Das Verhältnis des Vermögensnachteils bei der Untreue (§ 266 StGB) zum Vermögensschaden beim Betrug (§ 263 StGB) unter besonderer Berücksichtigung des Gefährdungsschadens

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(6) Beweismittelbetrug



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Ein weiterer „klassischer“ Fall, in dem die Konstruktion der „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ zur Begründung eines vollendeten Betrugs herangezogen wird, ist der Beweismittelbetrug. Die Rechtsprechung nimmt hier vollendeten Betrug bereits im Zeitpunkt der Erlangung eines Beweismittels durch den Täter an, soweit sich die Beweislage für den Getäuschten dadurch in dem Sinne verschlechtert, dass dessen unbegründete Inanspruchnahme konkret wahrscheinlich wird. Die Vorlage des Beweismittels beim streitentscheidenden Dritten, i.d.R. dem Richter, sei zur Betrugsvollendung nicht erforderlich. Notwendig sei aber stets, dass es sich um die konkrete Wahrscheinlichkeit einer

unbegründeten

 Inanspruchnahme handele. Werde unter Vorlage falscher Beweismittel lediglich die Realisierung eines rechtsordnungskonformen Zustands ermöglicht, führe die Gesamtsaldierung zu keiner Vermögensminderung auf Seiten des Schuldners, da dieser z.B. durch die Zahlung der geschuldeten Summe von seiner Zahlungsverpflichtung frei werde. Dadurch trete eine äquivalente Kompensation ein.



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Hefendehl

 geht einen anderen Weg. Dieser verlangt zur Feststellung der „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ beim Beweismittelbetrug die kumulative Erfüllung weiterer Kriterien. Erforderlich sei, dass sich erstens nach der Realisierung des Tatplans auf Seiten des Opfers ein Negativsaldo ergebe, zweitens der Täuschende bereits eine vermögenswerte Exspektanz erlangt habe und drittens durch die neue Situation eine schädigende Vermögensgefährdung für den Verfügenden eingetreten sei.



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Diese Kriterien sind allerdings nicht geeignet, eine „schadensgleiche Vermögensgefährdung“ auf der Grundlage eines wirtschaftlichen Schadensbegriffs zu bestimmen. Das erste Erfordernis eines Negativsaldos auf Seiten des Opfers im Falle der Realisierung des Tatplans – mithin des Prozessverlustes – verkennt, dass eine durch Gesamtsaldierung zu ermittelnde objektive Wertminderung des Opfervermögens schon im Zeitpunkt der Erlangung des Beweismittels durch den Täter eingetreten sein muss. Nur in diesem Fall liegt bereits in diesem Zeitpunkt ein Vermögensschaden auf der Grundlage eines wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs vor. Die zweite Voraussetzung, das Entstehen einer vermögenswerten Exspektanz auf Seiten des Täters, erinnert an die Ansichten zur „schadensgleichen Vermögensgefahr“ von

Schröder

 und

Kindhäuser

. Diese verlangen einerseits, dass der endgültige Vermögensverlust allein durch den Täter bewirkt werden könne, also keine weiteren Handlungen im Herrschaftsbereich des Getäuschten mehr notwendig seien, und andererseits, dass es dem Täter im Sinne einer Nähebeziehung bereits möglich sein müsse, seinen Vorteil ohne größere Hindernisse zu realisieren. Diese Ansichten sind aber aus den genannten Gründen abzulehnen. Außerdem sind sie zur Begründung der Möglichkeit des Beweismittelbetruges im Zeitpunkt der Beweismittelerlangung ungeeignet, da der Täter selbst durch Vorlage des Beweismittels beim streitentscheidenden Dritten noch keine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf das Opfervermögen und damit noch keine hinreichende Nähebeziehung oder Exspektanz, wie etwa bei Erlass eines vorläufig vollstreckbaren Urteils, erlangt. Zuletzt führt das dritte Erfordernis – die schädigende Vermögensgefährdung für den Verfügenden – zu einem Zirkelschluss, indem der Eintritt eines Vermögensschadens durch das Vorliegen eines Vermögensschadens in Form einer „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ begründet wird.



