Das Verhältnis des Vermögensnachteils bei der Untreue (§ 266 StGB) zum Vermögensschaden beim Betrug (§ 263 StGB) unter besonderer Berücksichtigung des Gefährdungsschadens

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dd) Personaler Vermögensbegriff

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Vermehrt Anhänger findet auch die subjektiv geprägte personale Vermögenslehre.[46] Diese sieht die tatsächliche Beziehung einer Person zu einem durch eine Rechtsnorm geschützten Objekt als Vermögen an.[47] Nicht die einzelnen Objekte selbst, sondern die Beziehung zu ihrem Inhaber ist danach Schutzobjekt der Vermögensdelikte.[48] Das Vermögen lässt sich als wirtschaftliche Potenz des Vermögensträgers definieren – als „personal strukturierte Einheit, die die Entfaltung der Person im gegenständlichen Bereich gewährleistet“[49].

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Die personale Vermögenslehre hat ebenfalls Kritik hervorgerufen. Sie bezieht sich v.a. darauf, dass mit der wirtschaftlichen Potenz einer Person faktisch die Dispositionsfreiheit des Vermögensinhabers geschützt wird, die gerade nicht Rechtsgut des Betruges ist.[50] Darüber hinaus fehlt es an klaren Abgrenzungskriterien zur Ermittlung des Umfangs des einem Vermögensinhaber zugeordneten Vermögens.[51] Der Täter kann die subjektiven Vorstellungen und Ziele des Opfers zudem zumeist schwerlich voraussehen. Außerdem ist das Abstellen auf den personalen Bezug unter Ausblendung wirtschaftlicher Kriterien schon deshalb problematisch, weil auch Leistungen im persönlichen Bereich zum Wirtschaftsleben gehören und der Einzelne dadurch zum Wirtschaftssubjekt avanciert.[52] Letztlich kann der personale Vermögensbegriff weder die Existenz herrenlosen Vermögens erklären,[53] noch könnten Geschäftsunfähige Vermögensträger sein[54].

ee) Standpunkt der Rechtsprechung: Klare Linie oder „Zick-Zack Kurs“?

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Die Rechtsprechung zum Vermögensbegriff ist uneinheitlich.

Zunächst wurde vom Reichsgericht ein rein juristischer[55], in der Folge ein juristisch-ökonomischer[56] und zuletzt ein rein wirtschaftlicher Vermögensbegriff[57] vertreten.[58] Dieser wirtschaftlich-faktische Ansatz wurde dann vom BGH zunächst übernommen und konsequent fortgeführt.[59] Es sind allerdings auch Entscheidungen auszumachen, in denen stillschweigend ein zumindest juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff zugrunde gelegt wird. Offensichtlich ist dies z.B. im Dirnenlohnfall, in dem ein Betrug zu Lasten der Prostituierten abgelehnt wird, weil ihr Anspruch auf Bezahlung nicht unter dem Schutz der Rechtsordnung stehe.[60] Noch weiter geht der BGH in einer Entscheidung zum Erpressungstatbestand[61], in der er hinsichtlich des Vermögens rein juristisch argumentiert.[62]

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Eine klare Linie ist in der Rechtsprechung zum Vermögensbegriff mithin nicht erkennbar. Vielmehr scheint sich der BGH vom Ergebnis her den jeweils passenden Vermögensbegriff zurecht zu legen, was der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht zuträglich ist. Ausdrücklich abgerückt vom faktisch-wirtschaftlichen Vermögensbegriff ist der BGH bislang allerdings nicht.[63]

ff) Stellungnahme zum Vermögensbegriff

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Überzeugend ist damit einzig der juristisch-ökonomische Vermögensbegriff.

