Briefe über den Yoga

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II. Sachchidananda

Sachchidananda ist der Eine in einem dreifachen Aspekt. Im Höchsten sind diese Keine Drei, sondern Eins; Dasein ist Bewusstsein, Bewusstsein ist Seligkeit, und derart sind sie untrennbar – und nicht nur untrennbar, sondern so sehr eins, dass sie gar nicht zu unterscheiden sind. Auf den höheren Ebenen der Manifestation werden sie dann trinitär und, obgleich immer noch untrennbar, kann eines von ihnen mehr hervorragen und grundlegender sein oder die anderen lenken. In den niederen Ebenen darunter werden sie zwar in ihrer Erscheinungsform trennbar, jedoch nicht in ihrer geheimen Wirklichkeit, und eines kann erscheinungsmäßig ohne die anderen bestehen; auf diese Weise gelangen wir zur Wahrnehmung dessen, was uns als unbewusstes oder leidvolles Dasein erscheint oder als ein Bewusstsein ohne Ananda. Tatsächlich, ohne diese ihre Trennung hätten sich Leid und Unwissenheit, Falschheit und Tod und das, was wir die Unbewusstheit nennen, in der Erfahrung nicht manifestieren können – und die Evolution eines begrenzten und leidenden Bewusstseins aus der universalen Nicht-Bewusstheit der Materie wäre nicht möglich gewesen.

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Das Supramental befindet sich zwischen dem Sachchidananda und der niederen Schöpfung. Es allein enthält die sich selbst bestimmende Wahrheit des Göttlichen Bewusstseins und ist für eine Wahrheits-Schöpfung notwendig.

Man kann natürlich Sachchidananda auch in Bezug auf Mental, Leben und Körper verwirklichen, doch ist dies doch etwas Fixiertes, das durch seine Gegenwart die niedere Prakriti stützt, jedoch nicht umwandelt. Das Supramental allein vermag die niedere Natur umzuwandeln.

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Die supramentale Macht ist es, die Mental, Leben und Körper umwandelt –, nicht das Sachchidananda-Bewusstsein, das unbeteiligt alles stützt. Doch durch die Erfahrung von Sachchidananda, reines Dasein-Bewusstsein-Seligkeit, wird der Aufstieg zum Supramental und die Herabkunft des Supramentals (in einem viel späteren Stadium) möglich. Denn zunächst muss man von der üblichen Begrenzung durch die mentalen, vitalen und körperlichen Formungen frei werden, und diese Befreiung erfolgt durch die Erfahrung des Sachchidananda-Friedens, seiner Ruhe, Reinheit und seiner Weite.

In eine Leere einzutreten hat nichts mit dem Supramental zu tun. Die große Leere wird vielmehr vom Mental erreicht, das seine Begrenzungen überschreitet und dabei einem negativen und quietistischen Weg folgt. Das Mental, aus Unwissenheit bestehend, muss sich auslöschen, um in die höchste Wahrheit einzutreten – das zumindest glaubt es. Doch das Supramental, welches das Wahrheits-Bewusstsein und Göttliche Wissen ist, braucht sich zu diesem Zweck nicht auszulöschen.

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Im supramentalen Bewusstsein gibt es keine Probleme – ein Problem wird durch die vom Mental errichtete Spaltung geschaffen. Das Supramental sieht die Wahrheit als ein einziges Ganzes, und alles hat in diesem Ganzen seinen Platz. Das Supramental ist auch spirituell, doch die alten Yogasysteme erlangen Sachchidananda durch das spiritualisierte Mental und treten in das ewig statische Einssein des Sachchidananda oder vielmehr des reinen Sat [Sein] ein, das absolut und ewig ist, oder aber in ein absolutes und ewiges Nicht-Sein. Unser Yoga, nachdem er Sachchidananda auf der spiritualisierten Mental-Ebene erreicht hat, schreitet fort, indem er es auf der supramentalen Ebene verwirklicht.

