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Auftrag der Kirchen und Orden

Der Auftrag der Kirchen und Ordensgemeinschaften liegt darin, das bestehende Wirtschaftssystem im Sinne einer prophetischen Kritik in Frage zu stellen, nach Alternativen zu suchen und diese ad experimentum vorzuleben. Ordensleben ist vom Ansatz her ein alternatives und in gewissem Sinn auch subversives Leben. Es stellt mit seinen Werten und Lebensformen die kapitalistische Wirtschaftsweise grundsätzlich in Frage. Durch ihren Freiraum können Ordenschristen prophetisch wirken und Veränderungsprozesse anmahnen. So weit die Theorie. Die Praxis sieht oft anders aus. Die Kirchen wie auch die Ordensgemeinschaften sind in das kapitalistische System und sein Geldwesen verstrickt. Zu einem nicht unwesentlichen Teil leben sie von Kapitaleinkünften, die im Widerspruch zu ihren eigenen sozial-ethischen Grundsätzen stehen. Die Frage des Geldes und des Kapitals als Schlüsselproblem der Wirtschaftsethik ist für die Kirche und ihren theologischen Diskurs von großer Bedeutung. Alle Bemühungen um Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung berühren die Notwendigkeit einer grundlegenden nationalen wie internationalen Geldordnung. Im Vaterunser beten alle Christen regelmäßig „… und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern“. Die Frage ist, ob wir als Profiteure des Systems diese Bitte lediglich spiritualisieren oder ob wir dazu auch im materiellen Sinn wirklich bereit sind. Im Sinne des Dreischritts „Sehen – Urteilen – Handeln“ geht es um eine klare Analyse und Beurteilung der Situation, aber entscheidender noch um die Befähigung zur Umkehr, die Schritte hin zu Veränderungsprozessen in Richtung einer solidarischen Ökonomie ermöglicht. „Wenn das Einschwenken auf einen sozialökologischen, demokratischen Postwachstumspfad gelingen soll, dann darf das ‚gute‘, ökologische und solidarische Leben nicht als Privatangelegenheit begriffen werden, sondern als gesellschaftspolitische Aufgabe und politischer Prozess“ (Sabine Leidig). Für diese gesellschaftspolitische Aufgabe und diesen politischen Prozess stellen die folgenden Überlegungen franziskanische Bausteine bereit.

2. Geld regiert die Welt
Geld und seine Wirkung

Jeder hat es. Jeder nutzt es. Eines der alltäglichsten Dinge, mit denen jeder Mensch zu tun hat, ist das Geld. Sei es in Form von Münzen oder Scheinen, sei es in Form eines Plastikkärtchens für den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Kaum etwas löst in uns Menschen so widersprüchliche Gefühle aus wie das Geld. Als alltägliches Zahlungsmittel wird es zunächst neutral bewertet. Als Mittel des Wohlstandes und des Konsumierens wird es wohlwollend wahrgenommen. Als Symbol für die Schwäche des Menschen und für unser kapitalistisches Wirtschaftssystem kann es jedoch auch kritisch betrachtet werden. Denn „Geld regiert die Welt“ ist eine Binsenweisheit: Wer über Geld verfügt, verfügt zugleich über Macht und Einfluss. Wer genug verdient, kann sich etwas leisten und ist unabhängiger und selbstbestimmter als jemand, der sich ständig um seinen Lebensunterhalt sorgen muss.

Funktionen des Geldes

Die Verwendungsarten des Geldes sind das Schenken, das Leihen (mit oder ohne Zins) und das Kaufen. Geld ist zum einen Tauschmittel und Wertmesser, zum anderen „Schatzmittel“. Darin liegt die Problematik, dass Geld diese unterschiedlichen Aufgaben hat, die nicht gleichzeitig zu erfüllen sind. Die Funktion als rotierendes Tauschmittel kann Geld nur erfüllen, wenn es fließt, die Funktion als Wertaufbewahrungsmittel nur, wenn es ruht. Dient Geld als Schatzmittel, wird es gehortet. Um einen Anreiz zu bieten, es wieder in Umlauf zu bringen und damit den anderen originären Funktionen zuzuführen, bedarf es der Inflation – das Geld verliert an Wert – und des Zinses – das geliehene Geld vermehrt sich durch einen festgelegten Zinssatz. Inflation untergräbt jedoch die Wertmesserfunktion und Zins führt zu einer Umverteilung von Arm zu Reich.

