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Die Äbtissin von Castro

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Der Graf blieb in Florenz und kehrte gar nicht mehr auf seine Güter zurück; er war neugierig, zu erfahren, was eigentlich im Kloster von Santa Riparata vor sich ging. Einige Kundschafter, die ihm die Polizei des Fürsten beistellte, in der Nähe des Klosters und rings um die unermeßlich großen Gärten postiert, die es beim Tor, das nach Fiesole führt, besitzt, hatten ihm bald alles, was er zu wissen wünschte, mitteilen können: Roderigo L**, einer der reichsten und lüderlichsten Jungen der Stadt, war Felizias Liebhaber, und ihre vertraute Freundin, die sanfte Rodelinde, war die Geliebte Lancelotto P***s, eines jungen Mannes, der sich in den Kriegen, die Florenz gegen Pisa führte, sehr ausgezeichnet hatte. Diese jungen Leute hatten große Schwierigkeiten zu überwinden, um in das Kloster einzudringen. Die Strenge war verdoppelt worden, oder vielmehr, die alte Freiheit war seit der Thronbesteigung des Großherzogs Ferdinand vollkommen unterdrückt worden. Die Äbtissin Virgilia wollte die Ordensregel in ihrer ganzen Strenge durchführen lassen, aber ihre Einsicht und ihr Charakter entsprachen diesen guten Absichten nicht, und die Kundschafter des Grafen berichteten ihm, daß kaum ein Monat verginge, ohne daß es Roderigo, Lancelotto und noch zwei oder drei junge Leute, welche Beziehungen im Kloster hatten, dahin brachten, ihre Geliebten zu sehen. Die Unermeßlichkeit der Gärten des Klosters hatte den Bischof genötigt, nur die Existenz von zwei Türen zu dulden, die auf den weiten Raum hinter der Schutzmauer im Norden der Stadt führten. Die pflichtlosen Nonnen – und diese bildeten weitaus die Mehrheit im Kloster – kannten diese Einzelheiten nicht mit solcher Gewißheit wie der Graf; aber sie vermuteten sie und nutzten die Existenz solchen Mißbrauchs, um den Maßnahmen der Äbtissin nicht zu gehorchen, wenn es ihnen nicht paßte.

Es war dem Grafen klar, daß es nicht leicht sein würde, die Ordnung in diesem Kloster wiederherzustellen, so lang eine solch schwache Frau wie die Äbtissin Virgilia es leitete. Er sprach in diesem Sinne zum Großherzog, der ihn zur äußersten Strenge aufforderte, aber gleichzeitig nicht im geringsten gewillt zu sein schien, seiner ehemaligen Freundin den Kummer anzutun, sie wegen Unfähigkeit in ein andres Kloster zu versetzen.

Der Graf kehrte nach Santa Riparata zurück, ganz entschlossen, äußerste Strenge anzuwenden, um sich so bald wie möglich der Last zu entledigen, die er unvorsichtiger Weise auf sich genommen hatte. Felizia ihrerseits war noch gereizt über die Art, wie der Graf zu ihr gesprochen hatte, und fest entschlossen, die nächste Zusammenkunft auszunützen, den Ton wieder zu finden, der für den hohen Adel ihrer Familie und für die Stellung passend war, die sie in der Gesellschaft einnahm. Bei seiner Ankunft im Kloster ließ der Graf unverzüglich Felizia rufen, um sich des heikelsten Teils seiner Arbeit gleich zu entledigen. Felizia kam, schon vom lebhaftesten Zorn bewegt, in das Sprechzimmer, aber der Graf fand sie sehr schön; er war feiner Kenner in diesen Dingen. ‚Bevor wir dieses prachtvolle Antlitz verstören,‘ sagte er sich, ‚lassen wir uns Zeit, es gut anzuschauen.‘ Felizia bewunderte unwillkürlich den verständigen kalten Ton dieses schönen Mannes, der in seinem vollständig schwarzen Kostüm, das er für die Funktion im Kloster schicklich fand, wirklich bemerkenswert aussah. ‚Ich glaubte, weil er über fünfunddreißig Jahre ist,‘ sagte sich Felizia, ‚daß er ein lächerlicher Alter sein würde, wie unsere Beichtväter, aber ich finde statt dessen einen Mann, der wirklich dieses Namens würdig ist. Er trägt freilich nicht die auffallenden Kleider, die einen großen Teil der Verdienste Roderigos und vieler junger Leute, die ich gekannt habe, ausmachten; in der Menge der Goldstickerei und des Samtes ist er ihnen sehr untergeordnet; aber wenn er wollte, könnte er in einem Augenblick über diese Art des Verdienstes verfügen, während die andern, denke ich, recht viel Mühe hätten, die kluge, verständige und wirklich interessante Unterhaltung des Grafen Buondelmonte nachzuahmen.‘ Felizia legte sich nicht genau Rechenschaft ab, was es war, das diesem großen, in schwarzem Sammet gekleideten Mann, mit dem sie sich schon seit einer Stunde von den verschiedensten Dingen unterhielt, einen eigenartigen Ausdruck gab.