Der höchste, überkosmische Sachchidananda steht über allem. Das Supramental kann als seine Macht des Selbst-Erkennens und Welt-Erkennens beschrieben werden, die Welt in sich erkennend und nicht außerhalb. Um daher bewusst im höchsten Sachchidananda zu leben, muss man durch das Supramental hindurch. Sobald man sich im Überkosmischen, fern der Schöpfung befindet, gibt es weder Probleme noch ihre Lösungen. Lebt man sowohl in der Transzendenz als auch im Kosmischen zugleich, so ist das allein durch das supramentale Bewusstsein im höchsten Sachchidananda-Bewusstsein möglich – warum also sollte diese Frage entstehen? Warum sollte ein Unterschied zwischen der höchsten Sachchidananda-Sicht des Kosmos und derjenigen des Supramentals bestehen? Deine Schwierigkeit rührt wahrscheinlich daher, dass du beides in den Begriffen des Mentals betrachtest.

Das Supramental ist ein Bewusstsein, das völlig verschieden ist nicht nur vom spiritualisierten Mental, sondern auch von den Ebenen über dem spiritualisierten Mental, die zwischen diesem und der supramentalen Ebene liegen. Hat man einmal das Obermental auf dem Weg zum Supramental überschritten, tritt man in ein Bewusstsein ein, auf das die Normen der anderen Ebenen durchaus nicht mehr anwendbar sind und in dem ein und dieselbe Wahrheit – wie zum Beispiel Sachchidananda und die Wahrheit dieses Universums – auf ganz andere Weise gesehen wird und eine andere dynamische Wirkung hat. Dies ergibt sich folgerichtig aus der Tatsache, dass das Supramental unteilbares Wissen besitzt, das Obermental hingegen durch die Einung in der Teilung wirkt, während das Mental, indem es teilt, diese Teilung als primäre Tatsache ansieht, denn auf dieser beruht seine natürliche Methode, zum Wissen zu gelangen.

Auf allen Ebenen ist die essentielle Erfahrung von Sachchidananda die gleiche – reines Dasein, Bewusstsein, reine Seligkeit –, und das Mental ist häufig mit ihr als der alleinigen Wahrheit zufrieden und verwirft alles Übrige als Teil der großen Illusion; doch es gibt auch eine dynamische Erfahrung des Göttlichen oder des Daseins (zum Beispiel als der Eine und die Vielen, als das Persönliche und Unpersönliche und Endliche usw.), die für das integrale Wissen wesentlich ist. Die dynamische Erfahrung ist auf den niederen Ebenen nicht die gleiche wie auf den höheren, den dazwischenliegenden spirituellen Ebenen und im Supramental. Auf den niederen Ebenen können die Gegensätze nur zusammengefügt und harmonisiert werden, im Supramental hingegen schmelzen sie zusammen und sind untrennbar eins. Das ist ein gewaltiger Unterschied.

Das Universum ist Dynamik, Bewegung – die essentielle Erfahrung des Sachchidananda als solchem, fern von Dynamik und Bewegung, ist statisch. Die volle dynamische Wahrheit des Sachchidananda und des Universums sowie ihre Bedeutung können durch kein anderes Bewusstsein als das des Supramentals erkannt werden, da die Instrumentation auf allen anderen, niedrigeren Ebenen eine geringere ist; daher besteht eine Diskrepanz zwischen der Fülle statischer Erfahrung und der Unvollständigkeit der dynamischen Macht und Erkenntnis, die von dem geringeren Licht und der geringeren Macht anderer Ebenen herrührt. Das ist der Grund, weshalb das Bewusstsein anderer spiritueller Ebenen, selbst wenn es herabkommt, keine durchgreifende Veränderung im Erdbewusstsein bewirken kann, es vermag dieses lediglich abzuwandeln oder zu bereichern. Die radikale Umwandlung bedarf der Herabkunft einer supramentalen Macht und Natur.

Man kann nicht von zwei Arten von Sachchidananda sprechen, denn Sachchidananda ist immer der gleiche – doch die Erkenntnis des Sachchidananda und des Universums sind je nach der Bewusstseinsstufe der Erfahrung verschieden.

