Briefe über den Yoga

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Das Wesen des Menschen setzt sich aus diesen Elementen zusammen, und die Seele dahinter stützt sie alle sowohl das innere Mental, Vital und Physische als auch die äußere, ganz nach außen gerichtete Natur von Mental, Leben und Körper, die deren Instrument des Ausdrucks ist. Darüber jedoch befindet sich das zentrale Wesen (Jivatman), das sie alle für seine Manifestation benutzt: es ist ein Teil des Göttlichen Selbstes: doch diese seine Wirklichkeit ist dem nach außen gerichteten Menschen verborgen, der sein innerstes Selbst, seine innerste Seele durch das mentale und vitale Ego ersetzt. Nur jene, die begonnen haben, sich selbst zu erkennen, werden sich ihres wahren zentralen Wesens bewusst; und dennoch ist es immer vorhanden, es steht hinter der Tätigkeit von Mental, Leben und Körper und wird am direktesten durch die Seele vertreten, die ein Funke des Göttlichen ist. Durch das Wachsen des seelischen Elementes in der Natur gelangt man nach und nach in bewussten Kontakt mit dem zentralen Wesen über sich. Wenn dies geschieht und das zentrale Wesen mit bewusstem Willen die Regungen der Natur kontrolliert und ordnet, dann erlangt man die wahre, die spirituelle Selbst-Meisterung, die mit einer teilweisen und lediglich mentalen oder moralischen nichts zu tun hat.

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Das mentale Wesen, von dem in der Upanishad die Rede ist, ist kein Bestandteil des mentalen nervlich-physischen Systems, sondern der manomayah purusah prana-sarira-neta, das mentale Wesen als Lenker von Leben und Körper. Es könnte nicht so bezeichnet werden, wenn es ein Bestandteil dieses Systems wäre. Auch kann dieses System oder ein Teil von ihm nicht der Purusha sein, denn das System besteht aus der Prakriti. In der Upanishad wird es als manomaya beschrieben, da sich das seelische Wesen hinter einem Schleier befindet; und da der Mensch das mentale Wesen in Leben und Körper ist, lebt er in seinem Mental und nicht in seiner Seele – daher ist für ihn der manomaya purusa der Lenker von Leben und Körper; die dahinterliegende Seele jedoch nimmt er gar nicht oder nur undeutlich in besonderen Augenblicken wahr. Im Menschen wird die Seele, die ein milder und rechtmäßiger König ist, gleichsam durch den Ersten Minister, den manomaya, vertreten; dieser manomaya ist es, an den sich die Prakriti um Zustimmung für ihr Wirken wendet. Und dennoch gibt die Darlegung in der Upanishad nur die scheinbare Wahrheit der Sache wieder, die allein für den Menschen und das Entwicklungsstadium des Menschen gültig ist –, denn im Tier wäre eher der pranamaya purusa das wahre vitale Wesen, das der neta, der Lenker von Mental und Körper ist. Das ist auch der Grund, warum ich der Herausgabe von „Wiedergeburt und Karma“ noch nicht zugestimmt habe7, denn dies muss richtiggestellt und durch die tiefere Wahrheit ersetzt werden. Ich beabsichtigte, dies später zu tun, hatte dann aber keine Zeit, die verbleibenden Artikel zu beenden.

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Die „tragikomische“ Ungereimtheit, von der du sprichst, rührt von der Tatsache her, dass der Mensch nicht aus einem, sondern aus vielen Teilen besteht und dass jeder Teil seine eigene Persönlichkeit besitzt. Dies haben die Menschen noch nicht hinreichend erkannt – die Psychologen beginnen es oberflächlich zur Kenntnis zu nehmen, doch erst dann, wenn ein besonders ausgeprägter Fall einer doppelten oder vielfachen Persönlichkeit vorliegt. Doch tatsächlich sind alle Menschen so. Das Ziel im Yoga sollte sein, ein starkes zentrales Wesen zu entwickeln und unter ihm alles Übrige zu harmonisieren und zu verändern, was verändert werden muss. Ist dieses zentrale Wesen die Seele, dann gibt es keine große Schwierigkeit mehr. Ist es das mentale Wesen, manomayah purusah prana-sarira-neta, dann wird es schwieriger – es sei denn, das mentale Wesen würde lernen, mit dem größeren Willen und der größeren Macht des Göttlichen stets in Kontakt zu bleiben.

