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Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Zehnter Band: enthaltend Kapitel 19 und 20.

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Ein Ministerium nothwendig für die parlamentarische Regierungsform

Die Sache war die, daß die Veränderung, welche die Revolution in der Stellung des Hauses der Gemeinen herbeigeführt hatte, eine andere Veränderung nothwendig gemacht hatte und daß diese Veränderung noch nicht eingetreten war. Es gab eine parlamentarische Regierung, aber es gab kein Ministerium, und ohne Ministerium muß die Thätigkeit einer parlamentarischen Regierung wie die unsrige stets schwankend und unsicher sein.

Es ist für unsere Freiheiten wesentlich nothwendig, daß das Haus der Gemeinen eine Oberaufsicht über alle Zweige der ausübenden Verwaltung führt. Und doch liegt es auf der Hand, daß eine Versammlung von fünf- bis sechshundert Männern, selbst wenn sie in geistiger Beziehung hoch über dem Durchschnittsmaße der Mitglieder des besten Parlaments ständen, selbst wenn jeder von ihnen ein Burleigh oder ein Sully wäre, zu executiven Functionen untauglich sein würde. Man hat sehr richtig gesagt, daß jede große Versammlung von menschlichen Geschöpfen, mögen sie auch noch so gebildet sein, eine starke Tendenz habe, ein tumultuarischer Haufen (a mob) zu werden, und ein Land, dessen höchste Executivbehörde eine tumultuarische Menge ist, befindet sich gewiß in einer gefährlichen Lage.

Zum Glück hat man einen Weg ausfindig gemacht, auf welchem das Haus der Gemeinen einen überwiegenden Einfluß auf die Executivverwaltung ausüben kann, ohne Functionen zu übernehmen, welche von einer so zahlreichen und aus so verschiedenartigen Elementen zusammengesetzten Körperschaft niemals gut verrichtet werden können. Eine Institution, welche zu den Zeiten der Plantagenets, der Tudors und der Stuarts nicht existirte, eine Institution, die das Gesetz nicht kennt, eine Institution, die in keinem Statut genannt ist, eine Institution, welche Schriftsteller wie De Lolme und Blackstone nicht erwähnen, trat wenige Jahre nach der Revolution ins Leben, gewann rasch eine hohe Bedeutung, wurde fest begründet und ist jetzt ein fast eben so wesentlicher Theil unsrer Verfassung wie das Parlament selbst. Diese Institution ist das Ministerium.

Das Ministerium ist eigentlich ein Ausschuß von leitenden Mitgliedern der beiden Häuser. Es wird von der Krone ernannt; aber es besteht ausschließlich aus Staatsmännern, deren Ansichten über die wichtigen Tagesfragen in der Hauptsache mit den Ansichten der Majorität des Hauses der Gemeinen übereinstimmen. Unter die Mitglieder dieses Ausschusses sind die Hauptzweige der Verwaltung vertheilt. Jeder Minister versteht die gewöhnlichen Geschäfte seines Amts ganz unabhängig von seinen Collegen. Die wichtigsten Geschäfte jedes einzelnen Amtes aber, besonders solche, die voraussichtlich Gegenstände parlamentarischer Discussion werden, unterliegen der Erwägung des Gesammtministeriums. Im Parlamente sind die Minister verpflichtet, bei allen die ausübende Verwaltung betreffenden Fragen wie ein Mann zu handeln. Ist einer von ihnen in einer Frage, die zu wichtig ist um einen Vergleich zu gestatten, andrer Meinung als die übrigen, so ist es seine Pflicht zurückzutreten. So lange die Minister das Vertrauen der Majorität im Parlamente besitzen, unterstützt diese Majorität sie gegen Opposition und verwirft jeden Antrag, der einen Tadel gegen sie ausspricht oder der sie in Verlegenheit setzen kann. Verscherzen sie sich dieses Vertrauen, ist die Majorität des Parlaments mit der Art und Weise, wie das Stellenvergebungsrecht und das Begnadigungsrecht ausgeübt wird, mit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, mit der Führung eines Kriegs unzufrieden, so ist die Abhülfe sehr einfach. Es ist nicht nöthig, daß die Gemeinen die Verwaltungsgeschäfte übernehmen, daß sie die Krone ersuchen, Diesen zum Bischof, Jenen zum Richter zu ernennen, den einen Verbrecher zu begnadigen, den andren hinrichten zu lassen, über einen Vertrag auf besonderer Grundlage zu unterhandeln oder nach einem bestimmten Orte eine Expedition zu schicken. Sie haben lediglich zu erklären, daß das Ministerium ihr Vertrauen nicht mehr besitzt, und um ein Ministerium zu bitten, dem sie Vertrauen schenken können.