Die persönliche Verwirklichung des Göttlichen kann mit oder ohne Form stattfinden. Ohne Form ist es die Gegenwart der lebendigen Göttlichen Person, die in allem gefühlt wird. In der Form erscheint es im Bildnis des Einen, den man anbetet. Das Göttliche kann sich dem bhakta oder Suchenden immer in einer Form offenbaren. Man nimmt es in der Form wahr, in der man es anbetet oder sucht, oder aber in einer Form, die der Göttlichen Person, dem Gegenstand der Anbetung angemessen ist. Wie diese sich manifestiert, hängt von vielen Dingen ab und ist zu verschiedenartig, um es auf eine einzige Regel zu beschränken. Manchmal wird die Göttliche Gegenwart in einer Form im Herzen erkannt, manchmal in einem der anderen Zentren, manchmal über einem und von dort her lenkend, manchmal wird sie außerhalb und vor einem gesehen, als wäre sie eine verkörperte Person. Man gewinnt hierdurch eine innige Beziehung, eine fortwährende Führung oder, wenn sie innerlich gefühlt oder geschaut wird, eine sehr starke und konkrete Verwirklichung der immerwährenden Gegenwart. Man muss sich jedoch der Reinheit seiner Anbetung und seines Suchens sehr sicher sein, denn der Nachteil dieser Art verkörperter Beziehung besteht darin, dass andere Kräfte die Form nachahmen oder die Stimme oder Führung fälschen können und dies umso mehr, wenn es sich um ein ersonnenes und kein wahres Bildnis handelt. Viele wurden auf diese Weise irregeführt, da Stolz, Eitelkeit und Begehren in ihnen stark ausgeprägt waren und sie der feineren seelischen Wahrnehmung beraubten die nicht von mentalen Art ist, und durch die augenblicklich das Licht der Mutter auf Irreführungen und Fehler gelenkt werden kann.

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1. Mit einer überkosmischen Wirklichkeit meine ich den höchsten Sachchidananda über dieser und jeder Schöpfung, der durch keine von ihnen gebunden ist, aus dem jedoch die ganze Schöpfung und das gesamte Universum hervorgehen.

2. Das Supramental und das Überkosmische sind nicht das gleiche. Wenn es so wäre, könnte es keinen supramentalen Bereich und keine Herabkunft des supramentalen Prinzips in die stoffliche Welt geben; wir würden vielmehr zu der Vorstellung zurückkehren, dass die göttliche Wahrheit und Wirklichkeit allein im Jenseits bestehen kann und das Universum – jedes Universum – nur eine Halbwahrheit oder eine Illusion der Unwissenheit ist.

3. Mit dem Supramental meine ich das Wahrheits-Bewusstsein sowohl im Universum als auch darüber, durch welches das Göttliche nicht nur sein eigenes Wesen und Sein erkennt, sondern auch seine Schöpfung. Sein grundlegender Charakter ist Wissen durch Identität, durch welches das Selbst erkannt wird, der Göttliche Sachchidananda erkannt wird, aber auch die Wahrheit der Schöpfung erkannt wird, denn auch diese ist Das, sarvam khalvidam brahma, vasudevah sarvam, usw. Das Mental ist ein Instrument der Unwissenheit, das zu wissen versucht; das Supramental ist das Wissende, das Wissen besitzt, da es mit diesem und dem Gewussten eins ist und daher alle Dinge im Licht Seiner eigenen Wahrheit sieht, im Licht ihres wahren Selbstes, das Er ist. Es ist eine dynamische und nicht nur eine statische Macht, nicht nur ein Wissen, sondern ein Wille, der mit dem Wissen übereinstimmt; es gibt eine supramentale Macht oder Shakti, die ihre Welt des Lichtes und der Wahrheit direkt manifestieren kann; in dieser gründet sich lichtvoll alles auf der Harmonie und dem Einssein des Einen, und sie wird nicht von einem Schleier der Unwissenheit oder einer anderen Entstellung verzerrt. Das Supramental überschreitet daher nicht die gesamte mögliche Schöpfung, sondern befindet sich über der Dreiheit von Mental, Leben und Materie, aus der unsere derzeitige Erfahrung dieser Schöpfung besteht.

