HIMMEL, HÖLLE ODER HOUSTON

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Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Wieder alles klar bei dir?«, fragte er. Seine braunen Augen, mit ihrem stechenden Blick ruhten auf mir, solange er sich nicht sicher war, ob ich mich nun einsichtig zeigen würde. Er war beileibe kein Schaumschläger.

»Ja, alles wieder klar.« Wir wussten natürlich beide, dass ich log.

»Achtung.« Die gereizte Stimme des Kapitäns durchbrach nun die kurzzeitige Stille. »Nehmen Sie bitte alle Platz. Ich kann nicht genau sagen, was gerade bei Ihnen vor sich geht, doch wir landen gleich, also rate ich Ihnen, sich hinzusetzen.«

»Gute Idee. Sir, lassen Sie sich von mir aufhelfen.« Higdon versuchte, den angetrunkenen Mann hochzuziehen.

»Pfoten weg! Ich schaffe das alleine, um Himmels willen. Ich bin doch kein armer Krüppel«, empörte sich der Gouverneur und tupfte seinen blutenden Mund mit einem Taschentuch ab. Nachdem er die Hilfe brüsk abgewiesen hatte, pflanzte er sich beschwerlich zurück in seinen Ledersitz, der jetzt über und über mit Whiskey besudelt war. Er bemühte sich, seinen Anzug glatt zu streichen und sich so etwas Würde zu bewahren, scheiterte aber in Beidem kläglich. Sein bestes Stück war weiterhin erigiert, während er damit fortfuhr, sich über das verquollene Gesicht zu wischen. Er warf mir einen abfälligen Blick zu, wie ich ihn schon viel zu oft gesehen hatte.

Nach einigen hitzigen Momenten saßen wir aber wieder alle angeschnallt da und warteten darauf, dass die Maschine auf der Rollbahn landete. Als ich zur Ruhe kam, begriff ich langsam, was da passiert war. Ich hatte offenbar zum letzten Mal Scheiße gebaut. Jetzt konnte ich mir alles abschminken: Ich hatte keinen Job mehr, es würde keine Heirat und keine Flitterwochen geben … meine Karriere war futsch, Ende im Gelände. Wie konnte ich das bloß Inez beibringen? Dieses Mal würde sie mich bestimmt verlassen und Bellia gleich mitnehmen. Dann würde ich allein sein … wieder … und dieses Mal zweifelsohne verdientermaßen.

Nach dem Debakel in San Antonio und Galveston konnte ich von Glück reden, dass sie mich Taugenichts überhaupt noch so lange ertragen hatte. Ich durfte sie und das Baby aber nicht verlieren, denn ohne sie zu leben, kam mir vollkommen ausgeschlossen vor. Genauso gut hätte ich auch gleich sterben können. Zu jenem Zeitpunkt war ich mit meiner staatlichen Lebensversicherung und Rente tot sowieso weitaus mehr wert als lebendig. Diese Option hatte ich in letzter Zeit irgendwie ständig im Hinterkopf.

Ich sah mich allerdings außerstande, die Waffen bereits zu strecken. Angestrengt schluckend blickte ich hinüber zu dem zuckenden Scheißkerl und holte tief Luft.

»Sir, ich möchte mich bei Ihnen entsch…«

»Sparen Sie sich das gefälligst, Junge! Sie haben sich mit dem Falschen angelegt, mein Freund!« Der alte Mann hielt eine Hand in die Höhe und wollte nicht einmal mehr in meine Richtung schauen.

Novak und Higdon sahen mich sowohl verdrossen als auch verlegen an, was mich in keiner Weise aufbaute.

»Leckt mich doch am Arsch!«, schimpfte ich wiederholt, während die kleine Maschine endlich über dem Flughafen niederging. Um meinen Magen und meine Zukunft stand es zusehends schlimmer, je weiter sich das Flugzeug der warmen, feuchten Rollbahn näherte.

