Briefe über den Yoga

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Mit den höheren vitalen Teilen der Natur meine ich das vitale Mental, die emotionale Natur, die Dynamik der Lebenskraft des Wesens. Das vitale Mental ist jener Teil des vitalen Wesens, der baut, plant, sich vorstellt, der Dinge und Gedanken gemäß den Lebensimpulsen ordnet, gemäß den Begierden, dem Machtwillen oder Besitzwillen, dem Willen zur Tat, den Empfindungen, den vitalen Ego-Reaktionen der menschlichen Natur. Es muss unterschieden werden vom Vernunfts-Willen, der die Dinge gemäß den Anordnungen des eigentlichen denkenden Mentals und der unterscheidenden Vernunft ordnet und plant oder gemäß der geistigen Intuition oder einer direkten Einsicht und Meinung. Das vitale Mental gebraucht das Denken, nicht um der Vernunft zu dienen, sondern dem Lebensimpuls, der Lebenskraft, und wenn es die Vernunft zu Hilfe ruft, benützt es diese, damit sie die Anordnungen jener Mächte rechtfertige, und zwingt deren Anordnungen der Vernunft gleichsam auf, anstatt mit Hilfe eines unterscheidenden Willens die Tätigkeit der Lebenskräfte zu beherrschen. Dieses höhere Vital mit all seinen Teilen befindet sich in der Brust und hat seinen Sitz im Herzzentrum, es regiert diesen ganzen Teil bis hinunter zum Nabel. Ich brauche nichts über die emotionale Natur zu sagen, denn ihre Eigenarten und Regungen sind allen bekannt. Vom Nabel abwärts ist es die Herrschaft der vitalen Leidenschaften und Gefühle und all der kleinen Lebensimpulse, die den Hauptbestandteil des gewöhnlichen menschlichen Lebens und Charakters bilden. Dies nennen wir die niedere vitale Natur. Das muladhara-Zentrum ist die Hauptstütze des physischen Bewusstseins und der stofflichen Teile der menschlichen Natur.

Der antaratman ist die Seele, jener Teil des Göttlichen, der die innerste Grundlage der sich entwickelnden Individualität ist; sie stützt Mental, Leben und Körper, die instrumentalen Teile der menschlichen Natur, mit deren Hilfe sie versucht, aus dem stofflich Unbewussten dem göttlichen Licht und der göttlichen Unsterblichkeit, ihrem eigentlichen Wesen entgegenzuwachsen. Die Begrenzung ihrer Instrumente zwingt sie zur Annahme der niederen Regungen und zu einem Kompromiss zwischen Seele und Natur, der jene Bewegung verzögert; sie bezieht jedoch gleichzeitig die Mittel ihres Fortschritts aus diesem Austausch. Das seelische Wesen ist die Seelen-Form oder Seelen-Personalität, die sich mit Hilfe der Evolution entwickelt und von Leben zu Leben wandert, bis alles für die höhere Evolution jenseits der Unwissenheit bereit ist.

Die Verwirklichung des seelischen Wesens, sein Erwachen und Hervortreten hängen hauptsächlich davon ab, inwieweit man eine persönliche Beziehung zum Göttlichen entwickeln kann, eine Beziehung der bhakti, der Liebe, des Vertrauens und Selbstgebens, inwieweit man die Beharrlichkeiten des trennenden und rechthaberischen mentalen, vitalen und physischen Egos zurückweisen kann.

Über die letzte Frage kann ich wenig sagen. Sanatkumar ist, soviel ich weiß, einer der vier geistgeborenen Söhne Brahmans; daher kann er nicht identisch sein mit Skanda, der ein Sohn Shivas ist.

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Das emotionale Wesen ist ein Teil des Vitals.

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Das Herz ist das Zentrum des emotionalen Wesens, und Emotionen sind vitale Regungen. Sobald das Herz geläutert ist, wandeln sich die vitalen Emotionen in seelische Gefühle oder auch in durchseelte vitale Regungen.

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Es können sich reine, wahre Gedanken und Emotionen aus dem menschlichen Mental, dem Herzen und Vital erheben, denn nicht alles ist dort schlecht. Das Herz mag ungeläutert sein, doch bedeutet das nicht, dass alles dort unrein ist.

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Das vitale Mental befindet sich über dem Herzen, doch wenn eine Gefühlsregung aufkommt, so ist das etwas Niedrigeres und nicht etwas Höheres als die Emotion.