Vermittelst so constituirter und so wechselnder Ministerien wird die englische Regierung seit langer Zeit in vollkommenem Einklange mit der wohlerwogenen Ansicht des Hauses der Gemeinen geleitet und ist doch erstaunlich frei geblieben von den Mängeln, welche Regierungen eigen sind, die durch zahlreiche, tumultuarische und gespaltene Versammlungen verwaltet werden. Einige wenige ausgezeichnete Männer, die in ihren allgemeinen Ansichten übereinstimmen, sind die vertrauten Rathgeber des Souverains und zugleich der Stände des Reichs. Im Cabinet sprechen sie mit der Autorität von Männern, die bei den Vertretern des Volks in hoher Achtung stehen. Im Parlamente sprechen sie mit der Autorität von Männern, die in wichtigen Angelegenheiten zu Hause und mit den Geheimnissen des Staats genau bekannt sind. So hat das Cabinet etwas von dem volksthümlichen Character eines Repräsentativkörpers, und der Repräsentativkörper etwas von der Würde eines Cabinets.

Zuweilen ist jedoch der Stand der Parteien von der Art, daß kein Verein von Männern, der zusammengebracht werden kann, das volle Vertrauen und die stetige Unterstützung der Majorität des Hauses der Gemeinen besitzt. Wenn dies der Fall ist, so muß das Ministerium schwach sein und es giebt dann wahrscheinlich eine rasche Aufeinanderfolge schwacher Ministerien. Zu solchen Zeiten geräth das Haus der Gemeinen unfehlbar in einen Zustand, den kein Freund der Repräsentativverfassung ohne Besorgniß betrachten kann, in einen Zustand, der es uns möglich macht, uns einen schwachen Begriff von dem Zustande dieses Hauses während der ersten Regierungsjahre Wilhelm’s zu bilden. Es ist allerdings nur ein schwacher Begriff, denn das schwächste Ministerium übt immer noch einen großen Einfluß auf den Gang der Parlamentsverhandlungen aus, und während der ersten Regierungsjahre Wilhelm’s gab es gar kein Ministerium.

Allmälige Bildung des ersten Ministeriums

Kein Schriftsteller hat es noch versucht, die Entwickelung dieser Institution zu verfolgen, welche für das harmonische Zusammenwirken unserer übrigen Institutionen unentbehrlich ist. Das erste Ministerium war zum Theil das Werk des bloßen Zufalls, zum Theil das Werk der Weisheit, aber nicht jener höchsten Weisheit, welche mit den großen Prinzipien der Staatswissenschaft vertraut ist, sondern der niederen Weisheit, welche alltäglichen Anforderungen durch alltägliche Mittel begegnet. Weder Wilhelm noch seine einsichtsvollsten Rathgeber begriffen vollkommen den Character und die Wichtigkeit jener geräuschlosen Revolution – denn es war nichts Geringeres als eine Revolution – welche um das Ende des Jahres 1693 begann und um das Ende des Jahres 1696 vollendet war. Aber Jedermann konnte bemerken, daß zu Ende des Jahres 1693 die höchsten Regierungsämter nicht ungleich zwischen die beiden großen Parteien getheilt waren, daß die Männer, welche diese Aemter bekleideten, beständig gegen einander intriguirten, gegen einander haranguirten, Tadelsvoten gegen einander beantragten, Anklageartikel gegen einander erhoben und daß die Stimmung des Hauses der Gemeinen unstet, unlenksam und schwankend war. Jedermann konnte bemerken, daß zu Ende des Jahres 1696 alle ersten Diener der Krone Whigs waren, durch öffentliche und private Bande eng mit einander verbunden und bereit einander gegen jeden Angriff zu vertheidigen, und daß die Majorität des Hauses der Gemeinen in guter Ordnung unter diesen Führern kämpfte und gelernt hatte, sich auf Commando wie ein Mann zu bewegen. Die Geschichte der Uebergangsperiode und der Schritte, durch welche die Veränderung herbeigeführt wurde, ist höchst merkwürdig und interessant.