I’m Bad, I’m Nationwide

Route 45 South, Oklahoma

Freitag, 20:53 Uhr

Der Cadillac brauste die nasse Straße hinunter, vorbei an Bäumen und Telefonmasten. Sie hatten an einer jener Kleinstadtraststätten, die geradezu ausgeraubt worden wollten, eine kurze Pause eingelegt, um zu tanken und noch mehr Alkohol zu besorgen, aber nicht nur das.

»Was gibt es denn über diesen McCutcheon zu sagen?«, fragte Isandro und trank aus seiner Flasche, während er den Schopf der Blondine kraulte.

»Nimm’s mir nicht krumm, Boss, aber warum bist du so scharf auf diesen Typen?«, erwiderte Cahill.

Der Rest der Crew verstummte sofort und starrte durch die Fenster nach draußen – selbst Bobby und Manny, die sich gerade an einer jungen Frau mit hellblonden Haaren im Kostüm einer High-School-Cheerleaderin vergingen.

»Wer zum Geier ist denn dieses Weißbrot, dieser Käsearsch?« Isandro breitete seine dünnen, aber muskulösen Arme weit aus und verlangte mit forderndem Blick eine Antwort.

»Hey, Bruder, er ist neu; er weiß noch nicht, was abgeht«, platzte Hector hinter dem Steuer hervor.

»Genau, Boss, er ist wirklich in Ordnung«, pflichtete ihm Manny bei. »Er ist bloß dämlich, sonst nichts.« Daraufhin lachten alle, während Isandro den schmächtigen Weißen eingehend aber geringschätzig anschaute.

»Sorry … Boss. Ich habe mich nur gefra…«

Isandros Miene verfinsterte sich noch weiter, und der Knabe fing an zu zittern. »Er hat mich verdammt nochmal auflaufen lassen, esé, falls du es genau wissen willst.« Er lehnte sich auf dem Rücksitz des breiten Cadillacs zurück, während das Mädchen ihn zwangsweise bediente.

»Er und diese Schlampe von Bezirksstaatsanwältin.« Isandro spürte, wie der Zorn erneut in ihm aufstieg. Er nahm noch einen kräftigen Schluck aus der Flasche, der jedoch nichts gegen die Flammen ausrichten konnte, die in ihm loderten. Dass er in allen Punkten seiner Anklage und noch vieler weiterer Verbrechen schuldig war, von denen bisher noch niemand etwas erfahren hatte, wusste er, doch niemand durfte ihn kontrollieren oder bestrafen, vor allem nicht irgendwelche weißen Schweine, die das Gesetz vertraten, und ihre Handlanger vom Schlage dieser dreckigen Bezirksstaatsanwältin, die mitgeholfen hatte, ihn wegen seiner sechs Morde erneut in Oklahoma einzubuchten.

Diese zwei Hurensöhne würden deshalb nun langsam und qualvoll sterben. Dieser finstere Schwur war das Einzige gewesen, was den ruchlosen Killer Tag für höllischen Tag im Bau am Leben gehalten hatte.

»Die Kröte ist aber schwer zu finden. Wir haben schon etwas Kohle lockergemacht und so herausgefunden, dass er irgendwo in Houston wohnt, aber das war’s dann vorerst auch schon mit den Infos. Trotzdem konnten wir ihn irgendwann aufspüren. Das wird dir gefallen, hombre.« Manny kicherte und stieß mit jedem Husten weißen Qualm aus. »Er wird bald heiraten und hat mittlerweile ein Kind.« Dem jungen Kerl hingen die zotteligen Haare fast in den blutunterlaufenen Augen.

»Oh nein, das ist nicht wahr«, meinte Isandro lachend und packte den Kopf des Mädchens noch fester. Er nippte abermals an der Flasche und schaute dann durch die Scheibe, gegen die unentwegt der Regen prasselte, hinaus.

»Ich verarsche dich nicht, und du errätst niemals, wer die Alte ist, die er heiraten will.« Manny zog genüsslich an seinem Joint und nickte dann mit einem bekifften Grinsen, das breiter war als von einem Ohr zum anderen.