Die Gefühlsregung steht dem Physischen viel näher als die Emotion.

Der Ort des Begehrens liegt unterhalb des Herzens im zentralen Vital (Nabel) und im niederen Vital, doch bewegt dieses auch die Emotion und das vitale Mental.

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Ich unterscheide (zwischen niederen vitalen Regungen und den Gefühlen des Herzens), indem ich untersuche, von woher sich diese Dinge erheben. Ärger, Furcht, Eifersucht berühren ohne Zweifel das Herz, genauso wie sie das Mental berühren, doch sie erheben sich aus dem Nabelbereich und den Eingeweiden, also dem niederen oder bestenfalls mittleren Vital. Stevenson beschreibt in einem fesselnden Abschnitt in „Entführt“, wie der Held bemerkt, dass seine Furcht eigentlich nicht aus dem Herzen, sondern aus dem Magen kommt. Liebe und Hoffnung haben ihren ursprünglichen Sitz im Herzen, Mitleid usw. ebenso.

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Freude ist ein vitales Gefühl, genauso wie ihr Gegenteil, als Leid.

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Doch ist es wirklich wahr, dass Ärger, der aus dem niederen Vital stammt und daher dem Körper nahe ist, immer diese Auswirkung zeitigt (nämlich physische Anzeichen, wie Aufwallen in der Brust, Erröten des Gesichtes, usw.)? Natürlich vermag der Psychologe nicht zu erkennen, wenn jemand ärgerlich ist, außer es zeigen sich bei ihm physische Anzeichen; er kann aber auch nicht wissen, was ein Mensch denkt, außer dieser spricht es aus oder schreibt es nieder; folgt nun hieraus, dass der Zustand des Denkens nicht erkannt werden kann, ohne sich im Sprechen oder Schreiben zu äußern? Ein Japaner, daran gewöhnt, all seine Gefühle zu kontrollieren (das erste Anzeichen seines Ärgers ist das Messer in deinem Leib von der Hand eines ruhigen oder lächelnden Mörders), zeigt keines dieser Merkmale, nicht einmal das Aufwallen in der Brust; stattdessen brennt in ihm ein ruhiges Feuer, bis sich sein Ärger in der Tat löst.

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Ein starkes Vital ist ein Vital voller Lebenskraft, das Ehrgeiz besitzt, Mut und große Energie, die Kraft, zu handeln oder zu erschaffen; es besitzt eine weite, umfassende Bewegung, deren Ausdruck Großzügigkeit im Geben ist, Besitzergreifung, Führung und Beherrschung, die Fähigkeit zu erfüllen und zu verwirklichen – es gibt noch viele weitere Formen von vitaler Stärke.

Für ein solches Vital ist es wegen des Gefühls der eigenen Macht oft schwierig, die Hingabe zu vollziehen – doch wenn es hierzu in der Lage ist, wird es zu einem bewunderungswürdigen Instrument für die Göttliche Arbeit.

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Nein, ein schwaches Vital hat nicht die Kraft, die spirituelle Wende zu vollziehen – und da es schwach ist, fällt es leichter unter falsche Beeinflussung; es fällt ihm selbst bei bestem Willen schwer, etwas anzunehmen, das über seine gewohnte Natur hinausgeht. Das starke Vital, wenn es den Willen hat, vermag dies viel leichter – die ihm eigene zentrale Schwierigkeit liegt im Stolz seines Egos und in der Anziehungskraft seiner Macht.

Die Brust hat mehr Verbindung mit der Seele als das Vital. Ein starkes Vital kann einen starken Körper besitzen, doch ebenso oft auch nicht, da es zu sehr vom Körper zehrt, ihn gleichsam aufisst.

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Ich glaube, ich sagte es bereits, ein altes Verlangen bestand im unterbewussten Teil des physischen Vitals fort. So wie es das physische Mental gibt, gibt es auch das physische Vital – ein Vital, das gänzlich physischen Dingen zugewandt ist, voller Wünsche und Gier und Suchen nach Vergnügen auf der physischen Ebene.

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Das physische Vital ist das Wesen der kleinen Begierden und Süchte usw. – das vitale Physische ist das Nervenwesen; beide sind eng miteinander verbunden.