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Ich verstehe die Frage, so wie sie gestellt wurde, nicht. Jeder Teil muss deutlich vom anderen unterschieden werden und seine Arbeit tun, und jeder muss von der Seele oder von oben die Wahrheit empfangen. Die herabkommende Wahrheit wird mehr und mehr ihr Wirken harmonisieren, doch wird die vollkommene Harmonie erst mit der supramentalen Vollendung erreicht werden.

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Deine Erfahrung ist der erste Zustand yogischen Bewusstseins und Selbsterkennens. Das durchschnittliche Mental erfährt sich lediglich als Ego mit all den durcheinandergewürfelten Regungen der menschlichen Natur und glaubt, da es sich mit diesen Regungen identifiziert, „ich tue dies und empfinde das, ich denke, ich freue oder sorge mich usw.“ Der erste Anfang einer wahren Selbsterkenntnis ist, wenn du dich von der Natur in dir und ihren Bewegungen getrennt fühlst; dann erkennst du, dass es viele Teile deines Wesens gibt, viele Persönlichkeiten, von denen jede selbständig und auf ihre Weise handelt. Die beiden verschiedenen Wesen, die du in dir fühlst, sind einmal das seelische Wesen, das dich zur Mutter zieht, und dann das äußere Wesen, meist von vitaler Natur, das dich nach außen und nach unten zum Spiel der niederen Natur zieht. Weiterhin gibt es hinter dem Mental in dir das beobachtende Wesen, den Purusha als Zeugen, der, abgelöst vom Spiel der Natur, dieses betrachtet und zu wählen vermag. Er muss sich immer auf die Seite des seelischen Wesens stellen, dessen Regungen zustimmen, sie stützen und die nach unten und außen gerichteten Bewegungen der niederen Natur zurückweisen; diese muss der Seele unterworfen und durch ihren Einfluss verändert werden.

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Der Zustand, den du beschreibst, bedeutet nicht, dass der Yoga nicht ausgeübt werden sollte, sondern dass du stetig weitergehen musst und den Zwiespalt zwischen den beiden Teilen deines Wesens auszugleichen hast. Diese Spaltung ist durchaus normal und beinahe universal in der menschlichen Natur; dem niedrigeren statt dem höheren Impuls zu folgen, passiert beinahe jedem Menschen. Das ist auch das Problem, das in der Frage, die Arjuna an Krishna richtet, auftaucht: „Warum tut man Böses, obwohl man es doch nicht tun will, so als würde man mit Gewalt dazu gezwungen?“. Dies drückt ebenso Horaz aus, wenn er sagt: „Video meliora proboque, Deteriora sequor“ („Ich sehe das Bessere und stimme ihm zu und dennoch folge ich dem Schlechteren“). Durch fortwährende Bemühung und fortwährendes Streben kann man zu jenem Wendepunkt gelangen, an dem die Seele die Oberhand gewinnt: und was eine ganz geringfügige seelische Wende zu sein scheint, ändert das ganze Gleichgewicht der Natur.

Du betrachtest das äußere Wach-Bewusstsein als die wahre Person oder das wahre Wesen und folgerst daraus, dass dieses und nichts anderes die Verwirklichung erlangen oder sich daran halten müsse – denn hier [auf Erden] gäbe es nur das Wach-Bewusstsein. Das ist ein Irrtum, durch den die Unwissenheit andauert und von dem man sich nicht befreien kann. Der erste eigentliche Schritt aus der Unwissenheit besteht darin, die Tatsache zu akzeptieren, dass dieses äußere Bewusstsein nicht die eigene Seele ist, nicht das Selbst, nicht die wirkliche Person, sondern nur eine vorübergehende Gestaltung an der Oberfläche, die den Zwecken des Oberflächenspiels dient. Die Person ist innen, nicht an der Oberfläche – die äußere Persönlichkeit ist Person lediglich im Sinne des lateinischen Wortes persono mit der ursprünglichen Bedeutung: „die Maske“.

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Die Seele hat den Rang, von dem du sprichst, da die Seele mit dem Göttlichen in der niederen Natur in Berührung steht. Das innere Mental, das innere Vital und Physische hingegen sind Teile des Universums und den Dualitäten offen – nur sind sie umfassender als das äußere Mental, das äußere Leben, der äußere Körper und können umfassender und leichter den göttlichen Einfluss empfangen.

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Das Wort Antaratma wird auf sehr unbestimmte Weise gebraucht, so etwa wie das Wort Seele im Englischen – auf diese Weise gebraucht, bezieht es das ganze innere Wesen mit ein, das innere Mental, das innere Vital und Physische, sogar das innerste Wesen, die Seele.