Grundlegend ist zunächst der wirtschaftliche Ausgangspunkt, da ein Vermögensbegriff in der Lage sein muss, den Anforderungen des Wirtschaftslebens gerecht zu werden.[64] Das wird er nur dann, wenn er sich an der realen Wirtschaftsverfassung, ihrem Ausgangspunkt der rationalen Marktwertbetrachtung und dem Leitbild des von allen individuellen Vorlieben und Vorurteilen abstrahierenden homo oeconomicus orientiert.[65] Einzig der Wirtschaftsverkehr entscheidet unabhängig von deren Zuordnung an das einzelne Individuum über den Wert von Gegenständen und kann somit durch die Orientierung am Markt die Eigenschaft eines Gegenstandes als Vermögen festlegen. Der Vermögensbegriff ist damit in erster Linie ein Begriff des wirtschaftlichen Lebens.[66]

Um Widersprüche zur Gesamtrechtsordnung zu vermeiden, gilt es diesen wirtschaftlichen Ausgangspunkt durch Anknüpfung an das Privatrecht zu ergänzen. Dies trägt zu mehr Bestimmtheit bei und liefert dem Rechtsanwender für die Auslegung eine klare Grundlage. [67]

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Vermögen ist demnach die Gesamtheit aller geldwerten Güter einer natürlichen oder juristischen Person, abzüglich der Verbindlichkeiten, soweit diese unter dem Schutz der Rechtsordnung stehen, von dieser gebilligt werden oder sofern sie ohne deren Missbilligung realisiert werden können.

b) Der Begriff des Vermögensschadens

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Wie der Vermögensbegriff ist auch der Begriff des Vermögensschadens umstritten. Auch hier werden mehrere Theorien vertreten, die im Ergebnis zu unterschiedlichen Untersuchungs- und Beurteilungsebenen im Bezug auf die Feststellung eines Vermögensschadens führen.

aa) Die grundsätzlichen Schadenstheorien in Korrelation zu den jeweils zugrunde liegenden Vermögensbegriffen

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Die einzelnen Schadenstheorien korrelieren mit dem jeweils zugrunde gelegten Verständnis von Vermögen. Zur Verdeutlichung dieses Zusammenhangs werden sie als subjektiv-juristische, wirtschaftliche bzw. personale Schadenstheorie bezeichnet, wobei die wirtschaftliche Schadenstheorie sowohl in einer streng objektiv-wirtschaftlichen, als auch in einer objektiv-individuellen Variante vertreten wird.

(1) Subjektiv-juristische Schadenstheorie

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Wird nach der juristischen Vermögenslehre unter Vermögen ausschließlich die Gesamtheit der einer Person zustehenden Vermögensrechte und -pflichten verstanden, kann ein Vermögensschaden nur durch die Verletzung eines Rechts oder die Belastung mit einer Verbindlichkeit eintreten.[68] Binding führt dazu aus:

„Im Rechtssinn ist jeder an seinem Vermögen geschädigt, der ohne Billigung des Gesetzes, um ein Vermögensrecht oder um die Sache, an der es besteht, oder um die Möglichkeit seiner vollen Ausübung gebracht wird, sowie derjenige, dem nicht geleistet wird, was er rechtlich zu fordern hat, und dem grundlos eine Leistungspflicht auferlegt wird, ganz einerlei, ob wirtschaftlich die Einbuße wie in den meisten Fällen sich als Verlust oder ausnahmsweise als Gewinn darstellt“[69].

Die juristische Schadenstheorie betrachtet das Vermögen nicht als Einheit, sondern bezieht nur die der Parteivereinbarung unterliegenden Gegenstände in die Betrachtung ein. Eine Kompensation des Verlusts eines bestehenden Rechts durch die Erlangung eines gleichwertigen Rechts ist nicht möglich, da Rechte und Pflichten „in ihrer rechtlichen Dimension“ nicht miteinander verrechnet werden können.[70] Bei der Vertragserfüllung kommt es ausschließlich auf die Ordnungsgemäßheit der Leistung im Hinblick auf die zugrunde liegende vertragliche Verpflichtung an. Erhält der Getäuschte nicht dasjenige, was er nach der zugrunde liegenden Vereinbarung hätte beanspruchen können, tritt ein Vermögensschaden unabhängig von dem Wert der Leistung ein, die anstelle der versprochenen gewährt wird.[71]