 

4. Das Obermental ist eine Art Abgesandter des Supramentals (dies ist als Metapher zu verstehen), welches das gegenwärtige evolutionäre Universum stützt, in dem wir hier in der Materie leben. Hätte das Supramental von Anfang an als die direkte schöpferische Macht hier gewirkt, dann wäre eine Welt wie die jetzige unmöglich gewesen; sie wäre von Anbeginn an voll des göttlichen Lichtes gewesen, es hätte keine Involution in der Unbewusstheit der Materie gegeben und folglich auch keine allmählich aufstrebende Evolution des Bewusstseins in der Materie. Man muss sich daher eine Trennungslinie zwischen der höheren Hälfte des Bewusstseins-Universums, parardha, und der niederen, aparardha, vorstellen. Die höhere Hälfte besteht aus Sat, Chit, Ananda und Mahas [dem Supramental]; die niedere Hälfte besteht aus dem Mental, dem Leben und der Materie. Die Trennungslinie wird durch das dazwischenliegende Obermental gebildet, das, obwohl selbst lichthaft, das volle, .unteilbare supramentale Licht von uns fernhält; tatsächlich hängt es von diesem ab, doch indem es das Licht empfängt, trennt es dieses, teilt es auf und bricht es in gesonderte Aspekte, Mächte und Vielheiten aller Art, von denen jede durch eine weitere Bewusstseins-Minderung möglich wird, derart, wie wir sie schließlich im Mental erreichen, das wir als die einzige oder hauptsächliche Wahrheit anerkennen, während wir alles Übrige als zweitrangig und ihm entgegengesetzt betrachten. Auf dieses Wirken des Obermentals wären die Worte der Upanishad anwendbar: „Das Gesicht der Wahrheit wird von einem goldenen Lid verdeckt“ oder jene des Veda: „rtena rtam apihitam“, die Wahrheit, die von einer Wahrheit verhüllt wird. Hier [im Universum] wirkt eine Art vidya-avidyamayi-maya, eine Maya, die aus Wissen und Unwissenheit besteht und das Überwiegen der Unwissenheit, avidya, möglich macht. Auf Grund dieses ursprünglich trennenden Prinzips betrachtet das Mental zum Beispiel das Unpersönliche als die Wahrheit, das Persönliche hingegen nur als Maske; oder aber das persönlich Göttliche als die größte Wahrheit, das unpersönliche hingegen nur als einen Aspekt; auf diese Weise entstehen all die einander widersprechenden Philosophien und Religionen, von denen jede einen Aspekt oder eine Macht der Wahrheit hervorhebt, die dem Mental als die volle und ausreichende Erklärung der Dinge dargeboten werden; oder eine der Gottheiten des Göttlichen wird über alle anderen als der wahre Gott erhoben, über dem es keinen anderen oder ebenso hohen oder höheren geben kann. Dieses teilende Prinzip folgt dem mentalen Wissen des Menschen überall hin, und selbst wenn er glaubt, bei der endlichen Einheit angelangt zu sein, ist es lediglich eine konstruierte Einheit, die sich auf einem Aspekt gründet. Auf diese Weise sucht der Wissenschaftler die Einheit des Wissens auf einem rein physischen Aspekt der Dinge zu gründen, auf Energie oder Materie, auf Elektrizität oder Äther; wohingegen der Mayavadin glaubt, er habe das absolute advaita [Ein Sein] erreicht, wenn er das Dasein in zwei Hälften teilt und den oberen Teil Brahman und den unteren Maya nennt. Dies ist der Grund, warum durch mentales Wissen niemals eine endgültige Lösung einer Sache erreicht werden kann, denn die Aspekte des Daseins, wie sie vom Obermental verteilt werden, sind zahllos-. und man könnte Philosophien und Religionen in alle Zeit endlos vervielfachen.

