Das Verhältnis des Vermögensnachteils bei der Untreue (§ 266 StGB) zum Vermögensschaden beim Betrug (§ 263 StGB) unter besonderer Berücksichtigung des Gefährdungsschadens

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gg) Die Ansicht von Hefendehl und Schünemann – Das Kriterium der Vermeidemacht



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Eine ebenfalls an der Beherrschbarkeit des Geschehens ansetzende Ansicht vertritt

Hefendehl

, die auch

Schünemann

aufnimmt. Ausgehend von seiner Interpretation des Vermögens als „Herrschaft über andere Menschen oder über Gegenstände“ hält er einen Vermögensschaden durch Vermögensgefährdung dann für begründet, „wenn sich die Hypothese der Verfügbarkeit über einen Vermögensgegenstand qualitativ verschlechtert “. Dies sei der Fall, wenn das Opfer nach Vornahme der Vermögensverfügung nicht mehr selbst in der Lage sei, den Eintritt des endgültigen Vermögensverlusts gezielt zu verhindern, d.h. wenn es die alleinige Herrschaft bzw. Dispositionsbefugnis über den Gegenstand verloren habe. Diese Möglichkeiten der Begegnung einer Gefahr werden als Vermeidemacht bezeichnet.



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Dieser Ansicht lässt sich – ebenso wie dem Ansatz von

Schröder

 – entgegenhalten, dass sich auch der Verlust von Vermeidemachtmöglichkeiten unabhängig von einer objektiven Wertminderung des Opfervermögens vollziehen kann. Abermals ist dann einzig die Dispositionsfreiheit des Getäuschten betroffen. Zuzugeben ist zwar, dass im Falle des Verlusts von Abwehrmöglichkeiten bei feindlicher Gesinnung des Täters eine große Wahrscheinlichkeit des alsbaldigen Vermögensabflusses besteht, gleichwohl ist aber auch hierin kein trennscharfes Kriterium zur Konturierung der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung zu sehen. Ungeklärt ist darüber hinaus, welche Vermeidemachtmöglichkeiten als relevant angesehen werden sollen und wie aussichtslos es um die Lage des Getäuschten bestellt sein muss, um die Unmöglichkeit der Abwehr des endgültigen Vermögensverlustes annehmen zu können. Auch der Ansicht von

Hefendehl

 und

Schünemann

 kann vor dem Hintergrund eines objektiv wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs somit nicht gefolgt werden.





hh) Die Ansicht von Kindhäuser – Die Kriterien einer funktionalen Schadensermittlung



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Kindhäuser

 versucht das Institut der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung auf der Grundlage seiner funktionalen Vermögens- und Schadensbetrachtung zu präzisieren. Zusätzlich zum Kriterium des Verlustes der Vermeidemachtmöglichkeiten durch das Opfer verlangt er, dass es dem Täter im Sinne einer Nähebeziehung bereits möglich sein müsse, seinen Vorteil ohne größere Hindernisse zu realisieren (Verschiebung der faktischen Verfügungsmacht). Das Opfer müsse seinen Einfluss auf den Vermögensgegenstand verlieren, während dieser Verlust dann aber gleichzeitig dem Täter als Vorteil zuwachsen müsse.



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Die Konstruktion erinnert an die Wegnahme beim Diebstahl (§ 242 StGB). Dort steht dem Gewahrsamsverlust auf Opferseite die Erlangung des Gewahrsams durch den Täter gegenüber. Diese Parallelkonstruktion ist jedoch in der Tatbestandsstruktur des § 263 StGB nicht angelegt. Im Rahmen des Betruges kommt es gerade nicht auf eine Realisierung des Vermögensvorteils durch den Täter an. Dieser ist ausschließlich Element der überschießenden Innentendenz und folglich rein subjektiv zu prüfen. Im objektiven Tatbestand ist einzig die Schädigung des Opfervermögens erforderlich. Beim Diebstahl ist die Zueignung zwar ebenfalls als überschießende Innentendenz konzipiert, doch muss der Täter auch objektiv eine Gewahrsamsbeziehung zum betreffenden Tatobjekt begründen. Der Diebstahl ist erst mit Erlangung dieser Gewahrsamsposition vollendet, während beim Betrug der Eintritt des Vermögensschadens ausreicht. Die Konstruktion von

