Briefe über den Yoga

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Was er das Obermental nennt, sind wahrscheinlich die ersten Bewusstseinsschichten, die über dem Mental liegen. Es können aber auch Erfahrungen von höheren Mental- oder Vitalebenen sein. Dem menschlichen Mental erscheinen sie alle so groß, dass sie leicht für das Obermental bzw. Supramental gehalten werden. Indirekte Kontakte mit dem Obermental können stattfinden, wenn man sich dem Kosmischen Bewusstsein öffnet, und mehr noch, wenn man in dieses Bewusstsein frei eintritt. Eine unmittelbare Obermental-Erfahrung kann nicht stattfinden, solange nicht wenigstens ein Teil des Wesens in der Weite und dem Frieden verwurzelt ist.

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Die Ebene der Intuition liegt über der des erleuchteten Mentals; dieses ist nichts anderes als das höhere Mental, erhoben in ein größeres Leuchten und offener für die abgewandelten Formen der Intuition und Inspiration.

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Die Intuition ist die erste Ebene, auf der es ein wirkliches Öffnen gegenüber der vollen Möglichkeit der Verwirklichung gibt, und mit ihrer Hilfe kann man dann weiter fortschreiten, zunächst zum Obermental, dann zum Supramental.

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Intuition sieht die Wahrheit der Dinge mit Hilfe eines direkten inneren Kontaktes, nicht wie die gewöhnliche mentale Vernunft, die mit Hilfe der Sinne und anderem nach indirekten Kontakten sucht und tastet. Doch verglichen mit dem Supramental ist Intuition insofern begrenzt, als sie die Dinge blitzartig sieht, Punkt für Punkt und nicht als ein Ganzes. Sobald sie in das Mental gelangt, wird sie dort mit der mentalen Bewegung vermischt und formt eine Art intuitive Mental-Tätigkeit, welche nicht die reine Wahrheit ist, sondern etwas, das zwischen der höheren Wahrheit und dem mentalen Suchen liegt. Sie kann das Bewusstsein durch eine Art Übergangsstadium leiten, und das ist praktisch ihre Aufgabe.

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Mentales intuitives Wissen greift unmittelbar einen Aspekt der Wahrheit auf, doch ohne jede Vollständigkeit oder Gewissheit, und die Intuition wird leicht mit dem gewöhnlichen mentalen Stoff vermengt, was irreführend sein kann; in ihrer Anwendung wäre sie dann leicht eine Halb-Wahrheit oder könnte derart falsch gedeutet und missbraucht werden, dass sie zum Irrtum wird. Ebenso ahmt das Mental die Intuition gern auf eine Weise nach, die es schwierig macht, zwischen einer wahren und einer falschen Intuition zu unterscheiden. Das ist der Grund, warum intellektuelle Menschen der mentalen Intuition misstrauen und behaupten, man könne sie nicht annehmen oder ihr folgen, wenn nicht der Verstand sie prüft und bestätigt. Was hingegen von der Obermental-Intuition stammt, hat ein Licht, eine Gewissheit, eine gültige Kraft der Wahrheit in sich, die selbst die beste mentale Intuition nicht besitzt.

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Es gibt mentale, vitale und feinstofflich-physische Intuitionen sowohl vom höheren als auch vom erleuchteten Mental.

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Dies [die Gleichsetzung von buddhi mit vijnana und der Intuition] ist der Irrtum, der mit dem übertriebenen Intellektualismus der Philosophen und Kommentatoren entstand. Ich glaube nicht, dass buddhi die Intuition als etwas einbezieht, das sich in seiner Art vom Intellekt unterscheidet – die Intellektualisten betrachten die Intuition lediglich als rapiden Prozess intellektuellen Denkens – und sie glauben es noch immer. In der Taittirya-Upanishad ist der Sinn von vijnana sehr deutlich dargestellt – ein Wesen ist rtam, die spirituelle Wahrheit; später jedoch wurde die Gleichsetzung mit buddhi üblich.

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Ich glaube nicht, dass sie ausdrücklich die Intuition meinen; sie betrachten buddhi als Werkzeug des Wissens und beziehen daher alles Wissen darin mit ein; und da vijnanamaya kosa die Wissenshülle ist, glauben sie, es müsse buddhi bedeuten. Ganz offensichtlich ist dies nicht der Fall. Die Beschreibung, die du anführst, bedeutet tatsächlich etwas viel Höheres als buddhi. Es ist satyam rtam brhat der Upanishad – das Wahrheitsbewusstsein des Veda.

