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Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Dritter Teil

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Schloß Oranienburg

 
Noch ragt der Bau, doch auf den breiten Treppen
Kein Leben mehr, kein Rauschen seidner Schleppen,
Die alten Mauern stehen öd’ und leer,
’s sind noch die alten und – sie sind’s nicht mehr.
 

Die prächtige Havel, mit jener Fülle von Seen, die sie, namentlich um Potsdam herum, an ihrem blauen Bande aufreiht, ist, auf weite Strecken hin, wie ein Spiegel unserer königlichen Schlösser, deren Schönheit sie verdoppelt.

Aber nicht überall zeigt sie diese breite Pracht. Schlicht, schmal, ein Wässerchen nur, tritt sie aus dem Mecklenburgischen in die Mark, um dann, auf ihrem ganzen Oberlaufe, ein Flüßchen zu bleiben, das nicht Inseln leicht und frei wie schwimmende Blätter trägt, sondern sich teilen muß, um hier und dort ein Stückchen Land mit dünnem Arm zu umspannen. Nicht das Wasser der Herr und Sieger, sondern das Land.

So gibt sich die Havel bei Oranienburg, dem unsere heutige Wanderung gilt. Der Weg dahin führt uns, an Tegel vorbei, zunächst bis an den romantischen Sandkrug, wo die Stehkrippen von unseren zwei Braunen mit lebhaftem Prusten begrüßt werden. Der Sandkrug verdient den Beinamen „romantisch“, den wir ihm soeben gegeben, denn die Forsten, die ihn einfassen, sind fast der einzige Punkt noch in der Umgegend Berlins, darin sich ein Stückchen mittelalterlicher Wegelagerei erhalten hat, freilich von jener unpoetischeren Art, die statt des lauten Angriffs in Stahl und Eisen die Schoßkelle leise beschleicht und sich damit begnügt, statt der Hälse die Koffer abzuschneiden.

Sandkrug ist halber Weg. Noch eine anderthalbstündige Fahrt an Tannenholz und Dörfern vorbei und wir halten auf einem großstädtisch angelegten Platz, über dem sich eben der prächtigste Regenbogen wölbt. Das ist der Schloßplatz von Oranienburg. Das Wetter klärt sich auf; die Sonne ist da. Das Haus, das uns aufnehmen soll, verbirgt sich fast hinter den Lindenbäumen, die es umstehen, und erweckt, neben manchem anderen, unsere günstigsten Vorurteile auch dadurch, daß wir vernehmen, es sei Rathaus und Gasthaus zugleich. Wo Justiz und Gastlichkeit so nahe zusammen wohnen, da ist es gut sein. In alten Zeiten war das häufiger. Unsere Altvordern verstanden sich besser auf Gemütlichkeit als wir.

Die Luft ist warm und weich und ladet uns ein, unsern Nachmittagskaffee im Freien zu nehmen. Da sitzen wir denn auf der Treppe des Hauses, die sich nach rechts und links hin zu einer Art Veranda erweitert, und freuen uns der Stille und der balsamischen Luft, die uns umgeben. Die Kronen der Lindenbäume sind unmittelbar über uns, und so oft ein Luftzug über den Platz weht, schüttelt er aus dem dichten Blattwerk einzelne Regentropfen auf uns nieder. Zu unserer Linken, ziemlich in der Mitte des Platzes, ragt die Statue der hohen Frau auf, die dieser Stadt den Namen und, über einen allerengsten Kreis hinaus, ein Ansehen in der Geschichte unseres Landes gab. Dahinter, zwischen den Stäben eines Gittertors, schimmern die Bäume des Parks hervor, unmittelbar vor uns aber, nur durch die Breite des Platzes von uns getrennt, ragt der alte Schloßbau selbst auf, dessen Bild und dessen Geschichte uns heute beschäftigen soll.

Wir haben die Front des Schlosses in aller Klarheit vor uns, aber doch ist es nur die kleinere Hälfte, deren wir von unserem Platz aus ansichtig werden. Die Form des Oranienburger Schlosses in seiner Blütezeit war die eines lateinischen H, oder, mit anderen Worten, es bestand aus einem Haupt- oder Mittelstück (corps de logis), an das sich zwei Vorder- und zwei Hinterflügel lehnten. Die beiden Hinterflügel existieren noch, entziehen sich aber unserem Blick; von den Vorderflügeln wurde der eine (der rechts gelegene) durch Feuer zerstört.