»Wer?« Isandro rieb den Kopf des Mädchens, während sie es ihm weiter mit dem Mund besorgen musste. Er ignorierte ihr Schluchzen und Winseln um Gnade mit einem fiesen Lächeln und zog sie an den Haaren zurück.

Nun lachten Manny und die anderen lautstark. »Die Santana-Fotze, esé

»Das klingt ja fast wie Musik in meinen Ohren«, entgegnete Isandro mit einem kühlen Tonfall.

Der Rest der Crew nickte und lächelte dem Anführer zu.

»McCutcheon und die Anwaltsschlampe geben sich gegenseitig das Jawort, echt?« Er drückte den Kopf des Mädchens noch fester hinunter auf seinen Schwanz und lachte dabei so bellend laut, dass es alle in dem Cadillac mit der Angst zu tun bekamen.

»Stimmt, Bruder«, bekräftigte Hector zögerlich vom Fahrersitz aus. Die anderen stimmten mit ein, woraufhin ein raues Lachen im Wagen losbrach, begleitet von Rufen nach mehr zum Saufen und grausamer blutiger Rache.

»Conchetumare

Isandro schlug gegen den Hinterkopf der Weißen, die ihm gerade die Flötentöne beibrachte. »Pass gefälligst auf, was du da mit deinen Dreckszähnen machst, puta.« Er heulte auf, wobei der stinkende Joint aus seinem Mund fiel.

Das entsetzliche Gejammer und das Flehen um Beistand des Mädchens blieb weiterhin unbeachtet, außer dass Isandro es ab und zu mit einem teuflischen Grinsen quittierte. Er starrte die am ganzen Körper Zitternde mit kalten schwarzen Augen an, bevor er seinen Kopf in abgründiger Neugierde zur Seite neigte.

»Ich habe dir nicht gesagt, dass du aufhören sollst. Lutsch gefälligst meinen Schwanz oder das hier.« Er schob ihr den Lauf einer .357er in den bebenden Mund. In dem geschlossenen Cabriolet dröhnte es daraufhin vor alkohol- und drogenschwangerem Gegröle, als dem entgeisterten Mädchen, das laut College-Ausweis zwanzig Jahre alt war, aber eher aussah, als sei es keinen Tag älter als sechzehn, wenn es hochkam, die dicke Kanone am Gaumen kitzelte. Das gefiel Isandro; schnell führte er seinen Penis wieder in ihren blutenden Mund, und dann dienten ihre Tränen gewissermaßen als Schmiermittel für den Blowjob.

»Seht ihr? Man muss nur wissen, wie man mit diesen putas umzuspringen hat.« Er zerrte wieder an den Haaren des Mädchens und lachte laut, während es wimmerte. Noch einmal sprach er seinem Tequila zu, bevor er die Flasche über dem Schopf der Weinenden auskippte. Das Lachen wurde nun noch lauter. Die vorangegangenen zweiundsiebzig Stunden waren wirklich lang gewesen; sie hatten viel Blut vergossen und zahlreiche Leben genommen, doch Isandro lebte genau dafür. Je mehr Chaos und Verwüstung er heraufbeschwor, desto steifer wurde sein Schwanz, und desto abgründiger wurden seine Sehnsüchte. Die grausame Spur seines Blutbads hatte in McAlester in Oklahoma begonnen, wurde aber immer extremer und brutaler, je weiter sein Zirkus des drogeninduzierten Wahnsinns reiste.

»Kannst du dieses Mal ein bisschen was von dieser geilen Schnecke für mich übrig lassen, Issie?«, bat ihn Cahill vom Vordersitz aus.

 

Der Boss schaute den Kerl böse an. »Warte gefälligst, bis du an der Reihe bist, Pisser. Außerdem ist sie viel zu gut, um eine Teigfresse wie dich ranzulassen.«

»Ach, Mensch … scheiße.« Speichel tropfte von Cahills herabhängender Unterlippe auf den Ledersitz, während er an dem zu kurz geratenen Wurm in seiner abgewetzten, blutbesudelten Jeans rieb.