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IV. Jivatman (Zentrales Wesen)

Der Ausdruck „zentrales Wesen“ wird in unserem Yoga gewöhnlich für jenen Teil des Göttlichen in uns angewendet, der alles Übrige stützt und der Tod und Geburt überdauert. Dieses zentrale Wesen hat zwei Formen – über uns befindlich ist es der Jivatman, unser wahres Wesen, dessen wir uns bewusst werden sobald das höhere Selbsterkennen eintritt; darunter [in uns] ist es das seelische Wesen, das hinter Mental, Körper und Leben steht. Der Jivatman befindet sich über der Manifestation im Leben und ist ihr übergeordnet; das seelische Wesen steht hinter der Manifestation im Leben und stützt sie.

Die natürliche Haltung des seelischen Wesens ist, sich als Kind zu fühlen, als Sohn Gottes, als bhakta; es ist Teil des Göttlichen, essentiell eins mit Ihm, doch in der Dynamik der Schöpfung, ja sogar in der Identität, besteht immer die Verschiedenheit. Im Gegensatz hierzu lebt der Jivatman im Essentiellen und kann in der Identität mit dem Göttlichen aufgehen; doch auch er sieht sich, wenn er über der Dynamik der Schöpfung steht, als ein Zentrum des vielfältigen Göttlichen und nicht als Parameshvara. Es ist wichtig, diesen Unterschied zu erkennen; denn wenn der geringste vitale Egoismus vorhanden ist, besteht die Gefahr, sich als Avatar zu betrachten oder sein Gleichgewicht zu verlieren, wie Hridaya bei Ramakrishna.

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Im Sanskrit hat das Wort Jiva zwei Bedeutungen; einmal „lebende Geschöpfe“ und zum anderen individualisierter Spirit, der das lebende Wesen in seiner Evolution von Geburt zu Geburt aufrechterhält. In diesem letzteren Sinn lautet der volle Ausdruck Jivatman – der Atman, der Spirit oder das ewige Selbst des lebenden Wesens. In der Gita wird von ihm bildlich als von einem „ewigen Teil des Göttlichen“ gesprochen, doch ist das Wort Zersplitterung, das du gebrauchst, übertrieben; man könnte es für die Formen anwenden, doch nicht für den Spirit in ihnen. Zudem ist das vielfältige Göttliche eine ewige Wirklichkeit. die dieser Schöpfung hier vorangeht. Eine genaue Beschreibung des Jivatman wäre diese: „Das vielfältige Göttliche, das als individualisiertes Selbst oder als individualisierter Spirit des erschaffenen Wesens hier manifestiert ist“. Der Jivatman in seiner Essenz verändert oder entwickelt sich nicht. Er steht über der Evolution der Person; innerhalb der Evolution wird er durch das sich entfaltende seelische Wesen dargestellt, das die ganze übrige Natur stützt.

Der Advaita Vedanta (Monismus) erklärt, dass der Jiva kein wirkliches Dasein besitze, da das Göttliche unteilbar sei. Eine andere [philosophische] Richtung schreibt dem Jiva ein reales, doch kein unabhängiges Dasein zu;er ist, so sagen sie, essentiell eins mit dem Göttlichen, verschieden in der Manifestation doch da diese Manifestation wirklich und ewig und keine Illusion ist, kann er nicht unwirklich genannt werden. Die dualistischen Schulen betrachten den Jiva als eine unabhängige Kategorie und bestehen auf der Trinität Gottes, der Seele und der Natur.

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Der Jivatman ist nicht das seelische Wesen; wir betrachten den Sanskritausdruck caitya purusa als gleichbedeutend mit dem seelischen Wesen. Jivatman ist das individuelle Selbst, das zentrale Wesen.

Das zentrale Wesen ist das, was nicht geboren wird, sich nicht entfaltet, doch der gesamten individuellen Schöpfung übergeordnet ist. Das seelische Wesen ist seine Spiegelung in der Schöpfung, denn das seelische Wesen befindet sich in der Evolution und stützt von innen und außen diese gesamte Evolution; es nimmt die Essenz aller Erfahrung auf und entwickelt durch sie die Persönlichkeit auf Gott hin.

Das Selbst ist gleichzeitig eins in allem und in den vielen; eins in seiner Essenz, manifestiert es sich ebenfalls als das individuelle Selbst, das als ewiger Teil des Göttlichen in der Natur beschrieben werden kann; es ist seinem Wesen nach ein individuelles Zentrum der Manifestation, das jedoch seine Universalität ausbreitet und sich in die Transzendenz erhebt.