Kindhäuser

 ist daher nicht mit der Struktur des Betrugstatbestandes vereinbar und kann somit auch nicht für die Definition und Interpretation der Vermögensgefährdung nutzbar gemacht werden.





ii) Die Ansicht von Riemann, Matt und Saliger – Das Kriterium der doppelten Unmittelbarkeit



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Riemann

,

Matt

 und

Saliger

 verwenden zur Abgrenzung von betrugsrelevanten und straflosen Vermögensgefährdungen ein doppeltes Unmittelbarkeitskriterium. Eine Vermögensgefährdung stelle dann einen Vermögensschaden dar, wenn sowohl zwischen Vermögensverfügung und Vermögensgefährdung, als auch zwischen Vermögensgefährdung und endgültigem Vermögensverlust eine Unmittelbarkeitsbeziehung bestehe. Uneinigkeit besteht zwischen den Autoren allerdings darüber, in welchen Fällen letztere Unmittelbarkeitsbeziehung vorliegen soll. Während

Riemann

 diese für gegeben erachtet, wenn der endgültige Vermögensverlust unabhängig von weiteren Handlungen

des Täters

 eintrete, verlangen

Matt

 und

Saliger

, dass die Vermögensgefahr „unmittelbar in den endgültigen Schaden übergehen“ müsse und dies nur dann nicht der Fall sei, wenn der Eintritt des endgültigen Vermögensverlusts noch von weiteren eigenmächtigen Handlungen

des Täters, des Opfers oder Dritter

 abhänge.



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Problematisch ist zunächst die Ausformung des doppelten Unmittelbarkeitskriteriums durch

Riemann

. Einzig die Einflussmacht des Täters für maßgeblich zu erklären, wird den tatsächlichen Gegebenheiten nur selten gerecht, da i.d.R. erhebliche Interventionen Dritter zur Realisierung endgültiger Schäden notwendig sind. Überzeugender ist dagegen die Ansicht

Matts

 und

Saligers

, die zur Bestimmung der Unmittelbarkeit sämtliche Umstände des Einzelfalls zwischen Vermögensgefahr und endgültigem Vermögensnachteil ins Kalkül ziehen.



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Allerdings leidet auch das Kriterium der doppelten Unmittelbarkeit wie schon die Konkretheit der Vermögensgefahr an mangelnder Bestimmtheit, da vielfältige Interpretationen des Kriteriums möglich sind. Der Begriff erscheint konturenlos, da er ein zeitliches Moment suggeriert, die Frage aber unbeantwortet lässt, welche Zeitpunkte noch als unmittelbar angesehen werden können. Dieser Mangel an Konzeption und Präzision führt dazu, dass sich auch dieses Modell als untauglich erweist, die Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung auf eine verlässliche Grundlage zu stellen.





jj) Zwischenergebnis



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Alle vorstehend untersuchten Ansichten haben sich bemüht, die Figur der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung zu erklären, ihre Anforderungen zu skizzieren und sie damit inhaltlich fassbar zu machen. Jedoch ist dies keiner der Ansichten überzeugend gelungen. Als ungeeignet erwiesen sich insbesondere das Abstellen auf vage Wahrscheinlichkeiten und inhaltsleere Formeln (Konkretheit der Vermögensgefährdung;

Lenckner

;

Riemann

,

Matt

 und

Saliger

), das Anknüpfen an das Zivilrecht (

Cramer

), das Kriterium der Bilanzrechtsorientierung (

Tiedemann

) sowie verschiedene Ansätze, die entweder die Möglichkeiten des Opfers zur Verhinderung des endgültigen Schadenseintritts oder die Zugriffsmöglichkeiten des Täters mit kleineren Nuancierungen in den Mittelpunkt stellten (

Schröder; Lackner

;

Hefendehl

 und

Schünemann

;

Kindhäuser

), das Erfordernis der objektiven Wertminderung dabei aber außer Acht ließen.