»Den Mist kannst du für dich behalten, Mann«, knurrte Isandro und versuchte nun den Jungen einfach zu ignorieren.

Die Nacht zog vorüber, wie ein Film im schnellen Vorlauf, als der wütende Mexikaner seine Ladung in den Mund der verstörten Teenagerin feuerte. Dann stieß er sie nach vorne zu seinem ungeduldigen Lakaien und wischte seinen Prügel an ihren Haaren ab. Während er ihn zurück in seine Hose packte, trank er erneut aus der Flasche. Ihm gehörte jetzt endlich wieder die Welt, und er hatte vor, ihr mit Gewalt zu entreißen, was er konnte. Aus dem Knast zu türmen war nicht leicht gewesen. Gehörte man erst einmal zu einer der mächtigsten Banden im ganzen Land, wenn nicht sogar auf der ganzen Welt, konnte man mit solchen Untaten allerdings davonkommen.

Isandro hatte längst aufgehört, die verstümmelten Leichen zu zählen, die seinen Weg pflasterten. Das spielte für ihn sowieso keine Rolle. Neun harte Jahre lang hatte er mit nur einem einzigen Gedanken in seiner Zelle in Oklahoma gesessen … nun ja, vielleicht doch mehr als nur einem; immerhin konnte man nur begrenzt vögeln und saufen. Nein, sein Ziel lautete Mexiko. Denn dort lebte seine Familie und wartete auf ihn. Er hatte so gut wie gar nicht mitbekommen, wie seine Kids aufgewachsen waren, und wollte deshalb nicht noch mehr Zeit vergeuden. Ihm war egal, wie viele Cops oder Unschuldige er dafür beseitigen musste, um dorthin zu gelangen. Er würde die Dinge einfach so nehmen, wie sie sich ergaben …

Freiheit.

Jedermanns Sündenbock zu sein, ging ihm gehörig auf den Geist. Er hatte damals den Kopf für seine Crew hingehalten und war stolz darauf. Unten in Mexiko gab es viel zu viele Weicheier, die den Laden schmeißen wollten. Sie alle brauchten einen gehörigen Tritt in den Arsch. Falls dieser keine Wirkung zeigen sollte, würde eine Kugel in den Kopf diese pendejos garantiert verdammt schnell zur Räson bringen. Isandro schluckte weiter Tequila, während er dabei zuschaute, wie sich der nervöse Yankee-Knabe und Manny das junge, weiße Mädchen abwechselnd vornahmen. Dass sie dabei mit speichel- und blutverschmiertem Mund unaufhörlich um Hilfe rief, brachte ihn zum Lachen. Davon wurde automatisch sein Schwanz wieder aktiv, weshalb er in Erwägung zog, in ihr noch ein letztes Mal in den Arsch zu stecken. Da er aber auf einmal einen Harndrang verspürte, erübrigte sich dieser Wunsch.

»Hector, halt mal kurz an, ich muss pissen«, befahl er.

»Klar, el hermano.« Sein Zwillingsbruder hinter dem Lenkrad nickte.

Der alte Cadillac bog daraufhin im strömenden Regen hinter einem geschlossenen McDonald’s von der Straße ab. Dampf stieg vom heißen Pflaster auf, wie von einem Steak, das auf einem Grill brutzelte. Der Mond war nur schwach erkennbar und leuchtete in einem fahlen Gelb, als der große Wagen hinter einem überfüllten Müllcontainer anhielt. Dudelnde Mariachi-Musik hallte von den roten, gelben und weißen Ziegelsteinen des Fast-Food-Restaurants sowie von dem Metallbehälter wider. Als Isandro hinten ausstieg und torkelnd losging, hielt er seinen Steifen in einer Hand und seinen geladenen Revolver in der anderen. Er sah aus, als sei er bereit, beide sofort zu benutzen.

