Briefe über den Yoga

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

II. Abschnitt

Ich glaube nicht, dass man jemanden überzeugen kann, der genau das Gegenteil des spirituellen Standpunkts vertritt, der die Dinge mit den Augen eines viktorianischen Agnostikers betrachtet. Sein Zweifel bezüglich des Wertes der Yogaerfahrung – außer einem subjektiven und rein individuellen Wert – beruht darauf, dass diese nicht auf wissenschaftliche Wahrheit abziele und nicht in Anspruch nehmen könne, die höchste Wahrheit zu erreichen, da die Erfahrungen von der Individualität des Erfahrenden gefärbt seien. Man könnte natürlich fragen, ob die Wissenschaft selbst bei irgendeiner höchsten Wahrheit angelangt sei; im Gegenteil, es scheint vielmehr, als ob die höchste Wahrheit selbst auf der physischen Ebene sich in dem Maße zurückzieht, in dem die Wissenschaft fortschreitet. Die Wissenschaft geht von der Annahme aus, die höchste Wahrheit habe physisch und objektiv zu sein und das objektive Höchste (oder sogar noch etwas weniger als das) würde alle subjektiven Phänomene erklären. Der Yoga geht vom gegenteiligen Standpunkt aus, nämlich dass die höchste Wahrheit spirituell und subjektiv ist und wir die objektiven Erscheinungen in diesem höchsten Licht zu betrachten haben. Es sind dies zwei einander entgegengesetzte Pole, und die Kluft ist so weit, wie sie nur irgend sein kann. Yoga kann insofern als wissenschaftlich bezeichnet werden, als er vom subjektiven Experiment ausgeht, und alles, was er findet, auf der Erfahrung gründet; mentale Intuitionen werden nur als ersten Schritt anerkannt und nicht als Verwirklichung betrachtet – sie müssen bestätigt werden, indem man sie auf eine Erfahrung überträgt und durch diese rechtfertigt. Was den Wert der Erfahrung als solcher anbelangt, so wird dieser vom physischen Mental bezweifelt, da es sich um etwas Subjektives und nicht um etwas Objektives handelt. Doch hat diese Unterscheidung wirklich große Bedeutung? Ist nicht alles Wissen, alle Erfahrung im Grunde gleich subjektiv? Die objektiven äußeren und physischen Dinge werden vom Menschen in genau der gleichen Weise gesehen, da sein Mental und seine Sinne entsprechend aufgebaut sind; wären Mental und Sinne anders aufgebaut, dann würde die Erklärung der physischen Welt völlig anders ausfallen – die Wissenschaft selbst betont dies nachdrücklich. Doch der Standpunkt deines Freundes ist, dass Yoga-Erfahrung etwas Individuelles sei, gefärbt von der Individualität dessen, der sie hat. Dies trifft in gewissem Umfang für die genaue Form oder die Darstellung der Erfahrung in bestimmten Bereichen zu; doch selbst hier besteht ein Unterschied nur oberflächlich. Es ist eine Tatsache, dass yogische Erfahrung überall in gleichen Bahnen verläuft. Natürlich gibt es nicht nur eine, sondern viele dieser Bahnen, denn schließlich haben wir es mit einem vielseitigen Unendlichen zu tun, zu dem es viele Wege der Annäherung gibt und geben muss; doch die großen Richtlinien sind überall die gleichen, und die Intuitionen, die Erfahrungen und Phänomene sind dieselben in weit auseinanderliegenden Zeiten und Ländern und in Glaubenssystemen, die völlig unabhängig voneinander praktiziert wurden. Die Erfahrungen des mittelalterlichen europäischen bhakta oder Mystikers sind in ihrem Gehalt genau die gleichen wie jene des mittelalterlichen indischen bhakta oder Mystikers – sie mögen sich unterscheiden was die Namen, Formen, die religiöse Färbung anbelangt. Und dennoch standen diese Menschen weder miteinander in Verbindung, noch kannten sie ihre jeweiligen Erfahrungen und Ergebnisse, wie dies heutzutage bei den modernen Wissenschaftlern von New York bis Yokohama der Fall ist. Dies scheint doch zu beweisen, dass etwas Gleiches, Universales und vermutlich Wahres in ihnen enthalten ist, wie sehr sich auch die Nuancen der Übertragung aufgrund der Verschiedenheit einer mentalen Sprache unterscheiden mögen.