Schloß Oranienburg, wenn wir diese Bezeichnung zunächst unterschiedlos und mit einer Art rückwirkender Kraft festhalten wollen, ist ein alter Schloß- und Burgbau, der sich an derselben Stelle, d. h. also auf der kleinen vor uns gelegenen Havelinsel, seit nah an siebenhundert Jahren erhebt. Wir haben hier, wie bei verschiedenen andern hohenzollerischen Schlössern, drei Epochen zu unterscheiden, drei Epochen, die sich in aller Kürze durch drei bestimmte Worte bezeichnen lassen: Burg, Jagdhaus, Schloß. Erst das „Schloß“ (wir werden bald sehen, aus welcher Veranlassung) empfing den Namen Oranienburg, während Burg und Jagdhaus den Namen Bötzow, d. h. den Namen jenes uralten wendischen Dorfes führten, den die vordringenden Deutschen bei ihrer Eroberung des Landes bereits vorfanden. Die Geschichte kennt also bis in die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts hinein nur eine „Burg Bötzow“, resp. ein „Jagdhaus zu Bötzow“; erst von den Tagen der Oranierin an, die hier ein „Schloß“, einen verhältnismäßig prächtigen Neubau, an alter Stelle erstehen ließ, existiert ein Oranienburg.

Burg und Jagdhaus Bötzow von 1200 bis 1650

Wann Burg Bötzow gegründet wurde, ist nicht genau ersichtlich, wahrscheinlich zwischen 1170 und 1200 von einem der unmittelbaren Nachfolger Albrechts des Bären. 1217 ist urkundlich von einer Feldmark zu Bötzow die Rede, aber freilich erst 1288 von einer Burg zu Bötzow. Nichtsdestoweniger ist der Schluß berechtigt, daß sie schon volle hundert Jahre früher existierte. Öfter genannt wird die Burg zu den Zeiten des Markgrafen Waldemar; Leben und Farbe jedoch erhalten die Überlieferungen erst zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts während der Quitzow-Zeit.

Versuch ich es, in kurzen Zügen ein Bild jener Epoche zu geben?

1402 war Bötzow eine markgräfliche oder kurfürstliche Burg, die durch einen Burgvogt im Namen des Markgrafen Jobst von Mähren, oder vielleicht auch seines Statthalters, Günther von Schwarzburg, gehalten wurde. Das Elend des Landes stand damals auf seiner Höhe; wie ein hingeworfener Fetzen lag es da, von dem jeder Nachbar, ja jeder ehrgeizige Vasall im Lande selbst, glaubte nehmen zu dürfen, was ihm gut erschien. Sie hatten es samt und sonders leicht genug; um aber noch sicherer und bequemer zu gehen, vereinigten sie sich zu gemeinschaftlichen Angriffen, nachdem die Verteilung der Beute zuvor festgesetzt worden war. Im genannten Jahre (1402) kam es zu einer Art von nordischem Bündnis gegen die offen daliegende Mark, zu einer Ligue, die aus den Herzögen von Mecklenburg und Pommern, so wie aus den Ruppinschen Grafen bestand, deren Seele jedoch die Quitzows waren. Die letzteren, wiewohl selber Lehnsträger des Markgrafen, verfolgten, politisch genommen, den richtigen und gut zu heißenden Plan, sich in dem immer herrenloser werdenden Lande schließlich selber zum Herrn zu machen, und die Bündnisse, die sie schlossen, dienten ihnen nur als Mittel zum Zweck. Die Völker dieser Ligue fielen endlich in die Mark ein, sengten und plünderten, wohin sie kamen, erstürmten Burg Bötzow und legten an Stelle der märkischen nunmehr eine pommersche Besatzung in die Burg. Die Mark, nachdem die kurfürstliche Autorität durch diese Vorgänge, besonders aber infolge der Gefangennahme des Statthalters Günther von Schwarzburg (durch die Quitzows 1404) einen Schlag nach dem andern erfahren hatte, suchte endlich eine Aussöhnung mit ihren gefährlichsten Gegnern, den Quitzows, herbeizuführen und war in ihren Verhandlungen – vielleicht eben deshalb, weil die beiden Brüder ein eben so feines wie kühnes Spiel spielten – glücklich genug, diese selbst und ihren nächsten Anhang auf ihre Seite zu ziehen. Burg Bötzow wurde nun abermals gestürmt, diesmal von den Märkern, und die gefangenen Pommern im Triumph nach Berlin geführt. Eine Quitzowsche Besatzung, aber keine kurfürstliche, ward in die Burg gelegt.