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Europäisches Denken war größtenteils unfähig, über die Formel „Seele und Körper“ hinauszugehen, und bezog hierbei meist das Mental in die Seele mit ein sowie alles, außer dem Körper, in den Begriff Mental. Einige Okkultisten machten einen Unterschied zwischen Spirit, Seele und Körper. Gleichzeitig aber muss ein unbestimmtes Gefühl vorhanden gewesen sein, dass Seele und Mental nicht ganz das gleiche sind, denn es gibt die Redewendung „dieser Mensch hat keine Seele“ oder „er ist eine Seele“, was besagen soll, dass er etwas in sich hat, das über sein bloßes Mental und seinen Körper hinausgeht. Doch all dies ist sehr unbestimmt. Eine deutliche Unterscheidung wird weder zwischen Mental und Seele gemacht noch zwischen Mental und Vital, und häufig wird sogar das Vital für die Seele gehalten.

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Aber das ist es ja gerade8, was von der westlichen Wissenschaft diskutiert wird oder zumindest bis gestern diskutiert wurde und was man immer noch als nicht erwiesen ansieht. Es wird behauptet, die Vorstellung eines Selbstes außerhalb des Körpers sei eine Täuschung. Es seien die Erfahrungen des Körpers, die zur Vorstellung eines Selbstes führten, und der Wunsch zu leben nähre sich illusorisch von der Idee, ein Selbst überdauere den Körper. Zudem ist der Westen an die christliche Auffassung gewöhnt, das Selbst würde mit dem Körper erschaffen – eine Idee, welche die Christen von den Juden übernahmen, die an Gott, doch nicht an die Unsterblichkeit glauben;und das ist die Ursache, warum westliches Denken für jede Vorstellung einer Reinkarnation unzugänglich ist. Man glaubt, die Seele würde im Körper geboren, und zwar, dass Gott zuerst den Körper erschüfe und dann die Seele hineinhauche (prana?). Für Europäer ist es schwierig, dieses vergangene geistige Erbe abzulegen.

 

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In den Upanishaden wird das seelische Wesen in der Größe eines Daumens beschrieben. Das ist natürlich ein symbolisches Bild. Denn gewöhnlich ist das seelische Wesen, wenn man es in einer Gestalt sieht, größer. Was das innere Wesen anbelangt, so empfindet man es als groß, da das wahre Mental, das wahre Vital oder selbst das wahre Physische bewusstseinsmäßig viel weiter sind als das äußere Bewusstsein, das vom Körper begrenzt wird. Wenn man in das Physische herabkommt und alle Tätigkeiten der Natur in ihm spielen fühlt, scheinen die äußeren Teile das gesamte Bewusstsein zu beherrschen – selbst die mentalen und vitalen Regungen werden dann durch den Körper und als Dinge einer gesonderten Ebene gefühlt. Doch wenn man im inneren Wesen lebt, nimmt man ein Bewusstsein wahr, das sich ins Universale auszudehnen beginnt, während das äußere zu einer von äußeren Kräften aufgewühlten Oberflächenbewegung wird.

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Ja, das seelische Wesen hat eine Form. Doch diese erscheint nicht auf der Photographie; denn die Seele hat nicht immer eine Form, die der des Körpers ähnelt, sie ist manchmal sogar ganz verschieden von ihm. Betrachten wir eine Photographie, dann sehen wir nicht die Form, sondern etwas vom Bewusstsein, das sich entweder im Körper ausdrückt oder sonst irgendwie durchbricht; man kann es über die Photographie wahrnehmen oder fühlen.

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Die Seele ist nicht durch eine Form begrenzt doch das seelische Wesen bringt, um sich auszudrücken, eine Form hervor, genau wie die mentalen, vitalen und feinstofflichen Purushas; das heißt, dass man selbst oder auch jemand anderer das eigene seelische Wesen in dieser oder jener Form sehen kann. Doch es gibt zwei Arten des Sehens: nämlich in der gültigen, charakteristischen Form, die von dem seelischen Wesen in diesem Leben angenommen wurde, und in der symbolischen Form, wenn man die Seele zum Beispiel als neugeborenes Kind im Schoß der Mutter sieht.

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Wenn der Sadhak, von dem die Rede ist, seine Seele tatsächlich in der Gestalt einer Frau gesehen hat, kann es nur eine erdachte Erscheinung gewesen sein, die auf eine Eigenschaft oder ein Attribut der Seele hinweist.