Was nun die höchste Wahrheit anbelangt, so würden vermutlich der viktorianische Agnostiker und der – nennen wir ihn – indische Vedantin darin übereinstimmen, dass sie zwar verhüllt, jedoch vorhanden sei. Beide bezeichnen sie als das Unerkennbare; der einzige Unterschied besteht darin, dass der Vedantin sagt, sie sei durch das Mental nicht erkennbar und durch die Rede nicht ausdrückbar, aber durch etwas Tieferes oder Höheres als mentale Wahrnehmung dennoch erreichbar; und sogar das Mental vermag die tausend Aspekte, die sie der äußeren und inneren mentalen Erfahrung darbietet, widerzuspiegeln, und die Rede vermag sie auszudrücken. Der viktorianische Agnostiker würde vermutlich dieser Formulierung nicht zustimmen; er würde für das zweifelhafte Vorhandensein und, wenn überhaupt vorhanden, für die absolute Unerkennbarkeit dieses Unerkennbaren stimmen.

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Du fragst mich, ob du deiner Neigung, etwas zu prüfen, bevor du es annimmst, widerstehen musst und im Yoga alles a priori hinzunehmen hast – und mit prüfen meinst du die Prüfung durch die gewöhnliche Vernunft. Die einzige Antwort, die ich zu geben vermag, ist, dass Yogaerfahrungen einem inneren Bereich angehören und einem eigenen Gesetz folgen, dass sie ihre eigene Methode der Wahrnehmung haben, ihre eigenen Maßgeblichkeiten und all das Übrige, das weder dem Bereich der physischen Sinne noch dem Bereich der rationalen oder wissenschaftlichen Prüfung angehört. Genauso wie die wissenschaftliche Forschung den Bereich der physischen Sinne verlässt und in den Bereich des unendlich Großen und unendlich Kleinen eintritt, über den die Sinne nichts aussagen und den sie nicht prüfen können – denn man kann ein Elektron weder sehen noch berühren oder durch das Sinnen-Mental entscheiden, ob es vorhanden ist oder nicht; oder aber entscheiden, ob die Erde sich wirklich um die Sonne dreht und nicht vielmehr die Sonne um die Erde, wie es uns unsere Sinne und die ganze physische Erfahrung täglich wahrnehmen lassen –, genauso überschreitet spirituelle Suche den Bereich wissenschaftlicher oder rationaler Forschung, und es ist unmöglich, mit Hilfe der gewöhnlichen positiven Vernunft die Tatsachen spiritueller Erfahrung zu prüfen und zu entscheiden, ob diese Dinge vorhanden sind oder nicht und welcher Art ihr Gesetz und ihre Natur ist. Wie in der Wissenschaft so musst du auch hier Erfahrung zu Erfahrung fügen, treulich den Methoden folgen, die durch den Guru oder die Systeme der Vergangenheit festgelegt wurden, du musst ein intuitives Unterscheidungsvermögen entwickeln, das die Erfahrungen vergleicht, das erkennt, was sie bedeuten und inwieweit und in welchem Bereich jede gültig ist, welchen Platz eine jede im Ganzen einnimmt, inwiefern sie mit anderen, die ihr zunächst zu widersprechen scheinen, in Einklang oder in Bezug gebracht werden kann, usw. usw., bis du dich mit sicherem Wissen in dem Feld spiritueller Erfahrung bewegst. Ich selbst habe die andere Methode erprobt und fand sie vollkommen unbrauchbar und unanwendbar. Andererseits musst du, wenn du nicht bereit bist, all dies auf dich zu nehmen – wie es nur wenige vermögen, außer jene mit einer außergewöhnlichen spirituellen Veranlagung –, die Führung eines Meisters annehmen, genauso wie du in der Wissenschaft einen Lehrer annimmst und nicht ihren gesamten Bereich mit seiner Experimentation allein durchquerst, wenigstens solange nicht, bis du genügend Erfahrung und Wissen angesammelt hast. Solltest du dies darunter verstehen, die Dinge a priori anzunehmen, nun, dann musst du sie tatsächlich a priori annehmen. Denn ich vermag nicht zu erkennen, mit Hilfe welcher gültigen Tests du die gewöhnliche Vernunft zum Richter dessen machen willst, was sie überschreitet.