Im Obermental selbst gibt es diese Wirrnis nicht, denn das Obermental erkennt den Einen als die Stütze, die Essenz und die grundlegende Macht aller Dinge; in dem ihm eigenen dynamischen Spiel betont es jedoch seine trennende Macht der Vielfalt und sucht jeder Kraft, jedem Aspekt die volle Möglichkeit der Offenbarung zu geben, wobei es vom zugrundeliegenden Einssein ausgeht, um Disharmonie und Konflikt zu vermeiden. Jede Gottheit erschafft demnach ihre eigene Welt, doch ohne Widerstreit mit anderen; jeder Aspekt, jede Idee oder jede Kraft der Dinge kann in ihrer vollen eigenen Energie oder ihrem eigenen Glanz gefühlt werden und ihre Werte hervorbringen, doch schafft dies keine Disharmonie, da das Obermental den Sinn des Unendlichen besitzt und im wahren Unendlichen (nicht im räumlichen) viele übereinstimmende Unendlichkeiten möglich sind. Diese dem Obermental eigene Gewissheit ist jedoch nicht auf die niederen Bewusstseinsebenen, die es stützt und beherrscht, übertragbar, denn je weiter man die Abstufungen [der Ebenen] herabsteigt, überwiegen Trennung und Vielfalt immer mehr; im Mental als solchem wird dann die zugrundeliegende Einheit verschwommen, abstrakt, unbestimmt und unbestimmbar – das einzig scheinbar Konkrete ist die Erscheinungsform, die ihrem Wesen nach Gestalt und Bildnis ist; die Selbstschau des Einen beginnt bereits zu schwinden. Das Mental arbeitet mit Hilfe von Vorstellung und Begriffsbildung, indem es seine geformten Daten trennt und zusammenfügt; es vermag eine Synthese zu bilden und sie als Ganzes zu betrachten; wenn es jedoch die Wirklichkeit der Dinge sucht, nimmt es seine Zuflucht in Abstraktionen, da es nicht die konkrete Schau und Erfahrung besitzt, nach denen der Mystiker und spirituelle Suchende Ausschau halten. Um das Selbst und die Wirklichkeit direkt oder wahrhaft erkennen zu können, muss das Mental still sein und das Licht dieser Dinge widerspiegeln oder die Selbst-Überschreitung und Umwandlung vollziehen; dies jedoch ist allein möglich, indem entweder ein höheres Licht in das Mental herabkommt oder durch sein Aufsteigen und Annehmen eines höheren Daseins-Lichtes oder seinem Eintauchen darin. In der Materie unterhalb des Mentals erreichen wir den Höhepunkt der Zersplitterung und Trennung; der Eine, obwohl im Geheimen vorhanden, ist nicht mehr erkennbar, und wir haben die volle Unwissenheit erreicht, sogar eine grundlegende Unbewusstheit, aus der das Universum Bewusstsein und Wissen entwickeln muss.

5. Wenn wir Goloka oder Vaikuntha als die Welt einer Gottheit, sei es Vishnu oder Krishna, betrachten, würden wir natürlich ihren Ort oder Ursprung in der Obermental-Ebene suchen. Das Obermental ist der Bereich der höchsten Götter-Welten. Doch Vaikuntha oder Goloka sind menschliche Auffassungen von Daseinszuständen, die jenseits der Menschheit liegen. Goloka ist offensichtlich eine Welt der Liebe, der Schönheit, des Ananda, voller spirituellem Leuchten (die Kuh ist das Symbol spirituellen Lichtes); die Seelen dort, die Gopas und Gopis, sind ihre Besitzer und Bewahrer. Es ist nicht notwendig, eine bestimmte Ebene dieser Manifestation zuzuordnen; tatsächlich können ihr Widerschein, ihr Besitz oder ihre Voraussetzungen auf jeder Ebene des Bewusstseins vorhanden sein –, auf der mentalen, vitalen und selbst auf der feinstofflichen Ebene. Die von dir erwähnte Erklärung hierfür ist daher nicht auszuschließen, sie ist durchaus möglich.

