Tasuta

Die Äbtissin von Castro

Tekst
Autor:
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

‚Man möchte glauben, sie erkenne mich‘, dachte Saint-Ismier. Und dann: ‚Ich bin nicht goldbestickt wie der junge Mann, den ich erstochen habe; er war neueste Pariser Mode. Aber vielleicht gefällt ihrem guten Geschmack meine einfache Eleganz.‘ Er fühlte sich von Respekt ganz durchdrungen.

„Das Dunkel war nicht günstig, Madame. Es ließ mir aber mein kaltes Blut. Erlauben Sie mir, daß ich meine Entschuldigungen wiederhole für die schrecklichen Ungelegenheiten, in die Sie mein Unglück gebracht haben.“

„Sie erlauben, Herr Chevalier, daß alles, was Sie betrifft, auch von meiner Jungfer Alix gewußt wird. Sie hat viel Menschenverstand, alles Vertrauen meiner Mutter und ihr Rat wird uns nützlich sein – Sie erlauben?“

Alix hatte mehrere Kerzen angezündet. Nun nahm sie auf ein Zeichen ihrer Herrin auf einem Stuhl neben dem Fauteuil Platz, in dem sich diese selbst niedergelassen hatte.

Die junge Dame schien Mißtrauen und Unruhe verloren zu haben. Sie begann die Unterhaltung damit, den Chevalier aufzufordern, seine Geschichte nochmals zu erzählen. Währenddem dachte Saint-Ismier:

‚Allem Anschein nach hat diese Demoiselle Alix großen Einfluß auf die Mutter der jungen Dame, die wünscht, daß die Mama alle Einzelheiten dieser Nacht aus dem Munde dieser Alix erfahre.‘

Aber etwas beunruhigte fortwährend den Chevalier: das schöne Mädchen machte ihrer Alix heimliche Zeichen.

‚Wär's möglich, daß diese Frauen mich verrieten? Daß sie, mich hier durch Erzählen festhaltend, nur die Wache erwarten, nach der sie meinetwegen geschickt haben? Komme, was mag – ich glaube, in meinem Leben habe ich keine schönere und eindrucksvollere Frau gesehen.‘

Der Verdacht des Chevaliers wuchs, als die junge Dame zu ihm mit einem unerklärlichen Lächeln sagte:

„Wollen Sie mit uns in eine ganz nahe Galerie treten, Chevalier?“

‚Weiß Gott,‘ dachte der Chevalier, ‚was für eine Gesellschaft uns in der Galerie erwartet! Ich hätte Lust, das Fräulein zu erinnern, was mir bevorsteht, wenn man mich ins Gefängnis abführt.‘

So klug zu denken bringt nur ein Mann in großer Todesnot fertig; es auszusprechen, konnte er sich nicht entschließen; er fürchtete die Verachtung einer Dame dadurch zu riskieren, die ein so großartiges Wesen zeigte.

Alix öffnete die Tür. Der Chevalier bot der schönen Dame den Arm, deren Namen er noch immer nicht wußte. Man schritt über den Vorplatz der kleinen Marmorstiege. Alix drückte auf einen im Zierwerk der Wand verborgenen Knopf und man trat durch die sich öffnende Geheimtür in eine weitläufige Bildergalerie; der Chevalier packte fest seinen Degen.

„Hier wollen Sie sich versteckt halten so lange, bis meine Mutter sich über die Vorfälle dieser Nacht unterrichten konnte, die Sie zu uns geführt haben. Es ist angebracht, daß ich Ihnen sage, in welchem Hause Sie sich befinden. Ich bin Marguerite, Prinzessin de Foix. Die Leute des Herrn Rochegude werden es nicht wagen, hier einzudringen.“

„Es scheint mir ganz unmöglich, gnädiges Fräulein, daß der Chevalier mit Ihnen unter einem Dache wohne. Wird es bekannt, läßt es sich nicht mehr leugnen. Man muß eine Erklärung geben, und jede Erklärung ist tödlich für den Ruf eines jungen Mädchens, besonders wenn dieses Mädchen die reichste Erbin der Provinz ist.“

„Vor drei Jahren, Chevalier, verlor ich in der Bataille von ** meine beiden Brüder. Seitdem ist meine Mutter plötzlichen und sehr beunruhigenden Anfällen unterworfen. Wie heute nacht wieder. Ich weilte bei ihr, währenddem Sie in mein Zimmer dringen konnten auf so sonderbare Weise. Diese Galerie enthält nur mäßig merkwürdige Bilder. Ich bitte Sie, sehen Sie sich einige davon an.“

Der Chevalier blickte die Prinzessin an.