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Nicht möglich erscheint nach dieser Lehre die Entstehung eines Vermögensschadens im Zeitpunkt des Vertragsschlusses als Folge von Täuschungen bei vorausgehenden Vertragsverhandlungen (Eingehungsbetrug), da durch diese noch keine subjektiven Rechte begründet werden, die verletzt werden könnten. Diese Konsequenz versucht die subjektiv-juristische Schadenslehre einerseits durch Konzeption einer vorvertraglichen Verpflichtung des Täters zum Abschluss eines absprachegemäßen Vertrages,[72] andererseits durch einen Vergleich der tatsächlich erbrachten mit der hypothetisch bei absprachegemäßem Verhalten zu beanspruchenden Gegenleistung[73] zu vermeiden. Dadurch löst sie sich vom Ausgangspunkt der Zivilrechtsakzessorietät. Im Zivilrecht wird ein vorvertraglicher Anspruch auf absprachegemäßen Abschluss eines Vertrages nicht anerkannt.[74] Ein Anspruch aus culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB) ist nur auf das negative Interesse gerichtet. Ebenso wenig stellen rein hypothetische Ansprüche subjektive Rechte dar.[75]

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Kritik ruft die subjektiv-juristische Schadenstheorie sowohl aufgrund dieser Inkonsistenz in ihrer Anwendung, als auch aus weiteren Gründen hervor. So führt die einseitige Betrachtung der Leistungsbeziehung unter Ausblendung von Kompensationsmöglichkeiten, bei jeder Abweichung des Ist- vom Sollzustand der Vertragserfüllung, unabhängig von einer wertmäßigen Übereinstimmung der gegenseitigen Leistungen zu einem Vermögensschaden.[76] Dies gilt selbst dann, wenn der Wert des geleisteten den Wert des vertragswidrig nicht geleisteten Gegenstandes übersteigt, der „Geschädigte“ mithin sogar einen Zuwachs in seinem Vermögen erhält.[77] Allein die irrtumsbedingte Vermögensverfügung führt in diesen Fällen den Vermögensschaden herbei. Das Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens wird überflüssig.[78] Dies missachtet zum einen den Wortlaut des Gesetzes,[79] zum anderen den Rechtsgüterschutz als Aufgabe des Strafrechts.[80]

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Die subjektiv-juristische Schadenstheorie führt außerdem zu einer Subjektivierung der Schadensermittlung. Wird allein die Vertragswidrigkeit einer Leistung zum Maßstab, entscheidet das Empfinden des Getäuschten über das Vorliegen eines Schadens.[81] „Was er als Ausgleich [und damit als vertragsgemäß] gelten lässt, das macht den Nachteil wett. Wo seine persönlichen Erwartungen enttäuscht werden, da ist ein Schaden vorhanden.“[82] Dies widerspricht der Rechtssicherheit, verwischt die Grenze zwischen schädigendem und nur irrtumskausalem Handeln und wird dem Charakter des Vermögensschadens als etwas Realem nicht gerecht.[83] Letztlich wird die Dispositionsfreiheit des Getäuschten zum Rechtsgut erhoben.[84]

 

(2) Objektiv-wirtschaftliche Schadenstheorie

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Die objektiv-wirtschaftliche Schadenstheorie nimmt eine objektive Betrachtung des Gesamtgeschehens vor. Das Vermögen als die Summe aller geldwerten Güter einer natürlichen oder juristischen Person abzüglich der Verbindlichkeiten erleidet dann einen Schaden, wenn der objektive Gesamtvermögenswert eine Minderung erfährt.[85] Dies wird durch Gesamtsaldierung ermittelt.[86] Dabei wird das Gesamtvermögen vor und nach der Vermögensverfügung als maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertermittlung[87] miteinander verglichen, wobei sämtliche Zu- und Abflüsse berücksichtigt werden. Eine Ermittlung des jeweiligen Gesamtvermögenswertes ist, da kaum möglich bzw. äußerst aufwendig, nicht erforderlich.[88] Verrechnet werden lediglich die zwischen Täter und Opfer tatsächlich ausgetauschten Leistungen, d.h. eingegangene Verpflichtungen sowie als Ausgleich zugeflossene Vermögenspositionen.[89] Diese werden nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten bewertet. Wiegt der Wert der gewonnenen Vermögensposition den Wert der verlorenen nicht auf, ist in diesem negativen Saldo ein Vermögensschaden zu sehen.[90] Objekt der Schädigung ist danach nicht der konkrete Vermögensbestandteil, sondern das Gesamtvermögen.[91] Geschädigt ist derjenige, der tatsächlich ärmer geworden ist.[92]