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Mit Jivatman meinen wir das individuelle Selbst. Essentiell ist es ein Selbst wie alle anderen, doch in der Vielheit des Göttlichen ist es das individuelle Selbst, ein individuelles Zentrum des Universums – es erkennt alles in sich und sich in allem oder beides zugleich, je nach seinem Bewusstseinszustand oder Gesichtspunkt.

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Das Selbst, der Atman, ist seinem Wesen nach entweder transzendent oder universal (Paratman, Atman). Sobald es sich individualisiert und zum zentralen Wesen wird, ist es der Jivatman. Der Jivatman empfindet sein Einssein mit dem Universalen und gleichzeitig sein innerstes Getrenntsein als Teil des Göttlichen.

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Die Seele, die das zentrale Wesen verkörpert, ist ein Funke des Göttlichen, der alles individuelle Dasein in der Natur stützt; das seelische Wesen ist eine bewusste Form dieser Seele, die in der Evolution wächst, in jenem langwierigen Prozess, der zuerst das Leben in der Materie entwickelt, dann das Mental im Leben, bis sich schließlich das Mental in das Obermental und das Obermental in die supramentale Wahrheit zu entwickeln vermag. Die Seele stützt die Natur in dieser ihrer stufenweisen Evolution, doch sie ist selbst nichts von all dem.

Diese äußere objektive und oberflächlich subjektiv erscheinende Natur, die die ganze Vielheit von Mental, Leben und Körper manifestiert, nennt man die niedere Natur, aparaprakriti. Die höchste Natur, paraprakriti, die sich dahinter verbirgt, ist die eigentliche Natur des Göttlichen, seine höchste Bewusstseinskraft, die das mannigfache Göttliche als die Vielen manifestiert. Diese Vielen als solche sind die ewigen Selbste des Höchsten in seiner höchsten Natur, paraprakriti. Hier in Bezug auf diese Welt erscheinen sie als die Jivatmas, welche die Evolution der natürlichen Geschöpfe, sarvabhutani, stützen in dem veränderlichen Werden, aus dem das Dasein des Kshara (des beweglichen oder veränderlichen) Purusha besteht. Der Jiva (oder Jivatman) und die Geschöpfe, sarvabhutani, sind nicht das gleiche. Die Jivatmas stehen in Wirklichkeit über der Schöpfung, obwohl sie an ihr teilnehmen; die natürlichen Wesen, sarvabhutani, sind die Geschöpfe der Natur. Mensch, Vogel, Tier und Reptil sind natürliche Wesen, doch das individuelle Selbst in ihnen ist nicht auch nur einen Augenblick lang charakteristisch für Mensch, Vogel, Tier oder Reptil; in seiner Evolution bleibt es durch all diese Wandlungen dasselbe, ein spirituelles Wesen, das dem Spiel der Natur zustimmt.

 

Das, was sich ursprünglich und ewig im Göttlichen befindet, ist das Sein – das, was mit Hilfe der Göttlichen Macht entwickelt wird, wie Bewusstsein, Beschaffenheiten, Formen, Kräfte usw., ist das Werden. Das ewig Göttliche ist das Sein; das Universum in der Zeit und alles in ihm Sichtbare ist ein Werden. Das ewige Sein in seiner höchsten Natur, Para Prakriti, ist gleichzeitig der Eine und die Vielen; doch die ewige Vielheit des Göttlichen, wenn sie hinter den erschaffenen Geschöpfen steht, sarvabhutani, erscheint als (oder wie wir sagen, wird) der Jiva, para prakrtir jivabhuta. In der Seele hinwiederum gibt es zwei Aspekte, im Hintergrund das seelische Dasein oder die Seele und im Vordergrund jene Form der Individualität, die sie im Laufe ihrer Evolution in der Natur annimmt.

Die Seele oder Psyche ist allein in dem Sinn unveränderlich, dass sie alle Möglichkeiten des Göttlichen in sich enthält, doch muss sie diese entwickeln und im Verlauf ihrer Evolution nimmt sie die Form einer sich entwickelnden seelischen Individualität an, welche die individuelle Prakriti in der Manifestation entfaltet und an der Evolution teilhat. Die Seele ist der Funke des Göttlichen Feuers, die mit Hilfe des seelischen Wesens hinter Mental, Vital und dem Physischen wächst, bis sie fähig ist, die Prakriti der Unwissenheit in eine Prakriti des Wissens umzuwandeln. Dieses sich entfaltende seelische Wesen ist daher in keinem Augenblick alles, was die Seele oder das essentiell seelische Dasein enthält; es manifestiert und individualisiert in dieser einen Projektion des Spirits das, was potentiell ewig und essentiell transzendent ist.

