Das Verhältnis des Vermögensnachteils bei der Untreue (§ 266 StGB) zum Vermögensschaden beim Betrug (§ 263 StGB) unter besonderer Berücksichtigung des Gefährdungsschadens

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c) Zusammenfassung: Die maßgebenden Begrifflichkeiten im Rahmen der Schadensermittlung beim Betrug

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Grundlage für die weitere Untersuchung sind ein juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff sowie eine im Grundsatz objektive Schadensermittlung. Der Vermögensschaden als „nicht kompensierte Vermögensminderung“ nach wirtschaftlichen Kriterien wird danach zweistufig ermittelt. Zuerst muss infolge der irrtumsbedingten Vermögensverfügung eine erste Vermögensminderung eintreten. Darauf folgend ist zu untersuchen, ob diese durch etwaige Vermögensmehrungen wieder vollständig kompensiert worden ist. Ist dies nicht der Fall, ist in der verbleibenden zweiten Vermögensminderung ein Vermögensschaden i.S.d. § 263 StGB zu sehen.

Diese Strukturen bilden die Grundlage für die weitere Darstellung des Vermögensschadens. An diesen wird die herrschende Schadensdogmatik gemessen.

3. Durchbrechungen des Prinzips der objektiv-wirtschaftlichen Gesamtsaldierung durch die herrschende Schadenstheorie – Sonderformen der Schadensermittlung

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Der maßgebliche objektive Ausgangspunkt der Schadensermittlung wird von der herrschenden objektiv-individuellen Schadenstheorie an verschiedenen Stellen verlassen. So wird der objektiv-wirtschaftliche Maßstab unter normativen Gesichtspunkten zum einen durch die Figur des individuellen Schadenseinschlags, zum anderen in Konstellationen der einseitigen Weggabe von Vermögenswerten unter dem Stichwort der sog. Zweckverfehlungslehre durchbrochen.

a) Der individuelle Schadenseinschlag

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Der sog. individuelle bzw. persönliche Schadenseinschlag soll trotz wirtschaftlicher Ausgeglichenheit der ausgetauschten Leistungen[131] in eng begrenzten Ausnahmefällen zu einem Vermögensschaden des Getäuschten führen.[132] Dies geschieht durch Einbeziehung auch individueller, in der Person des Erwerbers liegender Umstände in die Schadensbetrachtung.[133] Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass ein und derselbe Gegenstand „nicht für alle Menschen den gleichen Vermögenswert [haben kann], weil [er] nicht für alle [...] gleich brauchbar [ist]“[134]. Der subjektive Wert, der mangels Wertdifferenz objektiv gleichwertigen Gegenleistung soll Berücksichtigung finden, wenn das Opfer


1.
2. infolge der Verpflichtung nicht mehr über die Mittel verfügt, die für eine seinen persönlichen Verhältnissen angemessene Wirtschafts- oder Lebensführung unerlässlich sind, oder
3.

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Trotz weitgehender Anerkennung ist die Figur des individuellen Schadenseinschlags nicht vollständig ohne Kritik geblieben.[137] Die Kritik betrifft v.a. die Frage der Reichweite der Berücksichtigung individueller Umstände. Zum einen wird von Vertretern personaler und subjektiv-juristischer Schadenstheorien eine noch weitergehende Berücksichtigung individueller Interessen gefordert,[138] zum anderen verlangen die Vertreter der objektiv-wirtschaftlichen Schadenstheorie im Gegenteil die Verbannung sämtlicher individueller Elemente aus dem Schadensbegriff.[139]

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Abzulehnen ist zunächst eine weitergehende Versubjektivierung der Schadensermittlung noch über die Figur des individuellen Schadenseinschlags hinaus. Das Abstellen allein auf individuelle Vorstellungen und Empfindungen des Getäuschten würde den Betrug zu einem Delikt zum Schutz der Dispositionsfreiheit verformen und dem Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens seinen Anwendungsbereich nehmen.[140]

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Es bleibt damit allein die Frage zu beantworten, ob die Einbeziehung subjektiver Elemente in die Schadensermittlung durch die Figur des individuellen Schadenseinschlags generell gerechtfertigt werden kann. Dazu sind dessen einzelne Fallgruppen in den Blick zu nehmen.