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Damit verbleibt zur Feststellung des Vermögensschadens im Zeitpunkt der Beweismittelerlangung durch den Täter lediglich das Kriterium der konkreten Wahrscheinlichkeit der unbegründeten Inanspruchnahme des Getäuschten infolge einer nach den Umständen des Einzelfalls zu ermittelnden Verschlechterung der Beweislage. Dieses trägt allerdings ebenfalls nicht zur Klarheit bei. Es ist ebenso wie das Kriterium der Konkretheit der Vermögensgefahr äußerst vage und inhaltsleer, so dass verlässliche und gleichzeitig mit dem wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriff vereinbare Abgrenzungskriterien auch im Rahmen des Beweismittelbetruges nicht angeboten werden.





(7) Fälle des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten



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Die Rechtsprechung hat auch in der Fallgruppe des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten lange einen vollendeten Betrug aufgrund „schadensgleicher Vermögensgefährdung“ bejaht. Habe der Täter eine nicht i.S.d. § 935 BGB abhanden gekommene Sache als Nichtberechtigter an den Getäuschten unter Vorspiegelung seiner Eigentümerstellung übereignet und sei das Opfer hinsichtlich der Eigentümerstellung des Täters i.S.d. § 932 Abs. 2 BGB gutgläubig gewesen, habe das Opfer trotz des Erwerbs zivilrechtlich vollwertigen Eigentums gleichwohl einen Vermögensschaden erlitten. Dieser beruhe auf einem sittlichen Makel, der jedem gutgläubigen Eigentumserwerb im Vergleich zum Erwerb vom Berechtigten anhafte (sog. Makeltheorie).



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Diese Ansicht ist jedoch mit den Grundsätzen der objektiv-wirtschaftlichen Schadensermittlung nicht zu vereinbaren. Dies haben auch die heute herrschende Literatur und Rechtsprechung erkannt. Der Getäuschte erhält für den von ihm gezahlten Kaufpreis ein entsprechendes Äquivalent, nämlich vollwertiges unanfechtbares Eigentum, so dass nach wirtschaftlicher Gesamtsaldierung kein verbleibendes Vermögensminus festgestellt werden kann. Dem Interesse nur „makelloses“ Eigentum zu haben, kommt genauso wenig wirtschaftlicher Wert zu wie der Gefahr einer Strafverfolgung wegen Hehlerei oder des Verlusts an gesellschaftlichem Ansehen. Ein Vermögensschaden ist dagegen dann anzunehmen, wenn zivilrechtlich, z.B. wegen § 935 Abs. 1 BGB, kein vollwertiges Eigentum erworben werden kann. Dann steht der Leistung des Getäuschten kein vollwertiges Äquivalent gegenüber.



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Auch nach Aufgabe der Makeltheorie hat die Rechtsprechung weiterhin einen vollendeten Betrug durch „schadensgleiche Vermögensgefährdung“ in verschiedenen Konstellationen eines gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten anerkannt. Teilweise wird zur Begründung eines Vermögensschadens auf die Wahrscheinlichkeit oder konkrete Gefahr eines möglichen Prozessverlustes abgestellt, wenn der Getäuschte die Sache „unter sonst regelwidrigen Umständen“ erworben habe, oder es wird ein Vermögensschaden dann angenommen, wenn sich der Getäuschte aus wirtschaftlicher Rücksichtnahme zur Herausgabe der gutgläubig erworbenen Sache veranlasst sehen könnte.



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Auch diese Begründungen überzeugen unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Grundsätze indes nicht. Zum einen müsste der Kläger nach der Beweislastumkehr des § 932 Abs. 2 BGB die Bösgläubigkeit des Getäuschten im Prozess beweisen, so dass ein Prozessverlust fernliegend ist. Das Prozessrisiko ist nicht größer als das von jedem anderen Eigentümer, dessen Eigentumsposition unrechtmäßigerweise bestritten wird. Eine wirtschaftliche Wertminderung kann dadurch jedenfalls nicht begründet werden. Nicht erklärt wird weiter, was unter einem Erwerb „unter sonst regelwidrigen Umständen“ verstanden werden soll. In Verbindung mit der ebenfalls sehr unbestimmten Wahrscheinlichkeit bzw. konkreten Gefahr eines Prozessverlustes als Kriterium bleiben auch hier viele Fragen ungeklärt.