Du zitierst Darstellungen von V oder X. Ich würde, bevor ich diesen Äußerungen Wert beimesse, gern wissen, was V oder X tatsächlich getan haben, um ihre spirituellen Wahrnehmungen und Erfahrungen zu prüfen. Wie prüfte V den Wert seiner spirituellen Erfahrungen, von denen einige einem durchschnittlichen Geist nicht ohne weiteres glaubwürdiger erscheinen als die Wunder, die gewissen berühmten Yogis zugeschrieben wurden? Ich weiß nichts über X, doch welcher Art waren seine Tests, und wie wandte er sie an? Was waren seine Methoden und Kriterien? Vermutlich wird kein normaler Mensch das Erscheinen Buddhas aus einer Wand oder ein halbstündiges Gespräch mit Hayagriva als gültige und gründlich geprüfte Tatsachen hinnehmen. Er würde sie entweder a priori oder aufgrund des einzigen Beweises von V hinnehmen müssen – was auf das gleiche hinausläuft – oder aber sie a priori als Halluzinationen oder rein mentale Bildnisse, begleitet von einer auditiven Halluzination, ablehnen. Ich weiß nicht, wie man sie hätte testen sollen. Oder wie hätte ich selbst meine nirvana-Erfahrung mit Hilfe des gewöhnlichen Mentals testen sollen? Zu welcher Schlussfolgerung hätte ich mit Hilfe der gewöhnlichen positiven Vernunft kommen sollen? Wie hätte ich ihre Gültigkeit testen sollen? Ich weiß es nicht. Ich tat das einzig möglich, sie als eine starke und gültige, wahre Erfahrung hinzunehmen, sie voll spielen und ihre vollen experimentellen Folgen zeitigen zu lassen, bis ich selbst genügend yogisches Wissen erlangt hätte, um sie einzuordnen. Und schließlich, wie willst du oder irgendjemand anderer ohne inneres Wissen oder innere Erfahrung das innere Wissen oder die innere Erfahrung von anderen prüfen?

Ich habe oft betont, dass Unterscheidung in spiritueller Erfahrung nicht nur durchaus zulässig, sondern sogar unerlässlich ist. Doch es muss eine Unterscheidung sein, die sich auf dem Wissen gründet, und kein Urteilen, das sich auf der Unwissenheit gründet. Andernfalls legst du dich mental fest und hemmst die Erfahrung durch vorgefasste Vorstellungen, die so sehr a priori wären, wie es irgendein Annehmen spiritueller Wahrheit oder Erfahrung sein kann. Deine Vorstellung, dass Hingabe allein durch Liebe vollzogen werden kann, ist ein Beispiel dafür. In yogischer Erfahrung ist es absolut richtig, dass Hingabe durch wahre Liebe, also die psychische und spirituelle Liebe, das Machtvollste, Wirksamste und Einfachste von allem ist; man kann jedoch nicht, indem man dies als eine Behauptung aufstellt, zu der man durch die gewöhnliche Vernunft gelangt ist, die ganze mögliche Erfahrung der Hingabe in diese Formel zwängen oder aufgrund ihrer Aussage verkünden, man habe auf die vollkommene Liebe zu warten, bevor die Hingabe möglich sei. Yogische Erfahrung zeigt, dass Hingabe ebenfalls über das Mental und den Willen vollzogen werden kann, über ein klares und wahrhaftes Mental, das die Notwendigkeit der Hingabe erkennt, und über einen klaren und wahrhaften Willen, der sie den widerstrebenden Gliedern auferlegt. Die Erfahrung zeigt ebenfalls, dass nicht nur Hingabe durch Liebe kommt, sondern Liebe auch durch Hingabe kommen kann oder durch diese eine unvollkommene in eine vollkommene Liebe wachsen kann. Man beginnt, mit Hilfe einer machtvollen Idee, eines intensiven Willens das Göttliche zu erkennen oder zu erreichen, und gibt mehr und mehr seine üblichen persönlichen Vorstellungen, Begierden, Verhaftungen, seine Tatgewohnheiten hin, damit das Göttliche alles aufnehmen kann. Hingabe bedeutet, unser kleines Mental und seine mentalen Begriffe und Vorlieben um eines göttlichen Lichtes und eines größeres Wissens willen aufzugeben, unseren kleinen persönlichen, wirren, blinden und tastenden Willen um eines großen, ruhigen, stillen und leuchtenden Willens und ebensolcher Kraft, unsere kleinen, ruhelosen und gepeinigten Gefühle um einer weiten, starken, göttlichen Liebe und Ananda willen, unsere kleine, leidende Persönlichkeit um der einen Person willen, deren dunkler Abkömmling jene ist. Wenn man auf seinen eigenen Vorstellungen und Überlegungen beharrt, können das größere Licht und Wissen nicht kommen, oder aber sie werden in ihrem Kommen auf Schritt und Tritt durch eine Störung von unten entstellt und behindert; wenn man auf seinen eigenen Wünschen und Eitelkeiten beharrt, können jener große leuchtende Wille und jene Kraft in der ihnen eigenen wahren Macht nicht wirken – denn das wäre so, als würdest du sie bitten, der Knecht deiner Begierden zu sein; solange man seine kleine Art des Fühlens nicht aufgeben will, können die ewige Liebe und der höchste Ananda nicht herabkommen, oder sie werden beim Überschäumen des groben emotionalen Kessels vermischt und verschüttet. Keine noch so große Menge von allgemeinen Überlegungen kann von der Notwendigkeit befreien, das Niedere zu überschreiten, um das Höhere zu gewinnen.

