich überphysische Welten und Ebenen betreten, welche die stoffliche Ebene beeinflussen und auf sie einwirken, so dass ich keine scharfe Trennung machen oder einen unüberbrückbaren Gegensatz feststellen konnte zwischen dem, was ich die beiden Enden des Daseins nenne, und allem was dazwischenliegt. Für mich ist alles Brahman, und ich erkenne das Göttliche überall. Jeder hat das Recht, sich vom Diesseitigen abzuwenden und das Jenseitige zu wählen, und wenn er Frieden in dieser Wahl findet; umso besser. Für mich selbst bestand diese Notwendigkeit nicht, um zum Frieden zu gelangen. Überdies bewegte mich der Wunsch, in meinen Yoga beide Welten in mein Gesichtsfeld einzubeziehen – die spirituelle und die materielle – und zu versuchen, das Göttliche Bewusstsein und die Göttliche Macht im Herzen der Menschen und im Leben der Erde zu errichten, nicht allein mit dem Ziel einer persönlichen Erlösung, sondern für ein göttliches Leben hier. Dies scheint mir ein ebenso spirituelles Ziel wie jedes andere zu sein, und die Tatsache, dass sich dieses Leben weltlichem Treiben und weltlichen Belangen widmet, kann, glaube ich, seine Spiritualität weder verdecken noch seinen indischen Charakter ändern. Dies jedenfalls ist immer meine Ansicht, meine Erfahrung der Wirklichkeit und der Natur der Welt, der Dinge und des Göttlichen gewesen – es schien mir zutiefst ihre integrale Wahrheit zu sein, und ich habe daher das Streben danach den integralen Yoga genannt. Es ist jedermanns eigene Sache, diese Art Integralität abzulehnen und nicht daran zu glauben oder an die spirituelle Unerlässlichkeit einer absoluten Jenseitigkeit zu glauben, doch würde das die Durchführung meines Yoga unmöglich machen. Mein Yoga kann tatsächlich eine volle Erfahrung anderer Welten mit einbeziehen sowie ihre möglichen Auswirkungen auf unser Leben und die materielle Welt; doch ist es ebenfalls durchaus möglich, allein die Verwirklichung des Höchsten Wesens oder Ishvara anzustreben, sogar in nur einem Aspekt als Shiva oder Krishna, als Herr der Welt, als unser und unserer Werke Meister, oder aber den Universalen Sachchidananda, und dabei die wesentlichen Ergebnisse dieses Yoga zu erreichen; dann kann man zu den integralen Resultaten fortschreiten, sofern man das Ideal eines göttlichen Lebens akzeptiert und das einer stofflichen Welt, von welcher der Spirit Besitz ergreift. Diese Ansicht und Erfahrung der Dinge und der Wahrheit des Daseins befähigten mich, „The Life Divine“ und „Savitri“ zu schreiben. Die Verwirklichung des Höchsten, des Ishvara, ist sicher das Wesentliche; doch ebenfalls wesentlich auf dem Pfad des integralen Yoga ist es, sich Ihm mit Liebe und Hingebung und bhakti zu nähern, Ihm mit Werken zu dienen und Ihn zu erkennen, nicht notwendigerweise in intellektueller Erkenntnis, sondern in spiritueller Erfahrung. Wenn du dem Drängen von K. nachgeben willst, dass dieser und kein anderer dein Pfad zu sein hat, dann hast du dies zu erreichen und zu verwirklichen; eine ausschließliche Jenseitigkeit kann dann dein Weg nicht sein. Ich glaube, du wärst durchaus fähig, dorthin zu gelangen und das Göttliche zu verwirklichen; ich konnte niemals deine ewigen Zweifel an deiner Fähigkeit teilen, und ihre beharrliche Wiederkehr ist kein gültiger Grund anzunehmen, sie könnten nicht überwunden