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Auch die Veranlassung des Getäuschten zur Rückgewähr des zu Eigentum erlangten Gegenstandes aus wirtschaftlicher Rücksichtnahme, z.B. bei langfristiger Geschäftsbeziehung zum Alteigentümer, kann einen Vermögensschaden nicht begründen. Eine solche Argumentation erinnert im weitesten Sinne an die vorab abgelehnte Makeltheorie und verkennt, dass der gutgläubige Erwerber vollwertiges Eigentum erlangt hat. Einer „moralischen“ Veranlassung kann kein wirtschaftlicher Wert beigemessen werden. Es handelt sich lediglich um die Beeinträchtigung eines im Hinblick auf die Betrugsstrafbarkeit irrelevanten Affektionsinteresses.



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Unter Zugrundelegung eines wirtschaftlichen Schadensbegriffs kann in den Fällen eines gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten ein Vermögensschaden durch Vermögensgefährdung damit nicht begründet werden. Zudem fehlt es auch hier abermals an trennscharfen Abgrenzungskriterien.





(8) Sportwettenbetrug



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Die zunehmende Kommerzialisierung des Sports eröffnet immer mehr Möglichkeiten, sich auch dort durch unlauteres manipulatives Verhalten Vorteile zu sichern. Beim sog. Sportwettenbetrug geschieht dies durch den Abschluss von Sportwetten auf manipulierte Spiele, um auf diesem Wege das Wettrisiko zu eigenen Gunsten zu verringern.



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Eine solche Konstellation lag auch dem sog. „Hoyzer-Fall“ zugrunde.



Der Sachverhalt stellte sich verkürzt wie folgt dar: Der Angeklagte

Ante Sapina

 platzierte diverse Sportwetten auf Fußballspiele mit hohen Einsätzen, wobei es sich vorrangig um Kombinationswetten handelte. Zur Verbesserung seiner Gewinnaussichten entschloss er sich, das Spielgeschehen mittels Bestechung von Spielern und Schiedsrichtern zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Im Zuge dieses Vorhabens verabredete er u.a. mit dem Fußball-Schiedsrichter

Robert Hoyzer

, dass dieser bestimmte Fußballspiele, auf welche der Angeklagte Wetten abschloss, manipulieren sollte. Für die Manipulation wurde der Schiedsrichter in der Folge durch Geldbeträge entlohnt, sofern die Manipulation erfolgreich war. Dies war allerdings nicht immer der Fall, da z.B. unberechtigt zugesprochene Strafstöße nicht verwandelt wurden. Insgesamt hat der Angeklagte aber erhebliche Gewinne erzielt.

 



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Das LG Berlin verurteilte den Angeklagten daraufhin wegen Betruges und den Schiedsrichter wegen Beihilfe zum Betrug mit Urteil vom 17.11.2005 zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung. Diese Verurteilungen wurden durch das Revisionsurteil des BGH vom 15.12.2006 bestätigt.



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Problematisch gestaltete sich neben der Begründung einer Täuschungshandlung vor allem auch die Ermittlung eines Vermögensschadens der Wettanbieter im Zeitpunkt des Abschlusses der Wettverträge. Das LG Berlin hatte mit Abschluss des jeweiligen Wettvertrages aufgrund der erhöhten Gefahr der Auszahlung der Gewinnsumme eine „schadensgleiche Vermögensgefährdung“ in Höhe des möglichen Wettgewinns abzüglich des Wetteinsatzes angenommen. Dies lehnt der BGH dagegen zu Recht ab, weil es an der nötigen „Konkretheit“ der Vermögensgefahr fehle. Schon die tatsächliche Betrachtung des weiteren Geschehensablaufs lege nur das Bestehen einer abstrakten Gefährdung nahe, da der Angeklagte mit seinen Wetten nur teilweise Erfolg gehabt habe. Daher sei die Gefahr eines endgültigen Verlustes von Vermögenswerten auf Seiten des jeweiligen Wettanbieters zur Begründung einer bereits gegenwärtigen Vermögensminderung noch nicht ausreichend gewesen. Diese hätten nicht ernstlich mit dem Eintritt von wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen gehabt.