Von da ab, auf fast zehn Jahre hin, blieb Bötzow eine Quitzowsche Burg, bis zum endlichen Untergang der Familie. In dieser Zeit wird die Burg vielfach genannt. Nach Burg Bötzow war es, wohin die Quitzows den Herzog Johann von Mecklenburg-Stargard (1407) als Gefangenen abführten, nachdem er zuvor in ihrer Burg Plaue gesessen hatte. In denselben Turm setzten sie vierzehn Monate später den Berliner Ratsherrn Nikolaus Wins, den sie, mit andern Berliner Bürgern, bei der Tegeler Mühle (3. September 1410) geschlagen hatten, und noch 1414, als der Stern des Hauses bereits im Niedergange stand, geschah es, daß ihr Hauptmann, Werner von Holzendorff, dem sie die Verteidigung der Burg anvertraut hatten, den Boten Kurfürst Friedrichs I., der die Aufforderung zur Übergabe brachte, in den Turm werfen und mit Ruten streichen ließ. Aber das war das letzte Aufflackern und das kecke, kriegerische Leben ging seinem Ende rasch entgegen. Klugheit und Politik traten an die Stelle der Sturmleitern, und ohne Schwertstreich hielten alsbald die Hohenzollern ihren Einzug. An die Zeit der Quitzows aber erinnert der „Quitzen-Steig“, der bei dem nahe gelegenen Havelhausen vorüberführt.

Von da ab ist die Geschichte Burg Bötzows stumm. Verpfändungen und Einlösungen folgten einander, bis endlich um 1550 die Burg selbst verschwindet und ein, „Jagdhaus“ an seine Stelle tritt. Aber auch über diesem Jagdhaus liegen Dunkel und Schweigen. Wir irren wohl nicht, wenn wir uns einen Bau mit Ecktürmen und gotischem Dache denken.18 Im übrigen ist kein Bild des alten kurfürstlichen Hauses auf uns gekommen, noch weniger ein Bericht von Vorgängen innerhalb seiner Mauern. Kurfürst Joachim gab den Spreeforsten den Vorzug und das Jagdhaus zu Bötzow kam, dem Favorit-Jagdschloß zu Cöpenick gegenüber, nur noch ausnahmsweise zu Ehren, wenn sich, zu dem Reize der Jagd überhaupt, auch noch der der Abwechselung gesellen sollte. Burg und Jagdhaus Bötzow sind spurlos verschwunden. Nur bei dem Umbau, dem, in jüngster Zeit erst, Schloß Oranienburg unterworfen wurde, stieß man auf gewölbte Feldstein-Fundamente, die zweifellos wohl der alten Zeit von Burg Bötzow angehörten und bei weiterer Nachforschung (die sich leider nicht ermöglichte) vielleicht einigen Aufschluß über die Vorgeschichte der Burg gegeben haben würden.

 

Schloß Oranienburg

So kam das Jahr 1650. Die Kurfürstin Luise Henriette, geborene Prinzessin von Oranien, seit dem 7. Dezember 1646 dem Großen Kurfürsten vermählt, pflegte ihren Gemahl auf seinen Jagdausflügen zu begleiten. Einer dieser Ausflüge führte das junge Paar im Laufe des Sommers 1650 auch in die Nähe von Bötzow, und hier war es, wo die junge Fürstin beim Anblick der lachenden Wiesen, die den Lauf der Havel einfaßten, sich lebhaft in die fruchtbaren Niederungen ihrer holländischen Heimat zurückversetzt fühlte und der Freude darüber den unverkennbarsten Ausdruck gab. Der Kurfürst, dessen Herz voller Liebe und Verehrung gegen die schöne, an Gaben des Geistes und Gemütes gleich ausgezeichnete Frau war, ergriff mit Eifer die Gelegenheit, ihr ein erneutes Zeichen dieser Liebe zu geben, und schenkte ihr das „Amt Bötzow mit allen dazu gehörigen Dörfern und Mühlen, Triften und Weiden, Seen und Teichen“. Die Schenkung wurde dankbar angenommen, und an die Stelle des alten Jagdhauses aus der Zeit Joachims II. trat jetzt ein Schloß, das im Jahre 1652, in Huldigung gegen die Oranierin, deren Eigentum und Lieblingssitz es inzwischen geworden war, den Namen „die Oranienburg“ erhielt. In kürzester Frist tat auch die zu Füßen des Schlosses gelegene Stadt ihren alten Namen Bötzow bei Seite und nahm den Namen Oranienburg an. Das Jahr 1650 (eigentlich 1652) bezeichnet also einen Wendepunkt. Bis dahin Burg und Stadt Bötzow, von da ab Schloß und Stadt Oranienburg.