Besonderen Angriffen sind die zweite und dritte Fallgruppe ausgesetzt. Sowohl die Entziehung der für eine angemessene Lebensführung notwendigen Mittel als auch die Nötigung zu weiteren vermögensschädigenden Transaktionen betreffen nicht das Vermögen des Getäuschten als solches, sondern nur dessen wirtschaftliche Bewegungsfreiheit.[141] Auch die Behauptung, das Kriterium der Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit schlage gerade im Fall einer übermäßigen Inanspruchnahme in ein qualitativ anderes, nämlich die Verwirklichung eines Vermögensschadens um, wenn z.B. die wirtschaftliche Lage des Getäuschten ein solches Geschäft nicht erlaube[142] oder durch die Leistung seine wirtschaftliche „Bewegungsfreiheit zum mindesten fühlbar beeinträchtigt“[143] sei, führt zu keinem anderen Ergebnis und scheint eher pauschalen Billigkeitserwägungen geschuldet zu sein.[144] Selbst eine noch so intensive Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungs- oder Dispositionsfreiheit beschränkt sich auf eine solche und wandelt sich nicht in eine Beeinträchtigung des Vermögens um. Einzig das Vermögen ist aber Rechtsgut des Betrugstatbestandes.[145]

Weiter ist nicht einzusehen, warum bei zwei, auf dieselbe Art und Weise getäuschten Opfern nur eines und zwar dasjenige schutzwürdig sein soll, welches durch die Vermögensverfügung in finanzielle Bedrängnis gerät.[146] Der Täter wäre dann bei der Täuschung eines armen Menschen, nicht aber bei der eines Millionärs strafbar.[147]

Zusätzliche Probleme entstehen im Hinblick auf die Stoffgleichheit als Kriterium der Spiegelbildlichkeit von Vermögensschaden und Vermögensvorteil, da die wirtschaftliche Bedrängnis des Vermögensinhabers dem Täter gerade nicht spiegelbildlich als Vorteil zuwächst.[148] Zuletzt stellen sowohl die Einschränkung der Wirtschafts- oder Lebensführung als auch die Nötigung zu vermögensschädigenden Maßnahmen nur mittelbare Folgen der eigentlichen Vermögensverfügung dar, die im Rahmen der wirtschaftlichen Gesamtsaldierung grundsätzlich keine Berücksichtigung finden.[149] Die zweite und dritte Fallgruppe des individuellen Schadenseinschlags sind folglich mit der im Ausgangspunkt objektiv ausgerichteten Schadensermittlung nicht vereinbar.

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Es verbleibt damit die erste und wichtigste[150] Fallgruppe. Diese berücksichtigt, dass einzelne Vermögensgegenstände für verschiedene Personen von unterschiedlichem Wert sein können und versucht, durch Einbeziehung individueller Vorstellungen Gerechtigkeit im Einzelfall zu garantieren. Wird stattdessen auf jedwede Individualität bei der Schadensermittlung verzichtet, kann durch Vermeidung schwieriger Abgrenzungsprobleme hinsichtlich des Zwecks, der dem jeweiligen Vertrag zugrunde liegt, sowie hinsichtlich der Zumutbarkeit einer anderweitigen Verwendung der Leistung ein höheres Maß an Rechtssicherheit erreicht werden. Diesen bereits in der Einleitung verdeutlichten Zielkonflikt[151] versucht die objektiv-individuelle Schadenstheorie durch Rekurrierung auf die Maßfigur eines sachlichen Beurteilers zu entschärfen.[152] Individuelle Präferenzen und Vorstellungen seien nur dann relevant, wenn sich die individuelle Wertung des Getäuschten mit der des objektiven Beobachters decke.[153] Dadurch werde zum einen die Preisgabe der Grenzen des Vermögensschadens durch Vermeidung von Willkür im Rahmen der Schadensermittlung verhindert,[154] zum anderen der Tatsache Rechnung getragen, dass es sich bei den Fallgruppen des individuellen Schadenseinschlags um Ausnahmen vom Grundsatz handele, dass individuelle Interessen nicht berücksichtigt werden, und daher an diese strenge Anforderungen zu stellen seien.[155]

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Allerdings ist trotz des Bemühens der objektiv-individuelleu Schadenstheorie um Entschärfung der Problematik auch die erste Fallgruppe des individuellen Schadenseinschlags mit der dargestellten Betrugsdogmatik unvereinbar.