 

Und wenn man findet, dass man sich in der Abgeschiedenheit dem Höheren, dem Göttlichen am besten hingeben kann, da man so die Gelegenheit des Aufwallens alles Niedrigen leichter vermeidet – warum nicht? Es ist das Ziel, dessentwegen jene gekommen sind; warum also tadeln oder voller Misstrauen und Verdacht auf die Methode blicken, die sie für die beste halten, oder diese mit derartig geringschätzigen Adjektiven belegen, wie „grimmig, unmenschlich“, und all das Übrige? Es ist dein Vital, das davor zurückschreckt, und dein vitales Mental besorgt die entsprechenden Bezeichnungen, die lediglich dein Zurückschrecken zum Ausdruck bringen und nicht, was Abgeschiedenheit wirklich bedeutet. Denn das Vital oder sein geselliger Teil scheut sich vor der Einsamkeit und nicht das denkende Mental, das das Vital lediglich unterstützt. Der Dichter sucht mit sich oder mit der Natur allein zu sein, um seiner Inspiration zu lauschen; der Denker taucht in die Einsamkeit, um über die Dinge nachzudenken und in ein tieferes Wissen einzutreten; der Wissenschaftler schließt sich in sein Laboratorium ein, um mit Hilfe von Experimenten in die Geheimnisse der Natur einzudringen; all diese Abgeschiedenheit ist weder grimmig noch unmenschlich. Noch ist es die Abgeschiedenheit des Sadhaks in einer alles ausschließenden Konzentration, die er als sein Erfordernis empfindet; sie ist ein Mittel zum Zweck – zu jenem Zweck, auf den sein ganzes Herz ausgerichtet ist. Und was den Yogi oder bhakti anbelangt, der bereits die erste grundlegende Erfahrung hatte, so befindet auch er sich nicht in grimmiger und unmenschlicher Einsamkeit. Denn der eine birgt das Göttliche und die gesamte Welt in seinem eigenen Wesen, ein anderer den höchsten Geliebten oder seinen Ananda.

Ich sage dies hinsichtlich deiner Verachtung der Zurückgezogenheit, die sich auf der Unkenntnis gründet, was diese tatsächlich ist; ich selbst empfehle, wie ich oft betonte, keine völlige Abgeschiedenheit, denn ich halte diese für ein gefährliches Mittel, das zu Morbidität und großem Irren führen kann. Ich erlege auch niemandem die Abgeschiedenheit als Methode auf oder stimme ihr zu, außer die betreffende Person sucht diese selbst und fühlt ihre Notwendigkeit, schöpft Freude daraus und erfährt den persönlichen Beweis, dass sie ihr zur spirituellen Erfahrung verhilft. Sie sollte niemandem als Prinzip auferlegt werden, denn das wäre die mentale Art – der Weg des gewöhnlichen Mentals – die Dinge zu tun; wenn sie als Erfordernis empfunden wird, muss sie als Erfordernis angenommen werden, nicht aber als allgemeines Gesetz oder als Regel.