‚Sie ist verrückt,‘ dachte er, ‚wie schade.‘ Und er ging mit ihr ganz unter dem Eindruck dieser Meinung einige Schritte vor ein Bild.

„Hier sehen Sie einen jungen Krieger in einer heute nicht mehr üblichen Rüstung. Immerhin schätzt man das Bild des Malers.“

Der Chevalier stand versteinert vor Erstaunen: er erkannte in dem Bilde sein eigenes Porträt. Er blickte auf die Prinzessin, deren vornehm ernstes Wesen unverändert blieb, nichts verriet.

„Mir kommt vor,“ sagte er nach einer Weile, „als sähe ich in dem Bilde eine zufällige Ähnlichkeit mit mir.“

„Ich weiß nicht,“ sagte die Prinzessin, „aber dies ist das Konterfei des Raymond von Saint-Ismier, Fahnenjunker im Garderegiment. Vor vier Jahren wollte mein armer älterer Bruder, der Herzog von Condal, hier die Bildnisse aller jener Verwandten beisammen haben, deren Familien noch existierten. Du siehst, Alix, wie es wohl nicht unmöglich ist, daß meine Mutter einem unsrer Verwandten Asyl gewährt, dem Chevalier von Saint-Ismier, verfolgt wegen eines unverzeihlichen Verbrechens, eines Duells.“

Bei diesen Worten lächelte Marguerite zum erstenmal und mit entzückendem Zauber.

„Es soll alles geschehen, wie das gnädige Fräulein wünschen. Es geht natürlich nicht, die gnädige Frau Prinzessin, Ihre Mutter, nach der schrecklichen Nacht, die sie gehabt hat, aufzuwecken. Ich bitte das gnädige Fräulein, mir Befehle zu erteilen, aber nicht Ratschläge von mir zu verlangen.“

„Und ich verdürbe mir das außerdentliche Glück, das ich diesem Bildnis eines meiner Ahnen verdanke, wenn ich duldete, daß das, was das gnädige Fräulein einem leider sehr entfernten Verwandten schuldig zu sein glaubte, zu irgendeinem Schritt führte, den Mademoiselle Alix mißbilligt.“

„Ja, wenn Sie fortwollen,“ sagte Marguerite mit reizender Anmut, „dann bin ich hinsichtlich des Mittels in großer Verlegenheit. Das Haus hat einen Torwächter, einen alten Soldaten, der den pompösen Titel Gouverneur führt. Jeden Abend muß unser Gouverneur die äußeren Tore sperren und die Schlüssel verwahren. Die kleine Gartentür, durch die Sie gekommen sind, ist jetzt zu. Heut nacht um zwölf sah ich, wie unser Pförtner alle Schlüssel meiner Mutter brachte. Sie liegen auf einem kleinen Tisch neben ihrem Kamin. Alix, willst du von dem Tisch den Schlüssel holen, damit wir den Chevalier hinauslassen können?“

„Bei Madame der Prinzessin wachen vier, fünf Frauen,“ sagte Alix, „und den Schlüssel zu holen, wäre das Unklügste, was wir tun könnten.“

„Dann gib doch ein andres Mittel an, wie wir den Chevalier von Saint-Ismier, unsern Vetter, aus dem Hause bringen.“

Man besprach manches, ohne Erfolg. Da machte Alix, von den Einwendungen ihrer Herrin in die Enge getrieben, zum Schlusse eine Unklugheit.

„Sie wissen, gnädiges Fräulein, daß das Appartement des Herzogs von Condal unberührt und unbetreten ist. Bei einem Bette liegt, wie ich weiß, eine seidene Strickleiter, die vierzig Fuß lang sein muß. Sie ist leicht, und ein Mann kann sie unter dem Arm tragen. Auf dieser Leiter steigt der Herr in den Garten. Ist er einmal da und entdeckte man ihn auch im Garten, so ist die Sache schon weit weniger kompromittierend für Sie. Es gibt doch so viele Frauen im Hause! Am Ende des Gartens, gegen die kleine Kirche vom fleischgewordenen Worte zu, ist eine Stelle, wo die Mauer nicht höher ist als acht Fuß; im Garten gibt's allerlei Leitern. Der Herr kann leicht die Mauer hinaufkommen und auf der andern Seite dient ihm ein Stück der Strickleiter.“

Als die weise Alix mit ihrem Fluchtplan soweit war, lachte die Prinzessin hellauf.