Obgleich er mit Sorgfalt alles vermied, was sie hätte reizen können, war der Graf weit davon entfernt, ihr in allem nachzugeben, so wie es nacheinander die Männer getan hatten, welche diesem schönen stolzen Mädchen näher getreten waren, von dem bekannt war, daß es Liebhaber habe. Weil der Graf gar keine Absichten hatte, war er einfach und natürlich mit ihr, nur hatte er bis dahin vermieden, die Dinge, die ihren Zorn erregen konnten, näher zu besprechen. Trotzdem war es notwendig, zu den Forderungen der stolzen Nonne zu kommen; man hatte bereits von der Unordnung im Kloster gesprochen.

„In der Tat, Signora, was hier alles in Aufruhr versetzt, ist die in gewisser Hinsicht ja vielleicht gerechtfertigte Forderung, zwei Kammerfrauen mehr als die andern zu haben, welche eine der bemerkenswertesten Persönlichkeiten des Klosters stellt.“

„Was hier alles in Aufruhr versetzt, ist die Charakterschwäche der Äbtissin, welche uns mit einer gänzlich neuen Strenge behandeln will, von der man niemals einen Begriff gehabt hat. Es kann ja sein, daß es Klöster gibt, wo die Mädchen wirklich fromm sind, die Zurückgezogenheit lieben und davon geträumt haben, wirklich die Gelübde der Armut, des Gehorsams und dergleichen zu erfüllen, die man ihnen mit siebzehn Jahren abverlangt hat; was uns betrifft, haben uns unsre Familien hier untergebracht, um den ganzen Reichtum des Hauses unsren Brüdern zu lassen. Wir haben keine andre Berufung, als die Unmöglichkeit, zu entfliehn und anderswo als im Kloster zu leben, da unsre Väter uns nicht mehr in ihren Palästen aufnehmen wollen. Übrigens, als wir diese in den Augen der Vernunft so nichtigen Gelübde abgelegt haben, waren wir alle ein oder mehrere Jahre Pensionärinnen im Kloster gewesen und jede von uns nahm an, den gleichen Grad von Freiheit genießen zu dürfen, den wir damals an den Nonnen sahen. Und ich versichere Ihnen, Herr Vikar des Fürsten, die Türe der Mauer war bis Tagesanbruch offen und alle diese Damen sahen ihre Freunde unbehindert im Garten. Niemand dachte daran, diese Art des Lebens zu tadeln und wir alle glaubten, wenn wir erst Nonnen wären, ebensoviel Freiheit und ein ebenso glückliches Leben zu genießen, wie diejenigen unsrer Schwestern, denen der Geiz unsrer Eltern erlaubt hatte, zu heiraten. (In der ersten Unterhaltung hatte sie ihm ihr Verhältnis zu Roderigo und ihre andern Liebschaften – es waren drei – gestanden.) Es ist wahr, alles ist verändert, seit wir einen Fürsten haben, der fünfundzwanzig Jahre seines Lebens Kardinal war. Herr Vikar, Ihr könnt in dieses Kloster Soldaten oder sogar Dienerschaft, wie Ihr es neulich getan habt, eintreten lassen. Sie werden uns Gewalt antun, wie Eure Diener meinen Frauen Gewalt angetan haben, und das aus dem würdigen und einzigen Grund, weil sie die Stärkeren waren. Aber Euer Stolz darf nicht glauben das geringste Recht über uns zu haben. Wir sind mit Gewalt in dieses Kloster gebracht worden, man hat uns Eide und Gelübde im Alter von sechzehn Jahren mit Gewalt abgezwungen und endlich ist auch die langweilige Art des Lebens, der Ihr uns unterwerfen wollt, nicht im geringsten die, welche wir an den Nonnen dieses Klosters sahen, zur Zeit als wir die Gelübde ablegten. Selbst wenn man diese Gelübde als gesetzmäßig anerkennen wollte, haben wir doch höchstens versprochen, so zu leben wie sie, und Ihr wollt uns leben lassen, wie sie niemals gelebt haben. Ich muß Euch gestehen, Herr Vikar, daß ich Wert auf die Achtung meiner Mitbürger lege. In den Zeiten der Republik hätte man diese unwürdige Unterdrückung nie geduldet, die an jungen Mädchen begangen wird, die nie andres Unrecht getan haben, als daß sie in wohlhabenden Familien geboren sind und Brüder haben. Ich habe die Gelegenheit gewünscht, diese Dinge in der Öffentlichkeit oder wenigstens zu einem verständigen Menschen zu sagen. Was die Zahl meiner Frauen betrifft, liegt mir sehr wenig dran. Zwei und nicht fünf oder sieben würden mir reichlich genügen; ich könnte darauf bestehn, sieben zu verlangen, bis man sich die Mühe gegeben hat, den unwürdigen Betrug, dessen Opfer wir sind, abzustellen, wovon ich Ihnen jetzt einiges mitgeteilt habe; doch weil Euer Anzug aus schwarzem Sammet Euch sehr gut steht, Herr Vikar des Fürsten, erkläre ich Euch, daß ich für dies Jahr auf das Recht verzichte, so viele Dienerinnen zu haben, wie ich bezahlen könnte.“