Auch die Geschichte von Schloß Oranienburg, der wir uns jetzt zuwenden, sondert sich in drei Hauptepochen und zwar in die Zeit der Kurfürstin Luise Henriette von 1650-1667, in die Zeit ihres Sohnes, des ersten Königs, von 1688-1713 und in die Zeit des Prinzen August Wilhelm, von 1744-1758. Alles andere wird nur in Kürze zu erwähnen sein.

Die Zeit Luise Henriettens von 1650 bis 1667

Kaum war die Schenkungsurkunde ausgestellt, so begann auch die Tätigkeit der hohen Frau, die durch den Anblick frischer Wiesen nicht nur an die Bilder ihrer Heimat erinnert sein, die vor allem auch einen Wohlstand, wie ihn die Niederlande seit lange kannten, hier ins Dasein rufen und nach Möglichkeit die Wunden heilen wollte, die der dreißigjährige Krieg diesen schwer geprüften Landesteilen geschlagen hatte. Kolonisten wurden ins Land gezogen, Häuser gebaut, Vorwerke angelegt und alle zur Landwirtschaft gehörigen Einzelheiten alsbald mit Emsigkeit betrieben. Eine Meierei entstand und Gärten und Anlagen faßten alsbald das Schloß ein, in denen der Gemüsebau, die Baum- und Blumenzucht ebenso das Interesse der Kurfürstin wie die Arbeit der Kolonisten in Anspruch nahmen. Sie war eine sehr fromme Frau (ihr Leben und ihre Lieder zeugen in gleicher Weise dafür), aber ihre Frömmigkeit war nicht von der bloß beschaulichen Art und neben dem „bete“ stand ihr das „arbeite“. Mild und wohlwollend, wie sie war, duldete sie doch keine Nachlässigkeit, und in diesem Sinne schrieb sie z. B. am 27. April 1657 nach Oranienburg, daß es schimpflich für alle Beamten und geradezu unverantwortlich sei, daß in allen Gärten nicht so viel Hopfen gewonnen werde, wie zum Brauen erforderlich, und könne daran nichts als eine schändliche Faulheit die Schuld sein.

Eine Musterwirtschaft nach holländischem Vorbild sollte hier entstehen, aber die Hauptaufmerksamkeit der hohen Frau war doch dem Schloßbau, der Gründung eines Waisenhauses und der Aufführung einer Kirche zugewendet. Von dem Schloßbau werden wir ausführlicher zu sprechen haben; nur die Kirche sei schon hier in aller Kürze erwähnt. Mit großer Munifizenz ausgestattet, war sie nur wenig über hundert Jahre eine Zierde der Stadt. Im Jahre 1788 brannte sie nieder und nichts blieb übrig oder wurde aus dem Trümmerhaufen gerettet als ein kleiner Sandstein, der als einzige Inschrift die Buchstaben trägt: L. C. Z. B. G. P. V. O., A. MDCLVIII. (Luise, Kurfürstin zu Brandenburg, geborene Prinzessin von Oranien 1658.) Diesen Sandstein hat man bei Aufführung des kümmerlichen Neubaues, der seitdem an die Stelle der alten Kirche getreten ist, in die Außenwand, nahe dem Eingang, eingefügt. Insoweit gewiß mit Unrecht, als er nunmehr die irrige Vorstellung weckt, daß dieser Bau es sei, den die fromme Werktätigkeit der Kurfürstin habe entstehen lassen.