AUS ITALIENISCHEN CHRONIKEN
ÜBERTRAGEN VON FRANZ BLEI

Ich kann mir denken, daß meine Zeitgenossen aus dem Jahre 1833 von den naiven und lebhaften Geschichten, die man hier in der Sprechweise einer Gevatterin wiedergegeben findet, wenig erbaut sein dürften. Mir liefert die Erzählung all dieser Prozesse und Hinrichtungen wahrhafte Daten über das menschliche Herz, über die man des Nachts im Postwagen gern nachdenkt. Es wäre mir viel lieber gewesen, ich hätte Geschichten von Liebeshändeln, Heiraten, klugen Erbschleichereien gefunden. Aber in solche Geschichten hätte, auch wenn ich deren gefunden hätte, die Eisenhand der Gerechtigkeit nicht hineingegriffen, und sie würden mir auch, fände ich welche, wenig vertrauenswürdig vorkommen. Immerhin sind gefällige Leute in diesem Augenblick bemüht, für mich derlei auszuforschen.

Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts hat die Eitelkeit, le desir de parestre, wie der Baron de Foeneste, sagt, in Frankreich einen dichten Schleier über das Tun der Menschen geworfen und insonders über die Motive des Tuns. In Italien ist die Eitelkeit von ganz andrer Art, dessen ich den Leser mit meinem Ehrenwort versichern kann; sie hat hier eine bedeutend geringere Wirkung. Man denkt im allgemeinen an den Nachbar nur, wenn man ihn haßt oder ihm nicht traut; Ausnahmen davon gibt es höchstens bei den drei oder vier großen Festen im Jahr; dann erzwingt sich jeder, der ein Fest gibt, sozusagen mathematisch des Nachbarn billigende Zustimmung. Es gibt da keine flüchtigen Nuancen, die man in jeder Viertelstunde des Lebens mit tödlicher Unruhe im Fluge sich erhascht und merkt. Man sieht hier keines jener unruhigen und magern Gesichter, durch welche alle Ängste einer stets leidenden Eitelkeit blicken, keines dieser Gesichter à la Vixault, Deputierter des Herault im Jahr 1833.

Diese italische Eitelkeit ist so sehr verschieden und so sehr viel schwächer als unsere französische, und dies hat mich darauf geführt, die nachfolgenden Klatschgeschichten abschreiben zu lassen. Meine Vorliebe für diese Geschichten dürfte jeden meiner französischen Zeitgenossen spaßig und gesucht vorkommen, die gewohnt sind, ihr literarisches Vergnügen und das Abbild des menschlichen Herzens in Werken wie denen der Herrn Villmain und Delavigne zu suchen. Dessen bin ich sicher, daß das heutige England, Deutschland und Frankreich viel zu zerfressen sind von Affektiertheit und aller Art Eitelkeit, als daß sie imstande wären, ein so scharfes Licht in die Tiefen des menschlichen Herzens zu werfen, wie es diese alten italienischen Berichte tun.

 

Ich muß gestehen, daß ich sehr wenig neugierig bin auf die Denk- und Lebensgewohnheiten der Bewohner von Ceylon oder von Neu-Holland. Diese Völker sind allzuverschieden von den Menschen, die meine Freunde und Nebenbuhler waren. Sie bringen mich zum Gähnen wie die Achille, und Agamemnone und die Helden Racines: ich kenne diese Herrschaften nicht. Aber ich schmeichle mir, die Franzosen und die Italiener meiner Zeit zu kennen; ich liebe das, was das Herz des Menschen darstellt, aber des Menschen, den ich kenne.

Rom, Palazzo Cavalieri

24. April 1833.

Man wird in dem Folgenden keine komponierten Landschaften finden, sondern wahrhafte Naturansichten. Die Wahrheit muß hier für alle sonstigen Vorzüge stehen; aber wir leben in einer Zeit, der die Wahrheit nicht genügt und die sie nicht genug pikant findet. Die sich in dieser Verfassung Geistes befinden, denen rate ich, jede Woche nur eine der folgenden Geschichten zu lesen, deren Sprache ich liebe; es ist die des Volkes, voller Pleonasmen und alle schrecklichen Dinge bei ihrem schrecklichen Namen nennend. Aber gerade dadurch schildert der Erzähler unbewußt sein Jahrhundert und dessen gemeinübliche Denkweise.

