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Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Zehnter Band: enthaltend Kapitel 19 und 20.

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Vernichtung der Smyrna-Flotte

Die Trauerbotschaft von der Niederlage von Landen fand England durch nicht minder traurige Nachrichten von einer andren Seite bewegt. Seit vielen Monaten war der Handel mit dem Mittelländischen Meere durch den Krieg fast gänzlich gehemmt. Kein Kauffahrteischiff von London oder Amsterdam hatte Aussicht, ohne bewaffneten Schutz die Herkulessäulen zu erreichen, ohne von einem französischen Kaper geentert zu werden, und der Schutz von Kriegsschiffen war nicht leicht zu erlangen. Während des Jahres 1692 hatten sich starke Flotten, mit Waarenladungen für die spanischen, italienischen und türkischen Märkte reich befrachtet, in der Themse und im Texel gesammelt. Im Februar 1693 waren nahe an vierhundert Schiffe zum Auslaufen bereit. Der Werth ihrer Ladungen wurde auf mehrere Millionen Pfund Sterling geschätzt. Noch nie hatten die Galeonen, welche seit langer Zeit die Bewunderung und den Neid der Welt erweckten, so kostbare Güter von Westindien nach Sevilla gebracht. Die englische Regierung übernahm es im Einverständniß mit der holländischen, die mit dieser großen Masse von Schätzen beladenen Fahrzeuge zu eskortiren. Die französische Regierung nahm sich vor, sie aufzufangen.

Der Plan der Alliirten war, daß siebzig Linienschiffe und ungefähr dreißig Fregatten und Brigantinen unter den Befehlen Killegrew’s und Delaval’s, der beiden neuen Lords der englischen Admiralität, sich im Kanale versammeln und die Smyrna-Flotte, wie sie im Munde des Volks hieß, bis über die Grenzen hinaus begleiten sollten, innerhalb welcher Gefahr von Seiten des Brester Geschwaders zu befürchten stand. Der größere Theil der Flotte sollte dann zur Bewachung des Kanals zurückkehren, während Rooke mit zwanzig Segeln die Kauffahrer begleiten und das vor Toulon liegende Geschwader beschützen sollte. Der Plan der französischen Regierung war, daß das Brester Geschwader unter Tourville und das Touloner Geschwader unter d’Estrées in der Nähe der Meerenge von Gibraltar zusammentreffen und dort der Beute auflauern sollten.

Welcher Plan der klüger ersonnene war, ist zweifelhaft. Welcher von beiden aber am besten ausgeführt wurde, ist eine Frage, die keinen Zweifel zuläßt. Die ganze französische Flotte wurde von Einem Willen geleitet, mochte sie sich im Atlantischen oder im Mittelländischen Meere befinden. Die Flotte England’s und die Flotte der Vereinigten Provinzen standen unter verschiedenen Autoritäten, und in England sowohl wie in den Vereinigten Provinzen zerfiel die Gewalt in so zahlreiche Abtheilungen und Unterabtheilungen, daß auf keinem Einzelnen eine schwere Verantwortlichkeit lastete. Das Frühjahr kam heran. Die Kaufleute beklagten sich laut, daß sie durch die Verzögerung schon mehr verloren hätten als sie durch die glücklichste Reise noch zu gewinnen hoffen dürften, und noch immer waren die Kriegsschiffe nicht halb bemannt und verproviantirt. Das Geschwader von Amsterdam traf erst spät im April an unsrer Küste ein, das Geschwader von Seeland erst Mitte Mai.172 Es war Juni, als endlich die ungeheure Flotte, nahe an fünfhundert Segel stark, die Klippen England’s aus dem Gesicht verlor.