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Dem objektiv-wirtschaftlichen Schadensbegriff wird v.a. entgegengehalten, dass er die vom Opfer mit der Vermögensverfügung intendierten Zwecke und damit die individuellen Opferverhältnisse nicht berücksichtigt. Ein und derselbe Gegenstand habe „nicht für alle Menschen den gleichen Vermögenswert“, weil er „nicht für alle gleich brauchbar“ sei.[93] Dies werde durch die ausschließlich objektive Betrachtung verkannt.

(3) Objektiv-individuelle Schadenstheorie

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Um dieser Kritik zu begegnen, versucht die herrschende objektiv-individuelle Schadenstheorie, ähnlich wie der juristisch-ökonomische Vermögensbegriff, die Vorteile der anderen Theorien unter Überwindung ihrer Nachteile zu vereinen.[94] Ausgehend von einem auf dem Prinzip der Gesamtsaldierung beruhenden objektiven Wertvergleich im Bezug auf die ausgetauschten Vermögenspositionen nach wirtschaftlichen Kriterien werden anschließend im Fall wirtschaftlicher Ausgeglichenheit auch individuelle, in der Person des Erwerbers liegende Umstände in die Schadensbetrachtung mit einbezogen.[95] Dies erfolgt durch die Figur des sog. individuellen Schadenseinschlags, der an späterer Stelle behandelt wird.[96]

(4) Personale Schadenstheorie

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Die personale Schadenstheorie weicht bei der Schadensermittlung von einer objektiven Bewertung ab. Ihre Vertreter gelangen dann zu einem Vermögensschaden, wenn der vom Getäuschten mit der Verfügung verfolgte und zum Gegenstand der Parteivereinbarung erhobene wirtschaftliche[97] Zweck verfehlt wird.[98] Dadurch werde die wirtschaftliche Wirkungsmacht des Getäuschten eingeschränkt, seine wirtschaftliche Potenz vermindert.[99] Darin und nicht in einem Wertverlust sei der Vermögensschaden zu erblicken.[100]

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Wie schon der subjektiv-juristische Ansatz wird auch die personale Schadenstheorie wegen der Versubjektivierung der Schadensermittlung kritisiert.[101] Sie erhebt die Dispositionsfreiheit des Berechtigten, als Freiheit das Vermögen zu jeder Zeit jedem beliebigen Zweck zuführen zu können, zum Rechtsgut der Vermögensdelikte.[102] Zudem wird das Erfordernis des Vermögensschadens faktisch aufgehoben, wenn dieser allein mit der Verfehlung der mit der Vermögensverfügung verfolgten Zwecke begründet wird.[103] Die Zweckverfehlung ist i.d.R. schon Folge der Irrtumsbedingtheit der Vermögensverfügung.

Weiterer Kritikpunkt ist die problematische Abgrenzung wirtschaftlicher und sonstiger Zwecke vor dem Hintergrund der Ökonomisierung des gesamten gesellschaftlichen Lebens.[104] Nicht zuletzt führt die personale Schadenstheorie auch zu wirtschaftlich wenig sinnvollen Ergebnissen. Sie muss einen Vermögensschaden wegen Vereitelung des mit der Vermögensverfügung verfolgten Zwecks auch dann annehmen, wenn dem Käufer die Möglichkeit eines einmaligen Sonderangebots vorgespiegelt, die Ware dann aber nur zum üblichen Listenpreis verkauft wird.[105] In diesem Fall wird nur eine Vermögensmehrung vereitelt. Das Gesamtvermögen des Getäuschten bleibt unberührt, selbst seine wirtschaftliche Potenz oder Wirkungsmacht ungeschmälert. Ein Vermögensschaden ist nicht auszumachen.