Die mehreren dieser Geschichten sind wenige Tage nach dem Tode der armen Teufel niedergeschrieben worden, von denen sie Bericht geben. Meine Korrekturen versuchten, die Sprache etwas weniger dunkel zu machen, damit ich nicht schon beim dritten Lesen die Geduld verliere. Es ist ja überhaupt die Dunkelheit ein großer Fehler des Italienischen oder vielmehr der acht oder zehn italienischen Sprachen, von denen keine ihre Rivalinnen besiegt hat, so wie die Sprache von Paris die Montaignes getötet hat. So sagt man in Rom: vi vedrò domani al giorno, was in Florenz kein Mensch verstünde. Ich persönlich läse lieber eine Geschichte in englischer als in italienischer Sprache, sie wäre mir deutlicher.

Nur ein Volk, in dem die Stärke des unmittelbaren Eindruckes, wie in Neapel, und die Stärke der vom Geiste ohne Pause geförderten Leidenschaft, wie in Rom, so bedeutend war, vermochte es, in solch hohem Maße Affektiertheit und Eitelkeit zu unterdrücken oder auszuschalten. Ich bin nicht sicher, ob man außerhalb Italiens – und Spaniens vor der Unnatur des 19. Jahrhunderts – eine Epoche fände, kultivierter und interessanter als die der Riccaras, von denen Franklin berichtet, und doch wieder so sehr ohne Eitelkeit, daß das menschliche Herz fast bloß liegt. In diesem Jahre 1833 kann ich feststellen, daß man in Frankreich und besonders in England Totschlag vorwiegend des Geldes wegen begeht. Aber von den beiden armen Teufeln, die vorgestern hier hingerichtet wurden, hat der dreiundzwanzigjährige Vivaldi seine Frau umgebracht, weil er eine andere liebte, und der zweite, siebenundzwanzigjährig, hatte aus politischen Gründen einen Arzt erschossen, der wahrscheinlich ein Vaterlandsverräter war. Von Geldinteressen keine Spur.

Rom, 15. Mai 1833.

DER KARDINAL ALDOBRANDINI

I

Paolo Santacroce, ein römischer Edelmann aus Fano, war wiederholt mit Bitten in seine Mutter gedrungen, sie solle ihn zum gesetzlichen Erben ihres Vermögens einsetzen. Da sie sich dessen weigerte, beschloß er, sie ums Leben zu bringen. In solcher Absicht schrieb er an seinen älteren Bruder Onofrio Marchese von Oriolo, der damals von Rom abwesend war, ihre Mutter beflecke durch ihre Ausschweifungen die Ehre ihres edlen Hauses und daß sie derzeit schwanger sei. In Wahrheit war die arme Frau wassersüchtig, wie sich nach ihrem Tode herausstellte. Onofrio schrieb seinem Bruder zur Antwort, er solle tun, was ein Edelmann seiner Ehre schuldig sei. Daraufhin erdolchte Paolo seine Mutter und floh nach Neapel, wo er bald darauf den Tod fand.

Diesem Verbrechen Pardon zu geben schien der Papst gar nicht geneigt, zumal kurz vorher der Brudermord des Marc Anton Massimi sich ereignet hatte und der Prozeß der Cenci wegen Vatermordes im Gange war. Papst Clemens VII. befahl strenge Untersuchung, zumal der Hauptschuldige fehlte; man fand die beiden Briefe der Brüder und alsbald wurde Onofrio verhaftet, gerade als er auf dem Grundstück der Orsini dem Ballspiel oblag.

Als des Papstes Neffe, der Kardinal Aldobrandini, von dieser Verhaftung hörte, gab er dem Monsignore Taverna, Gouverneur von Rom, den Auftrag, sich persönlich des Prozesses anzunehmen und versprach ihm durch Verwendung bei seinem Onkel den Kardinalshut, wenn es ihm gelänge, gegen Onofrio ein Todesurteil zu erreichen. Es tut aber selber Hut mehr Wirkung auf die römischen Prälaten als die Farbe des Goldes auf die Augen der Banditen. Der Monsignore Taverna tat getreu, wie ihm aufgetragen.