Tourville war bereits in See gegangen und steuerte südwärts. Killegrew und Deleval aber waren so nachlässig oder so unglücklich, daß sie von seinen Bewegungen keine Kenntniß hatten. Sie waren anfangs überzeugt, daß er noch im Hafen von Brest liege. Dann kam ihnen das Gerücht zu Ohren, daß in nördlicher Richtung segelnde Schiff gesehen worden seien, und sie vermutheten, daß er ihre Abwesenheit benutzte, um die Küste von Devonshire zu bedrohen. Sie scheinen es nicht für möglich gehalten zu haben, daß er sich mit dem Touloner Geschwader vereinigt haben und in der Nähe von Gibraltar ungeduldig seine Beute erwarten könne. Nachdem sie daher die Smyrna-Flotte ungefähr zweihundert Meilen über Ushant hinaus begleitet hatten, erklärten sie am 6. Juni ihre Absicht, sich von Rooke zu trennen. Rooke machte Einwendungen, aber vergebens. Er mußte sich fügen und mit seinen zwanzig Kriegsschiffen dem Mittelländischen Meere zusteuern, während seine beiden Vorgesetzten mit dem Reste der Kriegsflotte in den Kanal zurückkehrten.

Inzwischen war es in England bekannt geworden, daß Tourville in aller Stille Brest verlassen hatte und nach Süden eilte, um sich mit Estrées zu verbinden. Die Zurückkunft Killegrew’s und Delavals erweckte daher große Besorgniß. Es wurde sofort ein schnellsegelndes Fahrzeug abgesandt, um Rooke vor der ihm drohenden Gefahr zu warnen; diese Warnung aber kam ihm nicht zu. Er steuerte mit gutem Winde dem Kap Saint Vincent zu, und hier erfuhr er, daß in der nahen Bai von Lagos einige französische Schiffe lägen. Die erste Mittheilung, die er darüber erhielt, bewog ihn zu dem Glauben, daß ihre Anzahl nicht bedeutend sei, und sie wußten ihre Stärke so geschickt zu verbergen, daß er nicht eher eine Ahnung davon bekam, daß er der ganzen Kriegsflotte eines großen Königreichs gegenüberstehe, als bis sie nur noch eine halbe Stunde Seewegs von ihm entfernt waren. Gegen eine vierfache Uebermacht zu kämpfen, würde Wahnsinn gewesen sein. Es war schon viel, wenn es ihm gelang, sein Geschwader vor völliger Vernichtung zu bewahren. Er bot seine ganze Geschicklichkeit auf. Einige in der Nachhut segelnde holländische Kriegsschiffe opferten sich muthig auf, um die Flotte zu retten. Mit dem Reste des Geschwaders und etwa sechzig Handelsschiffen gelangte Rooke glücklich nach Madeira und von da nach Cork. Aber mehr als dreihundert von den Fahrzeugen, die er begleitet hatte, waren über den Ocean zerstreut. Einige entkamen nach Irland, andere nach Corunna, andere nach Lissabon, andere nach Cadix, einige wurden genommen und mehr noch vernichtet. Ein paar, die unter den Felsen von Gibraltar Schutz gesucht hatten und die der Feind bis dahin verfolgte, wurden versenkt, als man sah, daß sie nicht zu retten waren. Andere gingen in gleicher Weise unter den Batterien von Malaga zu Grunde. Der Gewinn für Frankreich scheint nicht groß gewesen zu sein; aber der Verlust für England und Holland war enorm.173

Aufregung in London

Seit Menschengedenken hatte die City nie einen Tag von größerer Betrübniß und Aufregung erlebt als der war, an welchem die Nachricht von dem Gefecht in der Bai von Lagos ankam. Viele Kaufleute, sagte ein Augenzeuge, verließen die Börse so bleich, als wenn ihnen ihr Todesurtheil angekündigt worden wäre. Eine Deputation der Kaufleute, welche unter diesem schweren Unfalle litten, überreichte der Königin eine ihre Beschwerden enthaltende Adresse. Sie wurden in den Sitzungssaal des Staatsraths eingelassen, wo sie an der Spitze des Collegiums saß. Sie beauftragte Somers, in ihrem Namen zu antworten, und er hielt eine Ansprache an sie, welche gut berechnet war, ihre Gereiztheit zu beschwichtigen. Ihre Majestät, sagte er, nehme herzlichen Antheil an ihrem Unglücke und habe bereits einen Ausschuß des Geheimen Raths ernannt, um die Ursachen des kürzlichen Unfalls zu untersuchen und die besten Mittel zu erwägen, um ähnlichen Unfällen vorzubeugen.174 Diese Antwort befriedigte die Betreffenden so vollständig, daß der Lordmayor bald darauf in den Palast kam, um der Königin für ihre Güte zu danken, ihr zu versichern, daß London ihr und ihrem Gemahl durch alle Wechselfälle treu bleiben werde, und ihr mitzutheilen, daß, so schwer auch der kürzliche Schlag von vielen großen Handelshäusern empfunden würde, der Gemeinderath dennoch einstimmig beschlossen habe, jede Summe vorzustrecken, welche die Regierung bedürfen möchte.175