Graf Buondelmonte ward sehr ergötzt durch diese Aufständigkeit; er ließ sie andauern, indem er die lächerlichsten Einwände machte, die ihm nur einfallen mochten. Felizia antwortete mit entzückendem Feuer und Geist. Der Graf sah in ihren Augen das ganze Staunen, das dieses junge Mädchen von zwanzig Jahren empfand, als sie solche Albernheiten aus dem Mund eines scheinbar verständigen Mannes hörte.

Der Graf verabschiedete sich von Felizia und ließ die Äbtissin rufen, der er weise Ratschläge gab; er berichtete dem Fürsten, daß die Unruhen im Kloster von Santa Riparata beigelegt wären, erhielt viel Lobsprüche für seine tiefe Weisheit und kehrte endlich auf seine Ländereien zurück. Aber öfters sagte er sich: ‚Es gibt also ein junges Mädchen, das wohl für das schönste Frauenzimmer der Stadt gelten würde, wenn es in der Welt lebte, und das nicht ganz wie eine Puppe urteilt.‘

Doch im Kloster fanden große Ereignisse statt. Nicht alle Nonnen urteilten klar und scharf wie Felizia; aber fast alle jungen langweilten sich tödlich. Ihr einziger Trost war es, Karikaturen zu zeichnen und satirische Sonette auf einen Fürsten zu machen, der fünfundzwanzig Jahre lang Kardinal war und als er auf den Thron gelangte, nichts besseres zu tun wußte, als seine Geliebte nicht mehr zu sehen und sie in ihrer Eigenschaft als Äbtissin zu beauftragen, arme junge Mädchen zu ärgern, die der Geiz ihrer Eltern ins Kloster verstoßen hatte.

 

