Staat und Staatlichkeit in der europäischen Moderne

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5. Der Staat der Historiker: Bemerkungen zur Forschungsgeschichte

Die moderne Geschichtswissenschaft ist parallel zum modernen Staat entstanden. Das hat Themen und Selbstverständnis des Faches tief geprägt. Allerdings kann man auch hier nationale Unterschiede feststellen. Christopher Bayly hat für die englischsprachige historiographische Tradition ein geflissentliches Übersehen des Staates konstatiert.31 Man wird nicht fehlgehen, wenn man einen Grund dafür in der anders gearteten Staatlichkeitsgeschichte findet, die sich auch begriffsgeschichtlich zeigt. Für die deutschen Historiker galt das nicht. Sie haben sich frühzeitig und ausgiebig am Staat abgearbeitet und ihre eigene Profession sehr an ihm gemessen.32 Die folgenden Bemerkungen beziehen sich deshalb vor allem auf die deutsche historiographische Tradition. Ein „Volk“ wurde in diesem Verständnis erst durch den Staat zu dem, was es war, und deshalb konnte es erst dann eine Geschichte haben, wenn es auch einen Staat hatte. Dahinter stand zunächst die ganz einfache quellenkritische Erkenntnis, dass Staaten Akten anlegen und Archive unterhalten – an andere Formen von Überlieferung dachte man damals nicht. Und ohne Akten keine Geschichte. Aber es stand auch eine (besonders in Deutschland wirksame) metaphysische Vorstellung dahinter, die der Historiker Heinrich von Sybel kurz nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs so formulierte: „Die Staatsgemeinschaft ist nicht eine willkürliche Erfindung der einzelnen Menschen, sondern sie ist die angeborene nothwendige Form jedes menschlichen Daseins“:33 Nur durch den Staat konnte sich Menschsein verwirklichen. Der Staat als höchste Form menschlicher Gemeinschaft und als Ziel der Weltgeschichte: Das war ein Gedanke des Philosophen Hegel. Der Althistoriker Eduard Meyer war sogar der Ansicht, dass der Staat logisch wie historisch älter als der Mensch sei. Und tatsächlich sprechen wir ja auch bei Bienen oder Termiten von „Staaten“: Ist der Staat nun älter als die Menschen oder übertragen wir damit nur, unangemessen, einen uns zentralen Begriff?

So historisierend die Historiker des 19. Jahrhunderts auch alles als etwas „Gewordenes“ und insofern Historisches ansahen: Der Staat war für sie eine gleichsam unhistorische Größe; dass er sich entwickelte, war Ausdruck des menschlichen Fortschritts, und wer ihn nicht hatte, der war historisch weniger weit gekommen. Diese Verherrlichung des Staates schloss für viele (und beileibe nicht nur für deutsche) Historiker auch eine Apotheose der Nation ein, weil sich hier, so ihre Meinung, der Staat auf der höchsten Ebene verwirklichte, denn hier kam zusammen, was (scheinbar) zusammengehörte: Menschen gleicher Sprache und Kultur, die sich ein gemeinsames politisches Ziel setzten.

Eine Historisierung des Staates durch die Geschichtswissenschaft kann man eigentlich erst mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts konstatieren. Max Weber und Otto Hintze begannen, nach der Entwicklung und der Eigenart des Staates zu fragen – beide in bemerkenswerter begrifflicher Übereinstimmung, indem sie den Staat als „Anstalt“, als „Betrieb“ und also abgelöst von der personalen Herrschaft der großen Männer fassten.34 Sie überprüften die Entwicklung der Bürokratie oder des Kriegswesens nicht nur auf ihre historische Entwicklung, sondern auch auf ihre europäischen Besonderheiten hin. Aber noch lange, bis nach dem Zweiten Weltkrieg, hielt sich die Verherrlichung des Staates „an sich“, den die häufig ausgemacht rechtsnationalen Historiker der Weimarer Republik gerne von der Staatsform absetzten: So konnten sie (Gerhard Ritter, Hans Rothfels oder Fritz Hartung, um nur einige zu nennen) an der Staatsidee festhalten und doch die Republik von Weimar ablehnen. Als positives Gegenbild wurde der preußische Staat des 18. und 19. Jahrhunderts gepriesen.