 

Jakobitische Libelle; Wilhelm Anderton

Die Mißstimmung, welche die öffentlichen Calamitäten naturgemäß erzeugten, wurde durch alle Parteikunstgriffe genährt. Nie waren die jakobitischen Pamphletisten so heftig und rücksichtslos gewesen als während dieses unglücklichen Sommers. Die Polizei spürte in Folge dessen thätiger als je den Höhlen nach, aus denen so viel Hochverrath hervorging. Mit großer Mühe und nach langem Suchen wurde endlich die wichtigste aller uncensirten Pressen entdeckt. Diese Presse gehörte einem Jakobiten, Namens Wilhelm Anderton, der wegen seiner Unerschrockenheit und seines Fanatismus zu Dienstleistungen tauglich war, vor denen vorsichtige und gewissenhafte Männer zurückschrecken. Seit zwei Jahren wurde er von den Agenten der Regierung beobachtet; aber wo er sein Gewerbe betrieb, war ein undurchdringliches Geheimniß. Endlich aber entdeckte man ihn in einem Hause unweit Saint James Street, wo er unter einem angenommenen Namen bekannt war und für einen Goldarbeiter gehalten wurde. Ein Beamter der Preßpolizei begab sich mit mehreren Dienern dahin und fand Anderton’s Frau und Mutter als Schildwachen an der Thür postirt. Die beiden Frauen kannten den Beamten, fielen über ihn her, packten ihn bei den Haaren und riefen „Diebe” und „Mörder”. Dadurch gaben sie Anderton das Alarmzeichen. Er verbarg seine Arbeitsutensilien, kam mit ganz unbefangener Miene heraus und bot dem Beamten, dem Censor, dem Staatssekretär und selbst der kleinen Habichtsnase176 Trotz. Nach kurzer Gegenwehr wurde er festgenommen. Sein Zimmer wurde durchsucht und auf den ersten Blick zeigte sich kein Beweis für seine Schuld darin. Bald aber fand man hinter dem Bett eine Thür, die in ein dunkles Gemach führte. Dieses Gemach enthielt eine Buchdruckerpresse, Typen und Stöße frischgedruckter Schriften. Eine dieser Schriften, betitelt: „Remarks on the Present Confederacy and the Late Revolution,” ist vielleicht das heftigste aller jakobitischen Libelle. Der Prinz von Oranien wird darin allen Ernstes beschuldigt, daß er funfzig von seinen verwundeten englischen Soldaten habe lebendig verbrennen lassen. Das leitende Prinzip seiner ganzen Handlungsweise, heißt es unter Andrem, ist weder Eitelkeit noch Ehrgeiz, noch Habsucht, sondern ein tödtlicher Haß gegen die Engländer und der Drang, sie unglücklich zu machen. Die Nation wird mit Heftigkeit aufgefordert, sich bei Strafe des strengsten Gerichts zu erheben und sich von dieser Plage, diesem Fluche, diesem Tyrannen zu befreien, dessen Verderbtheit es fast unglaublich erscheinen lasse, daß er von einem Menschenpaar gezeugt sein könne. Außerdem wurden von einer andren, etwas minder heftigen, aber vielleicht noch gefährlicheren Schrift, betitelt: „A French Conquest neither desirable nor practicable,” eine Menge Exemplare vorgefunden. Auch in dieser Schrift wird das Volk aufgefordert, sich zu erheben. Es wird ihm versichert, daß ein großer Theil der Armee auf seiner Seite sei. Die Streitkräfte des Prinzen von Oranien würden zusammenschmelzen, heißt es; er werde froh sein, wenn er mit dem Leben davonkomme, und es wird höhnend die mildherzige Hoffnung ausgesprochen, daß es nicht nöthig sein werde, ihm ein schlimmeres Leid zuzufügen, als ihn nach Loo zurückzuschicken, wo er, von einem Luxus umgeben, den die Engländer theuer bezahlt hätten, fernerhin leben möchte.