Wie wir schon gesagt haben, war die sanfte Rodelinde die vertraute Freundin Felizias. Ihre Freundschaft schien sich zu verdoppeln, seit Felizia ihr gestanden hatte, daß seit ihren Unterhaltungen mit dem Grafen Buondelmonte, diesem ältern Mann, der schon über sechsunddreißig Jahre zählte, ihr Geliebter Roderigo, um es kurz zu sagen, ihr sehr langweilig erschien. Felizia hatte sich in diesen ernsten Grafen verliebt; die endlosen Gespräche, die sie mit ihrer Freundin Rodelinde über diesen Gegenstand führte, zogen sich manchmal bis zwei Uhr, drei Uhr des Morgens hin. Nun sollte nach der Ordensregel des heiligen Benedikt, welche die Äbtissin in ihrer ganzen Strenge wieder einführen wollte, sich eine Stunde nach Sonnenuntergang jede Nonne in ihre Gemächer zurückziehn beim Ton einer bestimmten Glocke, welche die Retraite genannt wurde. Die gute Äbtissin, im Wunsche, ein gutes Beispiel zu geben, verfehlte nicht, sich beim Ton der Glocke in ihrem Zimmer einzuschließen und war des frommen Glaubens, daß alle Nonnen ihrem Beispiel folgten. Zu den hübschesten und reichsten dieser Damen gehörten die neunzehnjährige Fabiana, die vielleicht das leichtsinnigste Mädchen des ganzen Klosters war und ihre vertraute Freundin Celia; die eine wie die andre waren sehr in Zorn auf Felizia, welche sie, wie sie sagten, verachtete. Tatsache ist, daß Felizia, seit sie einen so interessanten Unterhaltungsstoff mit Rodelinde hatte, die Anwesenheit der andren Nonnen mit schlecht verhehlter oder vielmehr mit unverhüllter Ungeduld vertrug. Sie war die schönste, sie war die reichste, sie hatte unbestreitbar mehr Geist als die andern. Es hätte nicht einmal so viel gebraucht, um in einem Kloster, wo alles sich langweilte, einen großen Haß zu entzünden. In ihrem großen Leichtsinn erzählte Fabiana der Äbtissin, daß Felizia und Rodelinde manchmal bis zwei Uhr morgens im Garten blieben. Die Äbtissin hatte beim Grafen erwirkt, daß ein Soldat des Fürsten vor der Türe des Gartens, die auf die weite Fläche hinter der Nordmauer führte, Schildwache stand. Sie hatte ungeheure Schlösser an dieser Türe anbringen lassen und jeden Abend brachte als Abschluß des Tagewerks der jüngste Gärtner, der ein sechzigjähriger Greis war, den Schlüssel dieser Türe der Äbtissin. Sogleich schickte die Äbtissin eine alte, den Nonnen verhaßte Pförtnerin, um das zweite Schloß der Türe zu schließen. Trotz all dieser Vorsichtsmaßregeln war es ein großes Verbrechen in ihren Augen, bis zwei Uhr morgens im Garten zu bleiben. Sie ließ Felizia rufen und behandelte dieses stolze Mädchen, das jetzt die Erbin der ganzen Familie geworden war, in einer so hochfahrenden Weise, wie sie es sich vielleicht nicht erlaubt hätte, wäre sie nicht der Gunst des Fürsten sicher gewesen. Felizia war umso mehr verletzt durch die Bitterkeit dieser Vorwürfe, als sie ihren Geliebten Roderigo nur ein einziges Mal hatte kommen lassen, seit sie den Grafen kannte; und auch da nur, um sich über ihn lustig zu machen. In ihrer Entrüstung wurde sie beredsam, und wenn die gute Äbtissin sich auch weigerte, ihr die Angeberin zu nennen, gab sie doch Einzelheiten preis, mit deren Hilfe Felizia leicht erraten konnte, daß sie Fabiana diese Unannehmlichkeit verdanke.

Sogleich beschloß Felizia sich zu rächen. Dieser Entschluß gab ihrer von Unglück gestärkten Seele die ganze Kraft zurück.

„Wissen Sie, Mutter“, sagte sie zur Äbtissin, „daß ich einigen Mitleids würdig bin? Ich habe den Frieden der Seele völlig verloren. Nicht ohne tiefe Weisheit hat unser Gründer, der heilige Benedikt, vorgeschrieben, daß niemals ein Mann unter sechzig Jahren in unseren Klöstern eingelassen werden sollte. Der Herr Graf Buondelmonte, der großherzogliche Vertreter für die Verwaltung dieses Klosters, mußte lange Unterredungen mit mir haben, um mich von meinem törichten Einfall abzubringen, die Zahl meiner Kammerfrauen zu vermehren. Er besitzt Weisheit, er vereint einen bewundernswürdigen Geist mit einer unendlichen Klugheit. Ich bin mehr als es einer Dienerin Gottes und des heiligen Benedikt geziemt von diesen großen Eigenschaften des Grafen, unsres Statthalters getroffen worden. Der Himmel hat meine große Eitelkeit bestrafen wollen: ich bin sterblich verliebt in den Grafen; auf die Gefahr, meine Freundin Rodelinde zu entrüsten, habe ich ihr diese Leidenschaft gestanden, die ebenso verbrecherisch wie unfreiwillig ist; und weil sie mir Ratschläge gibt und mich tröstet, weil es ihr sogar manchesmal gelingt, mir Kräfte gegen die Versuchung des Bösen zu verleihen, ist sie zuweilen sehr lange bei mir geblieben. Aber immer geschah es auf meinen Wunsch: ich fühlte zu gut, daß ich, sobald Rodelinde mich verlassen haben würde, an den Grafen denken müßte.“

Die Äbtissin verfehlte nicht, eine lange Ermahnung an das verirrte Schaf zu richten und Felizia trug Sorge, Betrachtungen anzustellen, welche diese Sittenpredigt noch verlängerten.

Von nun an wurde die Langweile Felizias und Rodelindes durch den Plan einer Rache verjagt, der ihre ganze Zeit ausfüllte.