werden. Solche beharrlichen Rückfälle prägen die Sadhana von vielen, bis sie sie endlich überwanden und ihr Ziel erreichten; selbst die Sadhana sehr großer Yogis wurde von solchen heftigen und fortwährenden Rückfällen nicht verschont, und gerade sie waren manchmal besonders ausgesuchte Ziele derartig hartnäckiger Angriffe; ich habe dies in „Savitri“ an mehreren Stellen angedeutet, und das beruht auf meinen eigenen Erfahrungen. Es liegt in der Natur dieser Rückfälle, dass sie meist aus einer ständigen Wiederkehr der gleichen widrigen Erfahrungen bestehen, aus dem selben feindlichen Widerstand, aus Gedanken, die allen Glaubens und Vertrauens, aller Zuversicht in die Zukunft der Sadhana entbehren, aus enttäuschten Zweifeln an dem, was man als die Wahrheit erkannte, aus dem Impuls, sich vom Yogaweg abzuwenden, oder anderen unheilvollen Eingebungen der decheance. Der Verlauf, den diese Angriffe nehmen, ist sicher nicht für alle gleich, doch alle haben eine starke Familienähnlichkeit. Man kann ihrer schließlich Herr werden, sobald man die Natur und Quelle solcher Angriffe zu erkennen beginnt und die Fähigkeit erlangt, sie zu beobachten, sie zu ertragen, ohne in sie verwickelt oder von ihrem Abgrund verschlungen zu werden; schließlich wird man dann zu ihrem Beobachter, man versteht sie und verweigert die Zustimmung des Mentals, selbst wenn das Vital in dem Wirbel noch umhergeworfen wird und das zumeist nach außen gerichtete physische Mental die feindlichen Vorschläge noch immer erwägt. Am Ende verlieren diese Angriffe ihre Kraft und lassen von der menschlichen Natur ab; wenn sie wiederkommen, sind sie schwach und haben nicht mehr die Kraft, sich festzusetzen; sie können sogar, sofern die innere Loslösung stark genug ist, frühzeitig oder gleich eliminiert werden. Die wirksamste Einstellung ist, diese Dinge als das zu betrachten, was sie tatsächlich sind, Einfälle dunkler Kräfte von außerhalb, die sich eine gewisse Bereitschaft im physischen Mental oder im vitalen Teil zunutze machen;sie gehören uns aber nicht wirklich an und sind keine echten Formungen der eigenen Natur. Die bevorzugte Methode dieser Angreifer ist es, Verwirrung und Finsternis im physischen Mental zu schaffen und falsch verstandene Ideen, dunkle Gedanken, unrichtige Eindrücke in dieses zu werfen oder in ihm zu erwecken; sobald sie dann von diesem [physischen] Mental in seinem übergroßen Vertrauen in die eigene Tadellosigkeit oder die natürliche Richtigkeit seiner Eindrücke und Folgerungen unterstützt werden, haben sie einen Festtag – bis das wahre Mental sich wieder behauptet und die Wolken zerstreut. Eine weitere Methode ist die, verletzten oder grollenden Kummer in den niederen Teilen zu wecken und sie solange wie möglich in diesem Zustand zu belassen. In diesem Fall hat man die gewissen Öffnungen seiner Natur zu entdecken und zu lernen, wie man sie für immer jenen Angriffen verschließen oder die Eindringlinge sofort oder schnellstens hinauswerfen kann. Ein Rückfall ist kein Beweis für eine grundlegende Unfähigkeit; sobald man die rechte innere Haltung einnimmt, kann er und wird er überwunden werden. Man muss Glauben an den Herrn unseres Lebens und unserer Werke haben, selbst wenn Er Sich für lange Zeit verbirgt; in dem von Ihm gewählten Augenblick wird Er Seine Gegenwart enthüllen.