Sunderland

Der Staatsmann, welcher den Hauptantheil an der Bildung des ersten englischen Ministeriums hatte, war einst nur zu bekannt gewesen, hatte sich aber lange vor den Augen der Oeffentlichkeit verborgen und war erst kürzlich wieder aus dem Dunkel hervorgetreten, indem man erwartet hatte, daß er den Rest seines schmachvollen und unglücklichen Lebens zubringen werde. Während der Periode allgemeinen Schreckens und allgemeiner Verwirrung, welche auf Jakob’s Flucht folgte, war Sunderland verschwunden. Es war hohe Zeit, denn von allen Agenten der gestürzten Regierung war er, mit alleiniger Ausnahme Jeffreys’, der Nation am meisten verhaßt. Nur Wenige wußten, daß Sunderland insgeheim gegen die Beraubung des Magdalenencollegiums und die gerichtliche Verfolgung der Bischöfe gestimmt hatte; Jedermann aber wußte, daß er zahlreiche, von Gesetzen dispensirende Dokumente unterzeichnet, daß er in der Hohen Commission gesessen hatte, daß er, sei es wirklich oder nur zum Schein, Papist geworden und daß er, wenige Tage nach seinem Abfall, in Westminster Hall als Zeuge gegen die unterdrückten Väter der Kirche aufgetreten war. Allerdings hatte er viele Verbrechen durch ein neues Verbrechen gesühnt, das schändlicher war als alle übrigen. Sobald er Ursache hatte zu glauben, daß der Tag der Befreiung und Vergeltung bevorstehe, hatte er durch einen sehr geschickten und rechtzeitigen Verrath seine Begnadigung erlangt. Während der letzten drei Monate vor der Ankunft des holländischen Geschwaders bei Torbay hatte er der Sache der Freiheit und der protestantischen Religion Dienste geleistet, deren Schändlichkeit, aber auch Nützlichkeit schwerlich zu hoch angeschlagen werden kann. Ihm hauptsächlich hatte man es zu verdanken, daß in dem kritischesten Momente unsrer Geschichte nicht eine französische Armee die batavische Grenze bedrohte und eine französische Flotte an den englischen Küsten kreuzte. Wilhelm durfte sich, ohne einen Schatten auf seine eigne Ehre zu werfen, nicht weigern einen Mann zu protegiren, den er zu benutzen keinen Anstand genommen hatte. Es war jedoch selbst für Wilhelm keine leichte Aufgabe, dieses schuldbeladene Haupt gegen den ersten Ausbruch der Volkswuth zu schützen. Denn selbst diejenigen extremen Politiker beider Parteien, die in sonst nichts übereinstimmten, stimmten in dem Rachegeschrei gegen den Renegaten überein. Die Whigs haßten ihn als den Erbärmlichsten unter den Sklaven, welche der vorigen Regierung gedient hatten, und die Jakobiten als den Schändlichsten unter den Verräthern, durch die sie gestürzt worden war. Wäre er in England geblieben, so würde er wahrscheinlich von der Hand des Scharfrichters gestorben sein, wenn nicht der Pöbel dem Scharfrichter noch zuvorkam. In Holland aber hatte ein vom Statthalter begünstigter politischer Flüchtling einige Hoffnung, unbelästigt zu existiren. Nach Holland floh Sunderland, als Frau verkleidet, wie man sagt, und seine Gattin begleitete ihn. In Rotterdam, einer dem Hause Oranien ergebenen Stadt, hielt er sich für sicher. Aber die Behörde war nicht in alle Geheimnisse des Prinzen eingeweiht und einige diensteifrige Engländer versicherten ihr, Se. Hoheit werde sehr erfreut sein, wenn er die Verhaftung des papistischen Schuftes, des Judas erführe, dessen Erscheinen auf Tower Hill ganz London mit Ungeduld erwarte. Sunderland wurde ins Gefängniß geworfen und blieb darin bis der Befehl zu seiner Freilassung von Whitehall kam. Er begab sich nun nach Amsterdam und wechselte dort abermals seine Religion. Sein zweiter Abfall erbaute seine Gattin eben so sehr, wie sein erster Abfall seinen Gebieter erbaut hatte. Die Gräfin schrieb an ihre frommen Freunde in England, um ihnen zu versichern, daß das Herz ihres armen geliebten Gemahls endlich wirklich von der göttlichen Gnade berührt worden sei und daß sie sich bei all’ ihrem Kummer getröstet fühle, da sie einen so aufrichtigen Convertiten in ihm sähe. Wir dürfen jedoch, ohne die Pflicht der christlichen Liebe zu verletzen, wohl annehmen, daß er noch immer der nämliche falsche und verstockte Sunderland war, der wenige Monate zuvor durch die Ableugnung des Daseins Gottes Bonrepaux mit Schaudern erfüllt und zu gleicher Zeit durch das Vorgeben, daß er an die Transsubstantiation glaube, Jakob’s Herz gewonnen hatte. Bald darauf veröffentlichte der Verbannte eine Apologie seiner Handlungsweise. Bei genauer Untersuchung dieser Apologie findet man, daß sie lediglich auf das Bekenntniß hinausläuft, daß er eine Reihe von Verbrechen begangen habe, um Jakob’s Gunst zu erlangen, und eine andre Reihe von Verbrechen, um nicht in Jakob’s Sturz hineingezogen zu werden. Der Verfasser schließt mit der Bemerkung, daß er beabsichtige, den Rest seines Lebens in Bußübungen und Gebet zuzubringen. Er zog sich bald von Amsterdam nach Utrecht zurück und machte sich dort durch seinen regelmäßigen und andächtigen Besuch des Gottesdienstes hugenottischer Prediger bemerkbar. Wenn man seinen Briefen und denen seiner Gattin glauben darf, so hatte er dem Ehrgeize für immer entsagt. Er sehnte sich zwar danach, aus der Verbannung zurückzukehren, nicht um wieder die Gunstbezeigungen der Krone genießen und spenden zu können, nicht damit er seine Vorzimmer wieder mit dem täglichen Schwarme von Bittstellern gefüllt sähe, sondern nur um die Wiesen, die Bäume und die Familiengemälde seines Landsitzes wiederzusehen. Sein einziger Wunsch war, sein ruheloses Leben in Althorpe beschließen zu dürfen, und er wollte seinen Kopf zum Pfande setzen, daß er die Umhegungen seines Parks nie wieder verließ.191