Was bleibt ist ein diffuses Bild unterschiedlichster eher weniger als mehr überzeugender Ansätze zur Eingrenzung der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung in der Literatur. Folglich bleibt nach wie vor unklar, welche Anforderungen an diese über das Erfordernis einer objektiven (zweiten) Vermögensminderung hinaus zu stellen sind, d.h. nach welchen Kriterien folglich schadensbegründende Vermögensgefährdungen von solchen ohne jede Schadensrelevanz abgegrenzt werden können.





b) Die Rechtsprechung zur Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung



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Auch in der Rechtsprechung ist die Reichweite der Rechtsfigur der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung nicht hinreichend geklärt. Vielmehr hat sich im Laufe der Jahrzehnte eine weitreichende unüberschaubare Fallgruppenkasuistik herausgebildet.





aa) Von 1867 bis heute – die historische Entwicklung



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Erstmals wurde die Gefährdung als Schaden im Sinne des Betrugstatbestandes – soweit ersichtlich – in einer Entscheidung des Preußischen Obertribunals vom 5. April 1867 anerkannt. Das Opfer war als Bezogener eines Wechsels unter der Vorspiegelung, das ursprüngliche Papier sei unbrauchbar geworden, zur Unterzeichnung eines zweiten Wechsels veranlasst worden. Die daraus resultierende Gefahr, den geschuldeten Geldbetrag zweimal entrichten zu müssen, sah das Preußische Obertribunal als für die Annahme eines Vermögensschadens ausreichend an.



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Das Reichsgericht vollzog erste Annäherungen an die Vermögensgefährdung als Vollendungsunrecht in einer Entscheidung aus dem Jahr 1883. Dort wurde diese zwar nicht explizit erwähnt, doch wies das Gericht auf die Möglichkeit eines Vermögensschadens auch ohne substantielle Vermögenseinbuße hin. In dieser Entscheidung heißt es:







„Der Begriff der Vermögensbeschädigung im Gebiete des Betruges erlaube eine weite Auslegung in dem Sinne, dass darunter nicht bloß eine effektive und substantielle Verminderung des Vermögens durch Ausscheiden bestimmter konkreter Bestandteile aus demselben, sondern jede Beeinträchtigung und Verschlimmerung der Vermögenslage, welche durch die Irrtumserregung herbeigeführt , verstanden werden könne.“


       


 



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Die endgültige Anerkennung der Möglichkeit einer Gleichstellung von Vermögensgefährdung und Vermögensschaden vollzog das Reichsgericht dann vier Jahre später in seiner Grundlagenentscheidung der Vereinigten Strafsenate aus dem Jahr 1887. Dort wurde ausgeführt:







„Ob auch eine Vermögensgefährdung eine Beschädigung des Vermögens darstelle, häng davon ab, ob nach der konkreten Sachlage schon die eingetretene Gefahr eines Verlustes, also die Ungewissheit darüber, ob nicht ein Verlust eintreten werde, den Vermögenswert verminder.“


       




Diese Formulierung verdeutlicht die Hinwendung der Rechtsprechung zu einer wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbetrachtung, indem die objektive Verschlechterung der Vermögenslage als Grundvoraussetzung für die Annahme eines Vermögensschadens etabliert wird. Gleichfalls offenbart sie aber auch die Weite der Figur der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung, da keine Aspekte benannt werden, die den weiten wirtschaftlichen Ausgangspunkt einschränken.



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Der Bundesgerichtshof (BGH), der nach 1945 zunächst nahezu kritiklos die Gleichstellung von Vermögensgefährdung und Vermögensschädigung unter dem Begriff der „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ übernahm, hat seit BGHSt 21, 112, 113 versucht, der Problematik um die Ausweitung des Schadensbegriffs durch das Zusatzerfordernis der Konkretheit der Vermögensgefahr Herr zu werden. Über dieses „inhaltsleere“ Kriterium hinaus bietet aber auch der BGH keine weiteren Kriterien zur Bestimmung der Strafbarkeitsgrenze zwischen bereits schädigenden und für einen Vermögensschaden nicht ausreichenden Vermögensgefährdungen an. Eine Vielzahl von Entscheidungen ist vielmehr Ausdruck einer unübersichtlichen fallgruppenbezogenen Einzelfallkasuistik.






