Sukkubus

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Zwei



Juliette wartete in einem Café des Berliner Flughafens Tegel auf den Aufruf für Flugnummer ›LH 2053‹. Sie hatte ihr grünes Sommerkleid an, das ihrem Mann zufolge perfekt zu ihren Augen passte. Auf dem Tisch vor ihr stand eine frisch geleerte Tasse Cappuccino, in der sich der Restschaum am Tassenrand abgesetzt hatte. Mit dem Zeigefinger wischte sie ihn auf und lutschte den Finger ab. Unweigerlich dachte sie dabei an Alvin.



Sie freute sich darauf, ihn wiederzusehen, sehnte ihr gemeinsames Pornofilm-Ritual herbei, das stets in einem für beide Seiten befriedigenden Höhepunkt gipfelte, egal, wie schlecht die Filme auch waren, die Alvin ausgesucht hatte.



Traditionen dieser Art hatten sie einige. So war es etwa unausgesprochenes Gesetz des Paares, sich bei Telefonaten nicht voneinander zu verabschieden. Einer von beiden legte auf, wenn er das Gespräch für beendet hielt. Zwar erforderte dieses Vorgehen manch seltenes Mal einen Rückruf, aber im Großen und Ganzen war es ein Spiel, das sie bereits ihr gesamtes gemeinsames Leben spielten.



Eine weitere Sitte war es, sich gegenseitig nicht vom Flughafen abzuholen. Dies war darauf zurückzuführen, dass sie sich einmal verpasst hatten, was sich zu einem Drama entwickelt hatte. Von daher würde Juliette mit dem Taxi vom Franz-Josef-Strauß-Flughafen in ihre gemeinsame Wohnung fahren. Dort würde sie das Gepäck abstellen, schon mal eine Ladung Wäsche in die Maschine schmeißen und einen Blick auf den Film werfen, den Alvin hoffentlich besorgt hatte.



Einmal hatte er es vergessen und sie erinnerte sich daran, wie enttäuscht sie gewesen war. Doch Alvin hatte ihre Reaktion retten können, indem er sie spontan zum Besuch in einem Erotikkino überredet hatte. Derartige Liebeleien hielten ihr Liebesleben frisch und sorgten dafür, dass es auch nach zwölf Jahren Ehe ausreichend knisterte. Dass Juliette immer wieder für ein paar Tage oder Wochen beruflich unterwegs war, trug ebenso dazu bei. Sie freuten sich aufeinander und genossen ihre Wiedersehensrituale.



Sie blickte auf die Uhr. Wie immer war sie viel zu früh am Flughafen. Noch eine ganze Stunde würde sie warten müssen. Sie griff nach ihrer Handtasche, stand auf und suchte sich eine Toilette. Ihren Koffer hatte sie bereits am Gepäckschalter aufgegeben. Ein Glück. Es wäre lästig gewesen, ihn die ganze Zeit hinter sich herziehen zu müssen.



Als Pubertierende war sie von Frankreich aus das erste Mal nach Deutschland gereist. Damals waren die Gepäckbestimmungen noch anders gewesen. Heute durfte es nur ein Koffer pro Kopf sein, und der durfte bei Inlandsflügen nicht mehr als zehn Kilo wiegen. Eine Folge von Gesetzen, die von Beamten entwickelt wurden, die nicht die geringste Ahnung hatten, was eine Frau für eine Reise alles benötigte. Doch für einen einwöchigen Berlinaufenthalt langten zehn Kilo gerade noch aus.



Juliette fand ein Hinweisschild zur Damentoilette, trat durch eine gläserne Flügeltüre und folgte dem Weg eine Treppe hinab. Ein dicklicher, älterer Herr kam ihr entgegen und zog sich beim Laufen den Reißverschluss seiner Hose hoch. Juliette grinste bei der Vorstellung, dass der Mann sich soeben erst mit seinem Pullermann in der Hand erleichtert hatte. Händegewaschen hatte er mit Sicherheit auch nicht. Der Mann bemerkte ihren Blick, errötete und eilte an ihr vorüber.