Das zentrale Wesen ist jenes Wesen, das über den verschiedenen aufeinanderfolgenden Geburten steht, jedoch selbst ungeboren ist, da es nicht in das Wesen herabkommt, sondern darüber ist; es hält das mentale, vitale und physische Wesen und all die übrigen Teile der Persönlichkeit zusammen und wacht über dem Leben, entweder mit Hilfe des mentalen Wesens, des mentalen Denkens und Willens oder mit Hilfe der Seele, je nachdem, was sich gerade im Vordergrund befindet oder was in der menschlichen Natur am machtvollsten entwickelt ist. Sobald es seine Kontrolle nicht ausübt, befindet sich das Bewusstsein in großer Unordnung, und jeder Teil der Person handelt für sich, so dass es weder im Denken und Fühlen noch im Handeln Übereinstimmung gibt.

Die Seele befindet sich nicht darüber, sondern im Hintergrund – ihr Sitz ist hinter dem Herzen;ihre Macht ist nicht die des Wissens, sondern die eines essentiellen oder spirituellen Fühlens; sie besitzt den klarsten Sinn für die Wahrheit und eine Art innerer Wahrnehmung für sie, und diese sind für die Seelen-Wahrnehmung und das Seelen-Fühlen kennzeichnend. Sie ist unser innerstes Wesen und stützt alle Übrigen, das mentale, vitale und physische Wesen; sie ist durch diese jedoch stark verhüllt und kann sie nur indirekt beeinflussen, anstatt aufgrund ihres höchsten Rechts direkt zu handeln; dieses direkte Handeln wird erst in einem hohen Entwicklungsstadium oder mit Hilfe des Yoga etwas Normales und Vorherrschendes. Nicht das seelische Wesen gibt dir, wie du glaubst, die Intuition von künftigen Ereignissen oder warnt dich vor den Folgen bestimmter Taten; dies tut ein Teil des inneren Wesens, manchmal das innere Mental, das innere Vital oder manchmal sogar der innere oder feinstoffliche Purusha. Dieses innere Wesen, also das innere Mental, das innere Vital, das innere oder feine Physische, weiß viel von dem, was dem äußeren Mental, dem äußeren Vital, dem äußeren Physischen unbekannt ist, denn es steht in einem direkten Kontakt mit den geheimen Kräften der Natur. Die Seele aber ist das innerste Wesen von allen, sie zeichnet sich durch ein Wahrnehmungsvermögen für die Wahrheit aus, das der tiefsten Substanz des Bewusstseins innewohnt, einem Gefühl für das Gute, Wahre, Schöne, für das Göttliche.

Das zentrale Wesen, der Jivatman, der weder geboren wird noch sich entwickelt, sondern über der individuellen Geburt und Evolution steht, ist auf jeder Ebene des Bewusstseins vertreten. Auf der mentalen Ebene ist es das wahre (oder innere) mentale Wesen manomaya purusa, auf der vitalen Ebene das wahre (oder innere) vitale Wesen, pranamaya purusa, auf der physischen Ebene das wahre (oder innere) physische Wesen, annamaya purusa. Jedes Geschöpf ist daher, solange es sich in der Unwissenheit befindet, um seinen mentalen, vitalen oder physischen Purusha zentriert, entsprechend der Ebene, auf der es vorwiegend lebt, und dieser erscheint ihm dann als sein zentrales Wesen. Doch der wahre Vertreter ist immer hinter Mental, Vital und Körper verborgen – es ist die Seele, unser innerstes Wesen.

Sobald das innerste Wissen sich auszubreiten beginnt, können wir das seelische Wesen in uns wahrnehmen, es tritt hervor und lenkt die Sadhana. Dann werden wir auch des Jivatman gewahr, des ungeteilten Selbstes oder des Spirits über der Manifestation, den die Seele hier vertritt.

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Das wahre innere Wesen, das wahre Mental, das wahre Vital, das wahre Physische vertreten, jedes auf seiner Ebene, das zentrale Wesen und gehorchen ihm, doch gehorcht ihm weder die Gesamtheit der menschlichen Natur, insbesondere die äußere, noch die normale mentale, vitale oder physische Persönlichkeit. Für die Ziele der Evolution ist das seelische Wesen das zentrale Wesen – es wächst und entwickelt sich. Doch es gibt ein zentrales Wesen darüber, welches vom Mental nicht wahrgenommen wird, das ungesehen über dem Dasein steht und durch das seelische Wesen in der manifestierten Natur vertreten wird. Dieses nennt man den Jivatman.