Durch die Giftigkeit der jakobitischen Pamphletisten gereizt und beunruhigt, beschloß die Regierung, an Anderton ein Exempel zu statuiren. Er wurde des Hochverraths angeklagt und vor die Schranken der Old Bailey gestellt. Treby, der jetzt Oberrichter der Common Pleas war, und Powell, der sich am Tage des Prozesses der Bischöfe ehrenvoll ausgezeichnet hatte, saßen auf der Richterbank. Es ist Schade, daß kein detaillirter Bericht über die Untersuchung auf uns gekommen ist und daß wir uns mit den fragmentarischen Aufschlüssen begnügen müssen, die wir aus den einander widersprechenden Darstellungen offenbar parteiischer, maßloser und unredlicher Schriftsteller sammeln können. Die Anklageschrift ist jedoch noch vorhanden und die notorischen Handlungen, die sie dem Angeklagten zur Last legt, erreichen unbestreitbar die Stufe des Hochverraths.177 Die Unterthanen des Reichs aufzufordern, sich zu erheben und den König gewaltsam zu entthronen, und dieser Aufforderung den offenbar ironischen Ausdruck der Hoffnung beizufügen, daß es nicht nöthig sein werde, eine härtere Strafe als die Verbannung über ihn zu verhängen, ist gewiß ein Vergehen, das auch der mindest höfische Jurist als im Bereiche des Statuts Eduard’s III. liegend anerkennen wird. Ueber diesen Punkt scheint man sich auch in der That weder bei dem Prozesse noch nachher gestritten zu haben.

Der Gefangene leugnete die Libelle gedruckt zu haben. Da die Zeugenbeweise nicht auf uns gekommen sind, so dürfen wir über diesen Punkt billigerweise den Richtern und Geschwornen Glauben schenken, welche die Aussagen der Zeugen anhörten.

Ein Argument, das Anderton’s Rechtsbeistände ihm eingegeben hatten und das in den damaligen jakobitischen Pasquillen als unwiderlegbar dargestellt wird, war, daß, weil die Buchdruckerkunst unter der Regierung Eduard’s III. noch unbekannt war, das Drucken selbst nach keinem Gesetz jener Regierung als ein notorischer Act des Hochverraths angesehen werden könne. Die Richter nahmen dieses Argument sehr leicht, und sie waren gewiß dazu berechtigt es so zu nehmen. Denn es ist ein Argument, das zu der Schlußfolgerung führen würde, daß es kein notorischer Act des Hochverraths sei, einen König vermittelst einer Guillotine zu enthaupten oder mit einer Miniébüchse zu erschießen.

Ferner wurde zu Anderton’s Gunsten geltend gemacht – und dies war allerdings ein Argument, das gegründeten Anspruch auf Berücksichtigung hatte – daß zwischen dem Verfasser einer hochverrätherischen Schrift und dem bloßen Drucker derselben ein Unterschied gemacht werden müsse. Ersterer könne nicht behaupten, daß er den Sinn der Worte, die er selbst gewählt, nicht verstanden habe. Für Letzteren aber könnten die Worte möglicherweise gar keinen Sinn haben. Die Metaphern, die Anspielungen, die Sarkasmen könnten weit über der Sphäre seines Begriffsvermögens liegen, und während seine Hände sich mit den Typen beschäftigten, könnten seine Gedanken auf Dinge gerichtet sein, die mit dem ihm vorliegenden Manuscripte gar nichts zu thun hätten. Es ist unzweifelhaft wahr, daß es kein Verbrechen zu sein braucht, etwas zu drucken, was zu schreiben ein großes Verbrechen sein würde. Doch ist dies offenbar ein Gegenstand, bezüglich dessen sich keine allgemeine Regel aufstellen läßt. Ob Anderton als bloßes mechanisches Werkzeug zur Verbreitung einer Schrift beigetragen habe, deren Tendenz er nicht ahnete, oder ob er wissentlich seinen Beistand zur Anstiftung eines Aufruhrs geliehen, war eine Frage für die Jury, und die Jury durfte aus dem Annehmen eines falschen Namens, aus der Heimlichkeit, mit der er arbeitete, aus der scharfen Wacht, die seine Frau und seine Mutter hielten und aus der wüthenden Heftigkeit, mit der er, selbst als er sich bereits in der Gewalt der Polizeiagenten befand, noch die Regierung schmähte, mit gutem Grunde schließen, daß er nicht das unbewußte Werkzeug, sondern der intelligente und eifrige Complice von Hochverräthern war. Nachdem die zwölf Geschwornen eine beträchtliche Zeit mit einander deliberirt hatten, benachrichtigten sie den Gerichtshof, daß einer von ihnen Zweifel hege. Diese Zweifel wurden durch Treby’s und Powell’s Argumente gehoben, und das Verdict lautete auf schuldig.