Der Eintritt eines Vermögensschadens verlangt nach beiden objektiven Schadenslehren eine Vermögensminderung infolge der Vermögensverfügung, die nicht durch Vermögensmehrung wieder vollständig kompensiert wird. Der Eintritt einer ersten Vermögensminderung ist dabei bereits Pflichtbestandteil der Vermögensverfügung. Beim Vermögensschaden ist ausschließlich die Frage nach einer etwaigen Kompensation dieser Vermögensminderung zu beantworten. Wird nun durch Verwendung des Instituts des individuellen Schadenseinschlags ein Vermögensschaden aus anderen Umständen als der Vermögensverfügung hergeleitet, hat dies mit der Frage nach einer Kompensation einer bereits eingetretenen ersten Vermögensminderung nichts mehr zu tun.[156] Das Zusammenspiel von Vermögensverfügung und Vermögensschaden wird genauso missachtet, wie das Erfordernis einer wirtschaftlichen Vermögenseinbuße auf Seiten des Opfers.[157] Damit entpuppt sich die erste Fallgruppe der objektiv-individuellen Schadenstheorie de facto als personale Schadenslehre.[158] Dass diese Fallgruppe dem Grunde nach auch an einer objektiven Schadensermittlung ansetzt, steht dem nicht entgegen, wenn im Ergebnis trotz wirtschaftlicher Ausgeglichenheit der Leistungen letztendlich doch die persönlichen Verhältnisse des Vermögensinhabers über den Eintritt eines Vermögensschadens entscheiden. Soweit auf die Perspektive eines objektiven Beobachters abgestellt wird, verlagert sich dann lediglich das „subjektive Willkürurteil“ auf „objektive Entscheidungsträger“, löst die Abhängigkeit von individuellen Präferenzen des Vermögensinhabers aber nicht auf.[159] Probleme entstehen zusätzlich im Hinblick auf den Vorsatz des Täters, da sich dieser nicht mehr auf das Wertgefälle von Leistung und Gegenleistung, sondern auf die individuellen Opferverhältnisse beziehen muss. Diese werden ihm i.d.R. aber unbekannt sein.[160]

 

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Damit bricht der individuelle Schadenseinschlag das geschlossene System der Schadensermittlung auf, indem scheinbar willkürlich zusammengefasste Fallgruppen als Ausnahmetatbestände der objektiv-wirtschaftlichen Schadensermittlung zur Seite gestellt werden.[161] Da die Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände mitunter wenig bestimmte Kriterien enthalten[162] und sich die Schadensermittlung somit als „strukturloses Konstrukt“ entpuppt, ist auch die Grenze der Verfassungswidrigkeit durch die Figur des individuellen Schadenseinschlags möglicherweise überschritten.[163]

b) Bewusste vs. unbewusste Selbstschädigung bzw. die Zweckverfehlungslehre

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Ergibt sich nach der objektiven Gesamtsaldierung von Leistung und Gegenleistung keine Wertdifferenz und ist auch keine der Fallgruppen des individuellen Schadenseinschlags im konkreten Fall einschlägig, kann nach herrschender Meinung gleichwohl ein Vermögensschaden über die Zweckverfehlungslehre als dritte Art der Schadensbegründung konstruiert werden. Diese wirkt sich einerseits strafbarkeitserweiternd, andererseits strafbarkeitsbeschränkend aus, je nachdem ob man für den Betrug eine unbewusste Selbstschädigung des Getäuschten verlangt oder auch bewusste genügen lässt.

aa) Bewusste vs. unbewusste Selbstschädigung

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Die Rechtsprechung[164] und Teile der Literatur[165] halten den Betrugstatbestand sowohl bei unbewussten als auch bei bewussten Selbstschädigungen für anwendbar. „Der Tatbestand des Betrugs [entfalle] nicht schon deshalb, weil sich der Getäuschte der nachteiligen Wirkung seiner Verfügung[166] auf das Vermögen bewusst [sei]“[167]. Zur Begründung werden zumeist kriminalpolitische Bedürfnisse angeführt.[168]

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Allerdings ist wie schon der individuelle Schadenseinschlag auch die Vorstellung einer betrugsrelevanten Vermögensverfügung durch bewusste Vermögenshingabe mit grundlegender Dogmatik nicht vereinbar.[169]

Zum einen widerspricht sie der allgemeinen Lehre von der objektiven Zurechnung,[170] wonach der Täter eine rechtlich missbilligte Gefahr schaffen muss, die sich dann im konkreten tatbestandlichen Erfolg realisiert.[171] Gerade dieses Kriterium ist aber im Fall bewusster Selbstschädigungen nicht erfüllt. Die Täuschung des Täters ist dann lediglich Anreiz zur vermögensmindernden Vermögensverfügung des Opfers, wirkt aber im Stadium des Eintritts des Vermögensschadens nicht fort, wenn sich das Opfer trotz positiver Kenntnis seines vermögensschädigenden Handelns selbst schädigt.[172] Bezüglich des Eintritts der Vermögenseinbuße bleibt der Verfügende allein verantwortlich, die Täuschung des Täters realisiert sich nicht im tatbestandlichen Erfolg.