Du hast dich immer an Guruvada gehalten. Ich bitte dich daher, Glauben an den Guru und die Führung zu haben, dich zur Erfüllung auf den Ishvara zu verlassen, meiner dauernden Liebe und Zuneigung zu vertrauen, an die Zuneigung und das göttliche Wohlwollen der Mutter zu glauben und standhaft gegen alle Angriffe zu sein, auszuharren und ausdauernd vorwärtszuschreiten dem spirituellen Ziel entgegen sowie der alles erfüllenden, alles befriedigenden Berührung durch den All-Seligen, den Ishvara.

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Ich schicke dir heute den versprochenen Brief; du wirst sehen, dass ich weniger auf die genauen Themen deines Briefes eingegangen bin, sondern vielmehr „die Lehre von der Vergöttlichung des Lebens“ gegen die Kritik des Mentals (oder mehr noch des Vitals) verteidigt habe, die es entweder missversteht oder vor der es zurückschreckt, oder aber sie missversteht, weil es zurückschreckt, und auch zurückschreckt, weil es sowohl mein Ziel als auch meine Methode missversteht. Es ist keine regelrechte Verteidigung, ich gehe vielmehr nur hier und dort auf eine hauptsächliche Frage ein oder beantworte sie. Das Übrige dann später.

Doch alle Worte können missverstanden werden; daher will ich lieber gewisse Dinge klarstellen oder versuchen, sie klarzustellen.

Ich habe die göttlichen Dinge hervorgehoben, um einer übermäßigen entgegengesetzten Betonung der menschlichen Dinge zu begegnen, doch darf dies nicht dahingehend gedeutet werden, dass ich alles Menschliche in diesem Yoga ablehne – sei es menschliche Liebe oder Anbetung oder irgendeine andere hilfreiche Form menschlicher Hinwendung. Ich habe dies nie getan, andernfalls könnte der Ashram nicht bestehen. Die Sadhaks, die den Yoga aufnehmen, sind menschliche Wesen, und würde man ihnen zu Beginn und lange Zeit nachher eine menschliche Hinwendung nicht erlauben, wären sie nicht fähig, den Yoga aufzunehmen oder ihn fortzusetzen. Die Frage entsteht nur deshalb, weil das Wort „menschlich“ in der Praxis als identisch sowohl mit dem menschlichen Vital (oder dem nach außen gerichteten Mental) als auch mit gewissen Formen der menschlich-vitalen Ego-Natur benützt wird. Doch das menschliche Vital enthält auch vieles andere und steckt voll von hervorragendem Stoff. Das einzige, was der Yoga fordert, ist, diesen Stoff in der rechten Weise zu nutzen, in der rechten spirituellen Einstellung, und außerdem die menschliche Hinwendung zum Göttlichen nicht fortwährend in menschlichen Aufruhr und Vorwurf gegen das Göttliche zu verkehren. Und selbst das fordern wir nur um des Erfolgs der Hinwendung willen und nur von jenen Menschen, die sich tatsächlich hinwenden.

Vergöttlichung bedeutet nicht die Zerstörung der menschlichen Elemente; es bedeutet vielmehr, diese aufzunehmen und ihnen den Weg zur Vollkommenheit zu weisen, sie durch Läuterung und Vervollkommnung zu ihrer vollen Macht und Ananda zu erheben – das heißt die Erhebung des gesamten Erdenlebens zu seiner vollen Macht und Ananda. Wenn es nicht den Widerstand in der vitalen menschlichen Natur gäbe, einen Druck von Kräften, die der Veränderung entgegenwirken, Kräfte, die sich an Unvollkommenheit, ja an Perversion entzücken, würde sich diese Veränderung mühelos in einem natürlichen und schmerzlosen Aufblühen vollziehen; dies zeigt dein eigenes Beispiel, wie deine Fähigkeiten zu dichten und zu musizieren hier unter dem Licht und dem Regen eines spirituellen und seelischen Einflusses voller Leichtigkeit sich entfalteten, da alles in dir diese Veränderung wollte und dein Vital bereit war, die Unvollkommenheiten zu erkennen und jede falsche Einstellung aufzugeben – wie zum Beispiel den Wunsch nach bloßem Ruhm – und pflichtbewusst und vollkommen zu sein. Die Vergöttlichung des Lebens bedeutet tatsächlich eine höhere Kunst des Lebens; gegenwärtig ist die Lebenskunst, die von Ego und Unwissenheit geprägt ist, etwas verhältnismäßig Gemeines, Rohes und Unvollkommenes (ähnlich den niederen Formen der Kunst, der Musik und Literatur, die dennoch eine große Anziehungskraft für die gewöhnliche menschliche Mentalität und Vitalität haben); ihre wahre Vollkommenheit muss sie erst durch ein spirituelles und seelisches Öffnen und Verfeinern erreichen. Dies kann aber nur geschehen, indem man sie in das göttliche Licht, die göttliche Flamme taucht, wo ihr Stoff von allen schweren Schlacken befreit und in das echte Metall verwandelt wird.

Doch unglücklicherweise ist ein Widerstand vorhanden, ein sehr dunkler und hartnäckiger Widerstand. Dies macht ein negatives Element im Yoga notwendig, ein Element der Zurückweisung von Dingen, die im Wege stehen, und auch einen Druck auf jene Erscheinungen, die roh und nutzlos sind, damit sie sich auflösen, sowie auf jene, die zwar nützlich, doch unvollkommen oder entstellt sind, damit sie ihre wahre Bewegung zurückerhalten oder wiederentdecken. Für das Vital ist dieser Druck schmerzhaft, erstens, da es dunkel ist und nicht versteht, und zweitens, da es Teile gibt, die ihre Rohheit beibehalten und sich nicht ändern wollen. Daher ist der Einfluss der Seele so hilfreich. Denn die Seele besitzt das glückliche Vertrauen, das bereitwillige Verstehen und Reagieren, die spontane Hingabe; sie weiß, die Berührung durch den Guru soll helfen und nicht verletzen, sie weiß – wie Radha in dem Gedicht –, was auch immer der Geliebte tut, dazu dient, zum Göttlichen Entzücken zu führen.