„Da Fabiana und Celia sich in hinterlistiger Absicht von der großen Hitze, die herrscht, im Garten erfrischt haben, ist es notwendig, daß die erste Zusammenkunft, die sie ihren Liebhabern gewähren, einen entsetzlichen Skandal verursache, der in dem Geist der ernsten Klosterdamen den auslöscht, welchen meine späten Spaziergänge im Garten verursacht haben. Am Abend des ersten Stelldicheins, das Fabiana und Celia Lorenzo und Pierantonio gewähren, müssen sich Roderigo und Lancelotto zuvor hinter den behauenen Steinen, die sich auf dem Platz vor der Türe unsres Gartens befinden, verbergen. Roderigo und Lancelotto sollen nicht die Liebhaber dieser Damen töten, aber sie sollen ihnen fünf oder sechs kleine Stiche mit ihren Degen verabreichen, so daß sie ganz mit Blut bedeckt sind. In diesem Zustand wird ihr Anblick ihre Geliebten beunruhigen, und diese Damen werden an ganz andere Dinge denken, als mit ihnen Liebenswürdigkeiten auszutauschen.“

Das Beste, was den beiden Freundinnen einfiel, um diesen heimtückischen Überfall zu veranstalten, war, daß Livia, die Kammerfrau Rodelindes, bei der Äbtissin um einen Monat Urlaub ansuchen sollte. Dieses sehr geschickte Mädchen wurde mit Briefen für Roderigo und Lancelotto ausgestattet. Sie überbrachte ihnen auch eine Summe Geldes, mit deren Hilfe sie Lorenzo und Pierantonio mit Spionen umgeben sollten.

‚Nun‘, dachte sie, ‚werden die Ereignisse, welche unsre – Rodelindes und meine – Rache herbeiführt, den liebenswürdigen Grafen wieder ins Kloster bringen. So werde ich den Fehler wieder gut machen, der mir unterlief, als ich zu rasch auf die Mädchen verzichtete, die ich in meinen Dienst nehmen wollte. Ich wurde, ohne es zu wissen, durch die Versuchung verführt, einem Manne, der selbst so verständig ist, verständig zu erscheinen. Ich bedachte nicht, daß ich ihm dadurch jede Gelegenheit, wiederzukehren, nahm, um sein Amt als Vikar in unsrem Kloster auszuüben. Daher kommt es, daß ich mich jetzt so sehr langweile. Diese kleine Puppe von einem Roderigo, die mich manchmal belustigte, erscheint mir jetzt vollkommen lächerlich, und durch meine Schuld habe ich diesen liebenswürdigen Grafen nicht wiedergesehen. Es ist nun an uns, an Rodelinde und mir, dahin zu wirken, daß unsre Rache eine solche Unordnung herbeiführt, daß seine Anwesenheit im Kloster oft notwendig wird. Unsre arme Äbtissin ist so wenig fähig, etwas geheimzuhalten, daß sie ihn wahrscheinlich auffordert, die Zusammenkünfte mit mir, die ich bei ihm erlangen werde, nach Möglichkeit einzuschränken und in welchem Fall diese ehemalige Geliebte des Großherzogs sich, wie ich nicht zweifle, die Mühe auflädt, diesem so sonderbaren und kalten Mann meine Erklärung zu übermitteln. Das wird eine komische Szene sein, die ihn vielleicht belustigt; denn, wenn ich mich nicht sehr täusche, läßt er sich nicht von allen Dummheiten zum Narren halten, die man uns predigt, um uns zu demütigen; nur hat er noch keine Frau gefunden, die seiner würdig wäre; und ich werde diese Frau sein oder das Leben dabei lassen.‘