Sie erreichte das Ende der Treppe, folgte einem langen Gang, vorbei am Herren- und am Behindertenklo und erreichte endlich die Damentoilette. Eine Frau im Stewardesskostüm stand am Spiegel und zog ihren Lippenstift nach.



Juliette betrat eine der vier Kabinen und schloss hinter sich ab. Es roch nach Handwaschseife, Desinfektionsmittel und Urin. Eine Geruchsmischung, die Juliette stets an einen Vorfall erinnerte, den sie vergeblich versuchte, zu vergessen.



Sie war jung gewesen. Anfang zwanzig. Die Disco war dafür berühmt, dass man nur dann alleine nach Hause ging, wenn man entweder zu betrunken war, um einen Partner für eine Nacht zu finden, oder aber die Sache gleich vor Ort erledigte. Sie hatte sich einen muskulösen, gutaussehenden Kerl geangelt. Mehrere Drinks hatte er ihr ausgegeben und sie beim Tanzen ordentlich angemacht. Ganz eng war er von hinten an sie herangetanzt und deutlich hatte Juliette seine pochende Erregung durch seine Jeans hindurch gespürt. Sie hatte die Sache erwidert und ein paar Mal wie zufällig mit der Hand seinen Schritt gestreift. Irgendwann hatten sie es nicht mehr ausgehalten und sie waren lachend und knutschend auf die dortigen Toiletten geeilt. In einer der Kabinen dann hatte er sie gepackt und gegen die Kabinenwand gedrängt. Fordernd hatte er ihr Höschen zerrissen, während sie den Reißverschluss seiner Hose öffnete, um sein Gemächt aus der Enge zu befreien. Sie hatte ihn in den Mund genommen und ihn noch schärfer gemacht, als er es ohnehin schon war. Danach hatte sie sich umgedreht, sich mit den Händen auf der Kloschüssel abgestützt und darauf gewartet, dass er in sie eindrang. Das tat er auch, jedoch im falschen Loch. Das war es, was sie ihm sagte: »Du bist im falschen Loch«, doch er hatte nur gesagt, sie solle ihr Maul halten und sie als Schlampe bezeichnet. Furchtbar tief hatte er ihren Anus gestoßen. Juliette hatte zuvor noch nie Analverkehr gehabt, weswegen sie versucht hatte, sich zu wehren. Doch der Kerl war zu kräftig. Zu stark. Zu geil. Vermutlich konnte er es selbst nicht mehr kontrollieren, redete sie sich ein.



Als sie um Hilfe rufen wollte, drängte er ihren Kopf in die Kloschüssel, stieß sie noch ein paar Mal und kam alsbald in ihr oder auf ihr – sie wusste es nicht mehr genau. Auch nicht mehr, wie die Sache endete, ob er etwas zu ihr sagte, nachdem er mit ihr fertig war. Was sie jedoch auf ewig in Erinnerung behalten würde, war dieser Geruch, den sie nun auf der Flughafentoilette wahrnahm und der wohl auf jeder öffentlichen Toilette vorherrschte.



Aus dem Vorfall hatte sie zwei Dinge gelernt. Erstens: Analverkehr war nichts für sie. Und zweitens: Wenn sie einen Mann zu sehr aufheizte, würde sie die Kontrolle über ihn verlieren.



Immerhin war die Sache glimpflich ausgegangen. Sie hatte keinerlei Verletzungen geschweige denn irgendwelche Krankheiten aus der Sache davongetragen. Auch psychisch hatte die Sache keinerlei Folgen für sie, sah man einmal von der Geruchsaversion gegen öffentliche Toiletten ab sowie Alvins enttäuschten Blick, als er einmal den Wunsch geäußert hatte, mit ihr Analverkehr machen zu wollen.