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Das vitale Physische beherrscht all die kleinen täglichen Reaktionen auf äußere Dinge – Reaktionen der Nerven, des Körperbewusstseins und der rückwirkenden Emotionen und Gefühlsregungen; es verursacht viele gewöhnliche Handlungen des Menschen und verbindet sich mit den niederen Teilen des eigentlichen Vitals, um Lust, Eifersucht, Ärger, Heftigkeit zu erzeugen, usw. In seinen niedrigsten Teilen (vital-stofflich) ist es die Ursache des Schmerzes, der physischen Krankheit, usw.

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Ja, sie [das niedere Vital, das physische Vital und das gänzlich stoffliche Vital] können von einem sich weitenden Bewusstsein deutlich erkannt werden. Und all diese Unterscheidungen müssen gemacht werden – andernfalls würde man das niedere Vital oder einen Teil des physischen Vitals beeinflussen oder kontrollieren und dann erstaunt sein, dass etwas Nichtgreifbares, doch offensichtlich Unbesiegbares immer noch Widerstand leistet – es ist das stoffliche Vital mit soviel von allem Übrigen, als dieses durch seinen Widerstand beeinflussen kann.

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Der Nerventeil des Wesens ist ein Teil des Vitals, er ist das Vital-Physische, die Lebenskraft, die eng verstrickt ist mit den Reaktionen, Begierden, Erfordernissen und Gefühlsregungen des Körpers. Das eigentliche Vital ist die Lebenskraft, die ihrer Natur nach in Impulsen und Emotionen, im Fühlen, in den Begierden, im Ehrgeiz usw. wirkt; ihr höchstes Zentrum ist das, was wir das äußere Herz, den Sitz der Emotion nennen würden, während es ein inneres Herz gibt, wo sich die höheren oder seelischen Gefühle und Empfindungen befinden, die Emotionen oder intuitiven Sehnsüchte und die Impulse der Seele. Unser vitaler Teil ist natürlich für unsere Vollständigkeit notwendig, doch ist er nur dann ein wahres Instrument, wenn seine Gefühle und Neigungen durch die seelische Berührung geläutert und vom spirituellen Licht und der spirituellen Macht angenommen und beherrscht werden.

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Ich weiß nichts von einem feinstofflichen Vital. Man spricht vom feinstofflichen Physischen, um es vom grobstofflichen Physischen zu unterscheiden, denn für unsere normale Erfahrung ist alles Physische grob, sthula. Doch das Vital ist seiner Natur nach nicht-stofflich, so dass das Adjektiv feinstofflich überflüssig ist. Mit stofflichem Vital meinen wir das Vital, das derart der Materie involviert ist, dass es an deren Bewegungen und groben physischen Charakter gebunden ist; seine Tätigkeit besteht darin, den Körper zu stützen und anzuregen und in ihm die Fähigkeit aufrechtzuerhalten zu leben, zu wachsen, sich zu bewegen, ebenso seine Sensitivität auf äußere Einwirkungen.

 

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Diese Frage hat keine praktische Bedeutung – denn die vital-physischen Kräfte können von überall her vom Körper empfangen werden, aus der Umgebung, von darunter oder darüber. Die Anordnung der Ebenen besteht in Beziehung zueinander, nicht in Beziehung zum Körper. In Beziehung zueinander bedeutet, dass das vitale Physische sich unterhalb des physischen Mentals befindet, aber über dem Stofflichen; doch zur gleichen Zeit durchdringen diese Mächte sich gegenseitig.

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Die Körperenergie ist eine Manifestation stofflicher Kräfte, die von der vital-physischen Energie gestützt werden; diese ist die vitale Energie in der Materie und von ihr abhängig.

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Vitalität heißt Lebenskraft – wo immer es Leben gibt, in der Pflanze, im Tier oder im Menschen, gibt es die Lebenskraft; ohne das Vital kann es kein Leben in der Materie und keine lebendige Tat geben. Das Vital ist eine notwendige Kraft, und nichts kann im körperlichen Dasein geschehen, getan oder geschaffen werden, wenn das Vital als Instrument nicht vorhanden ist. Sogar die Sadhana bedarf der vitalen Kraft.

Doch ist das Vital ungeläutert und dem Begehren, der Leidenschaft und dem Ego unterworfen, dann ist es so schädlich, wie es auf der anderen Seite hilfreich sein kann. Selbst im gewöhnlichen Leben muss das Vital vom Mental und dem mentalen Willen überwacht werden, andernfalls bringt es Unordnung und Unheil. Wenn die Leute von einem vitalen Menschen sprechen, meinen sie jemanden, der von einer vom Mental oder Spirit nicht kontrollierten Kraft beherrscht wird. Das Vital kann ein gutes Instrument sein, doch ist es ein schlechter Meister.

