Das Verhältnis des Vermögensnachteils bei der Untreue (§ 266 StGB) zum Vermögensschaden beim Betrug (§ 263 StGB) unter besonderer Berücksichtigung des Gefährdungsschadens

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4. Vermögensschaden durch Vermögensgefährdung als Konsequenz des wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs

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Die herrschende Meinung erkennt daneben auch die Möglichkeit einer Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung an.[200] Diese als „schadensgleiche Vermögensgefährdung“ bezeichnete Konstruktion[201] stellt, anders als der individuelle Schadenseinschlag oder die Zweckverfehlungslehre, keine Ausnahme vom Grundsatz der objektiv-wirtschaftlichen Schadensermittlung dar, sondern ist gerade durch diese veranlasst.[202] Im Wirtschaftsleben wirken sich Gefährdungen von Vermögenspositionen bereits negativ auf deren Wertschätzung aus, so dass diese bei rein wirtschaftlicher Betrachtung stets Vermögensminderungen zur Folge haben.[203] Führt man sich die Unterscheidung in eine erste und zweite Vermögensminderung beim Betrugstatbestand vor Augen, könnte dann einerseits eine Vermögensverfügung schon in jedem Tun, Dulden oder Unterlassen mit unmittelbar vermögensgefährdender, da bereits vermögensmindernder Wirkung gesehen werden,[204] andererseits auf der Ebene des Vermögensschadens ein solcher infolge der „Gefahr minderwertiger Kompensation“[205] der ersten Vermögensminderung eintreten.[206] Da die erste Konstellation zum einen nicht die hier zu erörternde Frage einer Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung betrifft und zum anderen zu Friktionen im Hinblick auf das Exklusivitätsverhältnis des Betrugstatbestandes zum Diebstahl führt,[207] ist der weiteren Untersuchung ausschließlich der zweite Argumentationsansatz zugrunde zu legen.

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Einigkeit besteht darüber, dass nicht jede auch noch so entfernte Gefährdung von Vermögenspositionen einen Vermögensschaden herbeiführen kann, da dies zu einer nicht veranlassten und vom Gesetz nicht gewollten Ausweitung des Anwendungsbereichs der Strafnorm des § 263 StGB führen und das Erfordernis der Schädigung des Vermögens als Rechtsgutsverletzung[208] aushöhlen würde.[209] Da aber bei strikter wirtschaftlicher Betrachtungsweise sämtliche tatsächlichen Umstände Berücksichtigung finden, kommt es von vornherein nicht zur Aussonderung entfernter oder abstrakter Gefährdungslagen.[210] Daher gestaltet sich die Grenzziehung, wann eine Vermögensgefährdung schon einen Vermögensschaden bewirkt, welches Maß diese zur Begründung eines Schadens also erreichen muss, als besonders schwierig.[211] Dafür gilt es Kriterien zu entwickeln, die es dem Rechtsanwender ermöglichen, in jeder Konstellation eine klare Abgrenzung von vollendetem und versuchtem Betrug vorzunehmen. Anderenfalls wäre die Anerkennung einer Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung wegen ihrer Weite und Unbestimmtheit mit einer auf feste Konturen angewiesenen objektiven Schadensermittlung nicht vereinbar, zumal diese Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit auch den Versuchsbereich deutlich verengt.

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Erforderlich ist zumindest eine nach objektiv-wirtschaftlicher Gesamtsaldierung verbleibende Vermögensminderung des Gesamtvermögens. Sie bildet die Grundvoraussetzung für die Annahme eines Vermögensschadens[212] Nur in diesem Fall lässt sich die Figur der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung als „Gefahr minderwertiger Kompensation“ in das System der objektiv-wirtschaftlichen Schadenstheorie einpassen und nur dann besteht bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zwischen Gefährdung und Schaden kein qualitativer, sondern ein bloß quantitativer Unterschied.[213] Setzt eine Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung danach eine Vermögensminderung nach Gesamtsaldierung voraus, führt sie dann auch stets zu einer Verletzung des Rechtsguts Vermögen und nicht nur zu dessen Gefährdung, da eine Minderung des Gesamtwerts des Vermögens eine Verletzung des Rechtsguts Vermögen bedeutet.[214] Nur in den Fällen, in denen eine Vermögensgefährdung noch nicht zu einer Vermögensminderung führt, ist dann auch nur eine Gefährdung des Rechtsguts Vermögen gegeben und gerade kein Vwermögensschaden eingetreten.