(5) Standpunkt der Rechtsprechung

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Ähnlich wie beim Vermögensbegriff ist bei der Schadensermittlung keine klare Linie in der Rechtsprechung auszumachen. Vielmehr wird auch hier oftmals vom Ergebnis her argumentiert. Vorherrschend ist aber i.d.R. ein objektiver Ausgangspunkt.[106]

(6) Stellungnahme zum Schadensbegriff

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Neben der berechtigten Kritik an den subjektiv geprägten Schadenstheorien wird der objektive Ausgangspunkt der Schadensermittlung auch praktischen Anforderungen besser gerecht. Er ist die kosequente Fortsetzung des wirtschaftlichen Ausgangspunkts beim Vermögensbegriff und basiert durch die Bezugnahme auf wirtschaftliche Maßstäbe wie den Verkehrs-[107] oder Marktwert[108] von Gegenständen, Forderungen und Verbindlichkeiten auf festen Kriterien, wodurch die Schadensermittlung vorhersehbar wird. Eine wirtschaftliche Gesamtvermögensminderung ist im Vergleich zu den subjektiven Zwecksetzungen des verfügenden Betrugsopfers, die nicht immer durch Verobjektivierung des subjektiven Inneren nach außen wahrnehmbar sind, ein stets nach außen tretender Zustand. Die rationale Marktwertbetrachtung wird dazu auch der Verwirtschaftlichung des Gesellschaftslebens am Besten gerecht, da einzig der Wirtschaftsverkehr den Wert von Gegenständen bestimmt.

Nur durch den objektiven Ansatz wird zudem die eigenständige Funktion des Vermögensschadens als tatbestandlicher Erfolg des Betrugstatbestandes gewahrt.[109] Anders als bei der subjektiv-juristischen oder personalen Schadenslehre wird der Vermögensschaden als eigenständiger Prüfungspunkt aufrechterhalten und dieser nicht schon in einer irrtumsbedingten Verfehlung der mit der Vermögensverfügung verfolgten Zwecke gesehen.

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Der Vermögensschaden ist folglich eine objektive Vermögensminderung, die durch Gesamtsaldierung sämtlicher Zu- und Abflüsse nach wirtschaftlichen Kriterien ermittelt wird. Ergibt sich dabei ein negativer Saldo, ist ein Vermögensschaden gegeben.[110] Voraussetzung ist eine Vermögensminderung infolge der Vermögensverfügung, die nicht durch Vermögenszufluss wieder vollständig kompensiert wird. Der Vermögensschaden ist damit eine „nicht kompensierte Vermögensminderung“.[111] Infolge dieser ist der Getäuschte durch die Einbuße an Vermögenswert insgesamt „ärmer“ geworden, sodass auch eine Verletzung des Rechtsguts Vermögen eingetreten ist. Infolge der Wertverringerung des Vermögens ist dieses als Rechtsgut verletzt. Setzt der Betrug demnach eine nicht kompensierte Vermögensminderung voraus, ist er nicht nur Erfolgs-, sondern auch Verletzungsdelikt.[112]

bb) Grundvoraussetzungen des Vermögensschadens

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Ist der Vermögensschaden eine nicht kompensierte Vermögensminderung, so sind zwei Stufen der Schadensermittlung zu unterscheiden. In einem ersten Schritt ist danach zu fragen, ob infolge der Vermögensverfügung eine Vermögensminderung auf Seiten des Opfers eingetreten ist, bevor in einem zweiten Schritt geprüft werden kann, ob es bei dieser Vermögensminderung verblieben ist oder ob diese durch etwaige Zuflüsse wieder ausgeglichen, d.h. kompensiert worden ist.[113] Diese Prüfungsschritte lassen sich den beiden Tatbestandsmerkmalen Vermögensverfügung und Vermögensschaden zuordnen.[114] Während erstere ein irrtumsbedingtes Tun, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten verlangt, das bei diesem oder bei einer ihm nahestehenden Person unmittelbar zu einer Vermögensminderung führt,[115] wird auf der Ebene des Vermögensschadens danach gefragt, ob diese Vermögensminderung durch etwaige Vermögensmehrungen wieder vollständig kompensiert worden ist.[116] Ist dies nicht der Fall, ist ein Vermögensschaden eingetreten.