Solange das Verhör dauerte, wollte der Kardinal Aldobrandini ihm anwohnen, und war ihm da kein Tag zu heiß und keine Mittagsstunde; also sah man ihn oft mitten im Juli sein Haus gegen die siebzehnte Stunde verlassen und sich nach dem Kerker von Tordi Nona begeben, woselbst er sieben und acht Stunden hintereinander blieb, um dem Verhör beizuwohnen. Selbes drehte sich immer um jene Briefstelle, in der Onofrio schrieb, sein Bruder möge tun, was die Ehre einem Edelmanne gebiete, und immer wieder wollte der Gouverneur wissen, was er mit diesen Worten gemeint habe. Verwirrt im Geiste durch das lange Verhör gab endlich Onofrio zu, daß er damit den Tod der Mutter gemeint und verlangt habe, auf daß der Flecken abgewaschen würde, mit dem die vermeinte Schwangerschaft des unglücklichen Weibes die Ehre seines berühmten Hauses befleckt habe.

Dieses Geständnis kostete ihm das Leben; er wurde zum Tode verurteilt und enthauptet.

Man sah eine große Dummheit darin, daß er dieses Geständnis gemacht hatte; denn hätte er erklärt, jene Stelle in dem Briefe bedeutete, daß der Eintritt jener unwürdigen Frau ins Kloster die Schmach abwasche, so hätte er damit nicht nur sein Leben gerettet, sondern Lob geerntet, zumal es nach den Gesetzen ritterlicher Ehre nicht zu den Pflichten des Sohnes gehört, Fehltritte der Mutter zu rächen, sondern nur solche der Gattin oder der unverheirateten Schwester.

Unter den Kardinälen, welche der Papst im Jahre 1604 ernannte, befand sich auch Monsignore Taverna. Er hätte seine Barretta im Blute des Onofrio Santacroce rot gefärbt, sagte man damals in Rom.

Es soll aber das Verlangen des Kardinals Aldobrandini nach der Verurteilung des Santacroce seinen Grund in der Nebenbuhlerschaft bei einer Dame gehabt haben, die er leidenschaftlich liebte und welche des Onofrio Geliebte gewesen sein soll. Von Aldobrandini hatte sie einen kostbaren Diamantring zum Geschenk erhalten, den die Dame wieder dem Onofrio schenkte, der mit dieser Gunst seiner Geliebten prahlte. Als er eines Tags den Kardinal begrüßte, legte er die Hand auf den Schlag der Sänfte, so daß der Diamant jenem in die Augen funkelte.

Man erzählt auch, daß Onofrio eines Nachts den Kardinal mit Faustschlägen angriff, als dieser gerade am Hause seiner Geliebten vorbeiging; und am andern Morgen sei er im Vorzimmer des Kardinals erschienen, um ihm seine Aufwartung zu machen, und tat so, als ob er ihn nicht erkannt hätte. Daher die Wut und Rache des Kardinals.

II

Unter dem Papste Clemens VII. war dessen Neffe, eben der genannte Kardinal Aldobrandini, mit der geistlichen und weltlichen Gerichtsbarkeit des Kirchenstaates betraut. Der Papst hielt streng darauf, daß unter seinem Pontifikat die Gesetze gerecht und genau befolgt würden, weshalb er auch seinen eignen Neffen mit diesem Vertrauensposten bekleidet hatte. Und es wurden auch in der Tat viele Schuldige bestraft, aber andere Verbrechen wieder blieben ungesühnt; so die Ermordung des römischen Ritters Girolamo Longobardi.

Dieses Longobardi Haupt fand man am Morgen des Karsamstag auf dem Petersplatz auf eine Lanze gespießt und daran einen Zettel mit dieser Aufschrift: „Du hast allzu tyrannisch regiert und was du andern antun wolltest, das hat man dir angetan.“

Man kannte nicht die Motive, welche den Kardinal Aldobrandini zum Todfeind dieses kaum zwanzigjährigen Longobardi machten, der von allen, die ihn kannten, so geliebt wurde wie gehaßt jener Kardinal, dem der Papst, da er ihn mit dem Purpur bekleidete, sagte: „Trachte, deine neue Würde nicht zu entehren, denn es wird dir, tust du Böses, nichts nützen, daß du mein Neffe bist.“