Es waren ausgerechnet NS-affine Historiker, allen voran der Mediävist Otto Brunner, die diesen unhistorischen Staatsbegriff kritisch auf’s Korn nahmen. 1939 wandte Brunner sich dagegen, den modernen Staatsbegriff auf das Mittelalter anzuwenden.35 Er tat das zunächst aus völkischen Gesichtspunkten: Weil ein Staat immer nur die äußere Hülle einer Volksgemeinschaft sei, von der im Mittelalter noch nicht die Rede sein könne. Er führte stattdessen den Begriff der Herrschaft36 ein und verwies auf die für das Mittelalter zentrale personale Dimension von Herrschafts- und Gefolgschaftsbeziehungen, die sich nicht mit der abstrakten Konstruktion von „Staat“ vertrage. Sein Argument ist seither prägend geworden für die Diskussion um den Staat in der Moderne: Für das Mittelalter sind andere Zugehörigkeiten kennzeichnend. „Herrschaft“, „Land“, „Gefolgschaft“ oder „Genossenschaft“ bilden Loyalitätsmuster im Personenverband, als den man eine mittelalterliche politische Gemeinschaft immer kennzeichnen muss. Brunners These, die eine verworrene Rezeptionsgeschichte durchlaufen hat, trug trotz der ideologischen Schieflage seines Autors dazu bei, den Staatsbegriff nach 1945 zu historisieren.

Das geschah allerdings nur zögerlich. Denn einerseits waren nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts, die ohne die zerstörerische Kraft der Staatsmacht nicht zu denken sind, die Historiker lange Zeit sprachlos – sie sprachen nicht über das Versagen des Staates als historischer Kraft, sondern eher wie der Freiburger Historiker Gerhard Ritter über die „Dämonie der Macht“ und über die Staatsidee „als solche“. Die Vorherrschaft einer solchen Politikgeschichte hat dazu geführt, dass sich seit den 1960er Jahren eine Sozialgeschichte als Gegenbewegung herausbildete, die auf den Staatsbegriff weitgehend verzichtete und lieber von „politischer Herrschaft“ in einem soziologischen Sinn sprach. Und das in einer Zeit, in der eine enorme Ausweitung der Staatstätigkeit vonstattenging, der Sozial- wie der Interventionsstaat immer bedeutender wurde und (man vergisst das gerne) im Zeichen des Kalten Krieges auch der Kriegsstaat eine Konjunktur erlebte. Das Ende der Blockkonfrontation und die Wiedervereinigung, die ein Ansteigen der Staatstätigkeit und einen Wandel der internationalen Politik mit sich brachte, hat die Gewichte zwischen beiden Polen verschoben, weil nun eine Friedensdividende zu verteilen war und damit der Interventionsstaat eine neue Bedeutung erhielt, die man in den neoliberalen Konzeptionen der 1980er Jahre nicht erwartet hatte.

Neuere Anregungen zur Beschäftigung mit der Geschichte von Staat und Staatlichkeit sind eher von außen gekommen. Die Historische Soziologie, die vor allem in den USA beheimatet ist und zu Modellbildungen neigt, hat sich seit jeher an den langen Prozessen der Staatsbildung interessiert gezeigt. Vor allem Charles Tilly war hier ein Anreger. Er hat seit den 1970er Jahren in international vergleichenden Längsschnittstudien zur Entstehung des Nationalstaats und zum Zusammenhang von Staat und Gewalt gearbeitet.37 Die Ausweitung der Perspektive über die Nationalgeschichte hinaus, die Öffnung zur Europäischen und zur Globalgeschichte hat es mit sich gebracht, dass der Staat der europäischen Moderne wieder neu auf die Agenda gekommen ist, dieses Mal aber weniger als ein Modell denn vielmehr als ein welthistorischer Sonderfall. Es verwundert nicht, dass vor allem aus der Geschichte der Frühen Neuzeit wichtige Impulse gekommen sind. Im angloamerikanischen Raum waren es vor allem die Geschichte von Empires und ihre Formen von Staatlichkeit, die das Interesse der Globalhistoriker geweckt haben.38 In der deutschen Geschichtswissenschaft ist auf Wolfgang Reinhard zu verweisen, der seine Forschungen zur Entstehung des Staates in der Frühen Neuzeit frühzeitig mit einem Interesse an Kolonial- und Dekolonisierungsgeschichte verbunden hat und dem die folgenden Ausführungen viel verdanken.39 In nationalgeschichtlicher Perspektive hat Pierre Rosanvallon die Geschichte des Staats in Frankreich seit dem 18. Jahrhundert untersucht und dabei betont, dass „der Staat als solcher“, als allgemeiner Typus, verschwimmt, wenn wir nahe genug an unseren Gegenstand herantreten, dass wir es dann eigentlich immer mit Sonderwegen und eigenen Ausformungen zu tun haben.40 Dies gilt es in der Tat zu bedenken, und es wird im Folgenden immer wieder aufscheinen, dass „Staat“ in England, Frankreich oder Deutschland ein unterschiedliches Gesicht haben konnte. Allerdings wird immer eher mit Typologien als mit jeweils besonderen Fällen argumentiert, um auch das Gemeinsame an der modernen Staatsbildung (das auch Rosanvallon zugesteht) in den Blick zu bekommen.