Das Vital darf nicht abgetötet oder zerstört werden, es muss durch seelische und spirituelle Kontrolle geläutert und umgewandelt werden.

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Das Physische ist bei jedem Schritt vom Vital abhängig, es könnte nichts tun ohne die Hilfe des Vitals, daher ist es ganz natürlich, dass es seine Eingebungen empfängt.

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Physisches Leben kann ohne Körper nicht bestehen, noch kann der Körper ohne Lebenskraft leben; doch Leben als solches hat ein gesondertes Dasein und einen eigenen, gesonderten Körper, den Vital-Körper, genau wie das Mental ein gesondertes Dasein hat und auf seiner eigenen Ebene bestehen kann. Das ganze Gefüge wird zusammengehalten durch die Seele, die alles stützt.

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XI. Das Physische Bewusstsein, das Physische Mental

Jede Ebene unseres Wesens, die mentale, vitale und physische, hat ihr eigenes Bewusstsein, das für sich besteht und dennoch mit den anderen verbunden ist und auf diese einwirkt; doch in unserem äußeren Mental und Gefühl, in unserer Wacherfahrung, geraten sie alle durcheinander. Der Körper zum Beispiel hat sein eigenes Bewusstsein, das ihn handeln lässt, selbst ohne unseren mentalen Willen oder sogar gegen ihn; unser Oberflächenmental weiß sehr wenig über dieses Körperbewusstsein, es fühlt es in nur unvollständiger Weise, sieht lediglich seine Ergebnisse und hat die größten Schwierigkeiten, ihre Ursachen herauszufinden. Es gehört zu unserem Yoga, dieses für sich bestehende Körperbewusstsein wahrzunehmen, seine Bewegungen und die Kräfte, die von innen und außen darauf einwirken, zu erkennen und zu fühlen und weiterhin zu lernen, wie es zu bewachen und zu lenken ist, selbst in seinen verborgensten und unbewusstesten Vorgängen. Doch das Körperbewusstsein als solches ist nur ein Teil des individualisierten physischen Bewusstseins in uns, das wir aus den verborgen bewussten Kräften der universalen physischen Natur sammeln und aufbauen.

Es gibt das universale physischen Bewusstsein der Natur, und es gibt unser eigenes, das ein Teil davon ist, das von ihm bewegt und vom zentralen Wesen dazu benützt wird, seinen Ausdruck in der physischen Welt zu stützen, damit es mit allen äußeren Objekten, Bewegungen und Kräften umgehen kann. Diese physische Bewusstseins-Ebene erhält von anderen Ebenen ihre Kräfte und Einflüsse und gestaltet sie in ihrem Bereich. Daher haben wir sowohl ein physisches als auch ein vitales Mental und unser eigentliches Mental, wir haben einen vital-physischen Teil in uns – das Nervenwesen – und ebenso das eigentliche Vital; beide werden weitgehend durch den grobstofflichen körperlichen Teil bestimmt, der für unsere Erfahrung nahezu gänzlich unterbewusst ist.

Das physische Mental ist jenes Mental, das auf physische Objekte und Ereignisse gerichtet ist, nur diese sieht und versteht und sie ihrer Natur gemäß behandelt, das jedoch auf höhere Kräfte nur widerwillig reagiert. Sich selbst überlassen, steht es dem Dasein überphysischer Dinge, von denen es keine direkte Erfahrung hat und für die es keinen Schlüssel finden kann, skeptisch gegenüber; selbst wenn es spirituelle Erfahrungen erlangt, vergisst es diese leicht, ihr Eindruck und ihre Auswirkung gehen ihm verloren, und es hat Schwierigkeiten zu glauben. Das physische Mental durch das Bewusstsein der höheren spirituellen und supramentalen Ebenen zu erleuchten, ist ein Ziel dieses Yoga, ebenso wie die Erleuchtung des physischen Mentals durch die Macht der höheren vitalen und mentalen Wesenselemente die Grundlage der menschlichen Zivilisation, Selbstentwicklung und Kultur ist.