 

Und dennoch darfst du den Yoga nicht von der negativen Seite her beurteilen, sondern von seiner positiven, denn die negative Seite ist etwas Vorübergehendes, ein Übergang, sie wird schwinden; und allein die positive zählt für das Ideal und die Zukunft. Wenn du die Umstände, die zur negativen Seite, zu einer Art Übergangsbewegung gehören, als das Gesetz der Zukunft und als Merkmal des Yogaweges ansiehst, beurteilst du die Dinge ganz falsch und unterliegst einem schwerwiegenden Irrtum. Dieser Yoga besteht nicht aus einer Zurückweisung des Lebens oder einer Zurückweisung der Nähe und Intimität zwischen dem Göttlichen und dem Sadhak. Sein Ideal ist die größtmögliche Nähe, das größtmögliche Einssein sowohl auf der physischen als auch auf anderen Ebenen, es ist auf die göttlichste Weite und Fülle und Freude des Lebens ausgerichtet.

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Sri Aurobindo hat nichts zu Huxleys12 Kommentar zu bemerken, mit dem er völlig übereinstimmt. Doch in der Formulierung „seine Höhen können wir immer erreichen“ bezieht sich das „wir“ ganz offensichtlich nicht auf die Menschheit im Allgemeinen, sondern auf jene, die genügend entwickeltes inneres, spirituelles Leben besitzen. Es ist anzunehmen, dass Sri Aurobindo dabei an seine eigene Erfahrung dachte. Nach drei Jahren spiritueller Bemühung mit nur unbedeutenden Ergebnissen wurde ihm von einem Yogi der Weg gewiesen, sein Mental zum Schweigen zu bringen. Dies gelang ihm völlig innerhalb von zwei oder drei Tagen, indem er der angewiesenen Methode folgte. Es trat eine absolute Stille des Denkens und Fühlens und all der üblichen Bewusstseinsregungen ein, ausgenommen das Wahrnehmen und Erkennen der Dinge ringsum, was aber von keinerlei Vorstellungen oder sonstigen Reaktionen begleitet wurde. Das Gefühl des Egos verschwand, und sowohl die Bewegungen des gewöhnlichen Lebens als auch Rede und Tat wurden allein als eine Art gewohnheitsmäßiger Tätigkeit der Prakriti fortgesetzt, die er als nicht zu sich gehörend empfand. Die verbleibende Wahrnehmung erkannte alle Dinge als etwas völlig Unwirkliches, und diese Empfindung der Unwirklichkeit war überwältigend und allumfassend. Als wahr erkannt wurde lediglich eine unbestimmbare Wirklichkeit, jenseits von Raum und Zeit und ohne Verbindung zu einer kosmischen Aktivität, doch überall gegenwärtig, wohin man sich auch wandte. Dieser Zustand hielt unverändert mehrere Monate an, und selbst als das Gefühl der Unwirklichkeit schwand und das Teilhaben am Weltbewusstsein zurückkehrte, blieben der innere Friede und die innere Freiheit, die aus dieser Verwirklichung hervorgingen, ständig hinter allen Oberflächenregungen bestehen, und das Wesentliche der Verwirklichung als solcher ging nicht verloren. Gleichzeitig kam noch eine Erfahrung hinzu: etwas anderes als er selbst nahm seine dynamische Aktivität auf und sprach und handelte durch ihn, doch ohne jeden persönlichen Gedanken, ohne persönliche Initiative. Was dieses „andere“ war, blieb unerkannt, bis Sri Aurobindo zur Verwirklichung der dynamischen Seite des Brahman, des Ishvara, gelangte und sich durch diese in seiner ganzen Sadhana und Tätigkeit bewegt fühlte. Diese und andere darauffolgende Verwirklichungen, wie diejenige des Selbstes in allen und aller im und als Selbst, das Göttliche in allem und alle im Göttlichen, sind jene Höhen, auf die Sri Aurobindo sich bezieht und von denen er sagt, wir können immer zu ihnen aufsteigen; denn für ihn bedeuteten sie keine große oder hartnäckige Schwierigkeit. Die einzig wirkliche Schwierigkeit, die Jahrzehnte spiritueller Anstrengung bedurfte, um sie einigermaßen vollständig auszuarbeiten, war, diese spirituelle Erkenntnis gänzlich auf die Welt sowie auf das oberflächlich-psychologische und äußere Leben anzuwenden und seine Umwandlung herbeizuführen, und zwar sowohl auf den höheren Ebenen der Natur als auch auf den gewöhnlichen mentalen, vitalen und physischen Ebenen bis hinunter ins Unterbewusste und tiefste Unbewusste und hinauf bis zum höchsten Wahrheits-Bewusstsein oder Supramental, in welchem allein die dynamische Umwandlung voll und integral und absolut sein kann.