Was du in deinem Brief als die Erwiderung des Göttlichen beschreibst, würde in der Sprache yogischer Erfahrung nicht so bezeichnet werden; dieses Gefühl großen Friedens, Lichtes, der Leichtigkeit und des Vertrauens, der Verringerung der Schwierigkeiten, das Gefühl der Gewissheit würde vielmehr eine Erwiderung deiner eigenen Natur auf das Göttliche genannt werden. Es gibt einen Frieden oder ein Licht, welches tatsächlich die Erwiderung des Göttlichen ist, doch das ist ein weiter Friede, ein großes Licht, sie werden als eine Gegenwart gefühlt, die vom persönlichen Selbst verschieden ist, nicht als Teil der persönlichen Natur, sondern als etwas, das von darüber kommt und schließlich von der Natur Besitz ergreift – oder es kann die Göttliche Gegenwart selbst sein, die tatsächlich die absolute Befreiung sowie Glück und Gewissheit mit sich bringt. Doch die ersten Erwiderungen des Göttlichen sind meist nicht so, sie kommen vielmehr als eine Berührung, als ein Druck, den zu erkennen und anzunehmen man in der Lage sein muss; oder es ist eine Stimme der Bekräftigung, manchmal eine sehr „leise, kleine Stimme“, ein momentanes Bild, eine spontane Gegenwart, manchmal eine Eingebung der Führung – viele Formen sind es, die es annehmen kann. Dann zieht es sich zurück, und die Vorbereitung der Natur geht weiter, bis es möglich ist, dass die Berührung immer wiederkehrt, dass sie länger andauert und sich in etwas Dringlicheres, Näheres und Innerlicheres verwandelt. Das Göttliche drängt sich einem zu Beginn nicht auf – es bittet, erkannt und angenommen zu werden. Das ist ein Grund, warum das Mental zur Ruhe kommen muss, warum es nicht testen oder Forderungen stellen soll – es muss Platz vorhanden sein für die wahre Intuition, die sofort die echte Berührung erkennt und annimmt.

Und als letztes noch zu der bedrängenden Tätigkeit des Mentals, die deine Konzentration behindert. Doch ist diese oder aber eine noch ermüdendere, hartnäckigere, eine mahlend mechanische Tätigkeit immer die Schwierigkeit, wenn man sich zu konzentrieren sucht, und es nimmt lange Zeit in Anspruch, sie zu überwinden. Diese oder die Gewohnheit des Schlafs verhindert entweder die wache Konzentration oder den bewussten samadhi oder die vertiefte, alles ausschließende Trance, jene drei Formen, die yogisches Bewusstsein annimmt. Doch es ist mit Sicherheit die Unkenntnis des Yoga, seines Ablaufs und seiner Schwierigkeiten, die dich verzweifeln und dich aufgrund dieser ganz normalen Behinderung von deiner Untauglichkeit sprechen lässt. Die Beharrlichkeit des gewöhnlichen Mentals und seine falschen Überlegungen, Gefühle und Beurteilungen, die ziellose Aktivität des denkenden Mentals in der Konzentration oder seine mechanische Tätigkeit sowie die träge Reaktion auf die verhüllte oder initiierende Berührung sind die ganz gewöhnlichen Hemmnisse, die durch das Mental entstehen, genauso wie Stolz, Ehrgeiz, Eitelkeit, Sex, Gier, das Ergreifen der Dinge um des eigenen Egos willen Schwierigkeiten und Hemmnisse sind, die einem das Vital auferlegt. Und genauso wie die vitalen Schwierigkeiten niedergefochten und besiegt werden können, kann das auch mit den mentalen geschehen. Man muss nur erkennen, dass sie nicht zu vermeiden sind, und darf sich weder an sie klammern noch sich erschrecken oder überwältigen lassen, weil sie vorhanden sind. Man muss durchhalten, bis man sowohl vom Mental als auch vom Vital zurückstehen und die tieferen und größeren mentalen und vitalen Purushas in sich fühlen kann, die der Stille fähig sind, fähig eines unmittelbaren Empfangs des wahren Wortes, der wahren Kraft, des wahren Schweigens. Wenn die menschliche Natur den Weg wählt, auf dem zuerst die Schwierigkeiten niedergefochten werden müssen, dann ist die erste Hälfte des Weges lang und mühsam, und die Klage über die mangelnde Erwiderung durch das Göttliche wird laut. Doch das Göttliche ist tatsächlich immer da. Es arbeitet hinter dem Schleier und wartet darauf, dass du seine Erwiderung erkennst, dass die Erwiderung auf die Erwiderung möglich wird.

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Das Strömen, das man hier spürt, scheint unmittelbar den Quellen der Wahrheit zu entspringen und ist nicht so häufig zu finden, wie man es wünschen würde. Dies ist ein Geist, der nicht nur zu denken, sondern auch zu erkennen vermag, der nicht nur die Oberfläche der Dinge sieht- mit der intellektuelles Denken meist endlos und ohne sicheren Ausgang ringt, als ob es nichts anderes gäbe –, sondern der auch fähig ist, in das Innere zu sehen. Die Tantriker gebrauchen den Ausdruck pasyanti vak, das erkennende Wort, um eine Ebene der vak Shakti, der Shakti des Wortes zu beschreiben. Hier ist es pasyanti buddhi, der erkennende Verstand – vielleicht deshalb, weil der Erkennende vom Denken zur Erfahrung übergegangen ist, doch gibt es viele, die einen beträchtlichen Reichtum der Erfahrung besitzen, ohne dass diese derart ihre Gedankenschau klärt; zwar erkennt die Seele, doch das Mental fährt fort, die Idee wirr und unvollkommen zu umschreiben, zu verschleiern und durcheinanderzubringen. Hier aber muss die Gabe einer erkennenden Schau in der Natur bereitgelegen haben.