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Leider belässt es der BGH nicht bei diesen Ausführungen zum Ausscheiden einer „schadensgleichen Vermögensgefährdung“, sondern kreiert eine scheinbar neue Rechtsfigur, welche als „Quotenschaden“ bezeichnet wird. Beim Vertragsschluss stünden sich als Leistungen der Wetteinsatz und der Wettschein gegenüber, wobei der Wettschein eine Forderung gegen den Wettanbieter (Inhaberschuldverschreibung § 793 BGB) verkörpere, die durch den sich gemäß der Wette ergebenden Spielausgang bedingt sei. Werden nun die der Wette zugrunde liegenden Spiele durch den Wettenden im Vorfeld des Wettabschlusses manipuliert, steigere sich seine durch den Wettschein ausgedrückte Wettchance insoweit, als dass sie dem für diese Chance gezahlten Wetteinsatz und der vereinbarten Gewinnquote nicht mehr entspreche. In dieser Quotendifferenz bestehe dann der für die Annahme eines Vermögensschadens hinreichende Quotenschaden. Dieser müsse nicht beziffert werden, sondern es reiche aus die insoweit relevanten Risikofaktoren zu sehen und zu bewerten.



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Diese Konstruktion eines vollendeten Betruges im Vorfeld einer „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ stößt vor allem vor dem Hintergrund der Dogmatik des Eingehungsbetruges auf Bedenken. Zwar begründet der BGH diesen durch die Belastung des Vermögens des Wettanbieters mit einer bedingten Forderung des Täters, doch lehnt er eine etwaig daraus resultierende „schadensgleiche Vermögensgefährdung“ wegen der bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich des zukünftigen Geschehens gerade ab. Ein Eingehungsschaden ist aber wegen der Gefahr minderwertiger Kompensation der Leistung des Getäuschten untrennbar mit einer „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ verknüpft. Er kommt damit ausschließlich in den Fällen in Betracht, in denen Täter

und

 Opfer ihre vertraglich vereinbarten Leistungen, anders als in der vorliegenden Konstellation, in der die Leistung des Wetteinsatzes sowie das Einräumen der verbrieften Gewinnchance die jeweiligen Leistungen darstellen, noch nicht erbracht haben. Vorliegend handelt es sich daher um einen potentiellen Erfüllungsbetrug, da der Schaden durch die vermeintliche Wertdifferenz der bereits ausgetauschten Leistungen ermittelt wird. Der Wettanbieter wäre dann unmittelbar durch den Leistungsaustausch, unabhängig vom Ausgang der Wette und der Auszahlung der Gewinnsumme, d.h. effektiv in Höhe der Quotendifferenz geschädigt. Die mangelnde Kompensation seiner Leistung stünde bereits fest.



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Hält man sich die Grundsätze der Schadensermittlung durch Gesamtsaldierung auf Basis des wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs vor Augen, erscheint die Vorgehensweise des BGH trotz der fehlerhaften Einordnung des Schadens zunächst schlüssig. Durch die irrtumsbedingte Vermögensverfügung des Wettanbieters ist dessen Vermögen in Höhe der dem Angeklagten eingeräumten Gewinnchance, sofern man diese als selbstständige Vermögensposition anerkennt, zunächst weniger wert. Diese Vermögensminderung wird dann durch den – aufgrund der Manipulation mit der eingeräumten Gewinnchance nicht äquivalenten – Wetteinsatz nicht vollständig kompensiert, so dass sich nach einer Gesamtsaldierung in Höhe der Wertdifferenz ein Vermögensschaden ergibt.



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Diese auf den ersten Blick nachvollziehbare Argumentation erweist sich aber bei genauerem Hinsehen als mit den tatsächlichen Begebenheiten beim Wettvertrag unvereinbar. Zum einen entspricht die Gewinnquote des Wettenden nicht der Risikoquote des Wettanbieters, da sich dieser immer eine bestimmte Gewinnmarge vorbehält. Die vorab ermittelte, als gerecht empfundene Gewinnquote wird durch den Wettanbieter zu Lasten des Wettenden gesenkt, so dass es möglich ist, dass sich die auf der Manipulation beruhende Risikoverschiebung ausschließlich auf die Gewinnmarge des Wettanbieters auswirkt. Dann scheidet ein Vermögensschaden aber aus, da der Betrugstatbestand das Opfer vor Vermögensminderungen, nicht aber vor dem Ausbleiben von Vermögensmehrungen schützen will.