Longobardi hatte zur Geliebten eine junge Sängerin von großem Talente und von außerordentlicher Schönheit, namens Anna Felice Brocchi. Der Kardinal-Nepot hatte durch das Gerede bei Hofe und in der Stadt Talent und Schönheit der Sängerin rühmen hören. Eines Tages, als er an ihrem Hause vorbeiging, erblickte er sie am Fenster liegen und entbrannte allsogleich in heftiger Liebe zu ihr. Und suchte nach einem Mittel, ihr dies zu sagen. Da er sich aber von seinem Onkel überwacht wußte, mußte er hiebei mit äußerster Vorsicht zu Werk gehen. Er erfuhr, daß diese Brocchi dem Longobardi gehöre, den er haßte.

Die Sängerin hatte die Leidenschaft des Kardinals wohl bemerkt und fühlte seine Liebe, da er jeden Mittag an ihrem Hause vorbeiging, gerade zu der Zeit, wo sie zur Messe in Santa Maria della Pace zu gehen pflegte und wohin ihr der Kardinal folgte. Hier sah sie der Kardinal unausgesetzt zärtlich an und versuchte es, ihr durch bestimmte Zeichen seine Liebe bekannt zu geben.

Dieses Spiel währte eineinhalb Jahr, ohne daß Aldobrandini anders als durch Zeichen mit Anna Brocchi sprechen konnte.

Solches erzählte sie nun eines Tages alles dem Longobardi. Worauf dieser sagte, daß es wegen der Feindschaft zwischen ihm und dem Kardinal sehr übel ausgehen könnte; er empfahl ihr größte Zurückhaltung und den lügnerischen Versprechungen des Kardinals nicht zu glauben, vor allem aber, ihn nie bei sich zu empfangen. Auch nicht zu grüßen oder sonst zu beachten.

Longobardi, erregt von der Mitteilung und den Versprechungen Annas wenig trauend, ließ seine Geliebte durch Spione beobachten und ihr Haus bewachen, wovon allem Anna nichts merkte, da es mit großer Heimlichkeit geschah.

Und bald erfuhr der junge Edelmann durch seine Leute, daß die Liebe zwischen jenen beiden nicht nur nicht aufhörte, sondern täglich fester wurde. Um sich selber davon zu überzeugen, begab er sich am Sankt Matthäustage zur gleichen Zeit wie Anna Brocchi in die Kirche della Pace, wo er sich in einer Seitenkapelle verbarg, von der aus er alles genau sehen konnte, was sich zwischen der Sängerin und dem Kardinal begab. Und es blieben ihm keine Zweifel mehr, als die Brocchi, gefolgt vom Kardinal, die Kirche verließ und dieser sie lachend grüßte, was ihm die Sängerin mit einem Blick zurückgab, der deutlich genug war.

Der arme Longobardi lief wütend zu der Sängerin und machte ihr Vorwürfe wegen ihres von ihm doch verbotenen Kirchenbesuches und daß sie den Kardinal gegrüßt habe. Die Brocchi gab den Kirchenbesuch zu, leugnete aber, den Kardinal Aldobrandini da gesehen zu haben. Und fuhr trotz seiner Bitten fort, dieses zu behaupten, daß sie jenen weder gesehen noch gegrüßt habe. Da riß der Ritter Longobardi seinen Dolch heraus und bedrohte sie mit dem Tode, wenn sie nicht die Wahrheit sage. Da gestand die erschrockene Sängerin, den Kardinal gesehen und gegrüßt zu haben, aber dies nur in höflicher Antwort auf seinen Gruß und auf ganz übliche Weise. Sie habe anfangs dies nur geleugnet, weil sie so geringfügiger Ursache wegen keinen Streit zwischen den beiden Männern entfachen wollte.

Diese Antwort beruhigte etwas den jungen Edelmann, und er bat sie aufs neue, die Kirche della Pace nicht zu besuchen und den Kardinal nicht zu grüßen oder gar zu sprechen, denn anders würde es sie das Leben kosten, dessen könne er sie versichern. Und die Sängerin versprach, wenn auch sehr gegen ihren Willen, alles zu tun, wie er wünsche.