Das Vital-Physische ist andererseits der Mittler der nervlichen Reaktion unserer physischen Natur; es ist das Feld und Instrument der kleineren Erregungen, Wünsche, der Reaktionen aller Art auf die Einwirkungen des äußeren physischen und grobstofflichen Lebens. Dieser vital-physische Teil (der vom niedersten Teil des eigentlichen Vitals gestützt wird) ist daher der Verursacher der meisten niederen Regungen unseres äußeren Lebens; seine gewohnheitsmäßigen Reaktionen und hartnäckige Begrenztheit sind das hauptsächliche Hindernis auf dem Weg der Umwandlung des äußeren Bewusstseins im Yoga. Es ist ebenso weitgehend verantwortlich für die meisten Leiden und Krankheiten des Mentals oder Körpers, denen das physische Wesen in der Natur unterworfen ist.

Was den grobstofflichen Teil anbelangt, so ist es nicht notwendig, seinen Bereich genauer zu bezeichnen, denn dieser ist klar ersichtlich; doch sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass auch er ein eigenes Bewusstsein besitzt, das dunkle Bewusstsein, das den Gliedern, Zellen, Geweben, Drüsen und Organen eigen ist. Diese Dunkelheit zu erhellen und für die höheren Ebenen und die göttliche Bewegung beeinflussbar zu machen, ist das, was wir in unserem Yoga mit der Bewusstwerdung des Körpers meinen – es bedeutet, durchdrungen zu sein von einer echten, erwachten und responsiven Bewusstheit, statt der ihm eigenen begrenzten und dunklen Halb-Unterbewusstheit.

Es gibt ein inneres und ein äußeres Bewusstsein in unserem gesamten Wesen, auf all seinen Ebenen. Der gewöhnliche Mensch ist sich nur seines Oberflächen-Selbstes bewusst, er ist sich aber all dessen nicht bewusst, was von der Oberfläche verdeckt wird. Und dennoch ist das, was wir von unserer Oberfläche kennen oder zu kennen glauben und wovon wir sogar annehmen, es umfasse alles, was wir sind, nur ein kleiner Teil unseres Wesens, während unser bei weitem größerer Teil sich unterhalb dieser Oberfläche befindet. Oder genauer gesagt, er befindet sich hinter dem frontalen Bewusstsein, hinter dem Schleier, okkult, und nur durch okkultes Wissen erkennbar. Moderne Psychologie und psychologische Forschung beginnen gerade, diese Wahrheit ein wenig zu erkennen. Die materialistische Psychologie nennt diesen verborgenen Teil das Unbewusste, doch gibt sie praktisch zu, dass dieses weit größer, weit mächtiger und tiefer ist als das bewusste Selbst der Oberfläche; in ganz ähnlicher Weise nannte die Upanishad das Überbewusste in uns das „Schlaf-Selbst“, obwohl auch sie von diesem Schlaf-Selbst annahm, dass es eine unendlich größere Intelligenz sei, allwissend, allmächtig, prajna, der Ishvara. Die psychologische Wissenschaft nennt dieses verborgene Bewusstsein das unterschwellige Selbst, und auch sie erkennt, dass es mehr Macht, mehr Wissen und einen freieren Bereich der Bewegung besitzt als das kleinere Selbst der Oberfläche. Die Wahrheit jedoch ist, dass alles, was sich dahinter befindet, dieses Meer, in dem unser Wachbewusstsein nur eine Welle oder eine Anzahl von Wellen bildet, nicht durch einen einzigen Ausdruck umschrieben werden kann, denn es ist sehr komplex. Ein Teil davon ist das Unterbewusste, tiefer als unser Wachbewusstsein, ein Teil davon befindet sich auf der gleichen Ebene, die jedoch dahinter liegt und viel größer als jene [des Wachbewusstseins] ist; ein Teil ist darüber und für uns überbewusst. Was wir unser Mental nennen, ist nur ein äußeres Mental, eine mentale Tätigkeit der Oberfläche, die Instrument ist für den teilweisen Ausdruck eines größeren Mentals dahinter, dessen wir uns meist nicht bewusst sind und das wir nur erkennen können, indem wir in uns gehen.

Ebenso ist das, was wir vom Vital in uns kennen, nur das äußere Vital, ein Oberflächen-Vital, das teilweise ein größeres, geheimes Vital ausdrückt, das wir allein dann wahrnehmen, wenn wir uns nach innen wenden. Auch das, was wir unser physisches Wesen nennen, ist lediglich eine sichtbare Projektion eines größeren und feineren, unsichtbaren physischen Bewusstseins, das viel komplexer ist als jenes, viel bewusster, viel umfassender in seiner Empfangsbereitschaft, viel offener und plastischer und freier.