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Ich kann in diesen Auszügen die wahre Natur jener Umwandlung, die ich meine, nicht erkennen. Es scheint etwas Mentales und Moralisches verbunden mit der Liebe zu Gott zu sein und eine Art Einung, die durch diese göttliche Liebe als spiritualisierendes Element herbeigeführt wird.

Liebe zu Gott und die Einung im Getrenntsein durch diese Liebe sowie eine Umwandlung der menschlichen Natur durch die Verwirklichung gewisser mentaler, ethischer und emotionaler, vielleicht sogar physischer Möglichkeiten (die Vaishnavas sprechen von einem neuen cinmaya-Körper) ist das Prinzip des Vaishnava-Yoga. Es gibt hier also nichts, das nicht bereits in dieser Richtung des asiatischen Mystizismus vorhanden war, der eine Persönliche Gottheit anerkennt und ein ewiges vorgeburtliches und nachgeburtliches Dasein des individuellen Wesens betont. Ein spirituelles Erhöhen der menschlichen Natur zu ihren höchsten Möglichkeiten ist dagegen Bestandteil der tantrischen Disziplin – also auch dies fehlt im indischen Yoga nicht. Der Verfasser scheint, ähnlich den meisten europäischen Autoren, lediglich den Illusionismus und Buddhismus zu kennen und sie als die ganze Weisheit Asiens zu betrachten (sagesse asiatique); doch selbst ihre Idee und Erfahrung deutet er falsch. Der Advaita zielt nicht einmal in seiner übertriebensten Form auf das Verlöschen des Daseins und das Annehmen des Nicht-Seins, auf das Ende des Wesens und die Zerstörung der Essenz. Dies hat lediglich ein gewisser nihilistischer Buddhismus zum Ziel, und selbst hier wird das andere Ende des Nichts, sunya, als das Bleibende beschrieben, Worauf diese Disziplinen abzielen, ist ein Übergang von der Zeit zur Ewigkeit, ein Ablegen des Endlichen und Annehmen des Unendlichen, ein Abwerfen der Ego-Fesseln und von dem, was mit ihnen verbunden ist, wie Begehren, Leid, ein entstelltes Dasein, um im wahren Selbst zu leben. Diese Darstellungen des christlichen Autors verraten eine völlige Unkenntnis der Verwirklichung, die er herabsetzt, ihrer Unendlichkeit und Freiheit, ihres überwältigenden Friedens und der Ekstase des Brahmananda. Sie besteht aus einem Verlöschen der begrenzten individuellen Personalität und aus einer Befreiung in das kosmische und dann in das transzendente Bewusstsein – ein Verlöschen des Denkens und Lebens in einem unbegrenzten Bewusstsein und Wissen und Sein. Die Persönlichkeit ist ausgelöscht, doch in etwas Größerem, nicht in etwas Kleinerem oder in einem bloßen „neant“ [Nichts]. Wenn behauptet wird, dass dies eine Negierung des Erdenlebens sei, so kann man das auch vom christlichen Ideal behaupten, denn es zielt auf das Erlangen eines himmlischen Daseins jenseits dieses Erdenlebens (jenseits dieses einen Erdenlebens, denn eine Wiedergeburt wird nicht anerkannt), das ein einziges Jammertal und eine Prüfung sei, die vorübergehe. Es betont die Erhaltung der spirituellen Personalität, doch tun dies Vaishnavismus und Shivaismus und andere „asiatische“ Schulen ebenfalls. Des Autors Unkenntnis der Vielseitigkeit asiatischer Weisheit macht seine Kritik wertlos.