Alvin war ein guter Mann. Sie hatte ihm die Geschichte erzählt und er hatte nie wieder darum gebeten oder irgendwelche Versuche unternommen, sie umzustimmen.



Eines Tages, das nahm sich Juliette fest vor, würde sie ihn mit dieser Spielart der Lust überraschen. Als Belohnung. Aus Liebe. Einfach nur so.



Eines Tages – wenn sie bereit dazu war.



Nachdem Juliette ihr Geschäft verrichtet hatte, ging sie wieder nach oben in den Wartebereich. Das hektische Treiben eines Flughafens war nicht so furios wie an Bahnhöfen, fand sie. Bei Zugfahrten gab es immer irgendwelche Passagiere, die zu spät waren, die es eilig hatten, einen Anschlusszug zu erwischen, die gehetzt mit einem Wagen voll Gepäck von einem Bahnsteig zum anderen rannten.



Das war der Grund, weswegen Juliette Flughäfen Bahnhöfen vorzog. Hier konnte man sich treiben lassen. Es stimmte einen ein auf den Flug über den Wolken.



Sie flanierte an den Geschäften vorbei, besah sich einen Stand mit Taschenbüchern, probierte einige Sonnenbrillen und kaufte sich irgendwo ein paar Liebeswürfel. Sie waren alles andere als teuer und Alvin würden die Dinger gefallen. Mit dem einen würfelte man die Körperstelle und mit dem anderen die Art der Liebkosung. Beigelegt war dem Paket zudem eine Eieruhr, damit die Sache gerecht zuging, wenn man sich mit dem Würfeln abwechselte.



Eine billige Idee, dachte sie, aber die Umsetzung könnte spannend werden.



Schon einmal hatte sie sich mit Alvin an einer Art erotischem Gesellschaftsspiel versucht. Dabei war das Regelwerk so umfangreich wie ein Lexikon gewesen und alleine der Aufbau des Brettspiels mit all seinen unterschiedlichen Kartenstapeln und Spielsteinen war eine Herausforderung für sich gewesen. Als entsprechend lustlos erwies sich das Ganze, weswegen sie sich geschworen hatten, von derartigen Experimenten abzusehen. Die Würfel hingegen waren einfach und könnten Spaß machen.



Gemächlich bahnte Juliette sich ihren Weg zum Security-Check. Die Menschen standen in drei verschiedenen Reihen in der Schlange. Urlauber, Geschäftsreisende, Jugendliche und Familien. Jeder hatte sein eigenes Ziel. Weiter vorne sah sie eine Gruppe junger Männer, die mit PET-Flaschen trommelten und dazu sangen. Musiker vermutlich, deren Instrumente bereits verladen wurden.



Juliette hatte Alvin bei einem seiner Konzerte kennengelernt, die er früher, als er noch aktiv eine Karriere als Musiker anstrebte, regelmäßig mit seiner Kombo in den verschiedensten Jazzkellern Münchens gab. Sie hatte sich die CD gekauft und war nach dem Konzert ehrfürchtig an Alvin herangetreten, um ihn um ein Autogramm zu bitten. Ihre Blicke hatten sich getroffen und blieben etwas zu lang aufeinander gerichtet. Er signierte die CD mit einem Edding und reichte sie ihr, wobei sich ihre Fingerspitzen berührten. Eine angenehme Berührung, die Juliette wie ein warmer, sanfter Blitzschlag vorkam. Als sie spürte, wie sie rot wurde, eilte sie davon.



Später betrachtete sie voller Herzklopfen die CD und stellte zu ihrer Überraschung fest, dass Alvin nicht nur seinen Namen, sondern auch seine Telefonnummer darauf geschrieben hatte. Über eine Woche hatte Juliette gebraucht, den Mut aufzubringen und die Nummer zu wählen. Sie hatten sich im

Bella Italia

 am Stachus verabredet und die Nacht gemeinsam verbracht.

 



Noch immer machte sich dieses angenehme Bauchkribbeln in ihrem Unterleib breit, sobald sie daran zurückdachte.