Erst wenn du diese Wahrheit verstanden und erfahren hast, wird es dir möglich sein zu erkennen, was mit dem inneren Mental, dem inneren Vital, dem inneren physischen Bewusstsein gemeint ist. Es sei jedoch bemerkt, dass dieser Ausdruck „inneres“ auf zwei verschiedene Arten gebraucht wird. Manchmal bezeichnet es das Bewusstsein hinter dem Schleier des äußeren Wesens, das innere Mental, Vital oder Physische, das in direktem Kontakt mit dem universalen Mental, den universalen Lebenskräften, den universalen physischen Kräften steht. Andererseits meinen wir manchmal ein innerstes Mental, Vital und Physisches, deren mehr spezifische Bezeichnung wahres Mental, wahres Vital, wahres physisches Bewusstsein ist; sie sind der Seele näher und sprechen äußerst leicht und unmittelbar auf das Göttliche Licht, die Göttliche Macht an. Es ist kein echter Yoga möglich, viel weniger ein integraler Yoga, solange wir uns nicht vom äußeren Selbst zurückziehen und uns dieses ganzen inneren Wesens und der inneren Natur bewusst werden. Nur so können wir die Begrenzungen des unwissenden äußeren Selbstes brechen, das allein die äußeren Kontakte bewusst empfängt und die Dinge durch das äußere Mental und die Sinne nur indirekt erkennt; nur so können wir das universale Bewusstsein und die universalen Kräfte, die durch uns und um uns spielen, unmittelbar wahrnehmen. Wir können dann ebenfalls hoffen, uns des Göttlichen in uns direkt bewusst zu werden und in direkte Berührung mit dem Göttlichen Licht und der Göttlichen Kraft zu kommen. Andernfalls würden wir das Göttliche allein durch äußere Zeichen und äußere Auswirkungen fühlen, und das wäre ein schwieriger, unsicherer Weg, von Zufällen abhängig, unbeständig, der nur zum Glauben führt und nicht zum Wissen, nicht zum direkten Bewusstsein und Erkennen der immerwährenden Gegenwart.

Um den Unterschied deutlich zu machen, nenne ich dir zwei Beispiele von entgegengesetzten Polen der Erfahrung, und zwar ein ganz äußerliches, das zeigt, wie das Innere sich der Wahrnehmung universaler Kräfte öffnet, und eines der spirituellen Erfahrung, das zeigt, wie das Innere sich dem Göttlichen öffnet. Nimm die Krankheit. Solange wir nur im äußeren physischen Bewusstsein leben, wissen wir meist erst dann, dass wir krank sein werden, wenn die Symptome der Krankheit sich im Körper zeigen. Doch wenn wir das innere physische Bewusstsein entwickeln, gewahren wir eine feine, uns umgebende physische Hülle und können die Kräfte der Krankheit durch diese auf uns zukommen fühlen; wir können sie sogar in einiger Entfernung und, wenn wir wissen wie, mit Hilfe des Willens oder sonst wie aufhalten. In gleicher Weise fühlen wir um uns eine vital-physische oder Nerven-Hülle, die vom Körper ausstrahlt und ihn beschützt, und wir können spüren, wie die feindlichen Kräfte diese zu durchbrechen suchen, und sie daran hindern, sie aufhalten oder die Nerven-Hülle stärken. Oder wir spüren die Symptome der Krankheit, wie Fieber oder Kälte, in der feinstofflich-körperlichen Schicht, bevor sie sich im groben, stofflichen Körper offenbaren, zerstören sie dort und hindern sie daran, sich im Körper festzusetzen. Nimm nun den Ruf nach der Göttlichen Macht, dem Licht, dem Ananda. Wenn wir nur im äußeren physischen Bewusstsein leben, mögen diese herabkommen und hinter dem Schleier wirken, doch werden wir nichts fühlen und vereinzelte Ergebnisse erst nach langer Zeit erkennen. Oder es ist das, was wir bestenfalls fühlen, eine gewisse Klarheit, ein Friede im Mental, eine Freude im Vital, ein glückliches Befinden im Physischen, und wir schreiben dies dem Kontakt mit dem Göttlichen zu. Doch sind wir im Physischen erwacht, werden wir das Licht, die Macht, den Ananda durch den Körper fließen fühlen, durch die Glieder, die Nerven, das Blut, den Atem und durch den feinstofflichen Körper; wir werden fühlen, wie sie die allerstofflichsten Zellen beeinflussen, sie bewusst und selig machen, und werden unmittelbar die Göttliche Macht und Gegenwart empfinden. Dies sind nur zwei mögliche Beispiele aus tausend, wie sie fortwährend vom Sadhak erfahren werden können.