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Da aber auch schon kleinste Gefährdungen minderwertiger Kompensation eine nach Gesamtsaldierung verbleibende Vermögensminderung bewirken können, sind darüber hinaus weitere Anforderungen an eine Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung zu stellen. Wie eine Grenzziehung zwischen schadensbegründenden Vermögensgefährdungen und solchen ohne jede Schadensrelevanz erfolgen soll, ist aber bislang trotz umfangreicher Erörterung in Literatur und Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt. In jüngerer Zeit ist zusätzlich Bewegung in die Diskussion gekommen, da einzelne Strafsenate des BGH dazu übergegangen sind, die Figur der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung insgesamt in Zweifel zu ziehen.

a) Die Abgrenzung zwischen schadensrelevanten und -irrelevanten Vermögensgefährdungen in der Literatur

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In der Literatur existiert ein breites und kaum zu überblickendes Spektrum an Ansätzen zur Definition und Einschränkung der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung, die jeweils – teils äußerst nuanciert – versuchen, der Figur eine feste Struktur zu verleihen und sie dadurch für die Praxis handhabbar zu machen.

aa) Das Kriterium der Konkretheit der Vermögensgefährdung

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In der Literatur vorherrschend ist das von der Rechtsprechung entwickelte[215] Kriterium einer hinreichenden Konkretheit der Vermögensgefahr.[216] Bloß abstrakte Vermögensgefährdungen sind danach zur Schadensbegründung nicht geeignet.

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Hinreichend konkret sei eine Vermögensgefährdung dann, wenn „eine naheliegende Gefahr [oder Wahrscheinlichkeit][217] des [endgültigen] Vermögensverlustes“[218] oder „eine nicht nur gedankliche Möglichkeit, sondern eine […] Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses“[219] bestanden habe, „unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse […] und der besonderen Umstände des Falles […], [die Vertragsparteien] […] mit einem Verlust […] oder anderen wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen [gehabt] h[ä]tten“[220], da sie „überwiegend wahrscheinlich“[221] wären bzw. wenn der „alsbaldige[...] Eintritt eines […] endgültigen Schadens“[222] habe erwartet werden können. In diesen Fällen sei bei lebensnaher Betrachtung bereits eine objektive Wertminderung des Vermögens zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung eingetreten.[223] Auf die Frage, ob noch weitere Handlungen des Täters oder des Opfers zum endgültigen Schadenseintritt erforderlich seien, soll es insoweit nicht ankommen.[224]

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Im Hinblick auf eine Konturierung der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung ist durch das Erfordernis der hinreichenden Konkretheit der Vermögensgefahr aber nicht viel gewonnen. Hinzu kommt, dass es auch vom Ansatz her nicht überzeugt. Der Betrug setzt als Verletzungsdelikt[225] zwingend die substantielle Beeinträchtigung des Rechtsguts Vermögen[226] voraus. Anders als bei den konkreten Gefährdungsdelikten, die zwar ebenfalls Erfolgs-, nicht aber Verletzungsdelikte sind,[227] reicht die konkrete Gefährdung des Rechtsguts für den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges nicht aus.[228] Könnten nun aber auch konkrete Vermögensgefährdungen ohne dass diese eine Vermögensminderung nach Gesamtsaldierung herbeiführen zur Betrugsvollendung führen, wandelte man das Verletzungsdelikt des Betruges in ein konkretes Gefährdungsdelikt um, und zwar contra legem.[229] Etwas anderes ergibt sich nur dann, wenn man an den Begriff der Konkretheit der Gefahr jeweils voneinander abweichende Anforderungen stellt.[230] Dies ist aber nicht erkennbar.[231]

Die Konkretheit der Vermögensgefährdung ist darüber hinaus eine „inhaltsleere Formel“[232] und als solche äußerst vage. Sowohl das Kriterium der naheliegenden Möglichkeit des endgültigen Vermögensverlusts, als auch das Abstellen auf eine Situation, in der die Kontrahierenden mit dem Eintritt von Nachteilen ernstlich zu rechnen hätten, geben dem Normadressat keine klaren Abgrenzungskriterien an die Hand und eröffnen ihm einen unüberschaubaren Interpretationsspielraum.[233] Auch der Hinweis auf die Notwendigkeit einer Vermögensminderung infolge der Vermögensgefährdung wiederholt nur Grundlegendes und hilft im Hinblick auf eine Einschränkung der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung nicht weiter.[234]