Aldobrandini vermißte zu wiederholten Malen die Sängerin in der Kirche und konnte sich den Grund ihrer unbegreiflichen Abwesenheit nicht erklären; er beschloß aber, auf das Geheimnis zu kommen; doch löste es sich ihm auf eine nicht erwartete Weise. Er erhielt von Anna Brocchi einen Brief, in dem sie ihm mitteilte, daß sie sich unter seinen Schutz stelle; er möge sie von Longobardi befreien, der sie mit grausamer Härte behandle. Der Kardinal war entrüstet über das, was er die Frechheit des Ritters nannte und ließ Anna sagen, daß er ihr ergeben sei und sich um nichts andres kümmere, als ihr zu dienen. Sofort suchte er nach einem Mittel, sich seines Rivalen zu entledigen. Alsbald fand man an jenem Ostersamstag das Haupt des Longobardi auf eine Lanze gespießt auf dem Petersplatze.

Der Verdacht richtete sich alsobald auf Aldobrandini, von dessen Besuch bei der Sängerin am selben Abende des Mordes man erfuhr. Und alle Welt wunderte sich über die geringe Tätigkeit, welche die Justiz in dieser Mordsache entfaltete, und über das Schweigen des Papstes in dieser Sache.

 

Den Kardinal sah man nun zu jederzeit in das Haus der Sängerin gehen, derart, daß es ein großes Ärgernis gab.

Umgeben von Kreaturen des Kardinals, konnte der Papst nichts wissen. Man pries ihm die Sittenstrenge seines Neffen, an die zu glauben ihn wohl auch seine verwandtschaftlichen Gefühle bewogen. Aldobrandini hätte sich auch fernerhin alles Vertrauen des Papstes, seines Onkels, erfreuen können, hätte diesen nicht ein Zufall mit dem Leben des allzuverliebten Kardinals bekannt gemacht.

Im Verlaufe eines Gespräches mit dem spanischen Gesandten beleidigte der Kardinal diesen auf das schwerste. Der Gesandte, ein Edelmann von feinstem Geiste, wollte die guten Beziehungen zwischen seinem Hofe und dem päpstlichen Stuhle von diesem Zwischenfall nicht trüben lassen und tat, als ob er die Beleidigung nicht merkte, bereitete aber im Geheimen seine Rache. Nun erfuhr er durch seine Leute von der Beziehung Aldobrandinis zur Sängerin Brocchi, der schamlosen Straflosigkeit des Kardinals und daß der Papst von den Schandtaten seines Neffen nichts wisse. Dieser pflegte die Sängerin unter den größten Vorsichtsmaßregeln gegen vier Uhr des Nachts zu verlassen; Diener und Wagen erwarteten ihn ein paar Schritte vom Hause entfernt um eine Straßenecke, wohin er sich immer zu Fuß begab. Der Gesandte schickte nun einen seiner Lakaien zu Anna Brocchi und ließ sie bitten, ob er an einem bestimmten Abend zu ihr kommen könne, sie singen zu hören. Er ließ ihr auch sagen, daß sie zu niemandem von dieser Einladung sprechen möge, damit daraus kein Gerede entstehe.

Die Sängerin war sehr geschmeichelt, von einer so hohen Persönlichkeit bemerkt worden zu sein, und gab ihre Zustimmung bereitwilligst.

An dem beschlossenen Abend schickte der Gesandte einige vertraute Diener voraus, die sich im Treppenhaus versteckt halten sollten. Alle waren mit großen Fackeln versehen, geschickt in besonders dazu gefertigten Gehäusen verborgen. Als nun Aldobrandini heimlich und leise seine Schöne verließ, hielten ihm die Kerle des Gesandten ihre leuchtenden Fackeln ins Gesicht, als Ehrengeleite, wie sie sagten. Der Kardinal, dem diese starke Beleuchtung gar nicht paßte, wollte die Leute wegschicken, aber sie blieben durchaus und geleiteten den Kardinal, der, so gut er konnte, mit seinem Mantel sein Gesicht verhüllte, bis an seinen Wagen.

Die Geschichte wurde bald bekannt und kam endlich auch zu den Ohren des Papstes, der alles zu wissen begehrte. In großem Zorne entzog er seinem Neffen sein Vertrauen, entkleidete ihn seiner Ämter und Titel und verbot ihm, jemals mehr vor seinen Augen zu erscheinen, falls er nicht auch des Purpurs verlustig gehen wolle; denn es blieb dem Papste kein Zweifel mehr, daß Aldobrandini auch an der Ermordung jenes Longobardi schuldig war.