Er fand nun eine Stelle, um sich zu erleichtern und ein bisschen Abstand von den rammelnden Wildschweinen im Cadillac zu nehmen. Während er sich gegen den verrosteten, blauen Container lehnte, schien sogar sein Urin wütend aus ihm hervorzuschießen. In seiner Kindheit auf der Straße hatte er den alten Frauen im Ort immer gerne geholfen, doch wurde man mehrmals von vermeintlichen Familienmitgliedern niedergestochen und angeschossen, lernte man verteufelt schnell, dass Vertrauenswürdigkeit offenbar eine sehr seltene Tugend ist. Genau diese Einstellung hatte letzten Endes dazu beigetragen, ihn von Oklahoma auf diesen beschissenen regengefluteten Parkplatz zu führen, wo überall benutzte Kondome und Heroinspritzen herumlagen.

Das Scheinwerferlicht des Autos ließ Glassplitter auf dem Asphalt glitzern. Als Isandro mit seiner Pistole winkte, wusste Hector sofort, was es bedeutete. Es goss wie aus Eimern, als seine Handlanger die junge Blondine aus dem Wagen zerrten, dessen Motor noch immer lief. Sie schrie um Hilfe und bettelte verzweifelt, doch das tosende Unwetter – die Sturzbäche, die zu Frühlingsanfang immer gern vom Himmel fielen, spülten alles fort, zumal es den mexikanischen Gangstern sowieso vollkommen egal war. Zwei der Crewmitglieder warfen das hysterische Mädchen auf das gelb schimmernde Pflaster vor ihren Anführer, der sich mit dem Revolver über seinen feucht gewordenen Reißverschluss fuhr.

»Bitte … tue es nicht«, jammerte das Mädchen zitternd.

»Was soll ich nicht tun?« Isandro kniete sich vor ihr hin.

»Ich … ich habe doch alles getan, was ihr wolltet. Bitte …«

»Fotze, du sagst ständig nur ‘nicht’. Was genau soll ich nicht tun?« Isandro schlug die Flasche auf ihren Kopf, woraufhin sich ihr Blut mit dem prasselnden Regen vermischte. Er stand nun wieder auf und hielt ihr das Großkaliber an den Schädel, während sie weiter schluchzte. Die Mariachi-Klänge und der tobende Sturm übertönten den Schuss beinahe, bei dem die Hirnmasse des Mädchens über den leeren McDonald’-Parkplatz spritzte.

»Hector, hauen wir schnell von hier ab«, drängte Isandro. Die Leiche auf dem kalten Belag zuckte noch immer, als er zum Wagen zurückkehrte, einstieg und die Tür zuknallte.

»Was kommt denn jetzt als Nächstes?«, fragte er.

Goin’ So Good

Dallas/Fort Worth International Airport, Parkhaus

Freitag, 21:01 Uhr

Während der Landung und des ungemütlichen Ausstiegs waren die längsten dreißig Minuten meines betrüblichen Lebens vergangen. Der Gouverneur hatte die Flasche Whiskey mittlerweile leer getrunken, als die Maschine am Boden angekommen war, und ich wusste ganz genau, dass ich mich dieses Mal nicht wieder herausreden könnte. Ich behielt es im Hinterkopf, dass die kranke Sau es darauf angelegt hatte, und stand weiterhin dazu, ihm in die Fresse gehauen zu haben; streng genommen wünschte ich mir sogar, meine Partner hätten es mich ganz zu Ende bringen lassen. Dies spiegelte wohl ganz gut wider, was meine Therapeutin »selbstzerstörerische Wut« nannte. Scheiß auf die zu teure Geldrafferin und ihre nichtigen Fachausdrücke. Ich grübelte über diesen Gedanken nach, während wir zu der langen, schwarzen Limousine gingen, die auf Ebene A des Flughafenparkhauses auf den Gouverneur wartete.