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VI. Das innere Wesen und das wahre Wesen

Im menschlichen Wesen bestehen immer zwei verschiedene Arten von Bewusstsein, eines nach außen gerichtet, in dem es normalerweise lebt, das andere innerlich und verborgen, von dem es nichts weiß. Während man die Sadhana ausübt, beginnt das innere Bewusstsein sich zu öffnen, und man lernt, sich nach innen zu wenden und dort alle Arten von Erfahrungen zu haben. In dem Maße, wie die Sadhana fortschreitet, wird man mehr und mehr in diesem inneren Wesen leben, während das äußere allmählich an die Oberfläche zurücktritt. Zuerst scheint das innere Bewusstsein der Traum zu sein und das äußere die wache Realität. Dann wird das innere Bewusstsein zur Realität und das äußere von vielen als Traum oder Täuschung empfunden oder auch als etwas Oberflächliches und Äußerliches. Das innere Bewusstsein wird zu einem Ort des tiefen Friedens, des Lichtes, des Glücks, der Liebe, der Nähe zum Göttlichen oder der Gegenwart des Göttlichen, der Mutter. Man erkennt dann zwei Arten von Bewusstsein, das innere und das äußere; letzteres muss in das Ebenbild und Instrument des ersteren gewandelt werden, denn auch es muss voll des Friedens, des Lichtes, des Einsseins mit dem Göttlichen werden. Gegenwärtig bewegst du dich zwischen beiden, und während dieser Zeitspanne sind die Gefühle, die du hast, ganz normal. Mach dir hierüber gar keine Sorgen, sondern warte einfach auf die volle Entwicklung des inneren Bewusstseins, in dem zu leben du dann fähig sein wirst.

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Ich meinte mit dem inneren Wesen nicht das seelische oder innerste Wesen. Dieses seelische Wesen ist es, das die Liebe, bhakti, das Einssein mit der Mutter fühlt. Was ich meinte, war das innere Mental, das innere Vital, das innere Physische; zuerst muss man durch diese hindurch, um den verborgenen Ort der Seele zu erreichen. Sobald man das äußere Bewusstsein zurücklässt und sich nach innen wendet, gelangt man dorthin – einige oder die meisten kommen zuerst in das innere Vital, andere in das innere Mental oder Physische; das emotionale Vital ist der direkteste Weg, denn der Sitz der Seele befindet sich unmittelbar hinter dem emotionalen Vital im Herzzentrum. Es ist für unser Ziel absolut unerlässlich, in diesen inneren Regionen bewusst zu werden, denn wenn sie nicht bewusst sind, hat das seelische Wesen keine direkte oder ausreichende Instrumentation für sein Wirken; seine einzigen Hilfsmittel sind dann lediglich das äußere Mental, das äußere Vital und der Körper, und diese sind zu begrenzt und eng und dunkel. Bislang konntest du erst in die Außenbereiche des inneren Vitals eintreten, bist dort aber noch nicht hinreichend bewusst. Indem du dort bewusster wirst und dich tiefer nach innen wendest, kannst du die Seele erreichen, jene sichere Zuflucht, nirapada sthana, von der du sprichst; dann brauchst du dich nicht mehr von den wirren Visionen und Erfahrungen jener Außenbereiche des inneren Vitals beunruhigen zu lassen.

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Inneres Bewusstsein bedeutet das innere Mental, das innere Vital, das innere Physische und hinter ihnen die Seele, die deren innerstes Wesen ist. Das innere Mental ist aber nicht gleichbedeutend mit dem höheren Mental; es ist mehr in Kontakt mit universalen Kräften, es ist offener für das höhere Bewusstsein und eines Wirkens mit unendlich viel tieferer und größerer Reichweite fähig als das äußere oder Oberflächenmental – seine Natur ist jedoch im wesentlichen die gleiche. Das höhere Bewusstsein ist dasjenige, das sich über dem gewöhnlichen Mental befindet und sich in seinem Wirken von ihm unterscheidet; es reicht vom höheren und erleuchteten Mental über die Intuition und das Obermental bis hinauf zur Grenzlinie des Supramentals.

Würde die Seele befreit werden, dann könnte sie auf ihre eigene Weise handeln, und all dies Straucheln in der Unwissenheit gäbe es nicht. Doch die Seele ist durch das unwissende Mental und Vital und Physische zugedeckt und gezwungen, gemäß dem Gesetz der Unwissenheit durch diese zu handeln. Wird sie von dieser Umhüllung befreit, dann vermag sie entsprechend ihrer eigenen Natur in freiem Streben zu wirken, in einem direkten Kontakt mit dem höheren Bewusstsein und mit der Macht, die unwissende menschliche Natur zu ändern.