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Damit gilt es zwei Vermögensminderungen zu unterscheiden: Die erste Vermögensminderung infolge der Vermögensverfügung des Opfers und die zweite Vermögensminderung, die nach Berücksichtigung der Zuflüsse im Fall unvollständiger Kompensation der ersten Vermögensminderung auf Seiten des Opfers verbleibt.[117] Nur letztere begründet den Vermögensschaden.[118] Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass es die Vermögensminderung als vermögensmindernden Vorgang nur einmal und zwar infolge der Vermögensverfügung gibt. Die Unterscheidung in zwei Vermögensminderungen bezieht sich allein auf den betragsmäßigen Umfang der eingetretenen Vermögensminderung. Diesbezüglich sind die beschriebenen zwei Vermögensminderungen insoweit zu unterscheiden, da sie – im Fall der zumindest teilweisen Kompensation der ersten Vermögensminderung – betragsmäßig voneinander abweichen.

(1) Die erste Vermögensminderung

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Infolge der irrtumsbedingten Vermögensverfügung muss es zum Eintritt einer ersten Vermögensminderung kommen. Vermögensminderung ist dabei jede Einbuße an wirtschaftlichem Wert. Diese kann im Verlust oder der Minderung von Aktiva oder einer Belastung mit Passiva bestehen.[119]

(2) Die zweite Vermögensminderung als nicht kompensierte erste Vermögensminderung

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Die infolge der Vermögensverfügung eingetretene erste Vermögensminderung führt zu einem Vermögensschaden, wenn sie nicht durch Vermögensmehrung wieder vollständig kompensiert wird. Ein Vermögensschaden liegt mithin nur dann vor, wenn auch nach Berücksichtigung etwaiger Vermögenszuwächse weiterhin eine Vermögensminderung verbleibt: die hier so bezeichnete zweite Vermögensminderung.

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Kompensationstauglich sind i.d.R.[120] nur Vermögensmehrungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verfügung stehen. Sind diese nicht mehr unmittelbare Folge der Verfügung, stellen sie eine bloße Schadenswiedergutmachung dar.

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Ebenfalls nicht zur Kompensation herangezogen werden können Schadensersatzansprüche, die erst aufgrund der Täuschung entstehen. Auch diese sind nur eine Möglichkeit des nachträglichen Schadensausgleichs (reparatio damni)[121], da eine Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz bereits eine Schädigung voraussetzt.[122] Gleiches gilt für sonstige Maßnahmen zur nachträglichen Schadensbeseitigung, wie z.B. die reuige Rückgewähr eines betrügerisch erlangten Gegenstandes.[123] Zur Kompensation ebenfalls nicht geeignet sind vorvertragliche Schadensersatzansprüche wie derjenige aus culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB), Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) oder das Anfechtungsrecht nach § 123 BGB.[124]

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Anders verhält es sich bei gesetzlichen und vertraglichen Sicherungsmitteln, die nicht unmittelbar auf die Täuschung rückführbar sind.[125] So kann ein vertraglich[126] vereinbartes Rücktrittsrecht oder die Stellung von Sicherheiten durch Dritte[127] einen Vermögensschaden ausschließen. Dies setzt allerdings deren Realisierung „ohne nennenswerte Schwierigkeiten“[128], d.h. ohne Zeit- und Kostenaufwand sowie ohne notwendige Mitwirkung des Schuldners voraus.[129] Dazu ist zusätzlich Kenntnis des Getäuschten erforderlich.[130]