bb) Die Fallgruppen des Betruges in der Rechtsprechung



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Mangels handhabbarer Abgrenzungskriterien zwischen schadensrelevanten und zur Betrugsvollendung nicht hinreichenden Vermögensgefährdungen hat sich in der Rechtsprechung, geprägt durch zahlreiche divergierende Einzelfallentscheidungen, eine kaum mehr überschaubare Kasuistik entwickelt; schließlich hat der „Betrugstatbestand so viele Erscheinungsformen wie das menschliche Vorstellungsvermögen sich Täuschungen vorstellen kann.“ Es existieren verschiedenste Fallgruppen, in denen zwar jeweils der Vermögensschaden über die Figur der „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ begründet wird, bei denen aber unterschiedlichste Kriterien zu deren Bestimmung verwendet werden. Trotz sich teilweise überlappender Abgrenzungskriterien ist eine klare Struktur der Schadensermittlung jedenfalls nicht auszumachen.






(1) Eingehungsbetrug als klassischer Fall der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung



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Die Grundform der Schadensbegründung durch Vermögensgefährdung ist der Eingehungsbetrug. Dieser lässt sich nicht einer speziellen Alltagssituation, wie z.B. der Kreditvergabe oder einer Ausschreibung zuordnen, sondern kann im Rahmen eines jeden Vertragsschlusses Relevanz erlangen. Nach der Rechtsprechung liegt ein Eingehungsbetrug vor, wenn die gegenseitigen Vertragspflichten infolge der Täuschung einer Vertragspartei aus Sicht eines objektiven Dritten nicht wertmäßig äquivalent sind, deren objektive Saldierung mangels Kompensation der einen durch die andere Vertragspflicht folglich zu einer Vermögensminderung führt. Die Minderwertigkeit des vertraglichen Gegenleistungsanspruchs des Getäuschten soll dabei aus der Mangelhaftigkeit des dem Getäuschten zu leistenden Gegenstandes oder – trotz wertmäßiger Ausgeglichenheit der im Nachhinein auszutauschenden Leistungen – aus der mangelnden Zahlungsfähigkeit und/oder -willigkeit des Täters resultieren können. Eine Betrugsvollendung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei allerdings dann ausgeschlossen, wenn der Getäuschte durch eigene Handlungen den Schadenseintritt ohne besondere Schwierigkeiten oder ohne nennenswertes Prozessrisiko verhindern könne, z.B. durch die Ausübung eines vertraglich eingeräumten Rücktritts- oder Widerrufsrechts, bei bestehender Stornierungsbereitschaft des Vertragspartners oder wenn keine Vorleistungspflicht des Getäuschten bestehe, vielmehr ein Leistungsaustausch Zug um Zug vereinbart sei.



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In der Literatur wird die Figur des Eingehungsbetruges vereinzelt abgelehnt. Dabei wird insbesondere die Vorverlagerung des Vollendungszeitpunkts angemahnt. Durch diese werde dem Täter die Möglichkeit des Rücktritts durch Aufgabe des Tatplans im Vorfeld des Leistungsaustauschs genommen. Zu diesem Zeitpunkt handele es sich noch um ein schwebendes Geschäft. Der Vertragsschluss stelle nur den ersten Akt eines kontinuierlichen Vorgangs dar und bilde lediglich die Vorstufe zur späteren Erfüllung. Erst im Zeitpunkt des Leistungsaustauschs werde der Getäuschte dauerhaft aus seiner Beziehung zu der fraglichen Vermögensposition verdrängt und auch erst dann könne im Wege der Gesamtsaldierung der ausgetauschten Leistungen eine objektive Vermögensminderung und damit ein Vermögensschaden festgestellt werden. Vorher habe lediglich die Gefahr des Leistungsaustauschs und damit auch nur die Gefahr eines Vermögensschadens bestanden. Bleibe in diesem Stadium die spätere Erfüllung aus, sei nach wirtschaftlichen Kriterien kein Vermögensschaden eingetreten. Der Figur des Eingehungsbetruges bedürfe es dann nicht.