Es ist beachtlich, sich so rasch und entschlossen von den schimmernden Schleiern und Nebeln, die der moderne Intellektualismus für das Licht der Wahrheit hält, befreit zu haben. Das moderne Mental – und wir mit ihm – ist so lange und ausdauernd im Tal des Falschen Lichtes gewandert, dass es für niemanden einfach ist, dessen Nebel mit dem Sonnenlicht einer klaren Schau zu vertreiben, so wie es hier geschah. Alles, was hier über modernen Humanismus und Humanitarismus gesagt wird, über die vergeblichen Bemühungen des sentimentalen Idealisten und des erfolglosen Intellektuellen, über synthetischen Eklektizismus und ähnliche Dinge, ist bewundernswert klarsichtig und trifft ins Schwarze. Nicht durch diese Mittel kann die Menschheit zur radikalen Veränderung ihrer Lebensweise gelangen – die so dringlich geworden ist –, sondern allein dadurch, dass sie das Grundgestein der Wirklichkeit dahinter erreicht – nicht durch bloße Ideen und mentale Formungen, sondern durch eine Bewusstseinsveränderung, durch eine innere und spirituelle Wende. Doch für diese Wahrheit würde man in dem gegenwärtigen Tosen aus vielstimmigem Lärm und aus Wirrnis und Katastrophe schwerlich Gehör finden.

Eine Unterscheidung, diejenige, die hier sehr deutlich gemacht wird zwischen der Ebene der phänomenalen Vorgänge, also der äußeren Prakriti, und der Göttlichen Wirklichkeit, steht an erster Stelle unter den Worten innerer Weisheit. Die Wende, die sie auf diesen Seiten nimmt, ist mehr als eine geniale Erklärung; sie drückt wohlüberlegt eine jener klaren Gewissheiten aus, denen du begegnest, wenn du die Grenzlinie überschreitest und die äußere Welt aus der Sicht der inneren spirituellen Erfahrung betrachtest. Je mehr du dich nach innen oder nach oben wendest, desto mehr verändert sich die Sicht der Dinge, und das äußere, von der Wissenschaft geordnete Wissen erhält seinen eigentlichen und sehr begrenzten Platz. Die Wissenschaft, wie das meiste mentale und äußere Wissen, vermittelt dir nur die Wahrheit des Vorgangs. Ich möchte hinzufügen, dass sie dir nicht einmal die volle Wahrheit des Vorganges geben kann;denn du ergreifst einige Wägbarkeiten, doch das überaus wichtige Unwägbare entgeht dir; du erfährst kaum das Wie sondern lediglich die Bedingungen, unter denen die Dinge in der Natur geschehen. Nach all den Triumphen und Wundern der Wissenschaft bleibt das erklärende Prinzip, das Rationale, die Bedeutung des Ganzen ebenso dunkel wie geheimnisvoll, wenn nicht geheimnisvoller denn je. Das Schema, das diese von der Evolution aufstellt – der Evolution dieser reichen, weiten, mannigfaltigen stofflichen Welt, des Mentals und seines Wirkens, des Lebens und Bewusstseins, als einer Evolution aus einer rohen Masse von Elektronen, identisch und verschieden nur in Anordnung und Zahl – ist irrationale Magie und verwirrender, als jede zuhöchst mystische Vorstellung es sich vergegenwärtigen könnte. Wissenschaft führt uns letzten Endes in ein fertiges Paradoxon, in einen geordneten und geradlinig determinierten Zufall in eine Unmöglichkeit, die irgendwie möglich wurde; sie hat uns eine neue, eine stoffliche Maya gezeigt, aghatana-ghatana-patiyasi, die sehr geschickt das Unmögliche zuwege bringt, ein Wunder, das logischerweise nicht sein kann und doch irgendwie wirklich ist, unfehlbar geordnet, aber dennoch irrational und unerklärlich. Der Grund hierfür ist offensichtlich darin zu suchen, dass die Wissenschaft etwas Essentielles verfehlt hat; sie hat erkannt und geprüft, was geschah und wie es geschah, doch sie hat ihre Augen vor etwas geschlossen, das dieses Unmögliche zuwege brachte, etwas, das es auszudrücken gilt. Die Dinge haben keine grundlegende Bedeutung, wenn du die Göttliche Wirklichkeit nicht erkennst, denn dann bleibst du in einer gewaltigen Oberflächenkruste einer manipulierbaren und nutzbaren Erscheinungswelt eingeschlossen. Du versuchst, den Zauber des Zauberers zu analysieren, doch erst wenn du das Bewusstsein des Zauberers erlangst, kannst du zu einer anfänglichen Erfahrung der wahren Ordnung, der Bedeutung und der Kreise der lila gelangen. Ich sage „anfänglich“, da die Göttliche Wirklichkeit nicht so einfach ist, dass du sie bei der ersten Berührung gleich zu erkennen oder in eine einzige Formel zu pressen vermagst; sie ist das Unendliche und öffnet vor dir unendliches Wissen, gegenüber dem alle Wissenschaft zusammengenommen nur eine Bagatelle ist. Du berührst das Wesentliche, das Ewige hinter den Dingen, und im Licht von jenem wird alles zuinnerst leuchtend und verständlich werden.