Livia kam täglich, um Felizia und Rodelinde über die Vorbereitungen zum Angriff gegen die Geliebten Celias und Fabianas Bericht zu erstatten. Die Vorbereitungen dauerten nicht weniger als sechs Wochen. Es handelte sich darum, die Nacht zu erraten, welche Lorenzo und Pierantonio wählen würden, um ins Kloster zu kommen, und seit dem neuen Regiment, das sich mit viel Strenge ankündigte, verdoppelte sich die Vorsicht bei Unternehmungen dieser Art. Überdies stieß Livia bei Roderigo auf große Schwierigkeiten. Er hatte die Lauheit Felizias wohl bemerkt, und verweigerte schließlich rund heraus, sie an Fabiana und Celia zu rächen, wenn sie nicht einwilligte, ihn mit eigener Stimme zu einer schöneren Zusammenkunft zu bestellen. Aber Felizia, die ganz mit dem Grafen Buondelmonte beschäftigt war, wollte niemals darauf eingehen. „Ich begreife wohl,“ schrieb sie ihm in ihrer unvorsichtigen Offenheit, „daß man sich in die Verdammnis stürzt, um ein Glück zu genießen, aber sich zu verdammen, um einen ehemaligen Liebhaber, dessen Herrschaft beendet ist, wiederzusehen, ist etwas, das ich nie begreifen werde. Immerhin könnte ich wohl einwilligen, Euch noch einmal nachts zu empfangen, um Euch Vernunft hören zu lassen, aber es ist ja kein Verbrechen, was ich von Euch verlange. So könnt Ihr nicht übertriebene Forderungen stellen und Bezahlung begehren, als ob man von Euch verlangen würde, einen Unverschämten zu töten. Begeht nicht den Irrtum, den Liebhabern unsrer Feindinnen so ernste Wunden zuzufügen, daß sie verhindert wären, in den Garten zu kommen und all den Damen, die wir Sorge tragen werden, dort zu versammeln, als Schauspiel zu dienen. Ihr würdet dadurch unsrer Rache jeden Reiz nehmen und ich würde in Euch nur einen Leichtsinnigen sehen, der unwürdig ist, mir das geringste Vertrauen einzuflößen. Wißt nur, daß es besonders wegen dieses wesentlichen Fehlers ist, daß Ihr aufgehört habt, meine Freundschaft zu verdienen.“

Diese Nacht der Rache, die mit soviel Sorgfalt vorbereitet war, kam endlich heran. Roderigo und Lancelotto, von mehreren ihrer Leute unterstützt, belauerten während des ganzen Tages die Handlungen Lorenzos und Pierantonios. Durch deren Indiskretion erlangten sie die Gewißheit, daß die beiden in der folgenden Nacht das Ersteigen der Mauer von Santa Riparata versuchen würden. Ein reicher Kaufmann, dessen Haus neben der Wachstube lag, welche die Schildwache vor der Gartentüre der Nonnen beistellte, verheiratete an diesem Abend seine Tochter. Lorenzo und Pierantonio, als Domestiken eines reichen Hauses verkleidet, benutzten diesen Umstand, um gegen zehn Uhr abends der Wache ein Fäßchen Wein im Namen ihres Herrn darzubringen. Die Soldaten taten dem Geschmack Ehre an. Die Nacht war sehr dunkel, das Übersteigen der Klostermauer sollte gegen Mitternacht stattfinden; um elf Uhr abends sahen Roderigo und Lancelotto, die nahe der Tür versteckt waren, mit Vergnügen, wie die Schildwache der vorigen Stunde von einem halbbetrunkenen Soldaten abgelöst wurde, der nicht verfehlte, nach einigen Minuten einzuschlafen.

Im Inneren des Klosters hatten Felizia und Rodelinde gesehen, daß ihre Feindinnen Fabiana und Celia sich im Garten unter den nahe der Umfassungsmauer stehenden Bäumen versteckten. Ein wenig vor Mitternacht wagte Felizia, die Äbtissin zu wecken. Sie hatte nicht wenig Mühe, bis zu ihr zu gelangen; sie hatte deren noch mehr, um ihr die Möglichkeit des Vergehens, das sie ihr anzeigte, verständlich zu machen.

Und schließlich, nach einem Zeitverluste von mehr als einer halben Stunde, während deren letzten Minuten Felizia schon fürchtete, für eine Verleumderin gelten zu müssen, erklärte die Äbtissin: wenn selbst die Tatsache wahr sei, dürfte man einem Verbrechen nicht auch noch eine Verletzung der Regel des heiligen Benedikt hinzufügen. Und die Regel verbot ja durchaus, nach Sonnenuntergang den Garten zu betreten. Zum Glück erinnerte sich Felizia, daß man durch das Klosterinnere, ohne einen Fuß in den Garten zu setzen, auf das flache Dach eines kleinen niedrigen Gewächshauses gelangen konnte, das ganz in der Nähe der von der Schildwache bewachten Türe lag. Während Felizia damit beschäftigt war, die Äbtissin zu überzeugen, versuchte Rodelinde ihre alte Tante zu wecken, die sehr fromm und Unterpriorin des Klosters war.

Obwohl die Äbtissin sich bis auf die Terrasse der Orangerie mitziehen ließ, war sie weit entfernt davon, alles zu glauben, was Felizia ihr erzählte. Man kann sich nicht vorstellen, wie groß ihr Staunen, ihre Entrüstung, ihre Bestürzung war, als sie, neun oder zehn Fuß tiefer, zwei Nonnen bemerkte, welche sich zu dieser unerlaubten Stunde außerhalb ihrer Gemächer befanden; denn die vollkommen dunkle Nacht erlaubte ihr nicht gleich, Fabiana und Celia zu erkennen.