Zusätzlich wird bei Anerkennung eines Betruges durch bewusste Selbstschädigung der wirtschaftliche Ausgangspunkt der Schadensermittlung verlassen. Bei bewusster und freiwilliger Vermögensaufgabe betrifft die Täuschung nicht mehr das Vermögen als wirtschaftlichen Wert, sondern einzig die Dispositionsfreiheit des Getäuschten.[173] Da dann jegliche Motivirrtümer als schadensbegründend in Betracht kommen, müsste letztlich nicht nur der Irrtum über die angebliche Armut eines Bettlers, sondern auch derjenige über seine Zuneigung zu einer bestimmten Fußballmannschaft schadensursächlich sein.[174] Dies kann vor dem Hintergrund einer im Ausgangspunkt wirtschaftlichen Betrachtung nicht gewollt sein. Nach einer solchen wäre einzig die Straflosigkeit bewusster Selbstschädigungen konsequent.[175] Dieses Ergebnis wird durch den Charakter des Betruges als Selbstschädigungsdelikt bestätigt, da von einer solchen schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur dann gesprochen werden kann, wenn der sich Selbstschädigende sich seines selbstschädigenden Verhaltens nicht bewusst ist.[176]

bb) Die Zweckverfehlungslehre

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Die sog. Zweckverfehlungslehre ist – abhängig von der jeweiligen Positionierung im Hinblick auf das Erfordernis einer bewussten Selbstschädigung – ein Mittel zur Strafbarkeitsbegrenzung oder -erweiterung. Gleichwohl führt ihre Anwendung stets zu identischen Ergebnissen, da die unterschiedlichen Sichtweisen im Hinblick auf das Erfordernis der unbewussten Selbstschädigung wieder zusammengeführt werden.[177]

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Die Ansicht, die auch eine bewusste Selbstschädigung für betrugstauglich hält, lehnt einen Vermögensschaden unter Zuhilfenahme der Zweckverfehlungslehre ab, wenn der mit der Verfügung verfolgte soziale und damit „indirekt wirtschaftliche“ Zweck erreicht wird.[178] Die Zweckverfehlungslehre wirkt so restriktiv, indem die durch Anerkennung bewusster Selbstschädigungen im Tatbestand erfolgte Ausweitung wieder zurückgenommen wird.

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Hingegen gelangen die Vertreter der Lehre von der unbewussten Selbstschädigung durch die Zweckverfehlungslehre in Ausnahmefällen strafbarkeitserweiternd zu einem Vermögensschaden.[179] Werde bei bewusster Vermögenseinbuße ein nicht vermögensrelevanter, aber sozial gebilligter Zweck, der aus Sicht des Opfers die Vermögenseinbuße ausgleichen soll, aufgrund der Täuschung des Täters nicht erreicht, liege durch diese Zweckverfehlung eine eigentlich unbewusste und damit betrugsrelevante Selbstschädigung vor.[180] Die Zwecksetzung müsse aber stets leistungsimmanent, objektivierbar und wirtschaftlich relevant sein.[181]

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Hauptanwendungsfälle der Zweckverfehlungslehre sind die Fälle einseitiger Weggabe von Vermögenswerten, z.B. Bettel-, Spenden- oder Subventionsbetrug. Uneinigkeit besteht darüber, ob sie darüber hinaus auch im Rahmen von wirtschaftlich ausgeglichenen Austauschgeschäften Anwendung finden kann, wenn ein hinter dem eigentlichen Geschäft stehender Zweck verfehlt wird.