 

So lange das während der Erledigung des Thrones gewählte Haus der Gemeinen eifrig mit dem Proscriptionswerke beschäftigt war, durfte er es nicht wagen, sich in England zu zeigen. Als aber diese Versammlung nicht mehr existirte, glaubte er sich sicher. Wenige Tage nachdem die Begnadigungsacte auf den Tisch der Lords niedergelegt worden war, kehrte er zurück. Von der Wohlthat dieser Acte war er speciell ausgeschlossen; aber er wußte sehr gut, daß er jetzt nichts zu fürchten hatte. Er begab sich heimlich nach Kensington, erlangte Zutritt ins königliche Cabinet, hatte eine zwei Stunden dauernde Audienz, und zog sich dann auf seinen Landsitz zurück.192

Viele Monate lang führte er ein eingezogenes Leben und hatte keine Wohnung in London. Einmal, im Frühjahr 1691, zeigte er zum großen Erstaunen des Publikums sein Gesicht im Hofzirkel und wurde freundlich aufgenommen.193 Er scheint gefürchtet zu haben, daß sein Wiedererscheinen im Parlamente ihm einen eklatanten Affront zuziehen möchte. Er schlich sich daher wohlweislich in der stillen Jahreszeit an einem Tage bis zu welchem die Häuser auf königlichen Befehl vertagt waren und an welchem sie sich nur versammelten, um wieder vertagt zu werden, nach Westminster, hatte gerade noch so viel Zeit, sich vorzustellen, die Eide zu leisten, die Erklärung gegen die Transsubstantiation zu unterzeichnen und seinen Sitz einzunehmen. Keiner von den wenigen anwesenden Peers fand Gelegenheit, eine Bemerkung zu machen.194 Erst im Jahre 1692 begann er den Sitzungen wieder regelmäßig beizuwohnen. Er schwieg; aber geschwiegen hatte er jederzeit in zahlreichen Versammlungen, selbst als er auf dem Höhepunkte der Macht stand. Seine Talente waren nicht die eines öffentlichen Redners. Die Kunst, in der er Jeden übertraf, war die Kunst des Flüsterns. Sein Takt, sein Scharfblick für individuelle Schwächen, seine freundlichen Manieren, seine Gabe, sich einzuschmeicheln, und vor Allem seine anscheinende Freimüthigkeit, machten ihn in der Privatconversation unwiderstehlich. Durch diese Eigenschaften hatte er Jakob beherrscht, und wollte nun damit Wilhelm beherrschen.

Es war zwar nicht leicht Wilhelm zu beherrschen; aber Sunderland erlangte doch einen solchen Grad von Gunst und Einfluß, daß es großes Erstaunen und selbst einigen Unwillen erregte. Allerdings war kaum ein Geist stark genug, um dem Zauber seiner Rede und seines Benehmens zu widerstehen. Jedermann ist geneigt an die Dankbarkeit und Anhänglichkeit auch der werthlosesten Menschen zu glauben, denen er große Wohlthaten erzeigt hat. Es kann daher kaum auffallen, daß der geschickteste aller Schmeichler ein geneigtes Ohr fand, als er mit allen äußeren Zeichen tiefer Bewegtheit um die Erlaubniß bat, alle seine Geisteskräfte dem Dienste des hochherzigen Beschützers zu widmen, dem er Vermögen, Freiheit und Leben verdankte. Es ist jedoch deshalb nicht anzunehmen, daß der König sich täuschen ließ. Er wird mit gutem Grunde geglaubt haben, daß zwar auf Sunderland’s Betheuerungen nicht viel zu geben war, daß er aber um