Alvin war ein liebevoller und zärtlicher Liebhaber, der sie voller Hingabe aber auch mit Rücksicht auf ihre eigenen Bedürfnisse zu nehmen wusste. Das Vorspiel war lang, die Leidenschaft enorm und der Orgasmus verebbte nach Minuten der Lust nur langsam.



Die Schlange hatte sich bereits verkürzt. Juliette legte ihre Ohrringe und ihren Armreif ab und verstaute beides in ihrer Handtasche. Der Mann vor ihr musste wiederholt durch den Metalldetektor laufen. Ein kleines Mädchen schrie jämmerlich, als der Sicherheitsbeamte ihre Puppe entwendete, um sie zu durchleuchten.



Endlich war Juliette an der Reihe. Sie legte ihre Handtasche in den Plastikbehälter und lief durch den Detektor. Er piepste nicht und die Signalleuchte gab grünes Licht. Der Beamte vor ihr nickte. »Alles in Ordnung. Sie können Ihre Sachen wieder haben.«



»Danke.«



Sie lief weiter, die Gangways entlang und erreichte den Duty-free-Bereich. Da sie noch etwas Zeit hatte, betrat sie das Geschäft und wanderte zielgerichtet zum Parfümerieregal.



Das Spiel der körperlichen Liebe hatten Juliette und Alvin im Laufe ihrer gemeinsamen Zeit perfektioniert. Jeder wusste, worauf es dem anderen ankam und vermochte es gleichermaßen, mit Neuem zu überraschen. Kurze Momente der Lust waren ebenso vorhanden wie lange Nächte der Leidenschaft. Juliette konnte sich beim besten Willen nicht beschweren.



Manchmal kam es ihr unwirklich vor, dass sie mit der Wahl ihres Mannes ein solches Glück hatte. Doch wie alle schönen Dinge des Lebens hatte auch dies seine Schattenseiten. Allzu gerne hätte Juliette ein Kind gehabt. Oder zwei oder drei. Doch der Kinderwunsch blieb ihnen bislang verwehrt. Nach Jahren der vergeblichen Versuche hatte Alvin sich ärztlich untersuchen lassen, mit der hoffnungslosen Diagnose: ›unfruchtbar‹. Nach einer schwierigen Zeit aber hatten sie festgestellt, dass dies weder ihrer Ehe noch ihrer Leidenschaft einen Nachteil brachte. Vielmehr hatte es ihrem Leben neuen Sinn gegeben. Juliette hatte sich auf ihre Karriere als Dolmetscherin konzentriert und Alvin hatte seine Detektei gegründet.



Sie kaufte für sich ein Parfum von Jil-Sanders und für Alvin ein Aftershave der selben Marke. Danach folgte sie den Gangways, bis sie den Check-in-Schalter erreichte. Noch war er geschlossen. Sie verglich die Nummer des Schalters mit dem auf ihrem Flugticket und setzte sich zu den anderen Wartenden auf einen freien Platz. Neben ihr lag eine zerlesene Zeitung, aber die Überschrift zog ihre Aufmerksamkeit auf sich.



»NEUES PROMI-OPFER IN MÜNCHNER MORDSERIE«, stand da und etwas kleiner darunter:

»Wieso musste Rufus Laurant sterben?«



Juliette kannte Laurant. Genauer gesagt seine Stimme. Sie hatte ihn schon einige Male dolmetschen müssen. Wenn sie sich recht entsann, waren das irgendwelche Französisch-Deutschen Austauschtage gewesen, bei denen Frankreichs Wirtschaftsabgeordnete nach München gereist waren und Laurant als Vorsitz des regionalen Energieministeriums eine Rede gehalten hatte. Die Rede hatte zwei Stunden gedauert und Juliette, die an jenem Tag mit einer Erkältung und Halsschmerzen zu kämpfen hatte, an die Grenze des körperlich möglichen gebracht.