bb) Die Ansicht von Lenckner – Das Attribut der „höchsten Wahrscheinlichkeit“

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Einen restriktiveren Vorschlag macht Lenckner. Dieser gebraucht zwar ebenfalls den Terminus der Konkretheit der Vermögensgefahr,[235] sieht diese aber erst dann als gegeben an, wenn „der Täter bereits eine Position erlangt [habe], in der er den fraglichen Vermögenswert unmittelbar und ohne Schwierigkeiten realisieren [und das Opfer] diesen Wert zwar faktisch noch in seinem Vermögen [haben], mit ihm aber vernünftigerweise nicht mehr rechnen [könne]“[236]. Bestünde die Vermögensverfügung in einem Vertragsschluss, sei entscheidend, „ob das Opfer […] in eine Lage geraten [sei], die bei natürlicher Weiterentwicklung sicher oder doch höchst wahrscheinlich dazu führen [würde], dass der Täter seine Forderung ohne Schwierigkeiten realisieren [könne]“[237]. Diese Lage sei jedenfalls dann eingetreten, wenn der Vermögensgegenstand nach einem objektiven Urteil durch das Opfer endgültig „abgeschrieben“ werden müsse,[238] z.B. wenn dieses eine Vorleistungspflicht treffe.[239]

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Lenckner verstärkt damit das Kriterium der Konkretheit der Vermögensgefahr, indem er die „naheliegende Gefahr des endgültigen Vermögensverlusts“ durch die „höchste Wahrscheinlichkeit“ desselben ersetzt.[240] Allerdings führt auch er keine Kriterien an, wann eine solche höchste Wahrscheinlichkeit vorliegen soll.[241] Gleiches gilt für die Erlangung der notwendig exponierten Stellung durch den Täter sowie die Abschreibungsbedürftigkeit auf Seiten des Opfers.[242] Insbesondere wird auch nicht deutlich, ob letzteres Kriterium in einem bilanziellen Sinn verstanden werden soll.[243] Letztlich ist die Figur der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung auch von Lenckner nicht ausreichend geklärt und bleibt mit enormen Unsicherheiten belastet.

 

cc) Die Ansicht von Cramer – Das Kriterium der Zivilrechtsakzessorietät

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Einen weiteren Versuch zur Konturierung der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung unternimmt Cramer. Dieser will eine Präzisierung durch Anlehnung an das Zivilrecht erreichen.[244]

Knüpfe das Zivilrecht Rechtsfolgen an die eingetretene Vermögensgefährdung wie etwa in Form von Schadensersatz-, Ausgleichs- oder Rückforderungsansprüchen, so liege auch eine strafrechtlich relevante Vermögensgefährdung vor.[245]

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Auch diese Vorgehensweise vermag nicht zu überzeugen. Neben den grundsätzlichen Bedenken gegen eine Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts[246] stößt das Abstellen auf zivilrechtliche Ansprüche zum einen dann an seine Grenzen, wenn diese dem Opfer völlig unbekannt, folglich wirtschaftlich wertlos oder zumindest in ihrem Wert nicht ermittelbar sind.[247] Zum anderen steht dem Getäuschten zumindest in aller Regel ein Anfechtungsrecht nach § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB zu,[248] welches nach Ausübung stets einen bereicherungsrechtlichen Kondiktionsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zur Folge hat.[249] Schon die arglistige Täuschung allein bedingte dann einen Vermögensschaden.[250] Dadurch würde das Erfordernis des Vermögensschadens praktisch aufgegeben und einer zunehmenden Pönalisierung der Weg bereitet.[251]

dd) Die Ansicht von Tiedemann – Insbesondere das Kriterium der Bilanzrechtsorientierung

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Tiedemann führt zur Präzisierung der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung verschiedene Kriterien an, wobei allerdings auch bei ihm die Konkretheit der Vermögensgefährdung, die einzelfallbezogen ermittelt und bewertet werden müsse, den Ausgangpunkt bildet.[252] Zusätzlich müsse die Vermögensgefährdung eine gewisse Greifbarkeit aufweisen.[253]

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Ungeklärt bleiben allerdings auch hier die näheren Anforderungen. Was genau unter Greifbarkeit verstanden werden soll, wird nicht recht deutlich. Zudem ist es unverständlich, wie einzelfallbezogene Entscheidungen stabile Abgrenzungskriterien i.S.e. Systems zur Feststellung der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung hervorbringen sollen.