so mehr Vertrauen in seine Stellung setzen konnte, und Sunderland erwies sich im Ganzen wirklich als ein treuerer Diener wie ein minder verderbter Mann es hätte sein können. Er that zwar in aller Stille einige schüchterne Schritte zu einer Aussöhnung mit Jakob, allein man darf mit Gewißheit behaupten, daß, selbst wenn diese Schritte freundlich aufgenommen worden wären – und sie scheinen sehr unfreundlich aufgenommen worden zu sein – der zwiefache Renegat der jakobitischen Sache nie einen wirklichen Dienst geleistet haben würde. Er wußte recht gut, daß er etwas gethan hatte, was in Saint-Germains als unverzeihlich betrachtet werden mußte. Nicht daß er blos verrätherisch und undankbar gewesen wäre, Marlborough war eben so verrätherisch und undankbar gewesen, und Marlborough hatte Verzeihung erlangt. Aber Marlborough hatte sich nicht der gottlosen Heuchelei schuldig gemacht, die äußeren Zeichen einer Bekehrung zur Schau zu tragen. Marlborough hatte nicht vorgegeben, durch die Argumente der Jesuiten überzeugt, durch die göttliche Gnade berührt worden zu sein, sich nach der Aufnahme in den Schooß der allein wahren Kirche zu sehnen. Marlborough hatte nicht, als der Papismus überwiegend war, sich bekreuzigt, gebeichtet, Buße gethan, das heilige Abendmahl in Einer Gestalt genommen, war nicht, sobald ein Wechsel des Glückes eintrat, abermals abgefallen und hatte nicht der ganzen Welt erklärt, daß, als er im Beichtstuhl gekniet und die Hostie empfangen, er den König und die Priester nur ausgelacht habe. Sunderland’s Verbrechen war ein solches, das Jakob nie vergeben konnte, und ein Verbrechen, das Jakob nie vergeben konnte, war in gewissem Sinne eine Empfehlung bei Wilhelm. Der Hof, ja selbst der Staatsrath waren mit Männern angefüllt, welche hoffen konnten, ihr Glück zu machen, wenn der verbannte König wieder auf den Thron gesetzt wurde. Sunderland aber hatte sich keinen Rückzug gesichert, er hatte alle Brücken hinter sich abgebrochen. Er war gegen den Einen so falsch gewesen, daß er nothgedrungen dem Andren treu sein mußte. Daß er in der Hauptsache der Regierung, die ihn jetzt beschützte, treu war, steht kaum zu bezweifeln, und da er treu war, konnte er nur nützlich sein. Er war in einigen Beziehungen ganz vorzüglich geeignet, damals ein Rathgeber der Krone zu sein, denn er besaß gerade die Talente und Kenntnisse, an denen es Wilhelm fehlte. Die Beiden zusammen würden einen vollendeten Staatsmann ausgemacht haben. Der Gebieter war fähig, große Pläne zu entwerfen und auszuführen, aber er vernachlässigte die kleinen Kunstgriffe, in denen der Diener sich auszeichnete. Der Gebieter sah weiter als andere Menschen; aber das Nahe sah Niemand so deutlich als der Diener. Der Gebieter war zwar in der Politik der großen Völkergemeinschaft gründlich erfahren, lernte aber die Politik seines eigenen Landes niemals genau kennen. Der Diener war mit der Stimmung und der Organisation der englischen Parteien so wie mit den starken und schwachen Seiten des Characters jedes angesehenen Engländers wohl vertraut.