 

Ich habe dir früher schon einmal gesagt, was ich davon halte, wenn gewisse Wissenschaftler, die es gut meinen, an der Oberfläche – oder der scheinbaren Oberfläche – der spirituellen Wirklichkeit, die hinter den Dingen steht, sinnlos herumkritisieren, und ich brauchte es daher nicht nochmals zu tun. Viel wichtiger sind die Vorzeichen einer größeren Gefahr, die durch den neuen Angriff des Gegners, nämlich des Skeptikers, gegen die Gültigkeit spiritueller und überphysischer Erfahrung aufkommt – seine neueste Vernichtungstaktik, die darin besteht, diese anzuerkennen und in seinem eigenen Sinn zu deuten. Dies könnte durchaus ein Grund zur Befürchtung sein; doch zweifle ich, wenn diese Dinge einmal der Prüfung unterzogen sein werden, ob das Mental der Menschheit sich lange mit Erklärungen zufrieden geben wird, die so unbefriedigend oberflächlich und äußerlich sind – Erklärungen, die nichts erklären. Nicht nur diejenigen, die die Religion verteidigen, scheinen eine unvernünftige, leicht zu widerlegende Haltung einzunehmen, indem sie auf der nur subjektiven Gültigkeit spiritueller Erfahrung beharren, sondern auch der Gegner scheint unwissentlich die Tore der materialistischen Festung freizugeben durch seine Bereitwilligkeit, spirituelle und überphysische Erfahrung überhaupt zuzugeben und zu prüfen. Seine Verschanzung im physischen Bereich, seine Weigerung, überphysische Dinge anzuerkennen oder zu prüfen, waren die Wehr seiner großen Sicherheit; ist diese einmal aufgegeben, wird das menschliche Mental nach etwas weniger Negativem drängen und in einer förderlich positiven Haltung über die tote Masse der Theorien und über die Scherben annullierender Erklärungen und erfindungsreicher psychologischer Etikettierungen hinweggehen. Eine andere Gefahr mag dann aufkommen, nicht die einer endgültigen Leugnung der Wahrheit, sondern die Wiederholung vergangener Fehler in alter oder neuer Form; nämlich auf der einen Seite die Wiederbelebung eines blinden, fanatischen, obskuren und sektiererischen Religionismus, auf der anderen Seite ein Stolpern in die Gräben und Sümpfe des vitalistischen Okkulten und des Pseudospirituellen – Fehler, aus denen der materialistische Angriff der Vergangenheit seine ganze Kraft und sein credo bezog. Doch dies sind Erscheinungen, die uns immer an der Grenzlinie oder im Bereich zwischen materieller Dunkelheit und dem vollendeten Glanz begegnen. Trotz allem, der Sieg des höchsten Lichtes, selbst im dunklen Erdbewusstsein, besteht als die eine höchste Gewissheit.