6. Es ist nicht möglich, nirvana in einer Welt oder auf einer Ebene zu lokalisieren, denn die Sehnsucht nach nirvana besteht in einer Abkehr von der Welt und den Werten der Welt; nirvana ist ein Zustand des Bewusstseins oder vielmehr des Überbewusstseins ohne Ort oder Ebene. Es ist mehr als nur eine Art von nirvana möglich. Der Mensch, der ein mentales Wesen in einem Körper ist, manomaya purusa, unternimmt diesen Versuch der Abkehr vom Kosmos mit Hilfe des spiritualisierten Mentals; er hat keine andere Möglichkeit, und dies lässt ihm die Abkehr wie ein Verlöschen oder eine Auflösung, laya oder nirvana, erscheinen; denn das Verlöschen des Mentals mit allem, was von ihm abhängt, einschließlich des trennenden Egos, in etwas Jenseitiges ist der natürliche, der beinahe unerlässliche Weg eines derartigen Sich-Zurückziehens. In einem mehr bejahenden Yoga, welcher die Transzendenz und nicht die Abkehr sucht, gäbe es diese Unausweichlichkeit nicht, denn hier bestünde der bereits erwähnte Weg in der Selbstüberschreitung oder der Umwandlung des mentalen Wesens. Diese kann man aber auch mit Hilfe einer bestimmten nirvana-Erfahrung erlangen, einem absoluten Schweigen des Mentals, einem Aufhören seiner Tätigkeiten, Begriffsbildungen, Vorstellungen, was so vollständig sein kann, dass sowohl dem schweigenden Mental als auch den untätigen Sinnen die ganze Welt ihrer Dichte und Wirklichkeit beraubt wird und die Dinge lediglich als nicht-substantielle Formen erscheinen, ohne wirkliche Veränderung, oder aber in Etwas treibend, das ein namenloses Unendliches ist: Dieses Unendliche oder etwas jenseits davon ist Das, welches allein wirklich ist; eine absolute Ruhe, ein Frieden, eine Befreiung wären der daraus resultierende Zustand. Das Tun bestünde fort, doch würde das schweigende, befreite Bewusstsein es weder auslösen noch daran teilnehmen; eine namenlose Macht täte alles, bis das Herabkommen von oben beginnt, welches das Bewusstsein umwandelt und sein Schweigen und seine Freiheit zur Grundlage eines leuchtenden Wissens, Handelns und Ananda macht. Doch dieser Weg wäre selten; meist genügt das Schweigen des Mentals, eine Befreiung des Bewusstseins, eine Zurückweisung seines Glaubens an die endgültigen Werte oder Wahrheiten der unvollkommenen Vorstellungen oder Begriffsbildungen des Mentals, um das höhere Wirken zu ermöglichen.

7. Nun zum kosmischen Bewusstsein und nirvana. Das kosmische Bewusstsein ist eine komplizierte Angelegenheit. Es hat zwei Seiten, einmal die Erfahrung des freien, unendlichen, schweigenden, untätigen Selbstes, eins in allem und jenseits von allem; und dann die direkte Erfahrung der kosmischen Energie und ihrer Kräfte, ihres Wirkens und ihrer Formungen; diese letztere Erfahrung ist erst dann vollständig, wenn man das Gefühl hat, mit dem Universum im Einklang zu stehen, es zu durchdringen, zu überschreiten, es zu enthalten. Bis dahin mag man direkte Kontakte, Verbindungen und Austausch mit kosmischen Kräften, Wesenheiten und Bewegungen haben, doch nicht das volle Einssein des Mentals mit dem kosmischen Mental, des Lebens mit dem kosmischen Leben, des Körpers und physischen Bewusstseins mit der kosmischen stofflichen Energie und ihrer Substanz. Und weiterhin, es kann eine Verwirklichung des Kosmischen Selbstes stattfinden, doch ohne die Verwirklichung des dynamischen, universalen Einsseins. Oder aber es kann eine dynamische Universalisierung des Bewusstseins stattfinden, ohne die Erfahrung des freien, statischen, überall gegenwärtigen Selbstes – das Inanspruchgenommensein durch die größeren Energien, das man auf diese Weise erfährt, und das Gefallen an ihnen würden jedoch ein Anhalten auf dem Weg der Befreiung bedeuten. Ebenso kann die Identifizierung oder Universalisierung auf einer bestimmten Stufe oder Ebene ausgeprägter sein als auf einer anderen, also vorwiegend mental oder vorwiegend emotional (was sich in universalem Mitleid oder in universaler Liebe ausdrücken würde) oder aber vital (in der Erfahrung universaler Lebenskräfte) oder physisch. Doch auf jeden Fall, sogar in der vollen Verwirklichung und Erfahrung, sollte es klar sein, dass dieses Kosmische Spiel letzten Endes etwas Begrenztes, Unwissendes und seiner wahren Natur nach Unvollkommenes ist. Die freie Seele kann es unberührt und unbewegt von seinen Unvollständigkeiten und seiner Wechselhaftigkeit betrachten, sie kann ein bestimmtes Werk verrichten, allen zu helfen versuchen oder ein Instrument des Göttlichen sein, doch gleichen weder die Arbeit noch die Instrumentierung in irgendeiner Weise der Vollendung oder gar dem vollen Licht, der Macht, der Seligkeit des Göttlichen. Dies könnte allein durch einen Aufstieg in höhere Seins-Ebenen erlangt werden oder durch deren Herabkommen in das eigene Bewusstsein – und wenn dies nicht wahrgenommen oder angenommen würde, bliebe immer noch die Sehnsucht nach nirvana als Fluchtweg bestehen. Der andere Weg wäre das Aufsteigen in diese höheren Ebenen nach dem Tod – die Himmel der Religionen bedeuten letzten Endes nichts anderes als ein derartiges Streben nach einem größeren, leuchtenden und glückseligen Göttlichen Dasein.