Waisenhaus und Kirche entstanden unter der christlichen Fürsorge Luise Henriettens, aber früher als beide entstand ihr Wohnsitz, das Schloß selber. Die Frage drängt sich uns auf: wie war dies Schloß? Es war, nach allgemeiner Annahme, ein drei Stock hohes, fünf Fenster breites Gebäude von Würfelform, das nur mittelst eines stattlichen Frontispizes den Charakter eines Schlosses erhielt. Dies Frontispiz war drei Fenster breit und vier Stock hoch, so daß es nicht nur das Hauptstück der ganzen Front bildete, sondern auch den übrigen Teil des Gebäudes turmartig überragte. Auf dem flachen Dache befand sich ein mit einer Galerie umgebener Altan, auf dem sich in der Mitte ein hoher und an jeder der vier Ecken ein kleinerer Turm erhob. Der Schloßhof war mit einem bedeckten Gange umgeben, auf dessen Plattform zur Sommerzeit zahlreiche Orangenbäume standen. So war Schloß Oranienburg in den Jahren, die seiner Gründung unmittelbar folgten. Nichts davon ist der Gegenwart geblieben, und wir würden, da keine gleichzeitigen Pläne und Beschreibungen existieren, darauf verzichten müssen, uns eine Vorstellung von dem damaligen Schlosse zu machen, wenn nicht in dem Waisenhause ein großes, für die Lokal-Geschichte Oranienburgs höchst wertvolles Gemälde existierte, das, früher den Prachtzimmern des Schlosses angehörig, jetzt dazu dient, uns, in Ermangelung jedes andern Anhaltepunkts, über die Gestalt der damaligen Oranienburg einen mutmaßlichen, wenn auch freilich immer noch sehr disputablen Aufschluß zu geben. Dies wandgroße Bild (etwa elf Fuß im Quadrat), von dem sich eine gleichzeitige Kopie als Plafond-Gemälde in einem der Säle des Schlosses befand, stellt, unter Benutzung der alten Dido-Sage, die Gründung Oranienburgs dar.

In der Mitte des Bildes erkennen wir das kurfürstliche Paar, angetan mit allen Abzeichen seiner Würde. Luise Henriette als Dido. Hinter dem Kurfürsten, den Speer in der Hand, steht der Oberst La Cave, während die Gräfin von Blumenthal, eine schöne, stattliche Dame, die Schleppe der Kurfürstin trägt. Weiter zurück, der Gräfin Blumenthal zunächst, erblicken wir den Oberjägermeister von Hertefeld und einen von Rochow. Die Angaben fehlen welchen. Alle die Genannten füllen die linke Seite des Bildes, während zur Rechten des Kurfürsten der Geheimrat Otto von Schwerin steht, in wenig schmeichelhafter Weise mit zurückgeschlagenen Hemdsärmeln und im günstigsten Fall in der Rolle eines behäbigen Gerbermeisters. Er hält eine Kuhhaut mit der Inschrift plus outre, „immer weiter“, in der Linken, während er mit der Rechten bemüht ist, die Haut in Streifen zu schneiden. Diese Streifen werden von drei oder vier geschäftigen Dienern zur Absteckung einer weiten, sich im Hintergrund markierenden Feldfläche benutzt, aus deren Mitte sich in grauweißer Farbe ein Schloß erhebt, nur skizziert, aber doch deutlich genug erkennbar, um ein verständliches, anschauliches Bild zu geben.19

Schloß Oranienburg, wie es jetzt vor uns liegt, zeigt nichts mehr von dem Bau, den ich vorstehend (S. 142) beschrieben habe. Weder Frontispiz noch Säulengänge, weder Altan noch Türme bieten sich zurzeit dem Auge dar, und die Umwandlung, die im Laufe von zwei Jahrhunderten erfolgt ist, ist eine so vollständige gewesen, daß es zweifelhaft bleibt, ob auch nur eine einzige Außenwand des oranischen Schlosses stehen geblieben und dem Neubau, der 1688 begann, zugute gekommen ist. Ein ähnliches Schicksal hat über allem gewaltet, was die fromme Kurfürstin hier entstehen ließ. Jegliches ging zugrunde, meist durch Feuer, und existiert nur noch dem Wort und Wesen, aber nicht mehr seiner ursprünglichen Form nach. Das Schloß, die Kirche, das Waisenhaus von damals, und wenn wir von einem, übrigens in seiner Echtheit ebenfalls anfechtbaren Porträt absehen, so findet sich an Ort und Stelle nichts mehr, was sich mit Bestimmtheit auf die Zeit der Oranierin zurückführen ließe. Das ihr seitens der Stadt errichtete Denkmal, eine Neu-Schöpfung, stammt erst aus dem Jahre 1858. Es ist ein überlebensgroßes Bildnis in Erz, aus der Hand Wilhelm Wolffs hervorgegangen, und führt die Inschrift: „Der hohen Wiederbegründerin dieser Stadt, Louise Henriette, Kurfürstin von Brandenburg, geb. Prinzessin von Oranien, zum dauernden Gedächtnis die dankbare Bürgerschaft Oranienburgs.“

Und dieser Dank war Pflicht. Was Luise Henriette schuf, es hat das Kleid gewechselt, aber die Dinge blieben und der Segen lebt fort.