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Tiedemann zieht aber zusätzlich das Bilanzrecht als konkretisierenden Maßstab heran. Dieses trage Gefährdungen durch Abschreibungen und Rückstellungen Rechnung und könne daher die notwendige Orientierungshilfe für die Betrugsrelevanz von Vermögensgefährdungen bieten.[254]

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Die Bezugnahme auf bilanzrechtliche Regelungen erscheint zunächst schlüssig, da das Bilanzrecht ein abgeschlossenes Regelwerk mit festen Orientierungspunkten bildet, welches „Rechenbarkeit und Vergleichbarkeit der einander gegenüber zu stellenden Größen“ gewährleistet.[255] Gerade für die Bestimmung der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung erscheint es prädestiniert, da im Falle der Gefahr von Forderungsausfällen Wertberichtigungen vorgenommen werden müssen. Negative Zukunftserwartungen wirken sich so abträglich auf den gegenwärtigen Wert von Vermögensgegenständen und damit vermögensmindernd in der Bilanz aus.[256] Daher wird dem Bilanzrecht für die Ermittlung der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung sogar „Modellcharakter“ nachgesagt.[257]

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Trotzdem überzeugt auch der bilanzrechtsorientierte Ansatz nicht. Am Schwersten wiegt wohl der Einwand der Inkompatibilität der Prinzipien, die jeweils das Strafrecht und das Bilanzrecht prägen.[258] Im auf Information und Gewinnermittlung ausgerichteten Bilanzrecht dominiert das Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Dieses besagt, dass Aktiva zu ihrem geringsten Wert, Passiva dagegen zu ihrem höchsten bewertet werden müssen. Gewinne dürfen erst im Falle ihrer Realisation, Verluste müssen bereits dann bilanziert werden, wenn sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten (Realisations-, Imparitäts- bzw. Niederstwertprinzip).[259] Vermögensgegenstände werden folglich nicht mit ihrem Marktwert, sondern mit ihrem Buchwert, welcher vom Verkehrs-[260] oder Marktwert[261] deutlich abweichen kann, verbucht. Diese Grundsätze führen zu Friktionen mit dem strafrechtlichen Zweifelsgrundsatz[262] und sind mit einem strikt am objektiven Marktwert orientierten – d.h. wirtschaftlichen – strafrechtlichen Vermögens- und Schadensbegriff nicht vereinbar.[263] Zum einen werden als Folge der Handelsbilanzpolitik teilweise schon gegenwärtig Schäden abgebildet, die künftig noch nicht einmal mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit eintreten,[264] zum anderen können aufgrund des Vorsichtsprinzips Aussichten auf Wertzuwachs nicht erfasst werden, selbst wenn diesen der Markt schon wirtschaftlichen Wert beimisst.

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Zusätzlich steht der Anwendung bilanzrechtlicher Prinzipien auch das Streben nach Vereinfachung der Rechtsfindung entgegen.[265] Diesbezüglich sei nur darauf verwiesen, dass die meisten Unternehmen ihre Bilanz aufgrund der Komplexität der Materie von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften aufstellen und prüfen lassen, so dass eine Rechtsfindung ohne Heranziehung von Sachverständigen mangels i.d.R. eigener Kompetenz der Richter wohl unmöglich sein dürfte.[266] Eine ohnehin mit Überlastungen konfrontierte Strafjustiz würde damit an ihre Grenzen stoßen.[267] Dies wird durch die zunehmende Internationalisierung der Rechnungslegung noch verstärkt. Insbesondere große Kapitalgesellschaften stellen ihre Jahresabschlüsse mittlerweile auch nach US-GAAP oder IAS/IFRS auf,[268] so dass zum einen profundere Kenntnisse der internationalen Buchführungsstandards verlangt werden und zum anderen die Bedeutung des deutschen HGB zurückgeht. Problematisch ist darüber hinaus die Anwendung internationalen Rechts zur Konkretisierung deutscher Strafgesetze.[269]