 

Man könnte jedoch fragen, ob nicht sowohl die Ablehnung des Kosmischen oder die Sehnsucht nach nirvana als auch das Verlangen nach einer Göttlichen Transzendenz überflüssig wären, wenn die höheren Ebenen oder das Obermental selbst ihr Bewusstsein mit all ihrer Macht, ihrem Licht, ihrer Freiheit und Weite manifestieren und diese in ein individuelles Bewusstsein hier herabkommen würden. Doch letzten Endes würde diese Welt in ihrem Grund die gleiche bleiben, obwohl man in einem leuchtenden, weiten, freien Bewusstsein in der Einung mit dem Göttlichen lebte, das Universum in sich umarmend, obwohl man ein Kanal für große Energien oder Schöpfungen spiritueller oder äußerlicher Art wäre; es bestünde ein Abgrund der Verschiedenheit zwischen dem inneren Spirit und seinem Träger und Stoff, auf die er einwirkt, sowie zwischen dem inneren Bewusstsein und der Welt, in der er tätig ist. Die innere, subjektive, individuelle Vollendung würde vollkommen sein, ihr dynamisches Ergebnis wäre jedoch ungenügend, unharmonisch, ein Gemisch und nicht der vollendete Einklang des Inneren mit dem Äußeren, jener neue integrale Lebensrhythmus hier, der wahrhaft göttlich genannt werden könnte. Einzig ein Bewusstsein wie das supramentale, absolut und in vollkommenem Einssein mit seinem Ursprung, ein Wahrheits-Bewusstseins, das mit der Macht versehen ist, seine eigenen, freien Bestimmungen zu schaffen, könnte eine vollendete Harmonie und den Rhythmus der höheren Hemisphäre auf dieser niedersten Stufe der niederen Hemisphäre errichten. Ob dies geschieht oder nicht, hängt vom Sinn des evolutionären Daseins ab; es hängt davon ab, ob dieses Dasein seiner wahren Natur nach unvollkommen und zum Scheitern verurteilt ist; in diesem Fall wäre der letzte Ausweg der Seele, die diesem sinnlosen Universum entflieht, entweder ein negativer Weg der Transzendenz mit Hilfe einer Art nirvana oder ein positiver Weg der Transzendenz durch das Aufbrechen des leuchtenden Schirms des Obermentals, hiranmaya patra, in etwas, das sich darüber befindet; außer man würde tatsächlich wie der Amitabha Buddha durch das Mitleid oder den inneren Göttlichen Willen zurückgehalten, um den nach oben zum Licht gerichteten Kampf derjenigen, die sich hier noch in der Dunkelheit der Unwissenheit befinden, zu unterstützen und daran teilzunehmen. Ist dagegen diese Welt eine lila, ein Spiel der spirituellen Involution und Evolution, in der eine Macht nach der anderen bis hin zur höchsten erscheinen muss – so wie bereits Materie, Leben und Mental aus dem scheinbar unbestimmbaren Unbewussten erschienen sind –, dann ist ein anderer Höhepunkt möglich.