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Die Seele ist ein Funke des Göttlichen, doch glaube ich nicht, sie als einen Teil des Jivatman bezeichnen kann – beides ist das gleiche, das auf verschiedene Weise in Erscheinung tritt.

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Nun, dies zu erklären, ist ein wenig schwierig. Vielleicht ist es das beste, meine Antwort in eine Anzahl verschiedener Punkte aufzugliedern, sonst wird die ganze Sache zu kompliziert.

1. Es ist unmöglich, meine Auffassung oder Erfahrung des Jivatman mit dem reinen „Ich“ des Advaita gleichzusetzen; du verstehst darunter – wie ich vermute – etwas, das jenes „Ich bin Er“ ausdrückt und das mit Hilfe dieser Formel mit dem Brahman verschmilzt. Der Jivatman ist, wie auch der Ishvara gemäß dem Advaita der Mayavadins, einfach eine Erscheinungsform des Brahman in der Maya der Illusion. Es gibt keinen Ishvara, Herrn der Welt, denn es gibt keine Welt außer in der Maya; daher gibt es auch keinen Jivatman, es gibt nur den Paramatman, der illusorisch als individuelles Selbst vom niederen (an die Illusion gebundenen) Bewusstsein in der Maya wahrgenommen wird. Diejenigen andererseits, die sich mit dem Ishvara einen wollen, betrachten oder erfahren den Jiva entweder als getrenntes, vom Ishvara abhängiges Wesen oder als etwas, das essentiell eins mit ihm und dennoch verschieden von ihm ist; doch sowohl diese Verschiedenheit als auch das essentielle Einssein bestehen ewig; es gibt aber auch noch andere Vorstellungen vom Jivatman und seiner Beziehung zum Göttlichen oder Höchsten. Daher stellt sich dieses reine „Ich“, wenn es so genannt werden kann, verschieden dar, man könnte sagen, verschiedenen Menschen in verschiedenen Aspekten. Und wenn du nach dem Grund fragst, muss ich auf meine Antwort an X verweisen. Das Obermental stellt die Wahrheit der Dinge in allen möglichen Aspekten dar, und das Mental, sogar das spirituelle Mental klammert sich dann an den einen oder anderen als die Wahrheit schlechthin, als die eine wirkliche Wahrheit der Sache. Das Mental ist es, das diese Unterscheidungen trifft, doch ist dies ohne Belang, denn in der ihm eigentümlichen Art, die Seele oder das individualisierte Bewusstsein oder wie immer du es nennen willst zu erkennen und zu erfahren, geht das mentale Wesen den Weg, den zu gehen ihm bestimmt ist. Ich hoffe, dies ist als erster Schritt in dieser Sache soweit klar.

2. Ich streite die Tatsache ganz und gar nicht ab, dass man das Selbst, den Brahman oder Ishvara verwirklichen kann, ohne in die über dem Kopf befindlichen Bereiche einzutreten, in die dynamisch-spirituellen Ebenen, oder ohne sich fortwährend oberhalb des Körpers zu verankern, wie es in diesem Yoga geschieht. Selbst wenn sie [die Verwirklichung des Selbstes] durch das Sahasrara stattfindet – nun, das Sahasrara reicht bis zum spiritualisierten Mental und kann am Scheitelpunkt des Kopfes gefühlt werden, daher ist jeder Aufstieg darüber nicht unerlässlich. Doch abgesehen davon kann man sehr wohl, wie du sagst, den Atman verwirklichen, indem man von Herz und Mental zurücksteht, sich von der Prakriti ablöst, indem man aufhört, sich mit Mental, Leben und Körper zu identifizieren, und in ein inneres Schweigen eintritt. Es ist nicht einmal erforderlich, die Königreiche des inneren Mentals oder inneren Vitals zu erforschen, viel weniger noch ist es unumgänglich, seine Schwingen in die Bereiche darüber zu erheben. Das Selbst ist überall, und indem man in die volle Loslösung, in das volle Schweigen eintritt – oder sogar nur durch eines von beiden – kann man überall einen gewissen Einblick, eine gewisse Spiegelung erhalten, vielleicht sogar eine volle Spiegelung oder das Gefühl der Gegenwart des Selbstes oder des Eintauchens in etwas, das frei ist, weit und schweigend, ewig und unendlich. Und ganz offensichtlich, wenn es ein reines „Ich“ ist – von welcher Art auch immer –, das die Erfahrung hat, muss es von dem verwirklichenden Bewusstsein als das individuelle Selbst des Wesens, Jivatman, angesehen werden.