Dorthin gelangten wir durch einen langen Betonkorridor. Ich hatte das Gefühl, meine Brust würde in einem Schraubstock stecken und mein Magen gleich durch meinen Bauchnabel hervorbrechen. Ein letztes Mal musste ich noch versuchen, meine Karriere zu retten … ach was … wem machte ich denn hier etwas vor? Mein ganzes, gottverdammtes Leben! Der Gouverneur wollte gerade einsteigen, als ich hastig an Novak vorbeilief. Er versuchte noch, mich aufzuhalten, doch ich riss meinen Arm mit aller Gewalt von ihm los. Anschließend griff ich schnell nach der Autotür, bevor einer der Gehilfen des Politikers sie ganz schließen konnte, und stellte mich hinter den Flügel.

»Gouverneur, Sir, nur ganz kurz: Ich kann gar nicht ausdrücken, wie leid es mir tut, derart überreagiert zu haben. Das war absolut unzulänglich und unmöglich von mir. Darf ich mich Ihnen bitte erklären, nur ganz schnell?« Ich rasselte all diese Worte in einem einzigen Atemzug herunter, während ich innerlich zu einem Gott betete, der mir seit jeher fremd war, was mich allerdings bis zu diesem Moment kein bisschen gekratzt hatte. Jetzt begann ich allerdings allmählich, an ihn zu glauben; zumindest glaubte ich, es zu tun. Ich schluckte schwer und schaute dann in die unerschrockenen Augen des betrunkenen Alten. Er hielt seinen Fahrer mit einer Handbewegung dazu an, kurz zu warten, wandte sich mir dann wieder zu und starrte mich einfach nur an. Er wartete ungeduldig und schweigend darauf, dass ich anfing, vor ihm zu Kreuze zu kriechen.

Die Sturmwolken, die dem Flugzeug von D.C. aus gefolgt waren, brauten sich jetzt in der Kälte über dem Flughafen zusammen und blendeten jegliches Licht aus, das der Mond hätte abstrahlen können. Ich holte erneut tief Luft, wobei ich meine Kollegen ein wenig abseits links von mir stehen sah, dann wandte ich mich wieder dem erzürnten Gouverneur zu, der sich in der Limousine gerade den nächsten Drink einschenkte.

»Sir, hören Sie … ich heirate übermorgen. Inez, meine Verlobte, hat mich während der Planung total gestresst. Wir sind seit über zweiundsiebzig Stunden im Dienst und konnten dabei so gut wie gar nicht schlafen. Ich weiß, das ist keine Entschuldigung dafür, Sie geschlagen zu haben, Sir, aber ich … ich bin irgendwie einfach ausgerastet.« Ein frischer Windzug fuhr jetzt durch den Betontunnel des Parkhauses.

Ich schien den Dicken offenbar nicht beeindruckt zu haben, denn er starrte mich weiterhin verdrießlich an, trank noch einen Schluck von seinem Whiskey und lehnte sich dann auf der Ledersitzbank zurück.

»Sir, Ranger McCutcheon ist ein hochdekorierter Offizier und wirklich …«, eilte mir Novak nun zur Seite, doch der Gouverneur schnitt ihm energisch das Wort ab.

»Mir sind Ranger McCutcheons sogenannte Verdienste hinlänglich bekannt. So wie es aussieht, war ich ja nicht das erste Opfer Ihres Jähzorns, Junge, oder?« Sein Blick ruhte weiter auf mir, und ein hämisches Lächeln umspielte die groben Züge des alten Mannes. Dies machte mich erneut wütend, weshalb ich schon wieder drauf und dran war, ihn in die teuren Lederpolster zu prügeln. Stattdessen betete ich aber erneut zu welchem Gott auch immer, dass dieser mich erhören mochte. Die Vorfälle, auf die sich der besoffene Kerl bezog, hatte es tatsächlich wiederholt gegeben, doch alle waren gerechtfertigt gewesen, zumindest in meinen Augen. Außerdem lagen sie schon lange zurück, und mittlerweile hatte ich mich wirklich von Grund auf gebessert. Ach, mein Leben war in Wirklichkeit eine Dauerbaustelle. Das Zeichen, das der selbstgefällige Schnösel seinem Fahrer nun gab, zerstreute meine schlechten Erinnerungen allerdings schnell wieder.