Zu Anfang des Jahres 1693 ging das Gerücht, daß Sunderland über alle die innere Verwaltung des Reichs betreffende wichtige Fragen zu Rathe gezogen werde, und dieses Gerücht bekam noch mehr Halt, als man erfuhr, daß er im Herbste vor dem Zusammentritt des Parlaments nach London gekommen war und ein großes Haus in der Nähe von Whitehall bezogen hatte. Die Kaffeehaus-Politiker waren überzeugt, daß er auf dem Punkte stand, ein hohes Amt zu erhalten. Vor der Hand war er jedoch so klug, sich mit der wirklichen Macht zu begnügen und den Schein derselben Anderen zu überlassen195.

Sunderland räth dem Könige den Whigs den Vorzug zu geben

Er war der Meinung daß, so lange der König versuchte die beiden großen Parteien einander die Wage halten zu lassen und seine Gunst beiden in gleichem Grade zu gewähren, beide sich zurückgesetzt glauben und keine der Regierung die aufrichtige und beharrliche Unterstützung angedeihen lassen würde, der man jetzt so dringend bedurfte. Se. Majestät müsse sich entschließen, der einen oder der andren den entschiedenen Vorzug zu geben, und es sprächen drei gewichtige Gründe dafür, diesen Vorzug den Whigs zu geben.

191Siehe Sunderland’s berühmte Erzählung, welche oft gedruckt worden ist, und die Briefe seiner Gattin, die sich in den von dem verstorbenen Stabträger Blencowe herausgegebenen Sidney’schen Schriften befinden.
192Van Citters, 6. (16.) Mai 1690.
193Evelyn, 24. April 1691.
194Lords’ Journals, April 28. 1693
195L’Hermitage, 19. (29.) Sept., 2. (12.) Oct. 1693.