3. Man kann sich aber auch als ein Denkender erfahren und nicht als Mental; als Selbst oder „Ich“, welches das Fühlen stützt, und nicht als Herz; als das, was das Leben trägt, und nicht als Leben; als das, was einen Körper annimmt, und nicht als Körper. Dieses Selbst kann offensichtlich sowohl dynamisch als auch schweigend sein; oder du kannst es auch so ausdrücken, dass, obwohl still und reglos, es aus seinem Schweigen die Dynamik der Natur erzeugt. Man kann es auch als den Spirit empfinden, eins in allem, oder als das wahre „Ich“ in sich. Alles hängt von der Erfahrung ab. Sehr häufig ist es die Erfahrung des Purusha, der zuerst als schweigender Zeuge gefühlt wird, der die ganze menschliche Natur aufrechterhält; doch der Purusha kann auch als der Wissende und Ishvara erfahren werden. Manchmal kann man sein Selbst, seinen Spirit als oder durch den mentalen Purusha in dem einen oder anderen Zentrum erkennen, manchmal als oder durch den vitalen Purusha. Man kann auch das innerste, verborgene seelische Wesen allein als die wahre Individualität erkennen; oder man wird sich des seelischen Wesens als des reinen „Ich“ bewusst und jener anderen im Mental oder Vital [der mentale oder vitale Purusha] als seiner Vertreter in diesen Bereichen oder auf diesen Ebenen. Der eigenen Erfahrung entsprechend kann man von jedem einzelnen als dem Jiva oder dem reinen „Ich“ sprechen (letzteres ist eine sehr zweideutige Formulierung) oder als der wahren Person oder aber als der wahren Individualität, die sich mit dem universalen oder transzendentalen Sein eins weiß, oder als einem Teil von ihm oder ganz und gar von ihm abhängig, und die versucht, darin einzutauchen oder sich zu ihm zu erheben und es selbst zu sein oder mit ihm in Einheit zu leben. All diese Dinge sind durchaus möglich, ohne dass die Notwendigkeit einer Erfahrung der über dem Kopf liegenden Bereiche oder einer immerwährenden Permanenz dort besteht.

4. Man könnte die Frage stellen, warum dann der Jivatman, der auf diese Weise verwirklicht werden kann, nicht dieses reine „Ich“ ist, das vom niederen Selbst erfahren und durch das es befreit wird; und weiterhin, welche Notwendigkeit überhaupt besteht, in die Bereiche über dem Kopf einzutreten? Nun, was das erstere anbelangt, so scheint dieses reine „Ich“ als Vermittler der Befreiung nicht absolut notwendig zu sein, sei es nun in das unpersönliche Selbst oder den Brahman oder in etwas Ewiges. Die Buddhisten anerkennen keine Seele, kein Selbst oder irgendeine Erfahrung des reinen „Ich“; sie teilen das Bewusstsein in ein Bündel von samskaras auf ,lösen sich dann von diesen und werden so in etwas Bleibendes befreit, das zu beschreiben sie sich weigern, oder in eine Art Leere, sunya. Die Erfahrung eines reinen „Ich“ oder Jivatman ist daher nicht für jeden zwingend notwendig, der Befreiung in das Ewige erlangen will und sich damit zufrieden gibt, diese zu erlangen, ohne über das spiritualisierte Mental in ein höheres Licht darüber aufzusteigen. Ich selbst erfuhr nirvana und das Schweigen in Brahman usw. lange bevor ich eine Kenntnis der spiritualisierten Ebenen über dem Kopf besaß; diese Erfahrung kam durch eine absolute Stille, gleichsam ein Auslöschen aller mentalen, emotionalen und anderen inneren Tätigkeiten. Der Körper hingegen fuhr fort zu sehen, zu gehen, zu sprechen und seine übrige Arbeit zu tun, doch nur als leere, automatische Maschine. Ich wurde mir eines reinen „Ich“ nicht bewusst, nicht einmal eines Selbstes, ob nun unpersönlich oder sonst wie, es gab nur die Erfahrung von Jenem als der einzigen Wirklichkeit, alles Übrige war ziemlich unsubstantiell, leer, nicht-wirklich. Was jene Wirklichkeit realisierte, war ein namenloses Bewusstsein, das von Jenem2 nicht verschieden war; soviel könnte man vielleicht darüber sagen, obwohl selbst das zu viel ist, da weder eine mentale Vorstellung bestand, noch sonst etwas. Ich nahm weder eine niedere Seele noch ein äußeres Selbst wahr, das mit diesem oder jenem persönlichen Namen benannt wurde und das dieses Kunststück bewerkstelligte, zum nirvana-Bewusstsein zu gelangen. Nun, was also wird in all dem aus deinem reinen „Ich“ und dem niederen „Ich“? Das Bewusstsein (nicht dieser oder jener Teil des Bewusstseins oder ein „Ich“ irgendwelcher Art) leerte sich plötzlich von seinem gesamten Inhalt und nahm nur noch eine unwirkliche Umgebung und Etwas Wirkliches, doch Unbeschreibliches wahr. Du magst einwenden, es müsse das Bewusstsein eines wahrnehmenden Daseins gegeben haben, wenn nicht sogar eines reinen „Ich“ – doch wenn es so war, dann erscheinen diese Ausdrücke dafür unangemessen.