Das Schicksal des Gefangenen war einige Zeit zweifelhaft. Die Minister hofften, er werde dahin zu bringen sein, seinen eignen Kopf auf Unkosten der Köpfe der Pamphletisten zu retten, in deren Diensten er gearbeitet. Aber seine natürliche Standhaftigkeit wurde durch geistliche Stimulationsmittel aufrechterhalten, welche die eidverweigernden Priester vortrefflich anzuwenden verstanden. Er erlitt standhaft den Tod und schmähte die Regierung bis zum letzten Augenblicke. Die Jakobiten beschwerten sich laut über die Gefühllosigkeit der Richter, die ihn verurtheilt, und der Königin, die seine Hinrichtung zugegeben hatte, und stellten ihn mit eben nicht besonderer Consequenz als einen armen unwissenden Handwerker, der die Natur und Tendenz der Handlung, wegen der er den Tod erlitten, nicht gekannt, und als einen Märtyrer dar, der für den verbannten König und die verfolgte Kirche heldenmüthig sein Leben gelassen habe.178

Schriften und Kunstgriffe der Jakobiten

Die Minister irrten sich sehr, wenn sie glaubten, daß Anderton’s Schicksal Andere abhalten werde, sein Beispiel nachzuahmen. Seine Hinrichtung veranlaßte mehrere kaum minder heftige Pamphlets als das wegen dessen er verurtheilt worden. Collier frohlockte in einer Schrift, die er „Remarks on the London Gazette” betitelte, mit herzloser Freude über das Blutbad von Landen und über die massenhafte Zerstörung englischen Eigenthums an der Küste von Spanien.179 Andere Schriftsteller thaten ihr Möglichstes, um unter den Arbeitern Aufstände zu entzünden, denn es war die Doctrin der Jakobiten, daß Unruhen, wo und wie sie immer beginnen möchten, in eine Restauration auszulaufen versprächen. Eine Phrase, die ohne Commentar als purer Unsinn erscheinen muß, die aber in Wirklichkeit sehr bedeutungsvoll war, führten sie damals vielfach im Munde, und sie wurde sogar eine Parole, an der die Mitglieder der Partei einander erkannten: „Schlagt es herum, es wird zu meinem Vater kommen.” Der verborgene Sinn dieser Redensart war: „Stürzt das Land in Verwirrung, man wird zuletzt zu König Jakob greifen müssen.”180 Der Handel florirte nicht und viele fleißige Menschen hatten keine Arbeit. Die mißvergnügten Straßendichter verfertigten in Folge dessen an die nothleidenden Klassen gerichtete Lieder. Zahlreiche Exemplare einer Ballade, welche die Weber aufforderte, sich gegen die Regierung zu erheben, wurden in dem Hause des Quäkers gefunden, der Jakob’s Erklärung gedruckt hatte.181 Alle erdenklichen Mittel wurden angewendet, um auch unter einer weit gefährlicheren Klasse von Leuten, unter den Matrosen, Unzufriedenheit zu erwecken, und unglücklicherweise lieferten die Mängel der Marineverwaltung den Feinden des Staats nur zu reichlichen Zündstoff. Einige Seeleute desertirten, andere stifteten Meutereien an; es fanden Hinrichtungen statt, und diesen folgten neue Balladen und Flugblätter, welche die Hinrichtungen als barbarische Mordthaten darstellten. Gerüchte, daß die Regierung beschlossen habe, ihre Vertheidiger um ihren sauerverdienten Lohn zu betrügen, wurden mit so großem Erfolge verbreitet, daß ein zahlreicher Haufe Weiber von Wapping und Rotherhithe Whitehall belagerte und