Aus der Sicht der Unterschichten und damit eher in seiner repressiven Seite, aber auch in seiner begrenzten Durchsetzungsfähigkeit ist der Staat seit den 1980er Jahren vor allem im Rahmen der alltagsgeschichtlich orientierten Sozialgeschichte untersucht worden; Alf Lüdtke ist hier in Deutschland sicher der einflussreichste Stichwortgeber gewesen.41 Die wichtigste Neuentwicklung der letzten Jahrzehnte dürfte sich allerdings dem Einfluss des französischen Philosophen Michel Foucault verdanken, der sich für Macht als eine Praxis interessiert hat, die in der Mikrodimension wirkt, und der in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Wissen als Machtressource betont hat. Ein wissensgeschichtlicher Zugriff auf die Geschichte des modernen Staates hat demgemäß vor allem danach gefragt, wie Staatlichkeit auf der zunehmenden Generierung von Wissen über Bürger und Territorium beruht hat, und hat sich demzufolge für die Geschichte der Statistik, von Gesundheitspolitik als Wissenspolitik, für Volkszählungen und Demoskopie interessiert.

Will man eine große Tendenz der Forschung resümieren, so lässt sich vielleicht sagen, dass inzwischen ein ungleich skeptischerer Blick auf den historischen Erfolg des Staats herrscht; das betrifft sowohl den Erfolg nach innen im Sinne einer erfolgreichen „Zurichtung“ der Bürger als auch den Erfolg nach außen im Sinne eines welthistorischen Modells. Zu vermerken ist aber auch der deutlich schärfere Blick auf den Staat als Gewaltorganisation, die stärker in Spannung zu den benevolenten Seiten des Staates gesetzt wird. Das hat wohl nicht nur mit neueren Entwicklungen wie der Konjunktur der Kolonial- oder Geschlechtergeschichte zu tun, sondern auch mit dem schlichten Umstand, dass nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts die meisten Historiker den Krieg und den Machtstaat nicht mehr für einen unhintergehbaren historischen Fortschritt halten.

 

6. Zu diesem Buch

Dieses Buch versteht sich als eine einführende Synthese für Studierende und Forschende, die vor allem diesen einen Zweck verfolgt: den modernen Staat als ein historisches und zu historisierendes Phänomen zu untersuchen. Es bezieht sich auf Europa, weil hier dieses Phänomen entstanden und als „Zivilisationsmission“ – mehr oder minder erfolgreich – in die Welt hinausgetragen wurde. Dass dieses Unterfangen angesichts der thematischen und epochalen Breite, die in eklatantem Missverhältnis zum Umfang des Buches steht, nur in groben Strichen geschehen kann, wird hoffentlich auf Verständnis stoßen. Wer sich tiefergehend mit einzelnen Themen beschäftigt, wird wahrscheinlich enttäuscht sein. Viel einschlägige Forschungsliteratur und viele interessante, oftmals verwickelte Forschungsdiskussionen habe ich nicht genauer zur Kenntnis nehmen können, noch weniger davon konnte ich zitieren. Es wird auch deutlich, dass ein gewisser Schwerpunkt auf den größeren westeuropäischen Staaten liegt, häufig mit einem vergleichenden Blick nach den USA, weil hier das europäische Modell der Staatlichkeit eine sehr eigene Umsetzung gefunden hat. Weniger beachtet werden die europäischen Peripherien, vor allem Ost- und Südeuropa; zum Teil, weil sich hier meine Kompetenz in engen Grenzen bewegt, aber auch, weil Frankreich und Großbritannien für die Staatsbildung auch dort als Pioniere und Vorbilder fungiert haben. Deutschland erhält einen vielleicht unverdient wichtigen Platz zum einen, weil es wegen seiner föderalen Struktur eine Ausnahme, aber doch auch ein Vorbild und Exerzierfeld war; zum anderen, weil die reale und diskursive Tradition des Staates, seine historische Überhöhung hier die prägendsten Auswirkungen auf Denken und Schreiben der Geschichtswissenschaft hatte. Auch der Blick auf die Leserschaft dieses Buches legt einen deutschen Schwerpunkt nahe. Aus diesem Grund wurde auch darauf verzichtet, den Fußnotenapparat und die Bibliographie ausufern zu lassen, und es wurden nur deutsch- und englischsprachige Titel aufgenommen.