 

5. Ich habe gesagt, dass das Sich-Erheben in die Bereiche über dem Kopf für gewöhnliche spirituelle Zwecke nicht unerlässlich sei, es ist jedoch unerlässlich für die Ziele dieses Yoga. Denn sein Ziel ist es, das Licht eines Wahrheits-Bewusstseins zu erkennen und das gesamte Wesen darin zu befreien, zu wandeln und zu einen; dieses Wahrheits-Bewusstsein befindet sich über uns und kann ohne eine völlige Wende nach innen und eine transzendierende, aufwärts gerichtet Bewegung nicht erreicht werden. Daher die ganze Kompliziertheit meiner psychologischen Ausführungen, die zwar im wesentlichen nicht neu sind – denn vieles findet man in den Upanishaden und anderswo –, die aber neu in der Fülle ihrer Gesamtdarlegung und Weiterführung sind und auf einen integralen Yoga abzielen. Für niemanden ist es notwendig, diese anzunehmen, außer er stimmt dem Ziel zu; für andere Ziele sind sie nicht notwendig und können sehr wohl als übertrieben gelten.

6. Doch hat man einmal die Forschungsreise nach innen angetreten, hat man einmal den inneren Aufstieg begonnen, ist einmal das Bewusstsein über einem zentriert, dann kann man nicht erwarten, dass die Dinge genauso aussehen wie zuvor. Der Jivatman ist für mich der Ungeborene, der über dem individuellen Wesen und seiner Entwicklung steht, der damit verbunden ist, doch von darüber, und der sich, der eigentlichen Natur seines Daseins entsprechend als universal und transzendent erkennt und ebenso als individuell, der das Göttliche als seinen Ursprung, als die Wahrheit seines Wesens empfindet, als den Herrn seiner Natur, den eigentlichen Stoff des Daseins. Er ist im Göttlichen eingetaucht und für immer eins mit dem Ewigen, er ist sich seines eigenen Ausdrucks, seiner instrumentalen Dynamik als derjenigen des Göttlichen bewusst, er ist vom Göttlichen in Liebe und Entzücken abhängig, voller Verehrung für Es, mit dem er durch eben jene Liebe und jenes Entzücken eins ist; er ist der Beziehung im Einssein fähig, er ist widerspruchslos im Einklang mit dieser Vielfalt, denn dies ist ein anderes Bewusstsein und Dasein als dasjenige des Mentals, selbst des spiritualisierten Mentals; es ist ein innerstes Bewusstsein des Unendlichen, unendlich nicht nur in seiner Essenz, sondern in seiner Möglichkeit; es kann sich in allen Dingen erkennen und ist dennoch für immer ein und dasselbe. Die dreifache Verwirklichung, für das Mental so schwierig, ist daher für das supramentale Bewusstsein oder – mehr allgemein – für das Bewusstsein der oberen Hemisphären ganz natürlich, einfach und fraglos. Sie kann als Wissen auf allen spirituellen Ebenen erkannt und gefühlt werden, doch das völlig unteilbare Wissen, seine volle Dynamik kann allein durch das supramentale Bewusstsein selbst auf der ihm eigenen Ebene oder durch sein Herabkommen in diese Schöpfung verwirklicht werden.