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Zum anderen wird der Marktpreis der bedingten Forderung des Wettenden durch die Manipulation nicht zwangsläufig verändert. Buchmacher legen bei der Festlegung der Gewinnquoten nicht ihre eigenen Erwartungen vom jeweiligen Spielausgang zugrunde, sondern orientieren sich vielmehr am dem von ihnen prognostizierten Wettverhalten ihrer Kunden. Dabei werden die jeweiligen Gewinnquoten so festgesetzt, dass die Wettanbieter unabhängig vom jeweiligen Spielausgang immer den gleichen Gewinn erzielen. Die Veränderung der Wahrscheinlichkeit infolge der manipulationsbedingten Risikoverschiebung wirkt sich, insofern diese geheim bleibt, somit nicht zwangsläufig auf die jeweilige Gewinnquote des Wettenden aus. Die vom BGH benannte Quotendifferenz läge dann nicht vor.



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Eine genaue Schadensbestimmung beim Sportwettenbetrug ist damit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses trotz der im Ausgangspunkt wirtschaftlichen Herangehensweise durch die Rechtsprechung nicht gelungen. Es liegt nur eine „abstrakte Wertdifferenz (als Risikoverschiebung hinsichtlich der beiderseitigen Ansprüche) und kein Vollschaden in wirtschaftlicher Hinsicht (als Betrugserfolg)“


vor. Ein solcher wird schlicht fingiert und damit ein juristischer Schaden zugrunde gelegt.



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Somit ergibt sich Folgendes: Die Ablehnung einer „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ im Zeitpunkt des Vertragsschlusses durch den BGH ist zutreffend. Allerdings greift der BGH hierzu auf das Kriterium der Konkretheit der Vermögensgefahr zurück, welches wegen seiner Konturenlosigkeit verworfen wurde. Darüber hinaus werden auch hier keine präzisen und nutzbaren Kriterien zur Abgrenzung genannt.



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Der weiter durch den BGH auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Gesamtsaldierung entwickelte Quotenschaden, welcher in Wahrheit der Konstruktion eines Erfüllungsschadens entspricht, dürfte i.d.R. jedenfalls nicht nachzuweisen sein, da die Spezifika des Wettvertrages verkannt werden.



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Zweifellos handelt es sich somit beim Sportwettenbetrug um ein unmoralisches Verhalten, welches das Vertrauen in das unmanipulierte Zustandekommen der Ergebnisse sportlicher Wettkämpfe schwer erschüttert, strafbar muss es aber dennoch nicht in jeder Hinsicht sein.





(9) Versicherungsbetrug in der Konstellation des „Al-Qaida-Falles“



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Die Fallgruppe des Versicherungsbetruges hat im Hinblick auf die Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung durch die „Al-Qaida-Entscheidung“ des 3. Strafsenats des BGH vom 14.8.2009 besonderes Aufsehen erregt.



Der Angeklagte hatte bei verschiedenen Versicherungsgesellschaften Risikolebensversicherungen in der Absicht beantragt, mittels fingierter Todesbescheinigungen und Unfallberichte einen entsprechenden Todesfall in Ägypten vorzutäuschen, um sich die Versicherungssummen zu erschleichen. Die erlangten Gelder sollten zu einem Teil der Terrororganisation Al-Qaida, zu einem anderen der Familie des Angeklagten zugute kommen. Kurz vor der Abreise nach Ägypten wurde der Angeklagte aufgrund einer Wohnraumüberwachung enttarnt, so dass die Durchführung des Tatplans verhindert wurde. Die Ermittlungen ergaben, dass der Angeklagte 28 Anträge auf Abschluss von Versicherungsverträgen gestellt hatte, wobei es neunmal auch zum Vertragsschluss mit einer garantierten Todesfallsumme von insgesamt 1,26 Mio. Euro gekommen war.