Wenn ein Neuzeithistoriker über die Geschichte des Staates schreiben und dabei bis in die Antike zurückgreifen will, dann kann er sich an eine solche Aufgabe nicht wagen ohne die großmütige Beratung und Kritik von kompetenten Kolleginnen und Kollegen, die den Text in Teilen oder ganz lasen und dabei hilfreiche Anmerkungen und Fehlerkorrekturen anbrachten. Ohne die Expertise von Christoph Lundgreen, Barbara Schlieben, Jörg Feuchter, Matthias Pohlig, Paul Nolte, Christian Jansen und Hartmut Kaelble hätte ich nicht gewagt, dieses Manuskript aus der Hand zu geben. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Aber natürlich geht alles, was sachlich falsch oder zu kritisieren ist, auf meine Rechnung.

Ein solches Buch schreibt sich nicht ohne Unterstützung. Unglaublich hilfreich und engagiert haben mir Charlotte Meiwes und Giulia Ross unter die Arme gegriffen: Sie haben aufopfernd Bücher ausgeliehen, PDFs organisiert, Hinweise auf Themen und Literatur gegeben sowie das Manuskript in eine abschließende Form zu bringen geholfen. Kai Pätzke und Oliver Schwinkendorf vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht darf ich für die gute und unkomplizierte Betreuung danken. Und schließlich ist Dank an meine Frau Ruth Rumke abzustatten für ihre Geduld und ihre Bereitschaft, dies zu ertragen. Versprochen: In den nächsten Urlaub kommt keine Bücherkiste mit – zumindest keine mit Staatsbüchern. ☺

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1Dank an Paul Nolte für diese Anregung.

2Als ein Überblick über die verzweigte Diskussion zu diesem Thema: Dipper, Moderne.

3Vgl. Peter Brandt u. a., Einleitung, in: Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, Bd. 1, 23–34; Peter Brandt, Gesellschaft und Konstitutionalismus in Amerika 1815–1847, in: Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 11–30; Peter Brandt, Gesellschaft und Konstitutionalismus in Amerika 1848–1870, in: Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, Bd. 3, 11–33.

4Zit. n. Dreier, Staat ohne Gott, 12.

5Zur Diskussion der ideengeschichtlichen Linien (schon mit deutlicher Skepsis gegenüber der emphatischen Ladung des Begriffs „modern“): Skalweit, Der ‚moderne Staat‘; Schieder, Wandlungen des Staats.

6Demandt, Antike Staatsformen.

7Vgl. Stefan Esders, „Staatlichkeit“, Governance und Recht im (westlichen) Mittelalter, in: Schuppert (Hg.), Von Staat zu Staatlichkeit, 77–100.

8So etwa Breuer, Der Staat.

9Vgl. die Begriffsdiskussion bei Wolfgang Reinhard, Einleitung: Weltreiche, Weltmeere – und der Rest der Welt, in: ders. (Hg.), 1350–1750, 18–20.

10Zum Folgenden: Boldt u. a., „Staat und Souveränität“.

11Friedeburg, Luthers Vermächtnis.

12Hierzu begriffsgeschichtlich Skinner, Genealogy of the Modern State.

13Evans u. a., Bringing the State Back In.

14Mit einem Schwerpunkt auf der politischen Theorie und konzentriert auf Frankreich und Deutschland in Abgrenzung zu Großbritannien: Dyson, The State Tradition in Western Europe, 186–196, 209 f.

15Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 10.

16Vgl. Gunnar Folke Schuppert, Von Staat zu Staatlichkeit. Konturen einer zeitgemäßen Staatlichkeitswissenschaft, in: ders. (Hg.), Von Staat zu Staatlichkeit, 11–39.

17Zum Folgenden Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 394–396.

18Weber, Politik als Beruf, 506.

19Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg als frühmoderner Staatsbildungskrieg; Reinhard, Das Wachstum der Staatsgewalt.

20Hierzu: Hans Boldt u. a., „Staat und Souveränität“, in: Otto Brunner u. a. (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 6, 1–154.

21Michael Bothe, Krieg im Völkerrecht, in: Beyrau, Formen des Kriegs, 469–478.

22Schmitt, Politische Theologie, 13.

23Gosewinkel, Schutz und Freiheit?, 520–555.