 

„Gottlose Mädchen,“ schrie sie mit einer Stimme, die gebieterisch sein sollte, „unvorsichtige Unglückliche! Dient Ihr so der göttlichen Majestät? Bedenkt, daß der große heilige Benedikt, Euer Beschützer, Euch von der Höhe des Himmels betrachtet und schaudert, da er Euch gegen sein Gesetz freveln sieht. Kehrt in Euch ein und, da die Nachtglocke seit langem geläutet hat, eilt in Eure Gemächer zurück und betet, in Erwartung der Buße, die ich Euch morgen früh auferlegen werde.“

Wer könnte die Bestürzung und den Kummer Celias und Fabianas schildern, als sie über ihren Köpfen, und so aus der Nähe die gebietende Stimme der gereizten Äbtissin hörten? Sie hörten auf zu sprechen und verhielten sich unbeweglich, als eine ganz andre Überraschung sowohl sie wie die Äbtissin traf. Diese Damen hörten kaum acht oder zehn Schritt entfernt auf der andern Seite der Tür den heftigen Lärm eines Degengefechts. Bald schlugen Schreie verwundeter Kämpfer herüber; einzelne von Schmerzen entpreßt. Welches Leid empfanden Celia und Fabiana, als sie die Stimmen Lorenzos und Pierantonios erkannten! Sie hatten Nachschlüssel zur Gartentür, sie stürzten sich auf die Schlösser, und obgleich die Türe ungeheuer war, hatten sie doch die Kraft, sie in ihren Angeln zu drehen. Celia, welche die stärkere und ältere war, wagte als erste aus dem Garten zu treten. Sie kehrte einige Augenblicke später zurück, ihren Geliebten, Lorenzo, mit ihren Armen stützend, der gefährlich verwundet zu sein schien und sich nur mit Mühe aufrecht halten konnte. Er ächzte bei jedem Schritt wie ein Sterbender, und wirklich, als er kaum zehn Schritt im Garten getan hatte, fiel er trotz der Anstrengungen Celias zu Boden und verschied alsbald. Celia, alle Vorsicht vergessend, rief ihn mit lauter Stimme an und warf sich schluchzend über seinen Körper, als er nicht mehr antwortete.

All das geschah ungefähr zwanzig Schritt von dem Dach der kleinen Orangerie entfernt. Felizia begriff sehr wohl, daß Lorenzo tot oder sterbend war und es würde schwer sein, ihre Verzweiflung zu schildern. ‚Ich bin die Ursache von all dem,‘ sagte sie sich, ‚Roderigo hat sich hinreißen lassen und wird Lorenzo zu Tode getroffen haben. Er ist von Natur grausam, und seine Eitelkeit verzeiht niemals die Wunden, die man ihr schlägt: in mehreren Maskenzügen wurden die Pferde Lorenzos und die Livreen seiner Leute schöner gefunden als seine eigenen.‘ Felizia stützte die vor Entsetzen fast ohnmächtige Äbtissin.

Einige Augenblicke später kehrte die unglückliche Fabiana, ihren Liebhaber Pierantonio stützend, in den Garten zurück; auch er war von tödlichen Stichen getroffen. Auch er war am Verscheiden, aber inmitten des allgemeinen Schweigens, das diese Szene des Entsetzens um sich gebreitet hatte, hörte man, wie er zu Fabiana sagte: „Es ist Don Cesare, der Malteser. Ich habe ihn wohl erkannt; aber wenngleich er mich verwundet hat, trägt auch er meine Zeichen.“

Don Cesare war der Vorgänger Pierantonios bei Fabiana gewesen. Diese junge Nonne schien jede Angst um ihren Ruf verloren zu haben: sie rief mit lauter Stimme die Madonna und ihre Schutzheilige zu Hilfe, sie rief auch ihre Kammerfrau, es kümmerte sie nicht, das ganze Kloster zu wecken; das kam daher, daß sie Pierantonio wirklich liebte. Sie wollte ihn pflegen, sein Blut stillen, seine Wunden verbinden. Diese wahrhafte Leidenschaft erregte das Mitleid vieler Nonnen. Man näherte sich dem Verwundeten, man eilte fort, um Binden zu holen. Er saß unter einem Lorbeerbaum und lehnte sich an ihn. Fabiana lag vor ihm auf den Knien und mühte sich um ihn. Er sprach noch gut und erzählte von neuem, daß es der Malteserritter Don Cesare war, der ihn verwundet hatte, – als er mit einem Male die Arme streckte und verschied.