Von der Mordserie selbst hatte sie nur am Rande etwas mitbekommen. Am Telefon hatte Alvin ihr davon erzählt und so wusste sie, dass Harmann die Untersuchungen leitete. Harmann war ein seltener aber gerngesehener Gast in ihrem Haus. Sie hatten schon manchen geselligen Grillabend miteinander verbracht, doch seit Harmann keine Lebensgefährtin mehr hatte, ließ er sich nur noch selten blicken. Angesichts der Mordserie war das natürlich auch kein Wunder. Dem Zeitungsartikel nach war Laurant das fünfte Opfer. Die Polizei tappte nach wie vor im Dunkeln.



Alvin hatte Harmann schon so einige Male bei den Ermittlungen geholfen. Sie konnte nur hoffen, dass er es bei diesem Fall bleiben ließ. In Juliette keimte der Gedanke, dass es bei der Mordserie um wahrlich brutale und gemeingefährliche Machenschaften ging. Die Zeitung sprach auch nicht von einem Killer, sondern von einer ganzen Bande.



»Lesen Sie den ausführlichen Bericht auf Seite 3«, stand da, doch Juliette wollte nicht. Angewidert faltete sie die Zeitung zusammen und gab sich wieder ihren lustvollen Gedanken der Vorfreude hin. Bald würde sie Alvin wiedersehen. Sie freute sich darauf, mit ihm zu schlafen.



Endlich wurde der Check-in-Schalter geöffnet. Juliette erhob sich und stellte sich in die Schlange der Reisenden.



Ihre Muschi juckte. Alvin würde einiges mit ihr zu tun haben. Es galt, eine ganze Woche Liebesabstinenz aufzuholen.



Juliettes Unterleib kribbelte in stiller Vorfreude und Erwartung.



Aus ihrer Handtasche kramte sie das Flugticket und ihren Ausweis. Dabei sah sie die Liebeswürfel, die sie vorhin gekauft hatte. Sie lächelte, als sie an den Schalter trat.





Drei



Harmann nahm es in Kauf, dass sie auf ihm saß. Ihre bleichen Schenkel rieben an seinen Hüften und die Nässe ihres Schoßes schmatzte bei jedem Auf und Ab ihrer Lenden.



Es war bei weitem nicht das erste Mal, dass er Olgas Dienste in Anspruch nahm, wenn ihm ein Fall über den Kopf wuchs. Olga bezeichnete Harmann als ihren treuesten Stammkunden und so war es kein rein körperliches Geschäft, wie all die anderen Freier, die sie bediente. Harmann wusste das und genoss das stillschweigende Abkommen, das sie miteinander geschlossen hatten: Sie gewährte ihm auf ihre Liebesdienste zehn Prozent Nachlass und er unterstützte sie dabei, dass sie niemals Probleme mit der Auslandsbehörde bekommen würde. Das funktionierte nun schon seit über sieben Jahren so, auch wenn sie Derartiges nie offiziell vereinbart hatten.



Bewundernd verfolgte Harmann die Schweißperlen, die sich auf Olgas Brüsten gebildet hatten. Obwohl sie ihn heftig ritt, richtete er sich auf, um die Tropfen von dort aufzusaugen. Olga umschlang seinen Kopf und presste ihn zwischen ihre Brüste. Seine Hände glitten ihr Rückgrat entlang, erreichten ihre Pobacken und umklammerten dort ihre Hüften, um den Rhythmus besser zu kontrollieren.



Harmann stöhnte auf. Gleich ist es so weit, dachte er und spürte, wie Olga sich an ihn klammerte, die Beine um ihn herum schwang, und sich von ihm auf und niederbewegen ließ .



Dann gab sie seinen Oberkörper frei und lehnte sich zurück, bis sie mit dem Kopf über der Bettkante hing. Seine Erektion stieß nun von innen gegen den oberen Rand ihrer Vulva. Das war eine gute Stelle, denn so kam auch sie.