tumultuarisch den ihren Männern gebührenden Lohn verlangte. Marie war so taktvoll und gutherzig, vier dieser ungestümen Petentinnen in den Saal einführen zu lassen, wo sie eben eine Staatsrathssitzung hielt. Sie hörte ihre Klagen an und versicherte ihnen in eigner Person, daß das Gerücht, welches sie beunruhigt habe, ungegründet sei.182 Inzwischen kam der St. Bartholomäustag heran, und die große jährliche Messe, das Vergnügen arbeitsscheuer Lehrbuben und der Greuel puritanischer Aldermen, wurde mit der gewöhnlichen Schaustellung von Zwergen, Riesen und tanzenden Hunden, Feuerfressern und abgerichteten Elephanten in Smithfield eröffnet. Von allen Sehenswürdigkeiten aber übte keine so große Anziehungskraft aus, als eine dramatische Vorstellung, welche in der Idee, wenn auch gewiß nicht in der Ausführung, große Aehnlichkeit mit den unsterblichen Meisterwerken des Humors gehabt zu haben scheint, in denen Aristophanes Cleon und Lamachus lächerlich machte. Zwei herumziehende Comödianten gaben die Rollen Killegrew’s und Delaval’s. Die beiden Admiräle waren dargestellt, wie sie mit ihrer ganzen Flotte vor einigen französischen Kapern flohen und unter den Kanonen des Towers Schutz suchten. Die Rolle des Chorus wurde von einem Hanswurst gespielt, der seine Meinung über die Marineverwaltung sehr freimüthig aussprach. Ungeheure Menschenmassen strömten zu dieser wunderlichen Posse. Der Beifall war laut, die Einnahmen groß, und die Comödianten, welche zuerst nur die unglückliche und unpopuläre Admiralität durchzuhecheln gewagt hatten, begannen jetzt, durch die Straflosigkeit und den Erfolg dreist gemacht, und wahrscheinlich durch Leute viel höherer Stellung angeregt und bezahlt, auch über andere Verwaltungszweige ihre Witze zu machen. Diesem Versuche, die Zügellosigkeit der attischen Bühne wieder in die Mode zu bringen, wurde bald durch das Erscheinen einer starken Abtheilung Constabler, welche die Schauspieler ins Gefängniß abführten, ein Ziel gesetzt.183 Mittlerweile wurden die Straßen London’s jede Nacht mit aufwieglerischen Flugblättern besäet. In allen Wirthshäusern hinkten die Zeloten des erblichen Rechts mit Wein- und Punschgläsern an den Lippen umher. Diese Mode war eben aufgekommen, und die Nichteingeweihten wunderten sich höchlich, wie eine so große Menge frischer und gesunder Gentlemen urplötzlich lahm geworden sein könne. Die in das Geheimniß Eingeweihten aber wußten, daß das Wort limp (hinken) ein geheiligtes Wort, daß jeder der vier Buchstaben, aus denen es bestand, der Anfangsbuchstabe eines erlauchten Namens war, und daß der loyale Unterthan, der beim Trinken hinkte, sein Glas auf das Wohl Ludwig’s, Jakob’s, Mariens und des Prinzen leerte.184

 

Aber nicht allein in der Hauptstadt ließen die Jakobiten damals ihren Witz in großem Maßstabe leuchten. Sie waren auch in Bath zahlreich vertreten, wo der Lordpräsident Caermarthen seine erschütterte Gesundheit wieder zu befestigen versuchte. Jeden Abend versammelten sie sich, um, wie sie es nannten, dem Marquis eine Serenade zu bringen. Mit anderen Worten, sie rotteten sich unter den Fenstern des kranken Mannes zusammen und sangen Spottlieder auf ihn.185