7. Die Beschreibung eines reinen „Ich“ ist gänzlich ungenügend, wenn man die Verwirklichung des Jivatman beschreiben will; man muss ihn vielmehr als die wahre Person oder die Göttliche Individualität beschreiben, obwohl auch dies nicht angemessen ist. Das Wort „Ich“ ist immer mit einem Unterton von Ego verbunden, von Getrenntsein; doch in dieser Selbstschau gibt es kein Getrenntsein, denn hier ist die Individualität ein spirituelles, lebendiges Zentrum des Wirkens für den Einen, sie fühlt kein Getrenntsein von all dem, das der Eine ist.

8. Der Jivatman wird durch eine Macht in der individuellen Natur hier verkörpert; diese Macht ist der Purusha, der die Prakriti aufrechterhält, zentral in der Seele und mehr instrumental im mentalen, vitalen und physischen Wesen und deren Natur. Man kann daher diese Purushas oder jeden einzelnen von ihnen als Jiva ansehen. Dennoch muss ich eine Unterscheidung machen, nicht allein des klaren Denkens wegen, sondern weil Erfahrung und integrale dynamische Selbsterkenntnis eine Notwendigkeit sind, ohne die es schwer ist, in diesem Yoga durchzuhalten. Es ist nicht unbedingt notwendig, sich all dies mental darzulegen, die Erfahrung genügt, und solange man ein klares inneres Wahrnehmungsvermögen besitzt, genügt es, vorwärtszuschreiten dem Ziel entgegen. Dennoch ist es für den Sadhak dieses Yoga leichter, wenn das Mental geläutert ist, ohne dass es dabei in mentale Starre oder in Irrtum verfällt. Plastizität muss vielmehr bewahrt werden, denn ohne Plastizität besteht die Gefahr eines systematischen, intellektuellen Formalismus. Man muss in die Sache selbst hineinblicken und sich nicht von einer Idee einengen lassen. Nichts von alledem kann wirklich verstanden werden, außer durch die tatsächliche spirituelle Erfahrung.

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Ich habe die Worte Jiva und Jivatman in diesem und allen anderen Abschnitten in genau dem gleichen Sinn gebraucht, es ist mir nie aufgefallen, dass da ein Unterschied bestehen könnte. Wäre dies meine Absicht gewesen, hätte ich, da die beiden Worte einander ähnlich sind, sehr deutlich unterschieden und sie nicht der Mutmaßung überlassen.

In dem betreffenden Abschnitt des Kapitels über die drei Zustände des Supramentals beschrieb ich, wie das Supramental, als eine Kraft der höchsten Selbst-Bestimmung des Göttlichen wirkend, dieses in drei Zuständen manifestiert; und ferner, welcher Art das Bewusstsein des Jivatman in einer supramentalen Schöpfung ist. Eine Behauptung, der Jivatman existiere allein auf der supramentalen Ebene, ist nicht gemacht worden; wäre dies der Fall, dann könnte der Mensch sein individuelles Selbst, seinen Spirit nicht erkennen, bevor er sich zur supramentalen Ebene erhebt; er könnte vorher zu keiner Erfahrung des Selbstes gelangen, wohl aber das Gefühl der Auflösung seines Egos in etwas Universalem haben. Tatsächlich aber kann er lange zuvor sein ungeborenes, sich nicht entwickelndes Selbst als Zentrum des Göttlichen Bewusstseins wahrnehmen; das Selbst, ob kosmisch oder individuell, wird lange vor dem Aufstieg zum Supramental erfahren. Wäre dies nicht so, dann wäre spirituelle Erfahrung von so hoher Art dem mentalen Menschen nicht zugänglich, seine Befreiung wäre unmöglich; er müsste zuerst ein supramentales Wesen werden. Was den Purusha anbelangt, so gibt es ihn auf allen Ebenen; es gibt einen mentalen Purusha, manomaya, der Leben und Körper lenkt, wie die Upanishad es ausdrückt; und es gibt einen vitalen und eine physischen Purusha; es gibt das seelische Wesen oder den Chaitya Purusha, der gleichsam alle anderen aufrechterhält und trägt. Man könnte sie auch als Projektionen des Jivatman bezeichnen, dazu bestimmt, die Prakriti auf den verschiedenen Ebenen des Wesens aufrechtzuerhalten. Auch die Upanishad spricht von einem supramentalen und seligen Purusha; würde nun diese supramentale und Selige Natur in der Erd-Evolution geformt werden, dann könnten wir erkennen, wie sie die Bewegungen hier stützt.