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Bei der Schadensbegründung wich der BGH vom Urteil der Vorinstanz ab, die in allen Fällen einen versuchten Erfüllungsbetrug angenommen hatte. Einen solchen verwirft der BGH wegen der bestehenden Notwendigkeit wesentlicher Zwischenakte zum Erhalt der Versicherungssummen und damit mangels unmittelbaren Ansetzens.



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Stattdessen wertete der BGH die neunzehn Fälle, in denen ein Vertragsabschluss nicht zustande gekommen war, als versuchten, die anderen als vollendeten Eingehungsbetrug. Bereits durch den Vertragsschluss sei eine Minderung des Vermögensbestandes der Versicherungsunternehmen eingetreten. Der von vornherein vorhandene Entschluss des Angeklagten, den Versicherungsfall zu fingieren sowie der Beginn von konkreten Vorbereitungshandlungen, hätten zu einer Wertdiskrepanz zwischen der Pflicht des Angeklagten zur Zahlung der Versicherungsprämien und der Vertragsverpflichtung der Versicherungsunternehmen geführt. Die Versicherer seien nicht nur mit einer aufschiebend bedingten Verpflichtung belastet, sondern ihre Inanspruchnahme sei sicher zu erwarten gewesen. Die Leistungswahrscheinlichkeit habe sich gegenüber dem vertraglich vereinbarten Einstandsrisiko signifikant erhöht. Es ergebe sich dadurch – vergleichbar mit dem „Hoyzer-Fall“ – eine Art Quotendifferenz, da im Vergleich zur erhöhten Leistungswahrscheinlichkeit die zu zahlenden Versicherungsprämien zu niedrig gewesen seien.



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Die Argumentation des BGH ist jedoch widersprüchlich. Die Inanspruchnahme der Versicherungsunternehmen soll einerseits sicher zu erwarten gewesen sein, andererseits soll sich deren Leistungswahrscheinlichkeit gleichzeitig aber nur signifikant erhöht haben. Selbst bei einer noch so hohen Wahrscheinlichkeit kann von Sicherheit aber nicht gesprochen werden.



Ebenso kann im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von einer gesicherten späteren Inanspruchnahme auch noch nicht die Rede sein. Zwischen den Vertragsschlüssen und der beabsichtigten Meldung des fingierten Todes bestand eine große zeitliche Diskrepanz einhergehend mit erheblichen Unsicherheiten, so dass die Gefahr des endgültigen Verlusts eines Vermögensbestandteils noch nicht einmal so groß war, dass eine hinreichende „Konkretheit“ der Vermögensgefährdung hätte angenommen werden können. Es lag noch vollständig in der Hand des Täters, ob er seinen vorab gefassten Plan in die Tat umsetzen würde. Er hat noch nicht alles Notwendige zur Erzielung des Gewinns getan. Dies wird durch den weiteren Verlauf des tatsächlichen Geschehens bestätigt, da schon die Ausreise nach Ägypten aufgrund der polizeilichen Überwachungsmaßnahmen verhindert wurde. Letztlich bestand anders als bei einem Kaufvertrag auch noch kein unbedingter, sondern lediglich ein bedingter, da von dem Eintritt des (fingierten) Todesfalls abhängiger Anspruch auf den Erhalt der Versicherungssumme.



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Unter Berücksichtigung eines wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs erscheint zudem die Begründung des negativen Vermögenssaldos fragwürdig. Beruhte dieses beim Sportwettenbetrug noch auf einer vorhergegangenen Manipulationsabrede, wird hier die signifikante Erhöhung der Leistungswahrscheinlichkeit allein durch den bloßen Schädigungswillen des Täters begründet. Allein die Täuschung über die Redlichkeit führt so zum Vermögensschaden. Dieser ergibt sich ausschließlich aus der subjektiven Vorstellung des Täters und somit unabhängig von jeder objektiv wirtschaftlichen Plausibilität. Letztlich büßt der Vermögensschaden mangels eigener Kriterien über die Täuschung des Täters hinaus seine eigenständige Bedeutung ein.

 



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Zusätzlich werden auch die Charakteristika eines Versicherungsvertrages missachtet. Jeder Abschluss eines solchen setzt den Versicherer, ähnlich einem Kreditgeber, der das Kreditausfallrisiko trägt, „der Gefahr aus, dass er zu Unrecht in Anspruch genommen wird, etwa dur