Das Verlangen nach nirvana wird durch zwei auslösende Kräfte hervorgerufen. Die eine ist die Erfahrung der Unvollkommenheit, der Sorge, des Todes und des Leidens dieser Welt – das ursprüngliche Motiv des Buddha. Nirvana jedoch wäre, um diesem Elend zu entkommen, nicht unbedingt erforderlich, wenn es höhere Welten gibt, in die man aufsteigen kann und die ohne diese Unvollkommenheit und Sorge, diesen Tod und dieses Leiden sind. Doch gegen diese andere Möglichkeit des Entkommens spricht die Vorstellung, dass auch diese höheren Welten vergänglich und ein Teil der Unwissenheit sind, dass man immer wieder hierher zurückkehren muss, bis man die Unwissenheit überwunden hat, und dass Wirklichkeit und kosmisches Leben wie Wahrheit und Falschheit sind, einander entgegengerichtet und unvereinbar. Und damit kommen wir zur zweiten auslösenden Kraft, der des Rufes nach der Transzendenz. Wenn das Transzendente nicht nur überkosmisch, sondern auch eine ferne Unerreichbarkeit, avyavaharyam, ist, die man allein durch die Verneinung von allem Hiesigen zu erreichen vermag, dann ist eine Art nirvana, ja sogar ein absolutes nirvana unvermeidlich. Wenn andererseits das Göttliche transzendent, jedoch nicht unerreichbar ist, wird der Ruf fortbestehen und die Seele das bunte kosmische Spiel verlassen um der Glückseligkeit eines transzendenten Daseins willen; doch ein absolutes nirvana wäre dann nicht unerlässlich; eine glückselige Einung mit dem Göttlichen würde sich dem Suchenden als Weg anbieten. Das ist der Grund, warum das kosmische Bewusstsein nicht genug und der Drang, sich davon abzuwenden, so stark ist – erst dann, wenn man das goldene Lid des Obermentals durchbrochen und es geöffnet hat, erst wenn man sich den dynamischen Kontakt mit dem Supramental sowie ein Herabkommen seines Lichtes und seiner Macht zum Ziel gesetzt hat, wird es anders sein.

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Das Göttliche ist überall auf allen Ebenen des Bewusstseins, und es wird von uns auf verschiedenen Wegen und in den verschiedenen Aspekten Seines Wesens erkannt. Doch es gibt einen Höchsten, der über all diesen Wegen und Aspekten und Ebenen steht und aus dem diese hervorgehen.

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Das Göttliche kann überall sein und ist überall, verhüllt oder halbmanifest oder im Begriff, sich zu manifestieren, auf allen Ebenen des Bewusstseins; im Supramental beginnt es, sich ohne Maske oder Verhüllung in seiner eigenen, wahren Form, svarupa, zu manifestieren.

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Ich glaube nicht, dass zwischen einem System spirituellen und okkulten Wissens und einem anderen wechselseitige Verbindungen immer hergestellt werden können. Alle befassen sich zwar mit dem gleichen Stoff, doch gibt es Unterschiede des Standpunktes, Unterschiede der Auffassung, es gibt Verschiedenheiten, was die mentale Vorstellung dessen anbelangt, was erkannt und erfahren wird, und es gibt grundverschiedene pragmatische Ziele und unterschiedliche Wege, die abgesteckt und gebahnt sind und denen man folgt; die Systeme unterscheiden sich, jedes schafft sich sein eigenes Schema, seine eigene Technik.

Im alten indischen System gibt es nur ein trinitarisches Höchstes, Sachchidananda. Sprichst du aber von der oberen Hemisphäre als der höchsten, dann sind es drei Ebenen, die Sat-Ebene, die Chit-Ebene, die Ananda-Ebene. Das Supramental könnte man als vierte hinzufügen, da es sich auf die drei anderen gründet und zur oberen Hemisphäre gehört. Die indischen Systeme unterscheiden nicht zwischen zwei grundverschiedenen Mächten und Ebenen des Bewusstseins, nämlich derjenigen, die wir das Obermental nennen, und der anderen, dem wahren Supramental oder der Göttlichen Gnosis. Das ist der Grund ihres Irrtums bezüglich der Maya (die Macht des Obermentals oder vidya-avidya) und warum sie diese für die höchste schöpferische Macht ansahen. Indem sie derart bei etwas Halt machten, was nur ein halbes Licht war, verloren sie das Geheimnis der Umwandlung; Vaishnava- und Tantra-Yoga suchten zwar tastend danach, um es wiederzufinden, und befanden sich manchmal am Rande des Erfolgs. Für die übrigen Systeme hingegen war dieser Irrtum – das jedenfalls ist meine Meinung – der Hemmschuh für alle Versuche, die dynamische göttliche Wahrheit zu entdecken; ich kenne kein System, das nicht glaubte, sobald sich der Glanz des Obermentals herabsenkte, dass dies die wahre Erleuchtung, die Gnosis sei; das Ergebnis war, dass sie dort entweder Halt machten und nicht weiterkamen oder aber zu der Schlussfolgerung gelangten, dass auch dieser Glanz nur Maya oder lila sei und dass es allein Eines zu tun galt, nämlich darüber hinaus in das unbewegliche, untätige Schweigen des Höchsten zu gelangen.