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Das wahre Wesen, ob mental, vital oder feinstofflich, besitzt immer die größeren Eigenschaften seiner Ebene – es ist der Purusha und ähnlich der Seele, obgleich auf andere Weise, die Projektion des Göttlichen; es ist daher in Verbindung mit dem höheren Bewusstsein, von dem es etwas widerspiegelt, doch ist es dies nicht insgesamt – es ist ebenfalls in Einklang mit der kosmischen Wahrheit.

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Hinter der gesamten vitalen Natur des Menschen befindet sich verborgen und reglos sein wahres vitales Wesen, das sich von der Oberflächen-Natur des Vitals beträchtlich unterscheidet. Das Oberflächen-Vital ist eng, unwissend, begrenzt, voll dunkler Wünsche, Leidenschaften, heftiger Begierden, voller Freuden und Schmerzen und vergänglichem Glück, voller Kummer, überschäumender Begeisterung und Niedergeschlagenheit. Im Gegensatz hierzu ist das wahre vitale Wesen weit und groß, ruhig und stark, unbegrenzt, fest und unveränderlich, fähig aller Macht, allen Wissens, allen Anandas. Es ist überdies ohne Ego, denn es erkennt sich als Projektion und Instrument des Göttlichen; es ist der göttliche Krieger, rein und vollkommen; in ihm ist eine instrumentale Kraft für alle göttlichen Verwirklichungen. Es ist das wahre vitale Wesen, das in dir erwacht und hervorgetreten ist. Ebenso gibt es auch ein wahres mentales Wesen, ein wahres physisches Wesen. Sobald diese sich manifestieren, erkennst du das doppelte Sein in dir: das dahinterliegende ist immer ruhig und stark, nur das an der Oberfläche ist gestört und finster. Doch wenn das wahre Wesen dahinter fest bleibt und du in ihm lebst, dann bleiben Störungen und Finsternis an der Oberfläche, und in diesem Zustand kannst du die äußeren Wesensteile wirkungsvoller gebrauchen, und auch sie können frei und vollkommen werden.

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Es [das wahre Vital] vermag die Regungen des höheren Bewusstseins zu empfangen und kann dann fähig werden, die noch größere, supramentale Macht und den Ananda zu empfangen. Wäre dies nicht so, dann wäre das Herabkommen des höheren Bewusstseins unmöglich, und auch die Supramentalisierung wäre unmöglich. Das heißt aber nicht, dass es diese Dinge von sich aus besitzen würde und dass, sobald man sich des wahren Vitals bewusst wird, man all dies als dem wahren Vital innewohnend erhält.

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Das wahre Vital ist im inneren Bewusstsein, das äußere Vital hingegen dient als Werkzeug für das gegenwärtige Spiel der Prakriti in der Oberflächen-Persönlichkeit. Sobald die Wandlung stattfindet, weist das wahre Vital all das, was nicht auf seine Wahrheit abgestimmt ist, vom äußeren Vital zurück und formt diese in ein wahres Instrument seines Ausdrucks um, in ein Mittel, das seinen inneren Willen ausdrückt und nicht länger auf die Einflüsse der niederen Natur reagiert. Dann hört der große Unterschied zwischen den beiden praktisch auf zu bestehen.

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Es ist das wahre vitale Bewusstsein, in dem das Vital die volle Hingabe vollzieht und sich in ein Instrument des Göttlichen wandelt, keine Forderungen stellend, auf keinem Verlangen bestehend, auf die Kraft der Mutter und auf keine andere reagierend, ruhig, unegoistisch, in völliger Treue, gehorsam, ohne persönliche Eitelkeit, ohne Ehrgeiz, nur mit dem Wunsch, ein reines und vollkommenes Instrument zu sein und mit dem einzigen Verlangen, dass sich die Wahrheit in einem und überall durchsetzen möge, dass der Göttliche Sieg errungen werde und die Göttliche Arbeit geschehe.

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Es [das erleuchtete Vital] steht in Kontakt mit der Göttlichen Macht oder der höheren Wahrheit und sucht sich umzuwandeln und ein wahres Instrument zu werden – es weist die gewöhnlichen vitalen Regungen zurück.