Geld als Beziehungsgestalter

In traditionellen Gesellschaften war der Tausch in feste Rituale eingebunden. Er hatte eine soziale Funktion. Gabe und entsprechende Gegengabe verhinderten – idealtypisch dargestellt – aus sich heraus jede Akkumulation (Anhäufung). Geld als versachlichendes Ding und vertagende Zwischeninstanz beim Tausch zerstört dieses Gleichgewicht einer symmetrischen Beziehung. Beim Kauf interessiert in der Regel das persönliche Schicksal von Käufer und Verkäufer wenig bis gar nicht. Bei diesem anonymen Austauschmechanismus entstehen keine personalen Verpflichtungen. Zwar kommunizieren beide Partner über das Geld miteinander, doch führt die Ent-Personalisierung dieses Vorgangs auch zu einer Ent-Moralisierung und somit Entkoppelung von Ökonomie und Moral. Durch die Auflösung personaler Abhängigkeit bedeutet dies einerseits einen individuellen Freiheitsgewinn mit der Vermehrung von Teilhabechancen, Wahlmöglichkeiten und persönlicher Autonomie, andererseits eine neue, eher abstrakte Abhängigkeit des Einzelnen vom Funktionieren gesellschaftlicher Zusammenhänge. Der Geldgebrauch führt zu „berechnendem“ Verhalten, um eigene Interessen möglichst vorteilhaft durchzusetzen. Geldbesitz führt somit zu einer asymmetrischen Beziehung.

Jokervorteil Geld

Da Geld als Zahlungsmittel allgemein anerkannt ist, hat der Geldbesitzer einen „Jokervorteil“ (Dieter Suhr). Er kann es zurückhalten und in diesem Sinne Zeit zu Geld machen, indem er anderen seine Konditionen vorschreibt, beispielsweise es gegen Zinsen in den Markt einzubringen. Geld verweist über die realen Güter und über sich hinaus. Geld verleiht „Vermögen“: Geld verschafft über äußere Güter Prestige („Geldadel“) und Geld hat die Macht auszuschließen. Geldlosigkeit erzeugt dagegen Angst und Unsicherheit. „Geldgier“ ist somit nicht nur ein subjektives, moralisch fragwürdiges Phänomen einzelner Individuen, sondern im Marktgeschehen selbst begründet. Geld anzuhäufen verringert die Gefahr, vom Markt ausgeschlossen zu werden. Anders als in einer gemeinschaftlichen (Selbst-)Versorgungswirtschaft birgt das Medium Geld in sich den Hang und Drang zu Ichbezogenheit und Konkurrenzverhalten. Mehr Geld bedeutet mehr Kontrolle. Aus Kooperation wird Kalkulation. Alles wird zur Ware und bekommt einen Preis. Geld als Ware in Kombination mit Privateigentum führt zu Individualisierung und zu einer mehr oder weniger tiefen Spaltung der Gesellschaft.

Psychologie des Geldes

So „neutral“ Geld auf den ersten Blick erscheint, so sehr hat es psychologische und symbolische Bedeutung. Georg Simmel spricht in seiner „Philosophie des Geldes“ davon, dass Geld der „fürchterlichste Formzerstörer“ sei, der alle ihm im Wege stehenden Beziehungsmuster, Institutionen, Denk-, Anschauungs- und Handlungsweisen transformiere. Geld sei nicht nur neutrales Mittel, sondern eine scheinbar autonom wirkende (auch den Menschen) verändernde Kraft. Wenn die Wirtschaft nicht mehr für den Menschen da ist, sondern der Mensch für die Wirtschaft, führt dies mit Erich Fromm zu einem „Marketing- Charakter“. Der Mensch wird als Produktionsfaktor selbst zur Ware. Er muss sich inszenieren und präsentieren, um am Marktgeschehen teilhaben zu können. Dazu zählen geldkonforme Persönlichkeitseigenschaften wie Flexibilität / Anpassungsbereitschaft, Ungebundenheit / Mobilität und Durchsetzungsvermögen. Die Umwelt wird primär unter dem Gesichtspunkt des eigenen Nutzens, Vorteils und Erfolgs wahrgenommen, der andere Mensch als Gradmesser, an dem die eigenen inneren Verhaltensweisen und Einstellungen ausgerichtet werden. Was zählt, ist „anzukommen“, attraktiv zu sein, sich gut zu „verkaufen“. Getreu dem „Konsumparadigma“ werden der Besitz und der Gebrauch von Konsumgütern zur Grundlage der Selbstinszenierung und zur Eintrittskarte in soziale Netzwerke. Geld dient der Angstabwehr. „In einer konsumkapitalistischen Ökonomie, die verspricht, für jeden Wunsch und jedes Bedürfnis das passende käufliche Angebot bereitzuhalten, erscheint Geld als der Generalschlüssel zur Schatzkammer, der jedoch die unterschiedlichsten subjektiven Bedeutungen annehmen kann … Der Angst vor Leblosigkeit etwa entspricht der Wunsch nach der Erfahrung von Vitalität und zu dessen Befriedigung gibt es die passenden Erlebnisangebote, gegen die Angst vor Hilflosigkeit und den ihr entsprechenden Wunsch nach ‚Sicherheit‘ gibt es Versicherungen, Sicherheitsdienste, die Angst vor Gleichgültigkeit und Nichtbeachtung erzeugt den Wunsch nach Liebe und auch hier lässt sich zumindest Zuwendung und Interesse erwerben, die Angst vor Abhängigkeit erzeugt den Wunsch nach Selbständigkeit, und Geld scheint das geeignete Mittel zu sein, sich freikaufen zu können; Versagensängste lassen sich durch den Service von Erfolgstrainern und Therapeuten bekämpfen, und schließlich kann Geld Macht bedeuten und somit der Bekämpfung von Unterwerfungsängsten dienen“1 (Andreas Hirsefeld).