Kunst, Dichtung, Musik sind nicht Yoga, keine in sich spirituellen Dinge, ebensowenig wie Philosophie oder Wissenschaft etwas Spirituelles ist. Hier lauert eine seltsame weitere Unfähigkeit des modernen Intellektes, sein Unvermögen, zwischen Mental und Spirit zu unterscheiden, seine Bereitwilligkeit, mentalen, moralischen und ästhetischen Idealismus für Spiritualität zu halten und dessen untere Stufen für spirituelle Werte. Es stimmt, die mentalen Intuitionen des Metaphysikers oder Dichters bleiben weit hinter einer konkreten spirituellen Erfahrung zurück; sie sind ferne Blitze, verschwommene Spiegelungen und nicht die Strahlen aus dem innersten Licht. Es stimmt weiterhin, dass, von oben betrachtet, kein großer Unterschied besteht zwischen den hohen geistigen Höhen und dem niederen Emporarbeiten dieses äußeren Daseins. Alle Kräfte der lila sehen von oben gleich aus, alle sind Verhüllungen des Göttlichen. Doch man muss hinzufügen, dass alles als ein anfängliches Hilfsmittel zur Verwirklichung des Göttlichen verwandt werden kann. Eine philosophische Äußerung über den Atman ist eine mentale Formulierung, sie ist nicht Wissen, nicht Erfahrung; dennoch wird sie vom Göttlichen manchmal zum Anlass einer Berührung genommen; es ist seltsam, eine Barriere im Mental bricht nieder, etwas wird erkannt, es vollzieht sich eine tiefe Wandlung in einem inneren Teil, etwas Stilles, Gleichmütiges, Unsägliches dringt in die Tiefen der menschlichen Natur. Oder man steht auf einem Bergkamm und erblickt oder fühlt eine Größe, ein Durchdrungensein, eine namenlose Weite in der Natur; dann plötzlich die Berührung – eine Enthüllung, ein Fluten, das Mental verliert sich im Spirituellen, man hält dem ersten Einbruch des Unendlichen stand. Oder du stehst vor einem Tempel der Kali an einem heiligen Fluss und siehst eine Skulptur, ein feines Stück Bildhauerarbeit, doch an ihrer Stelle in einem jähen Augenblick, geheimnisvoll, unerwartet, ist da eine Gegenwart, eine Macht, ein Gesicht, das in das deine blickt, deine innere Schau hat die Welt-Mutter erkannt. Ähnliche Berührungen können über die Kunst, die Musik, die Dichtung zu demjenigen kommen, der sie hervorbringt, oder zu einem, der die Gewalt des Wortes fühlt, den verborgenen Sinn einer Form, die Botschaft im Klang, die vielleicht mehr enthält, als vom Komponisten bewusst beabsichtigt war. Alle Dinge der lila, des Göttlichen Spiels, können zu Fenstern werden, die sich einer verborgenen Wirklichkeit öffnen. Und dennoch, solange man sich damit zufrieden gibt, durch Fenster zu blicken, ist nur ein erster Erfolg zu verzeichnen; eines Tages wird man den Pilgerstab nehmen müssen und sich auf die Wanderschaft machen nach dort, wo die Wirklichkeit für immer manifest und gegenwärtig ist. Noch weniger aber kann es spirituell befriedigen, bei jenen verschwommenen Spiegelungen zu verweilen, und die Suche nach dem Licht, das jene darzustellen suchen, drängt sich auf. Doch da diese Wirklichkeit und dieses Licht sowohl in uns als auch in einem hohen Bereich über der sterblichen Ebene sind, können wir bei unserer Suche danach viele Bilder und Tätigkeiten des Lebens verwenden; so wie man eine Blume, ein Gebet, eine Tat dem Göttlichen darbringt, kann man ebenfalls eine erschaffene Form, die die Schönheit ausdrückt, ein Lied, ein Gedicht, ein Bildnis, eine Melodie darbringen und hierdurch zu einer Berührung, einer Erwiderung und Erfahrung gelangen. Und wenn man in dieses göttliche Bewusstsein eingetreten ist oder wenn es innerlich wächst, dann ist dessen Ausdruck im Leben durch diese Dinge ebenfalls nicht vom Yoga ausgeschlossen; diese schöpferischen Tätigkeiten können ihren Platz behalten, doch nicht einen wichtigeren Platz als irgendwelche anderen, die man zu göttlichem Gebrauch und Dienst ausübt. Kunst, Musik, Dichtung in ihrer gewöhnlichen Auswirkung schaffen mentale und vitale, keine spirituellen Werte; sie können aber einem höheren Ziel zugewandt werden und dann, wie alles Übrige, unser Bewusstsein mit dem Göttlichen verbinden, sie werden verwandelt, werden spirituell und können als Teil der Yogadisziplin dienen. Alle Dinge nehmen einen neuen Wert an, nicht durch sich selbst, sondern durch das Bewusstsein, das sie gebraucht, denn es gibt nur eine notwendige, wesentliche und unerlässliche Sache, und das ist, sich der Göttlichen Wirklichkeit bewusst zu werden und darin zu leben und immer darin zu leben.