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Solange das innere Wesen sich nicht manifestiert oder zu handeln beginnt, wird das äußere niemals umgewandelt werden.

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Meist ist es das äußere Bewusstsein, das sich im gewöhnlichen Leben ausdrückt, nämlich das äußere Mental, Vital und Physische. Es steht mit dem inneren Wesen, von wenigen abgesehen, in keiner engen Verbindung – im Verlauf Sadhana werden die beiden dann miteinander verbunden.

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Sie [inneres Mental und inneres Vital] üben einen Einfluss aus, sie senden ihre Kräfte oder Anregungen, die das äußere Bewusstsein so gut es kann ausführt und die es manchmal auch nicht ausführt. Das Ausmaß ihrer Einwirkung auf das äußere Bewusstsein hängt davon ab, wieweit die Individualität ein inneres Leben besitzt. So leben zum Beispiel der Dichter, Musiker, Künstler und Denker sehr aus dem Inneren – geniale Menschen und solche, die einem Ideal gemäß zu leben versuchen. Doch gibt es viele Menschen, deren inneres Leben unbedeutend ist und die ganz und gar von den Kräften der Natur gelenkt werden.

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In dem Maße wie wir von Leben zu Leben Erfahrungen sammeln, mentale oder vitale, entwickeln sich auch unser inneres Mental und inneres Vital – entsprechend dem Gebrauch, den wir von unseren Erfahrungen machen und entsprechend dem Maß, in dem wir sie für das Wachstum des Wesens anwenden.

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Das äußere Wesen ist lediglich ein Mittel des Ausdrucks, es ist nicht das eigene Selbst. Man darf sich mit ihm nicht identifizieren, denn es drückt eine Persönlichkeit aus, die von der alten, unwissenden Natur geformt wurde. Nur wenn man sich nicht damit identifiziert, vermag man es zu ändern, um die wahre, innere Licht-Person auszudrücken.

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Sie [äußeres Mental, äußeres Vital und äußerer Körper] sind zwar klein, doch trotz ihrer scheinbaren Bedeutungslosigkeit nicht unwichtig, denn sie sind notwendige Mittler zwischen der Seele und der äußeren Welt.

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Das äußere Bewusstsein ist eingeschlossen in die Begrenzung des Körpers und in das wenige des körperbedingten persönlichen Mentals und Empfindens – es blickt allein nach außen, sieht nur die Dinge. Doch das innere Bewusstsein vermag hinter die Dinge zu sehen, es gewahrt das Spiel der persönlichen oder universalen Kräfte, denn es ist in bewusstem Kontakt mit dem universalen Wirken.

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Unser inneres Wesen ist in Kontakt mit dem universalen Mental und Leben, mit der universalen Materie. Es ist ein Teil von alldem, doch gerade deshalb kann es nicht im Besitz von Befreiung und Frieden sein. Wahrscheinlich denkst du an den Atman und verwechselst ihn mit dem inneren Wesen.

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Das innere Wesen kann nicht über einem „verankert“ sein, es kann sich nur mit dem „darüber“ verbinden, es durchdringen und von ihm durchdrungen werden. Wenn es sich darüber befände, wäre es kein inneres Wesen.

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Ich verstehe nicht, was du damit meinst, das innere Wesen „umgebe“ die Seele. Ganz offensichtlich steht es der Seele näher als das äußere Mental, Vital oder der Körper, doch ist dies keine Garantie dafür, dass es allein der Seele gegenüber offen ist und nicht auch anderen universalen Kräften.

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Die Seele kann den Frieden hinter sich haben – doch das innere Mental. Vital und Physische sind nicht notwendigerweise voller Schweigen, sie sind voller Bewegungen. Es ist das höhere Bewusstsein, das die Grundlage des Friedens besitzt.

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Das innere Wesen ist meist nicht unruhig, doch kann es genauso wie das äußere Wesen ruhig oder unruhig sein.

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Die inneren Wesensteile eines jeden Menschen bleiben entweder gewöhnlich oder werden verfeinert, je nachdem ob sie den nach außen gerichteten Kräften der Unwissenheit oder den höheren Kräften von oben und den inneren Impulsen der Seele zugewandt sind. Alle Kräfte können sich dort betätigen. Es ist das äußere Wesen, das in einem bestimmten Charakter, in bestimmten Neigungen und Regungen festgelegt ist.

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Das innere Wesen hat ein ihm eigenes Zeitmaß, das manchmal langsamer, manchmal schneller als das stoffliche ist.

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