Kapital

Die beschriebene Problematik des Geldes lässt sich ebenso aufzeigen für den Bereich des Kapitals. Kapital meint das Vermögen insgesamt und geht über den Geldbesitz hinaus. Lässt sich Geld als geronnene und gespeicherte Arbeit betrachten, so Kapital als geronnenes Geld. „Kapital ist eine Speicherungsform von Vermögen, es hat den Charakter der Akkumulation von Kraft, Arbeit und materiellen Gütern.“ Kapital hat nach Ulrich Hemel neun Charakteristika: Sozialität (sozialer und politischer Charakter), Temporalität (zeitlicher und historischer Charakter), Instrumentalität (Werkzeugcharakter), Ambivalenz (Zweischneidigkeit), Potenzialität (Wirkmöglichkeit), Illusorik (Scheincharakter), Steigerung (Wachstumsimperativ), Risiko (Wagnischarakter) und Symbolik (Symbolcharakter).2 Seine These zur kapitalistischen Wirtschaftsform lautet: „Die grundlegende kapitalistische Transaktion ist der Tausch von Geld gegen Träume.“ Es lässt sich gegen etwas anderes eintauschen, sei es etwas Materielles, sei es etwas Ideelles wie Geltung gegen Geld. Kapital wird zum sozialen Zugangscode für Luxusgüter und für Prestige. Es wird zur Projektionsfläche, die aber nur dann zum Lebensglück beiträgt, wenn eine sinnstiftende Lebensbegabung hinzukommt. Als kapitalistisches Paradox verschwindet das Kapital zunächst einmal im Tauschvorgang, kann aber dazu dienen, neues Kapital hervorzubringen. Kapital ist dann Geld, das ständig neu investiert wird, um sich zu vermehren, also Geld, das der Vermehrung von Geld dient. Es kommt zur Akkumulation, zur Anhäufung von Kapital. Dieses wird reinvestiert, um weiteres Kapital zu akkumulieren. „Kapital ist gieriges, ständig auf Akkumulation drängendes Geld oder in Geld gemessenes Vermögen, Gewinn, der unersättlich nach mehr Gewinn dürstet. Darum ist der Begriff Kapitalismus für das Wirtschafts- und Gesellschaftssystem der Moderne präzise und völlig angemessen“3 (Ulrich Duchrow).

 

Das Wesen des Kapitals, sein Drang zur permanenten Vermehrung, birgt in sich den problematischen Zwang zum Wachstum. Bedingt durch diese Zielsetzung ergibt sich eine Veränderung der Aufgabe der Wirtschaft: Als Versorgungswirtschaft diente sie einst der Befriedigung des tatsächlichen Bedarfs, heute dient sie als kommerzielle Wirtschaft der Maximierung des Profits; zum einen durch die Befriedigung der geweckten Konsumwünsche, zum anderen durch die Vermehrung des Geldvermögens durch Finanzgeschäfte. Sie entwickelte sich zum finanzmarktgetriebenen Kapitalismus, der alle Aspekte des Lebens der Logik der maximalen Kapitalakkumulation unterwirft, oft auch „Turbo-Kapitalismus“ genannt. Ein Kennzeichen ist, dass der Geldmarkt sich von der Realwirtschaft abgekoppelt hat. Der Übergang vom Kapitalismus der Arbeit zum Kapitalismus des Spiels stellt einen gravierenden Bruch mit dramatischen Auswirkungen dar. War Geld bisher Mittel des Handelns, wird es zunehmend zum Zweck des Handelns, zum Selbstzweck.