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Teilweise wird hier trotz fehlender objektiv wirtschaftlicher Wertdifferenz ein Vermögensschaden aufgrund der Enttäuschung des über das eigentliche Geschäft hinausgehenden sozialen Zwecks anerkannt.[182] Dem steht aber der wirtschaftliche Ausgangspunkt der Schadensermittlung entgegen. Stimmen Leistung und Gegenleistung wertmäßig überein,[183] erleidet der Getäuschte keine Vermögenseinbuße.[184] Zusätzlich fehlt es schon an einer bewussten Selbstschädigung als Voraussetzung für die Anwendung der Zweckverfehlungslehre, da der Getäuschte seine Leistung in der zutreffenden Erwartung einer gleichwertigen Gegenleistung erbringt. Bei Austauschgeschäften ist die Anwendung der Zweckverfehlungslehre folglich ausgeschlossen.

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Die Zweckverfehlungslehre widerspricht allerdings auch insgesamt dem wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensverständnis[185], da sich die Berücksichtigung nicht vermögenswerter sozialer Zwecke in der Schadensermittlung mit diesem nicht vereinbaren lässt.[186] Die Unvereinbarkeit wird beispielhaft beim Spendenbetrug deutlich: Die durch Spenden beabsichtigte Unterstützung wohltätiger Organisationen stellt, unabhängig von einer ordnungsgemäßen Verwendung der Spenden, kein Vermögensgut dar, welches dem Vermögen des Spenders zufließt.[187] Auch die persönliche Befriedigung infolge der Spende ist ein lediglich ideeller immaterieller Wert; ein subjektives „in Handelsbilanzen unverbuchbares Gefühl“[188], das sich nicht durch einen Geldbetrag ausdrücken lässt.[189] Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten können immaterielle Werte die beim Verfügenden durch einseitige Weggabe des Geldes eintretende Vermögensminderung daher nicht ausgleichen.[190] Ihnen kommt kein feststellbarer Marktwert zu. Eine Saldierung ist nicht möglich. Die Zweckverfehlungslehre ist damit als Subjektivierung des Schadensbegriffs mit einem wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriff nicht kompatibel.

Hinzu kommt die aus der Schwierigkeit der Abgrenzung vermögensrelevanter und damit maßgeblicher sozialer Zwecke von solchen ohne jeden Vermögensbezug resultierende Unsicherheit,[191] die durch die Problematik der Definition der sozialen Anerkennung eines Zwecks noch verstärkt wird.

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Die Zweckverfehlungslehre lässt sich auch nicht durch den Verweis auf ohne sie entstehende Strafbarkeitslücken im Bereich des Bettel-, Spenden- und Subventionsbetruges legitimieren.[192] Zum einen wird der Subventionsbetrug in § 264 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt selbstständig unter Strafe gestellt.[193] Zum anderen wurde der Schutz der Spendenfreudigkeit der Bevölkerung, der wie Hefendehl zutreffend annimmt, wohl einer der Hauptgründe für die Anerkennung der Zweckverfehlungslehre ist,[194] bereits durch die mit Ordnungswidrigkeitsvorschriften versehenen landesrechtlichen Sammlungsgesetze ausreichend sichergestellt. Auch nach Abschaffung der Sammlungsgesetze in den meisten Bundesländern[195] und deren zweifelhafter Europarechtskonformität im Übrigen[196] sollten etwaig entstandene Lücken nicht durch zweifelhafte Konstruktionen der Rechtsprechung oder Literatur notdürftig gestopft werden.[197] Zusätzlichen Schutz vor unlauterer Spendeneinwerbung gewähren die Vorschriften des UWG, insbesondere das Verbot irreführender Werbung durch unwahre Angaben gem. § 16 UWG, der auch eine Strafsanktion enthält.[198] Der Zweckverfehlungslehre bedarf es somit nicht.

c) Zusammenfassung: Unvereinbarkeit des individuellen Schadenseinschlags sowie der Zweckverfehlungslehre mit den Grundsätzen der herrschenden grundsätzlich wirtschaftlichen Schadensermittlung

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Die herrschende Meinung verlässt bei der Schadensbegründung durch den individuellen Schadenseinschlag sowie die Zweckverfehlungslehre ihren wirtschaftlichen, an der Bewertung durch den Markt ausgerichteten, Ausgangspunkt. Von diesem ausgehend wäre einzig die Eliminierung sämtlicher individueller Aspekte aus der Schadensermittlung, die Straflosigkeit in Fällen bewusster Selbstschädigungen sowie die Ablehnung der Zweckverfehlungslehre konsequent.[199] Zusätzlich tragen beide Konzepte große Unsicherheit in die Bestimmung des Tatbestandsmerkmals des Vermögensschadens hinein.