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Weitere zentrale Schwäche des bilanzrechtsorientierten Ansatzes ist die Existenz diverser Wahlrechte und Beurteilungsspielräume bei der Bilanzierung, die der notwendigen Vorhersehbarkeit staatlichen Strafens entgegenstehen. Zusätzlich problematisch ist der relativ enge Kreis von Bilanzierungspflichtigen, der nach dem HGB nur Kaufleute einschließt.[270] Dadurch wird der Anwendungsbereich des Bilanzrechts schon von vornherein eingeschränkt. Eine Anwendung des Bilanzrechts kommt weiter dann nicht in Betracht, wenn sich die Betrugsfälle außerhalb des Geschäftsverkehrs ereignen. Eine Differenzierung zwischen Taten im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsverkehr, bei denen der bilanzrechtsorientierte Ansatz dann Anwendung finden würde und solchen ohne jeden wirtschaftlichen Bezug, bei denen auf alternative Methoden zurückgegriffen werden müsste, ist vor dem Hintergrund der Notwendigkeit eines allgemeingültigen Verfahrens zur Bestimmung der Kategorie der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung ebenfalls nicht möglich und auch nicht sinnvoll.

Letztendlich bilden damit auch die Bilanzgrundsätze keine taugliche Grundlage zur Definition und Eingrenzung der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung.[271]

ee) Die Ansicht von Schröder – Das sog. Herrschaftsmodell

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Andere Autoren stellen auf die Beherrschbarkeit des Geschehens ab. Schröder stellt als zentrales Kriterium die Frage, ob durch die irrtumsbedingte Vermögensverfügung eine Situation geschaffen wurde, „in der der endgültige Verlust des fraglichen Vermögenswerts nicht mehr wesentlich vo[m] [...] Zutun [des Getäuschten] abhäng[e]“[272]. In diesem Fall liege eine hinreichende Vermögensgefährdung vor, da der endgültige Vermögensverlust allein durch den Täter bewirkt werden könne. Seien dagegen noch weitere Handlungen im Herrschaftsbereich des Getäuschten notwendig, könne von einem vollendeten Betrug noch nicht gesprochen werden. Vielmehr liege dann Versuch vor.

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Ausscheiden muss nach dieser Konstruktion ein vollendeter Betrug im Stadium der täuschungsbedingten Eingehung eines Vertrages, da zu diesem Zeitpunkt noch die Vornahme der Erfüllungshandlungen notwendig ist und damit der endgültige Vermögensverlust folglich nicht allein durch den Täter bewirkt werden kann.[273] Von diesem Ergebnis sei nach Schröder aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn die spätere Erfüllung hinreichend wahrscheinlich sei.[274]

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Die Ansicht Schröders steht im Widerspruch zum wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriff, soweit sie auf das Erfordernis einer nach der Gesamtsaldierung verbleibenden objektiven Werteinbuße verzichtet und den Vermögensschaden einzig mit dem Verlust von Handlungsmöglichkeiten begründet.[275] Der Verlust von Handlungsmöglichkeiten, der obendrein oftmals von Zufälligkeiten abhängt,[276] kann auch unabhängig von einer vermögenswirksamen Handlung des Getäuschten eintreten, so dass dann einzig die Dispositionsfreiheit des Getäuschten betroffen ist. Gibt der Täter in einer solchen Situation seinen Tatplan auf, ist es nie zu einer (zweiten) objektiven Wertminderung im Bezug auf das Vermögen des Opfers gekommen. Es hat nur die Gefahr einer solchen bestanden.

Zudem muss auch das Kriterium der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Erfüllung des täuschungsbedingt abgeschlossenen Vertrags verworfen werden. Dieses zeichnet sich ähnlich wie das der Konkretheit der Vermögensgefahr durch Inhaltsleere und Konturenlosigkeit aus.[277]

ff) Die Ansicht von Lackner – Das Erfordernis weiterer Akte des Täters bzw. Opfers und die Anerkennung von Ausnahmen

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Lackner stellt darauf ab, ob noch weitere Akte des Täters bzw. Opfers zum endgültigen Vermögensabfluss notwendig seien.[278] Sei dies der Fall, müsse eine Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung abgelehnt werden, es sei denn besondere Umstände wie eine Verschlechterung der Beweislage treten hinzu.[279]

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Dieser ebenfalls wenig präzisierte Ansatz verlässt abermals den Ausgangspunkt des wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs. Es kommt hinzu, dass bei der Akzeptanz von Ausnahmen schnell die Gefahr einer Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses entsteht. Notwendig ist es aber, einen Grundsatz zu entwickeln, welcher Orientierung bietet und die Vorhersehbarkeit der Strafe garantiert. Die Zulassung von Ausnahmen macht die Rechtsfindung unnötig kompliziert. Auch der Ansatz von Lackner überzeugt daher nicht.