Die Zeit Friedrichs III. von 1688-1713

Schloß Oranienburg war, wie wir es geschildert haben, ein Bau von mäßigen Dimensionen (nur fünf Fenster breit), als 1688, nach dem Tode des Großen Kurfürsten, der prachtliebende Friedrich III. zur Regierung kam. Es war eine Zeit für die bildenden Künste in unserem Lande, wie vielleicht keine zweite,20 zumal wenn man die verhältnismäßig bescheidenen Mittel in Anschlag bringt, die dem fürstlichen Bauherrn zur Verfügung standen. Schloß Köpenick, wo der Kurfürst die letzten Jahre vor seiner Thronbesteigung zugebracht hatte, wurde zuerst beendet; dann folgte mit einer Munifizenz, die noch weit über das hinausging, was in Köpenick geleistet worden war, der Ausbau des Oranienburger Schlosses. Ob der Kurfürst damals die Absicht hatte, das Schloß an der Ober-Havel zu seinem bevorzugten Aufenthalt zu machen, oder ob er seiner Stiefmutter, der holsteinschen Dorothea, in nicht mißzuverstehender Weise zeigen wollte, wie heilig, wie wert ihm die Schöpfung und Hinterlassenschaft seiner rechten Mutter sei, gleichviel, Schloß Oranienburg wuchs alsbald aus seiner engen Umgrenzung heraus und ein Prachtbau stieg empor, wie die Marken damals, mit alleiniger Ausnahme des Schlosses zu Cölln an der Spree, keinen zweiten aufzuweisen hatten. Von 1688 bis 1704 dauerte der Bau, und das Schloß nahm im wesentlichen die Gestalt und Dimensionen an, worin wir es noch jetzt erblicken. An ein reich ornamentiertes Mittelstück (corps de logis) lehnten sich zwei Vorder- und zwei Hinterflügel, zwischen denen ein nach einer Seite hin geöffneter Hofraum lag. Ganz wie jetzt. Am Ende jedes der vier Flügel erhob sich ein Pavillon und das corps de logis trug zwischen dem Dach und den Fenstern des dritten Stockes die Frontal-Inschrift: A Ludovica princip. Auriac. matre optima exstruct. et nom. gentis insignit. aedes Friedericus Tertius Elector in memoriam Parentis piissimae ampliavit, ornavit, auxit MDCXC. (Dies von der besten Mutter, der Prinzessin von Oranien, Luise, gebaute und durch den Namen ihres Geschlechtes ausgezeichnete Schloß hat der Kurfürst Friedrich III. zum Gedächtnis der frömmsten Mutter erweitert und geschmückt im Jahre 1690.) Diese Inschrift existiert noch.

 

Es kann nicht Zweck dieser Zeilen sein, mit Hilfe noch vorhandener Aufzeichnungen den Leser durch eine lange Reihe von Prachtzimmern und Galerien, von Sälen und Porzellan-Kabinetten zu führen, von denen, mit Ausnahme weniger Zimmer, die ich gegen den Schluß des Aufsatzes hin zu beschreiben gedenke, auch jede Spur verloren gegangen ist; nur einiges werde ich hervorzuheben haben, um wenigstens eine Andeutung von dem Reichtum zu geben, der innerhalb dieser Mauern heimisch war. In dem Treppenhaus, das fast die halbe Breite des corps de logis einnahm, sprang eine Fontaine und trieb den Wasserstrahl bis in das dritte Stock hinauf; die Treppe selbst aber war unten mit vier Jaspis- und weiter oben mit vier Marmorsäulen geschmückt. An der gewölbten Decke waren die vier Laster des Hofes: Gleisnerei, Verleumdung, Neid und Habsucht dargestellt, wie sie von eben so vielen Engeln aus dem Himmel gestürzt werden. Deckengemälde, zum Teil ähnlichen symbolischen Inhalts, zeigen sich in fast allen größeren Sälen. Im Vorzimmer des Königs befand sich an den Plafond gemalt, wie schon erwähnt, eine Kopie des großen Terwestenschen Bildes, während im sogenannten „Orangesaal“ ein anderes großes Deckengemälde die Verherrlichung des Oranischen Hauses symbolisch darstellte. In der Mitte desselben erblickte man eine weibliche Figur mit dem Oranischen Wappen und einem Orange-Bukett im Haar, während sie zugleich eine Schnur mit Medaillons in Händen hielt, wodurch die Geschlechtsfolge des Hauses Oranien veranschaulicht werden sollte. Neid und Verräterei mühen sich, die Schnur zu zerreißen, aber ein Blitzstrahl aus den Wolken fährt zwischen sie.