 

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Alles hat einen physischen Teil – sogar das Mental hat einen physischen Teil; es gibt ein mentales Physisches, ein Mental des Körpers und der Materie. Auch das emotionale Wesen hat einen physischen Teil. Dieser hat keinen bestimmten Ort, der sich vom übrigen Emotional unterscheidet. Man vermag ihn nur zu erkennen, wenn das Bewusstsein sich genügend verfeinert.

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Es [das Stoffliche] ist der physischste Grad des Physischen – es gibt das mentale Physische, das vitale Physische, das stoffliche Physische.

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Ja, das stoffliche Bewusstsein ist ein gesonderter Teil des physischen Bewusstseins. Das physische Mental zum Beispiel ist eng, begrenzt und häufig dumm, doch nicht träge. Stoffliches Bewusstsein ist im Gegensatz hierzu sowohl träge als auch größtenteils unterbewusst und nur dann aktiv, wenn es durch eine Energie angetrieben wird – andernfalls ist es untätig und bewegungslos. Wenn man erstmals in direkten Kontakt mit dieser Ebene kommt, ist das Gefühl im Körper das der Trägheit und Bewegungslosigkeit, im vitalen Physischen das der Erschöpfung und Müdigkeit, im physischen Mental das der Abwesenheit von Licht und Dynamik, prakasa und pravrtti, oder es sind nur die allergewöhnlichsten Gedanken und Impulse vorhanden. Es kostete mich lange Zeit, irgendeine Art Licht oder Macht in diese Ebene herabzubekommen. Doch ist sie einmal erhellt, dann bringt das den Vorteil, dass das Unterbewusste bewusst wird, und dies beseitigt ein ganz fundamentales Hindernis in der Sadhana.

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Mit dem groben Physischen ist das erdhafte und körperliche Physische gemeint – wie es von dem äußeren Sinnen-Mental und den Sinnen erfahren wird. Doch dies ist nicht die Gesamtheit der Materie. Es gibt auch ein feinstoffliches Physisches mit einem feineren Bewusstsein, das sich zum Beispiel vom Körper entfernen kann und doch die Dinge in einer nicht nur mentalen oder vitalen Weise fühlt oder wahrnimmt. Was Mental und Vital anbelangt, so sind sie überall – es gibt ein dunkles Mental, ein dunkles Leben sogar in den Zellen des Körpers, in den Steinen oder in den Molekülen und Atomen.

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Die physischen Nerven sind ein Teil des stofflichen Körpers; doch reichen sie bis in den feinstofflichen Körper, und es besteht eine Verbindung zwischen beiden.

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Ja, es gibt Nerven im feinstofflichen Körper.

Ja, Hülle ist lediglich der Ausdruck für Körper, denn eine jede befindet sich über der anderen und wirkt als Hülle, die abgeworfen werden kann. Daher wird der physische Körper als solcher die Nahrungs-Hülle genannt, ihr Abwerfen bezeichnet man als Tod.

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Dies ist die Nerven-Hülle, die den Körper umgibt. Du verwechselst wahrscheinlich suksma, das Feinstoffliche, mit der Nerven-Hülle. Der suksma de ha enthält den sthula deha, ist aber nicht an seine Begrenzungen gebunden.

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Du kannst die verschiedenen Hüllen entweder durch Intuition oder durch Erfahrung unterscheiden und hast damit bereits eine direkte Erkenntnis der verschiedenen Hüllen erlangt.

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Das Erscheinungsbild des menschlichen Wesens auf anderen Ebenen ist nicht notwendigerweise das des physischen Körpers. Sehr häufig ist die Form, die das Vital, die Seele oder das mentale Wesen annimmt, von der physischen Form ganz verschieden. Selbst wenn sie sich als Ganzes gleichen, besteht doch immer ein Unterschied.

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