172London Gazette vom 24. April und 15. Mai 1693.
173Burchett’s Memoirs of Transactions at Sea; Burnet II. 114, 115, 116; London Gazette vom 17. Juli 1693; Monthly Mercury vom Juli; Brief aus Cadix vom 4. Juli.
174Narcissus Luttrell’s Diary; Baden an die Generalstaaten, 14. (24.) Juli, 25. Juli (4. Aug.). Unter den Tanner’schen Manuscripten in der Bodlejanischen Bibliothek befinden sich Briefe, welche die Aufregung in der City schildern. „Ich wünsche,” sagt einer von Sancroft’s jakobitischen Correspondenten, „daß er uns die Augen öffnen und unsre Ansicht ändern möge. Aber nach den Berichten, die ich gesehen habe, verließ die Türkei-Compagnie vollkommen befriedigt und aufgeheitert die Königin und den Staatsrath.”
175London Gazette vom 21. Aug. 1693; L’Hermitage an die Generalstaaten, 28. Juli (7. Aug.). Da ich in diesem und den folgenden Kapiteln die Depeschen L’Hermitage’s häufig benutzen werde, so wird es passend sein, etwas über ihn zu sagen. Er war ein französischer Refugié und lebte als Agent der Waldenser in London. Einige seiner Beschäftigungen hatte darin bestanden, Heinsius Neuigkeitsbriefe zu senden. Einige interessante Auszüge aus diesen Neuigkeitsbriefen findet man in dem Werke des Barons Sirtema de Grovestins. Wahrscheinlich auf Anrathen des Großpensionairs forderten die Generalstaaten durch einen vom 24. Juli (3. Aug.) 1693 datirten Beschluß L’Hermitage auf, Nachrichten über das was in England vorging zu sammeln und ihnen zu übersenden. Seine Briefe sind reich an interessanten und werthvollen Mittheilungen, die man sonst nirgends findet. Von ganz besonderem Werthe sind seine Berichte über die Parlamentsverhandlungen, und dies scheinen auch seine Vorgesetzten wohl erkannt zu haben. Abschriften von den Depeschen L’Hermitage’s und überhaupt aller Gesandten und Agenten, welche die Generalstaaten seit den Zeiten der Königin Elisabeth in England unterhielten, befinden sich jetzt in der Bibliothek des britischen Museums oder werden sich bald daselbst befinden. Diesen werthvollen Zuwachs zu dem großen Nationalmagazin des Wissens verdankt das Land hauptsächlich Lord Palmerston. Es würde jedoch Unrecht sein, wenn ich nicht hinzusetzte, daß seine Anweisungen von dem verstorbenen Sir Eduard Disbrowe unter der gefälligen Mitwirkung der gelehrten Männer, deren Obhut die herrliche Archivensammlung im Haag anvertraut ist, mit größtem Eifer ausgeführt wurden.
176Little Hooknose. Spottname des Königs. – Der Uebers.
177Es ist auffällig, daß die Anklageschrift nicht in Howell’s State Trials aufgenommen wurde. Die mir vorliegende Abschrift war für Sir James Mackintosh angefertigt.
178Der größte Theil der auf uns gekommenen Aufschlüsse über Anderton’s Prozeß findet sich in Howell’s State Trials.
179Die Remarks existiren noch und sind lesenswerth.
180Narcissus Luttrell’s Diary.
181Ibid.
182Es existirt noch ein Flugblatt, an „alle Herren Seeleute, die ihres Lebens müde sind,” gerichtet, so wie eine Ballade, welche den König und die Königin der Grausamkeit gegen die Seeleute beschuldigt: „Für Räuber, Diebe und so fortHört täglich man das Gnadenwort,Für arme Schiffer, deren HandSie schützt in ihres Vaters Land,Ist jede Gnade unbekannt.” Narcissus Luttrell beschreibt die Scene in Whitehall.
183L’Hermitage, 5. (15.) Sept. 1693. Narcissus Luttrell’s Diary.
184Narcissus Luttrell’s Diary.
185Narcissus Luttrell’s Diary. In einem damals unter dem Titel: „A Dialogue between Whig and Tory” erschienenen Pamphlet spielt der Whig auf „die öffentlichen Ungebührlichkeiten in Bath in Folge der letzten Niederlage in Flandern” an. Der Tory antwortet: „Ich weiß nicht was einige hitzköpfige Trunkenbolde in Bath oder anderwärts gesagt oder gethan haben mögen.” In der Folioausgabe der Collection of State Tracts ist irrthümlich gesagt, dieser Dialogue sei um den November 1692 gedruckt worden.