In demselben Saale befanden sich die Bildnisse der Fürsten von Oranien von 1382 ab, daneben aber das Porträt König Friedrichs I. selbst, mit dem bekannten Distichon als Unterschrift, durch das einst der Königsberger Dichter Bödecker die Geburt Friedrichs verherrlicht und seine künftige Königschaft vorhergesagt hatte:

 
Nascitur in Regis Friedericus Monte, quid istud?
Praedicunt Musae: Rex Friedericus erit.
 
 
(Königsberg heißt die Geburtsstadt des Prinzen Friedrich; was folgt draus?
Musen kündet es laut: König wird Friedrich uns sein.)
 

So waren Säle und Treppenhaus. Fast noch prächtiger war die Kapelle: die Wände waren mit Marmor bekleidet und die Decke mit Kirchenbildern geziert, während der Altartisch auf vier vergoldeten Adlern ruhte. Bischof Ursinus hielt hier 1704 die Einweihungsrede. Nun ist alles hin, alles verweht und zerstoben. Nur Orgel, Kanzel und königliche Loge existieren noch, sind aber nach Französisch-Buchholz hin verpflanzt worden und zieren dort die Kirche bis diesen Tag.

So war Schloß Oranienburg in den Tagen, die der oranischen Prinzessin unmittelbar folgten. Wir fragen weiter, wie war das Leben in diesen Räumen? Darüber liegen leider wenige Aufzeichnungen vor und wir müssen auf Umwegen und durch Schlüsse zu einem Resultat zu gelangen suchen. Daß der Kurfürst häufig hier verweilte, geht weniger aus der Reichtumsfülle hervor, mit der er das Schloß ausstattete (eine prächtige Ausstattung verrät noch keine persönliche Teilnahme, keine Herzensbeziehungen), als aus dem Eifer, mit dem er die Herrschaft Oranienburg zu erweitern und einige der im Umkreis gelegenen Dörfer in einen gewissen Einklang mit dem Schlosse selbst zu bringen suchte. Diese sorgliche Fassung, die er dem Edelsteine gab, bewies am besten, wie sehr er an demselben hing. So wurden Grabsdorf und Lehnitz, Kossebant und Perwenitz, vier in der Nähe befindliche Güter, angekauft und in Vorwerke oder Koloniedörfer umgewandelt. Grabsdorf erhielt ein Jagdschloß, das innerhalb seiner schmucklosen Mauern bis diesen Augenblick noch die eiförmigen Zimmer zeigt, die, nach damaliger Mode, ihm gegeben wurden. Dabei wurde der Name Grabsdorf, der an unbequeme Dinge erinnern mochte, beiseite getan und in „Friedrichsthal“ umgewandelt, unter welcher Bezeichnung Dorf und Jagdschloß bis diesen Tag noch vorhanden sind. Auch Kossebant verlor seinen alten Namen und trat die Erbschaft des vakant gewordenen Namens „Bötzow“ an. Das heutige Bötzow hat also nichts gemein mit Burg und Stadt Bötzow, die bis 1650 an Stelle des jetzigen Oranienburg zu finden waren, sondern ist ein in der Nähe gelegenes Dorf, das bis 1694 den Namen Kossebant führte.