Darüber hinaus sei die Figur des Eingehungsbetruges mit einer wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbetrachtung nicht vereinbar. Verbindlichkeiten seien im Vergleich zu Aussonderungen von Gegenständen aus dem Vermögen im Wege der Erfüllung wirtschaftlich von geringerem Wert, so dass sich die sich aus der Anerkennung eines vollendeten Eingehungsbetruges ergebende Gleichwertigkeit von „Eingehen“ und „Erfüllen“ verbiete.



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Der kritischen Literaturansicht ist zunächst zuzugeben, dass der Eingehungsbetrug zu einer Vollendungsstrafbarkeit im Vorfeld des späteren Leistungsaustauschs führt. Ebenso ist der Besitz eines Gegenstandes wirtschaftlich von höherem Wert als ein Anspruch auf Verschaffung desselben; spiegelbildlich ist dann das tatsächliche Ausscheiden eines Vermögensgegenstandes aus dem Vermögen für dieses eine größere Belastung als die vorher bestehende Verpflichtung dazu.



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Nicht überzeugen kann auf der Grundlage eines wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs aber die Konsequenz, einen Vermögensschaden erst im Stadium der Vertragserfüllung annehmen zu wollen. Jede Belastung des Vermögens mit einer Verbindlichkeit – auch wenn diese wertmäßig hinter dem Ausscheiden eines Gegenstands aus dem Vermögen zurücksteht – bedeutet bereits nach wirtschaftlichen Kriterien eine Vermögenseinbuße. Spiegelbildlich kommt auch einer Forderung wegen ihrer Einklagbarkeit und ihres Schutzes durch das Zivilrecht wirtschaftlicher Wert zu. Daher kann auch ein wertmäßiges Missverhältnis von Verpflichtung und Forderung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einen Vermögensschaden begründen. Täuscht z.B. ein Vertragspartner im Rahmen des Abschlusses eines Kaufvertrages über die Mangelfreiheit des zu veräußernden Gegenstandes und wird ein einer mangelfreien Sache äquivalenter Kaufpreis vereinbart, ist schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund der Minderwertigkeit des Anspruchs des Getäuschten auf Übereignung der Kaufsache ein Vermögensschaden eingetreten. Die Minderwertigkeit des Anspruchs beruht darauf, dass dieser wegen des Mangels der Kaufsache minderwertig erfüllt zu werden droht, mithin die Gefahr minderwertiger Kompensation der vom Getäuschten zu erbringenden Leistung, vorliegend der Kaufpreiszahlung, besteht. Nach einer Gesamtsaldierung liegt dann ein von Anfang an rechnerisch ungleichwertiger Vertrag vor, da der Anspruch des Getäuschten wertmäßig hinter dem Wert seiner Verpflichtung zurücksteht. Da es sich in dieser Konstellation aber nur um die Gefahr minderwertiger Kompensation i.S.e. Wahrscheinlichkeit handelt und im Wirtschaftsleben Verpflichtungen nicht der gleiche Wert beigemessen werden kann wie dem endgültigen Vermögensverlust, ist der Vermögensschaden nicht in Höhe der Differenz zwischen den Werten des Gegenstandes in mangelbehaftetem und mangelfreiem Zustand eingetreten, sondern muss dem Wert nach darunter liegen. Eine objektive Wertminderung nach Gesamtsaldierung ist gleichwohl bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gegeben.



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Diese Leitlinien zur Ermittlung eines Vermögensschadens im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beziehen sich nicht nur auf die Minderwertigkeit des Anspruchs des Getäuschten wegen Mangelhaftigkeit einer Kaufsache, sondern lassen sich auch auf andere Konstellationen übertragen. Gleiches gilt z.B. auch für den Fall, dass sich die Werte der auszutauschenden Leistungen zwar entsprechen, der eine Vertragspartner aber zahlungsunfähig und/oder -willig ist. Besteht aufgrund dessen die Gefahr der Nichtrealisierung der Forderung für den Getäuschten, wirkt sich dies auf deren Werthaltigkeit aus, so dass auch hier im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung auf wirtschaftlicher Grundlage ein Vermögensschaden infolge einer Gefahr minderwertiger Kompensation angenommen werden könnte. Nach dem wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriff läge dann Vollendung und kein bloßer Betrugsversuch vor.