Celia unterbrach die Verzweiflungsausbrüche Fabianas. Einmal des Todes Pierantonios gewiß, schien sie ihn vergessen zu haben und erinnerte sich nur noch der Gefahr, die sie und ihre teure Fabiana umgab. Diese war ohnmächtig auf dem Leichnam ihres Geliebten zusammengebrochen. Celia richtete sie halb auf und schüttelte sie heftig, um sie wieder zu sich zu bringen.

„Dein Tod und der meine sind gewiß, wenn du dich dieser Schwäche hingibst,“ sagte sie ihr mit leiser Stimme, indem sie den Mund an ihr Ohr preßte, um nicht von der Äbtissin gehört zu werden, die sie wohl unterschied, wie sie, an das Geländer des Daches gelehnt, kaum zehn oder zwölf Fuß über dem Garten stand: „Wach auf,“ sagte sie ihr, „denk an dein Heil und an deine Sicherheit! Du wirst viele Jahre in einein dunklen, ekelhaften Loch gefangen sein, wenn du dich jetzt noch länger deinem Schmerz überläßt.“

In diesem Augenblick näherte sich die Äbtissin, welche in den Garten hinabsteigen wollte, auf den Arm Felizias gestützt, den beiden unglücklichen Nonnen.

„Was Euch betrifft, Signora,“ sagte ihr Celia so stolz und fest, daß es selbst der Äbtissin Eindruck machte, „wenn Ihr den Frieden liebt und die Ehre des Klosters Euch teuer ist, so werdet Ihr zu schweigen wissen und nicht aus all dem einen Klatsch beim Großherzog machen. Auch Ihr habt geliebt, man glaubt allgemein, daß Ihr ehrbar gewesen seid und das verleiht Euch eine Überlegenheit über uns; aber wenn Ihr ein Wort von dieser Angelegenheit dem Großherzog sagt, wird sie bald das einzige Gespräch der Stadt bilden und man wird sagen: die Äbtissin von Santa Riparata, die in den früheren Jahren ihres Lebens die Liebe kannte, hat nicht genug Festigkeit, um die Nonnen ihres Klosters zu leiten. Ihr werdet uns verderben, Signora, aber Ihr werdet Euch selbst noch sicherer als uns verderben. Gesteht, Signora,“ sagte sie der Äbtissin, welche Seufzer und verwirrte Ausrufe und leise Schreie des Staunens ausstieß, „daß Ihr selbst in diesem Augenblick nicht wißt, was für Euer Heil und für das des Klosters zu tun ist!“

Und weil die Äbtissin verwirrt und stumm blieb, fügte Celia hinzu: „Vor allem müßt Ihr schweigen und sodann ist das Wichtigste, diese beiden Leichen sogleich von hier weit weg zu bringen, welche unser Verderben bedeuten, unsres und Eures, wenn man sie entdeckt.“

Die arme Äbtissin seufzte tief und war so verstört, daß sie nicht einmal zu antworten vermochte. Sie hatte nicht mehr Felizia neben sich, denn diese hatte sich klüglich entfernt, nachdem sie die Vorsteherin zu den beiden unglücklichen Nonnen hingeführt hatte, von denen sie unter keinen Umständen erkannt werden wollte.

„Meine Töchter, tut alles, was Euch notwendig, alles, was Euch passend erscheint,“ sagte endlich die unglückliche Äbtissin mit einer Stimme, die vor Schauder über die Lage, in der sie sich befand, ganz gebrochen war. „Ich werde unsre Schande verhehlen, aber wisset, daß die Augen der göttlichen Gerechtigkeit immer offen sind für unsre Sünden.“

Celia schenkte den Worten der Äbtissin gar keine Aufmerksamkeit.

„Wisset Schweigen zu bewahren, Signora, das ist alles, was man von Euch verlangt,“ wiederholte sie mehrere Male, indem sie sie unterbrach. Dann wandte sie sich an Martona, die Vertraute der Äbtissin, welche eben hinzutrat: „Helft mir, liebe Freundin! Es gilt die Ehre des ganzen Klosters, es gilt die Ehre und das Leben der Äbtissin, denn wenn sie spricht, verdirbt sie nicht nur uns; unsre edlen Familien werden uns nicht ungerächt verkommen lassen.“ Fabiana schluchzte auf den Knien, an einen Olivenbaum gelehnt, und war außerstande, Celia und Martona zu helfen.