Diese Neuschöpfungen, mit denen der Kurfürst Schloß Oranienburg umgab, beweisen genugsam, daß dies Havelschloß, dies Vermächtnis von der Mutter her, ein bevorzugter Aufenthalt des Kurfürsten und spätern Königs war, aber auch einzelne Berichte sind uns zur Hand, die uns, trotz einer gewissen Dürftigkeit der Details, den Kurfürsten (damals schon König) direkt an dieser Stelle zeigen. „Im Sommer 1708“, so erzählt Pöllnitz, „rieten die Ärzte dem Könige, das Karlsbad in Böhmen zu gebrauchen, wohin er sich im Laufe des Sommers auch wirklich begab.“ Vorher war er in Oranienburg und hatte auf dem dortigen Schlosse eine Zusammenkunft mit dem regierenden Herzog von Mecklenburg-Schwerin. Diese Zusammenkunft der beiden Fürsten war nicht ohne Bedeutung: sie hatte zunächst nur eine Erneuerung und Bestätigung des alten Erbfolgevergleichs im Auge, der im Jahre 1442, zu Wittstock, zwischen Friedrich II., dem Eisernen, und den Herzögen von Mecklenburg, geschlossen worden war, mußte aber natürlich, da man Gefallen an einander fand, einige Monate später die Schritte wesentlich erleichtern, die, im November 1708, zu einer dritten Vermählung des Königs, und zwar mit Luisa Dorothee, der Schwester des regierenden Herzogs von Mecklenburg führten. „Am 24. November“, so fährt unsere Quelle fort, „traf die neue Königin in Oranienburg ein und wurde daselbst vom Könige und dem ganzen Hofe empfangen. Nachdem die Vorstellung aller Prinzen und Prinzessinnen stattgefunden hatte, verließ man das Schloß und begab sich nach Berlin, wo am 27. desselben Monats die Königin ihren feierlichen Einzug hielt.“ Der König, trotz seiner Jahre, war anfänglich von der Königin bezaubert; keine Ahnung beschlich sein Herz, daß, vier Jahre später, dieselbe Prinzessin geistesgestört und wie eine Mahnung des Todes an ihn herantreten werde. Das war im Berliner Schloß, in den Januartagen 1713. Der König, krank schon, ruhte auf einem Armstuhl und war eben eingeschlummert, als er sich plötzlich angefaßt und aus dem Schlaf gerüttelt fühlte. Die geisteskranke Königin, die eine Glastür erbrochen hatte, stand weißgekleidet und mit blutenden Händen vor ihm. Der König versuchte sich aufzurichten, aber er sank in seinen Stuhl zurück. „Ich habe die weiße Frau gesehen.“ Wenige Wochen später hatte sich die alte Prophezeiung seines Hauses an ihm erfüllt. Nicht zu seinem Glück hatte die mecklenburgische Prinzessin das Land und, als erste Stufe zum Thron, die Marmortreppe von Schloß Oranienburg betreten.

18Dagegen spräche nur, daß es in der Lebensbeschreibung des berühmten Grafen Rochus von Lynar heißt: „Zu gleicher Zeit (etwa 1578 oder 1580) gab der Graf allerhand Verbesserungen an dem kurfürstlichen Schloß oder Jagdhaus zu Bötzow an.“ Diese Verbesserungen waren schwerlich im gotischen Stil.
19Pastor Ballhorn, in seiner trefflichen Geschichte Oranienburgs, hat dieser architektonischen Skizze des großen Bildes eine Beweiskraft beigelegt, die sie schließlich doch kaum besitzen dürfte. Pastor B. vermutet, daß das Bild zwischen 1653 und 1654 gemalt worden sei, was aber unmöglich ist, da der Holländische Maler, Augustin Terwesten, von dem es herrührt, erst 1649 geboren wurde. Augustin Terwesten (von 1696 ab Direktor der Akademie der Künste) kam 1690 nach Berlin, wohin er, vierzig Jahre nach der Gründung Schloß Oranienburgs, durch Kurfürst Friedrich III. gerufen wurde. Er begann damit, die kurfürstlichen Lustschlösser mit großen Tableaus zu schmücken, und da um 1690 Schloß Cöpenick bereits beendet und Schloß Charlottenburg noch nicht angefangen war, so ist es wohl möglich, daß er in den Sälen von Schloß Oranienburg debütierte, das eben damals einem Umbau im großen Stil unterworfen wurde. Da dieser Umbau jedoch im Jahre 1688 bereits seinen Anfang nahm, so ist es mindestens fraglich, ob Terwesten das ursprüngliche Schloß, wie es die Kurfürstin hier entstehen ließ, noch gesehen hat. Dennoch möcht’ ich auf diesen Umstand kein allzu bedeutendes Gewicht legen, da es, zwei Jahre nach dem Neu- und Umbau des Schlosses allerdings nicht schwer halten konnte, bei Malern und Architekten Auskunft darüber zu erhalten, wie denn eigentlich das Schloß der Oranierin gewesen sei, immer vorausgesetzt, daß dem Künstler daran gelegen war, über diesen Punkt zuverlässiges zu erfahren. Es ist aber sehr zweifelhaft, daß ihm daran lag. Denn wir dürfen nicht vergessen, daß er den Moment der Landesschenkung (1650) bildlich darzustellen hatte, also einen Moment, der dem Schloßbau um vier, mindestens aber um zwei Jahre vorausging. Er konnte sich also in seinem künstlerischen Gewissen nicht im geringsten gedrungen fühlen, ein Schloß in historischer Treue darzustellen, das 1650 noch gar nicht existierte, sondern erst 1654 fertig aus der Hand des Baumeisters hervorging.
20Die Zahl der Baumeister, Bildhauer und Maler belief sich damals im Brandenburgischen auf 143.