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Daher geht auch der Einwand fehl, dem Täter werde durch die Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit und die damit einhergehende Verengung des Anwendungsbereichs der Regeln über den Versuch die Möglichkeit zum strafbefreienden Rücktritt genommen. Die Regelung des § 24 StGB will dem Täter vor dem Eintritt einer Rechtsgutsverletzung eine „goldene Brücke“ in die Legalität bauen, um ihn zu motivieren seinen Tatplan aufzugeben, bevor es zu einer Schädigung von Rechtsgütern kommt. In der Konstellation des Eingehungsbetruges bei Unausgeglichenheit der gegenseitigen Leistungspflichten ist – wie bereits festgestellt – aber bereits eine nicht kompensierte Vermögensminderung eingetreten, das Rechtsgut des Getäuschten also schon beeinträchtigt. Der Täter verdient daher die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts schon gar nicht mehr, so dass ihm diese auch nicht genommen werden kann.



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Ausscheiden muss ein vollendeter Eingehungsbetrug allerdings dann, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Gefahr minderwertiger Kompensation der eigenen Leistung des Getäuschten noch nicht besteht und folglich auch noch keine (zweite) objektive Vermögensminderung nach Gesamtsaldierung der gegenseitigen Vertragspflichten festgestellt werden kann. Dies ist der Fall, wenn dem Getäuschten im Stadium vor der eigenen Leistungserbringung die Möglichkeit verbleibt, sich vom Vertrag loszusagen, um dann nicht zur Erbringung seiner eigenen Leistung gezwungen zu sein. Dann besteht auch nicht die Gefahr der minderwertigen Kompensation dieser Leistung. Als Konstellationen kommen hier die eingangs vom BGH genannten in Betracht.



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Hervorzuheben ist insbesondere die Regelung des § 320 BGB. Ist die Vertragserfüllung Zug um Zug vereinbart, ist das Opfer berechtigt, bis zur vertragsgemäßen Erfüllung durch den anderen Teil seine eigene Leistungserbringung zu verweigern. Ist der Getäuschte dagegen vorleistungspflichtig, sind ihm alle Möglichkeiten der Abwehr des endgültigen Vermögensabflusses abgeschnitten, so dass bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund der Gefahr minderwertiger Kompensation der eigenen Leistung ein Vermögensschaden angenommen werden muss.



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Die Figur des Eingehungsbetruges ist damit mit den Grundsätzen einer objektiv wirtschaftlichen Schadensermittlung vereinbar, da schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine durch Gesamtsaldierung zu ermittelnde Vermögensminderung begründet werden kann. Zusätzlich entspricht deren Anerkennung dem zivilrechtlichen Abstraktions- und Trennungsprinzip. Dieses besagt, dass es sich bei schuldrechtlichem Verpflichtungs- und dinglichem Erfüllungsgeschäft um zwei voneinander zu unterscheidende Rechtsgeschäfte handelt, die den Vertragsparteien jeweils unterschiedliche Pflichten auferlegen und so ihrerseits zu Vermögensschädigungen führen können.



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Allerdings werden auch im Rahmen des Eingehungsbetruges keine hinreichend klaren Kriterien vorgegeben, in welchen Fällen eine Vermögensgefährdung schon einen Vermögensschaden bewirkt, d.h. welches Maß diese erreichen muss, damit sie schadensbegründenden Charakter hat. Jede kleinste Gefahr nicht äquivalenter Kompensation der durch die Vermögensverfügung bewirkten Vermögensminderung führt im Falle der Vorleistungspflicht des Getäuschten zwar zu einer nach der Gesamtsaldierung verbleibenden Vermögensminderung auf Opferseite, kann aber für die Annahme eines Vermögensschadens jedenfalls allein nicht genügen. Feste Abgrenzungskriter