Geld und Eselsmist – Die franziskanische Perspektive

„Das Geld ist eines der großartigsten Werkzeuge der Freiheit, die der Mensch erfunden hat“, so die Einschätzung des Ökonomen Friedrich August von Hayek. Anders dagegen die des römischen Staatsmannes und Politikers Cicero: „Nichts ist besserer Beweis einer beschränkten und kriecherischen Einstellung, als vom Geld geleitet zu werden, während es nichts Erhabeneres gibt, als es zu verachten.“ Besitz kann frei machen, aber ebenso „besessen“. Besitz löst häufig die Dynamik aus, noch mehr besitzen zu wollen, noch reicher zu sein. „Geld verdirbt den Charakter“, weiß der Volksmund. Geld bleibt nicht ohne Einfluss auf uns Menschen. Geld kann uns korrumpieren, ohne dass wir es bemerken, und unsere Persönlichkeitsstruktur verändern.

Einer, der dies sehr sensibel erspürt hat, war Franz von Assisi (1181/82–1226). Als Kaufmannssohn hat er diese Dynamik leibhaftig an sich selbst und vor allem an seinem Vater studieren können. Die Familie gehörte zu den so genannten Minores in Assisi. Das waren etwa 2000 Haushalte, die zunächst vergleichsweise wenig Einfluss hatten. Die Macht lag in den Händen der „Majores“, in den Händen der Adelsfamilien, die in ihren mächtigen Wohntürmen residierten. Im Zuge der aufkommenden Geldwirtschaft bot sich den Minores die Gelegenheit, als Kaufleute Reichtum zu erlangen. Vater Pietro Bernardone vollbrachte dies durch das Geschäft des Tuchhandels. Franziskus (Francesco = „Französlein“) erhielt seinen Namen, als sein Vater von einer Geschäftsreise nach Frankreich zurückkehrte, obwohl ihn seine Mutter Pica bereits auf den Namen Johannes hatte taufen lassen. „Nomen est omen“, hat sich Vater Bernardone wohl gesagt und damit das Wunschziel für seinen Sohn vorgegeben: in seine Fußstapfen zu treten und ein guter Geschäftsmann zu werden.

Die Charaktere von Franziskus und seinem Vater hätten konträrer kaum sein können: Während Pietro Bernardone als geizig beschrieben wird, war Franziskus von Jugend an stets freigiebig und großzügig. Ein Grund, weshalb er zum Anführer der feiernden jungen Leute von Assisi gewählt wurde. Er ließ sich nicht lumpen und spendierte gern. Als er einmal einen Bettler im väterlichen Geschäft zunächst unwillig abweist, besinnt er sich rasch und läuft ihm hinterher, um ihm reichlich die Hände mit Münzen zu füllen.

Franziskus: Rigorose Ablehnung des Geldes

Die spätere rigorose Ablehnung des Geldes durch Franziskus ist auf dem Hintergrund dieser Erfahrungen zu sehen. Sie ist eine doppelte Erfahrung. Zum einen eine personalpsychologische: Geld schafft Macht und Ansehen. Geld korrumpiert. Geld schafft eine falsche Sicherheit. „Was der Mensch vor Gott ist, das ist er, und nicht mehr“, wird Franziskus dagegen in seinen Ermahnungen (Erm 19,2, FQ 52) festhalten. Hiermit liegt er ganz auf der Linie Jesu, der die Versuchungen Macht, Besitz und Ansehen als „teuflische“ Angebote zurückgewiesen hat.