Ein Beben durchfuhr ihren gesamten Körper, was Harmann begeistert zur Kenntnis nahm, so dass er nun auch den letzten Funken Kontrolle fahrenließ. Er spürte, dass er nicht mehr an sich halten konnte, lehnte sich ebenso zurück, stützte sich auf seine Ellbogen und vollführte die letzten Paar Stöße, zu denen er fähig war.



Lustvoll schrie Olga auf und selbst dem schweigsamen Harmann entfuhr ein lautstarkes Keuchen, als er in Olga kam, die ihm jauchzend ihren Unterleib entgegenstemmte.



Erschöpft und befriedigt lehnte sich Harmann zurück aufs Bett.



Olga richtete sich auf, langte an seinen Schaft und entzog sich ihm. Vorsichtig entfernte sie das Präservativ von seinem noch immer erigierten Glied und leckte ihn sauber.



Bei einem regulären Kunden würde sie das nie machen. Doch sie kannte Harmann zu gut, als dass sie sich wegen irgendetwas sorgen müsste. Dass Harmann auf geschütztem Verkehr bestand, war nur normal.



Als er sauber war, kuschelte sie sich an ihn und kraulte seine Brust.



Harmann hatte seine Arme hinter seinem Kopf verschränkt und brummte zufrieden.



»Du süßer Bär, du«, schnurrte sie.



Harmann schwieg.



Olga schloss die Augen und dämmerte hinweg. Auch das würde ihr vermutlich bei keinem ihrer sonstigen Kunden passieren. Doch bei Harmann war das anders. Er gab ihr Sicherheit und ihr Verhältnis war – obgleich geschäftlich – vertrauensvoll und von gegenseitigem Respekt geprägt.



Harmann war froh, Olga gefunden zu haben. Allein diese Tatsache grenzte schon an ein Wunder, wenn man bedachte, dass sich in München fast zweihundert bordellartige Betriebe und Etablissements befanden. Laut den aktuellen Statistikblättern seiner Kollegen vom Fachkommissariat K 35 gab es fast dreitausend Prostituierte in seiner Stadt. Allerdings besaßen nur fünfundzwanzig Prozent die deutsche Staatsangehörigkeit. Olga war rumänischer Herkunft und hatte noch nicht einmal einen Pass besessen, bis Harmann sich für sie eingesetzt hatte. Er hatte sie vor vielen Jahren aus dem Kreis eines Zuhälters befreit. Es war eine schwierige Zeit gewesen, für Olga, doch zwischenzeitlich hatte er einiges für sie regeln können und so pendelte sich auch für sie so etwas wie Normalität ein. Außerdem gab es seit Einführung des Prostitutionsgesetzes 2002 hinsichtlich Arbeitszeiten, Arbeitsorte und Preise rechtliche Vorgaben. Für Olga zählte das nicht mehr. Sie war mittlerweile selbstständig und empfing ihre Kunden in einem eigens zu diesem Zweck von ihr gemieteten Appartement.



Olga atmete gleichmäßig auf seiner Brust. Das beruhigte Harmann, der sich manchmal wünschte, nicht leitender Kommissar der Mordkommission zu sein. Immerhin halfen ihm seine regelmäßigen Besuche bei Olga, den Kopf freizubekommen. Er kannte viele Kollegen, die Alkoholiker waren oder Pillen nahmen, mit denen sie ruhig schlafen konnten. Harmann brauchte das alles nicht. Olga war seine Droge und nach jedem Besuch fühlte er sich wieder ruhig, befreit und bereit für die Gräuel des Lebens.



Ohnehin vertrat Harmann die Theorie, dass man das Leben nur unter der Voraussetzung bestehen konnte, sexuell ausgeglichen zu sein. Keine Frage, dass die Opfer seines aktuellen Falls alles andere als sexuell ausgeglichen waren.