24Die 1368 etablierte Ming-Dynastie gilt hier als Wasserscheide. Vgl. Sabine Dabringhaus, Geschichte Chinas 1279–1949, München 20153. Zur Personalität der Kaiserherrschaft unter den Ming: Frederick W. Mote, Introduction, in: The Cambridge History of China, Bd. 7: The Ming Dynasty 1368– 1644, Part I, hg. v. Frederick W. Mote u. Denis Twitchett, Cambridge 1998, 1–10.

25Flüchter/Richter, Structures on the Move. Christopher Bayly verweist auf hybride Staatsformen, die dabei entstanden: Bayly, Die Geburt der modernen Welt, 317–321.

26Reinhard, Verstaatlichung der Welt; Osterhammel, Verwandlung der Welt, 818–906.

27Aloys Winterling, Über den Sinn der Beschäftigung mit der antiken Geschichte, in: Karl-Joachim Hölkeskamp u. a. (Hg.), Sinn (in) der Antike. Orientierungssysteme, Leitbilder und Wertkonzepte im Altertum, Mainz 2003, 403–419; Paul Nolte, Gesellschaftstheorie und Gesellschaftsgeschichte. Umrisse einer Ideengeschichte der modernen Gesellschaft, in: Thomas Mergel/Thomas Welskopp (Hg.), Geschichte zwischen Kultur und Gesellschaft. Beiträge zur Theoriedebatte, München 1997, 275–298.

28Bayly, Die Geburt der modernen Welt, 312.

29Dirk van Laak, Infrastruktur, in: Voigt, Handbuch Staat, 1019–1027.

30Vgl. Anter, Webers Theorie des modernen Staates, 227 f.

31Bayly, Die Geburt der modernen Welt, 306–309.

32Im Weiteren folge ich Metzler, Der Staat der Historiker. Außerdem, mit Konzentration auf die Frühneuzeitforschung: Martin P. Schennach, Frühmoderne Staatlichkeit, in: Schuppert, Von Staat zu Staatlichkeit, 41–76.

33Zit. n. Metzler, Der Staat der Historiker, 20.

34Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 815–868; Otto Hintze, Wesen und Wandlung des modernen Staats, in: ders., Staat und Verfassung, 470–496.

35Otto Brunner, Land und Herrschaft.

36Den er allerdings anders verwendete, als ich es hier tue – ich spreche in diesem Fall immer von Legitimität, so wie Max Weber den Begriff verstanden hat: Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 124 f. Es geht also immer um die Umstrittenheit oder die Akzeptanz der Herrschaft. Brunner sprach von einer „konkreten Ordnung“, in anderen Worten: Hierarchie war ein immer geltendes, quasi „natürliches“ Prinzip.

37Vgl. v. a.: Tilly, The Formation of National States.

38Bayly, Die Geburt der modernen Welt; Osterhammel, Die Verwandlung der Welt; Maier, Leviathan 2.0.

39Reinhard, Staatsgewalt.

40Rosanvallon, Der Staat in Frankreich.

41So z. B. Lüdtke, „Sicherheit“ und „Wohlfahrt“.

1. Antike Staatlichkeit und Entstaatlichung im Mittelalter

Historiker konstruieren gerne Kontinuitäten. Die Vorstellung von Brüchen ist ihnen eher fremd. Aber nicht nur, wenn wir den modernen Staat ansehen, müssen wir konstatieren, dass hier die Nähen zur Antike sehr viel auffälliger sind als zum Mittelalter. Die Historiker des 19. Jahrhunderts haben diese Geschichte eher als eine mehr oder weniger lineare Entwicklung gesehen. Die neuere Forschung betont zum einen die größere Nähe von Antike und Moderne; der berühmte Althistoriker Christian Meier war hier Vorreiter. Meier war es aber auch, der vor einer „leichtfertigen Übertragung des Staatsbegriffs auf die Antike“ warnte. Denn dabei würden Vorstellungen aus der Moderne in die Antike projiziert, die dort nicht hingehörten.1 Andere wie Christoph Lundgreen dagegen vertreten die Anwendbarkeit solcher Begriffe als analytische Konzepte. Er insbesondere ist der Ansicht, dass „Staatlichkeit“ den starren Begriff des Staates ersetzen könnte.2 Festzuhalten bleibt die Einigkeit der verschiedenen Positionen: Die Wurzeln des modernen Staates liegen in Griechenland und in Rom – wenngleich man protostaatliche Momente auch in vorderasiatischen Monarchien oder in den phönizischen Handelsstädten der Levante ausmachen kann.