Zum anderen eine gesellschaftlich-soziale: Im 12. Jh. fand der Umbruch der feudalistisch geprägten Agrarkultur hin zu einer merkantilen, kaufmännisch geprägten Bürgerkultur statt. Die Kluft zwischen Arm und Reich war zu seiner Zeit gewaltig. Geld schließt diese Kluft nicht, sondern verschärft sie. Eine kleine Schicht neureicher Bürger von Kaufleuten und Handwerkern, von Rechtsgelehrten und Bankern stürzt einen Großteil der Einwohner in Abhängigkeit und Armut. So steigt Franziskus aus dieser Gesellschaft aus und nimmt einen sozialen Standortwechsel vor: weg von den Reichen und Mächtigen des Zentrums der Stadt hin an den Rand der Armen und Ausgegrenzten vor den Mauern der Stadt.

Seinen eigenen Weg zu finden nimmt auch bei Franziskus einige Jahre in Anspruch. Eines Tages, als er schon wesentliche Schritte auf seinem Weg der Sinnsuche hinter sich hat, reitet Franziskus nach Foligno und verkauft dort kostbare Stoffe und sein Pferd. „Hierauf kehrte er heim, frei von aller Last, und überlegte frommen Sinnes, wie er das Geld verwenden solle … Wie Sand erachtete er den ganzen Gewinn und hatte große Eile, sich seiner zu entledigen … Der wahre Verächter des Geldes aber warf es in eine Fensternische [der zerfallenen Kirche San Damiano] und kümmerte sich darum nicht mehr als um den Staub“ (1 C 8–9, FQ 205).

Seine Entscheidung beruht auf dem Evangelium. Jesus hat auf Macht, Besitz und Ansehen verzichtet. Er hat sich ganz dem Vater anvertraut. Sein Weg ist der der „Kenosis“, der Entäußerung: „Er war wie Gott, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern entäußerte sich und wurde wie ein Sklave“ (Phil 2,6). Der Philipper-Hymnus kennzeichnet diesen Weg der Demut Gottes von der Krippe bis zum Kreuz. Denselben Weg will Franziskus gehen. Symbolisch-pragmatisch wird dies deutlich im Kleiderwechsel und im Moment der Nacktheit. „Kleider machen Leute“: Keiner weiß dies so genau wie der Tuchhändlersohn Franziskus. In Gegenwart des Bischofs Guido von Assisi entledigt sich Franziskus seiner Kleider: „Hört alle und versteht! Bis jetzt habe ich Pietro di Bernardone meinen Vater genannt; aber weil ich mir vorgenommen habe, Gott zu dienen, gebe ich ihm das Geld zurück, um dessentwillen er so aufgeregt ist, und alle Kleider, die ich von ihm habe. Von nun an will ich sagen: ‚Vater unser, der du bist im Himmel‘, nicht mehr Vater Pietro di Bernardone“ (Gef 20, FQ 623).

Franziskus spürt sehr genau: Was einen innerlich umtreibt, daran hängt das Herz. Sein Vater wird wegen des Geldes unruhig. Das Geld entwickelt einen Sog, der nicht gut ist, der gar zur Sucht werden kann. Dahinter steckt eine tiefe Selbstbezogenheit des Menschen, ein Kreisen um das eigene Ego. Die Bibel nennt es „Sünde“, ein Verkrümmtsein in sich selbst (incurvatus in se). Diese Verkrümmung verstellt den Blick auf Gott und verhindert eine Offenheit für die Liebe Gottes. Wer Besitz hat, muss ihn festhalten oder ihn gar mit Waffen verteidigen und kann die Hände nicht öffnen. Wie Jesus setzt Franziskus daher mit seinem Leben nicht mehr auf die Sicherheit von Geld und Reichtum, sondern auf die Sicherheit der Liebe Gottes. Er verzichtet auf sein Erbe, sagt sich von seiner Familie los und wird fortan nur noch Gott als Vater bezeichnen.

Franziskus kleidet sich zunächst in ein Einsiedlergewand, bis er das Evangelium von der Aussendung der Jünger hört (vermutlich am 24. Februar 1208, dem Fest des Apostels Matthias). Da die Jünger „weder eine Tasche noch Brot noch einen Stab auf dem Weg mitnehmen, weder Schuhe noch zwei Röcke haben sollen“ (Mt 10,7–19), legt er den Ledergürtel ab, ebenso seinen Stab und seine Schuhe. Von nun an trägt er einen Strick, der sein schmuckloses, häufig zusammengeflicktes Gewand aus ungebleichter Wolle zusammenhält. Am Ledergürtel war der Geldbeutel befestigt, auch „Geldkatze“ genannt. Ein einfacher Strick konnte einen solchen Geldbeutel nicht halten, er steht für die radikale Armut.

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