Er hatte Olga gebeten, sich etwas umzuhören, doch sie hatte nicht das Geringste in Erfahrung bringen können. Mittlerweile war er auch schon von der Idee abgekommen, dass die Spuren der toten Manager im Rotlichtmilieu der Stadt zusammenliefen.



Laurant, Leiter eines der führenden Unternehmen für neue Energie war das fünfte Opfer. Nur wenige Wochen zuvor hatten sie mit dem Immobilienhai Christoph Matern das vierte Opfer im englischen Garten gefunden. Den Aktionär Dennis Wittmann fand man gleichzeitig mit dem Shootingstar der IT-Branche im Olympiapark liegend vor. Als skandalträchtig erwies sich vor allem der Fund des ersten Opfers, Stadtrat Leopold zu Guthmann, erster Vorsitzender des Aufsichtsrats der Automobilindustrie. Allen waren nur zwei Dinge gemein: erstens die Tatsache, dass es sich bei ihnen um Topmanager aus den elitärsten Kreisen handelte und zweitens die Todesursache nebst weiteren Gemeinsamkeiten des Obduktionsberichts.



Ansonsten: Nichts. Keine gemeinsamen Geschäftsbeziehungen – und wenn, dann fielen diese nicht ins Gewicht, keine obskuren Liebschaften, keine zu vertuschenden Skandale, kaum Schwarzgeldaffären und keinerlei dubiose Kontakte zu verbrecherischen Organisationen.



Kollegen und Ehefrauen hüllten sich in Schweigen. Persönliche Bekannte sagten nichts.



Die einzige Spur, die Harmann bislang hatte finden können, war ein Symbol, das in den jeweiligen Terminkalendern der Opfer eingetragen worden war, und zwar als Notiz im Kalenderblatt ihres Todesdatums. Ein Pentagramm. Doch nichts – absolut gar nichts – hatte ihm die Verfolgung dieser Spur gebracht. Zwar wusste Harmann mittlerweile alles, was man in Verbindung mit Pentagrammen herausfinden konnte, doch nichts deutete auf die Gemeinsamkeit hin. Es fehlte das Bindeglied. Das verknüpfende Element.



Harmann hatte andere Manager überprüfen lassen, die dem Opferschema entsprachen, nur um festzustellen, dass diese keinen Pentagrammeintrag in ihren Kalendern stehen hatten.



Mehr hatte er nicht. Nach drei Monaten Ermittlungsarbeit.



Er wusste nicht mehr weiter. Presse, Polizeipräsident und Staatsanwaltschaft saßen ihm gleichermaßen im Nacken, so dass Harmann froh war, für ein paar Stunden bei Olga abschalten zu können.



Sanft berührte er sie an der Schulter.



Olga räkelte sich. »Bin ich mal wieder eingeschlafen?«, sagte sie mit ihrem leicht rumänischen Akzent.



»Wie immer«, sagte Harmann. »Aber mich stört das nicht.«



»Ich weiß, mein Lieber.«



»Sag mal«, er richtete sich auf. »Wenn du an deinen Berufsstand denkst in Verbindung mit einem Pentagramm. Was assoziierst du damit?«

 



»Mit einem Pentagramm?«



»Ja, dieses Hexensymbol. Satanismus und so weiter.«



»Ich weiß, was ein Pentagramm ist. An meinen Beruf muss ich dabei jedoch weniger denken.«



»Aber gibt es da nichts, was die beiden Sachen in Verbindung bringt? Ich meine Hexensabbate und Orgien und solche Sachen. Da muss es doch was geben hier in München. Wo gehen Leute hin, die auf solche Sachen stehen?«



»Da gibt es bestimmt etwas. Für jede sexuelle Spielart gibt es die passenden Partner.« Sie stand vom Bett auf und ging in die Küchenzeile, wo sie den Kühlschrank öffnete. Etliche Flaschen Sekt und Prosecco stapelten sich darin, aber auch Bier, Wein und alkoholfreie Getränke. Olga wählte eine Cola. »Willst du auch etwas trinken?«



»Ich trin