»Aber Sir, bitte.« Ich streckte eine Hand aus und hielt ihn am Ärmel seines Wollmantels fest, womit ich mir allerdings nur einen weiteren verächtlichen Blick einhandelte.

»Sir, ich … ich b… ich bitte Sie; ich werde meinen Job verlieren. Es liegt ganz an Ihnen, meine Karriere zu beenden oder nicht. Bitte gehen Sie noch einmal in sich.« Ich spürte, wie aufrichtige Tränen aus meinen üblicherweise trockenen, und Rührung leugnenden Kanälen quollen, und wusste instinktiv, dass sie alles waren, was ich noch zu bieten hatte.

Das fette Gesicht des Gouverneurs verwandelte sich daraufhin in einen Brocken Granit, während er stur geradeaus starrte. Er hielt mir eine fette Hand vor das Gesicht und ich schluckte meine Tränen hastig hinunter.

»Es gibt nichts, was ich noch für Sie tun könnte, Junge. Morgen früh werde ich mit Ihren Vorgesetzten sprechen und Ihre Dienstmarke verlangen.« In genau diesem Moment öffnete sich der Himmel, der aussah wie eine schwarze Piñata, und kalter Regen fiel hinab.

»Aber Sir«, rief ich, während der plötzliche Guss uns alle durchnässte, was nur weniger Sekunden bedurfte. Dampf stieg vom Bodenbelag auf und stand wie gespenstischer Nebel im Parkhaus.

Der Gouverneur winkte mich dicht an sich heran, bevor er antwortete: »Ich würde überhaupt nichts für einen Haufen Kuhscheiße wie Sie tun, selbst wenn ich es müsste. Allerdings – und nur damit Sie es wissen – ist Ihre baldige Frau ein echt scharfes Flittchen, und wenn ich mir heute Abend einen runterhole, werde ich dabei ihr Gesicht beim Abspritzen sehen.« Daraufhin zwinkerte er mir zu, lächelte überschwänglich und drückte mir seine feuchte Handfläche mitten ins Gesicht. Dabei lachte er, bis sein Gehilfe die Tür schloss.

Eine Vielzahl zuckender Blitze verwischte die Skyline von Lubbock, und ich blieb klitschnass und mit kummervoller Wut im Regen stehen, während die Limousine langsam in der Nacht verschwand. Meine Zukunft – dessen war ich mir sehr sicher – fuhr da gerade mit ihr davon. Ich musste jetzt unbedingt zurück nach Hause, zurück nach Houston.

 

»Tut mir schrecklich leid, Jay. Ich …«, begann Novak, aber ich wollte im Moment nichts hören.

Als ich in der Dunkelheit des Parkhauses zum Ausgang trottete, begleiteten mich mehrere markerschütternde Donnerschläge.

Ich spürte, dass mir Higdon und Novak hinterherschauten, und kam mir auf einmal furchtbar schlecht vor, weil ich sie abgewiesen hatte. Sie waren nämlich wirklich gute Ranger und noch bessere Freunde – bessere, als ich verdiente, und ich kannte meinen zweifelhaften Ruf schließlich ganz genau: Texas Ranger James Mathew McCutcheon, einer der wackersten, die je eine Marke getragen haben, aber zugleich auch einer der Gewalttätigsten seiner Art. Die zwei Einfaltspinsel beteten bestimmt im Moment darum – vielleicht zu dem Gott, der mich gerade nicht beachtet hatte – ich möge einfach nur den Mund halten, meinen Schwanz einziehen und heim zu Inez kriechen, anstatt etwas richtig Dummes zu tun.

Meine Partner wussten allerdings genau, dass sie, anstatt diese Bitte vorzubringen, auch genauso gut in den Grand Canyon pissen konnten; es war reine Zeitverschwendung.

Die Lautsprecheranlage des Flughafens knarrte jetzt plötzlich laut; es ging um irgendeinen Notfall, doch ich musste mich jetzt erst einmal um meine eigenen Probleme kümmern. Deshalb ging ich davon, während der Regen immer mehr zunahm und zu einer kränklich gelben Wand wurde.