Eigentlich ganz einfach

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„Und Anita?“

„Anita war doch richtig privilegiert. Um sie kümmerten sich immer zwei Jungs - zwangsläufig, aufgrund der Schwierigkeit der Aufgabe.“

„Und was passierte, wenn der Lehrer oder die Lehrerin den Raum betreten hat?“ Frau Berger war sich offensichtlich nicht ganz sicher ob sie die Geschichte glauben sollte oder ich sie nur verschaukeln wollte.

„Dann fand er zunächst einmal nur die halbe Klasse, dafür aber Anita auf seinem Schreibtisch vor und aus den Schränken kam ein dumpfes Klopfen. Anita hat er anfangs streng aufgefordert, sie möge sofort von seinem Tisch gehen, was für sie allerdings unmöglich war. Später hat er dann zwei Jungs her zitiert um Anita vom Tisch zu heben und sie aus ihrem Papierkorb zu befreien. Dann gab’s die Anweisung die Schränke zu öffnen. Die Damen setzten sich schnell und artig hin und schon konnte der Unterricht losgehen.“

„Und der Lehrer hat dazu sonst nichts gesagt“, fragte sie etwas ungläubig und verwundert. Sie nippte wieder an ihrer Tasse und suchte sich einen neuen Keks aus.

„Doch, natürlich“, antwortete ich. „Er nannte uns – zu Recht - furchtbare Kindsköpfe. Befand, dass dies nicht zu angehenden Bankkaufleuten passe, was wohl ebenfalls den Tatsachen entsprach. Dann meinte er, es sei ihm im Übrigen egal, solange es den Damen und Herren Spaß mache und die schulischen Leistungen so blieben, wie sie waren.“

„Und was haben sie noch für Streiche getrieben, Herr Lewis“, fragte meine Interviewerin mit einem aufgeregten Flackern in den Augen. Ich hatte wohl ihren Journalisteninstinkt geweckt. Wähnte sie sich nun einem Skandal auf der Spur? Ihr Block lag jedenfalls bereit, den Keks hatte sie auf ihrem Unterteller zwischengeparkt, ihren Stift hatte sie jetzt fest in der Hand. Sie schien äußerst konzentriert und zu äußerstem investigativen Journalismus entschlossen.

„Viele, Frau Berger“, sagte ich freundlich lächelnd, „da gab’s z.B. noch Lehrlingsausflüge, die ziemlich spaßig waren. Aber Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich jetzt nicht alles ausplaudere. Vielleicht können Sie ja die Mädels und Jungs in Ihrem Artikel von mir grüßen. Ganz besonders Anita. War wirklich ein super Team. Vielleicht liest ja der eine oder andere Ihr Blatt.“

Ich glaubte eine gewisse Enttäuschung in ihren Gesichtszügen erkennen zu können und fuhr fort: „Ansonsten lassen Sie uns wieder etwas ernster werden.“

Ich machte jetzt meinerseits ein ernstes Gesicht und versuchte wieder auf Fachthemen überzuleiten, bei denen ich mich doch deutlich sicherer fühlte. In dieser lockeren Atmosphäre hatte ich sowieso schon viel zu viel geplappert. Womöglich würde bald die Headline in ihrer Zeitung stehen: Bankvorstand hält Harem im Schrank gefangen, oder schlimmeres. Genug ausgeplaudert!

Sie griff dagegen betont locker nach ihrem Keks und schob in sich genüsslich zwischen ihre roten Lippen. Ich sah ihr fasziniert dabei zu und sehnte mir für das weitere Gespräch endlich sachlich, fachliche Themen herbei. Das ist ja sonst fast nicht auszuhalten. Wer so etwas mitmacht, weiß wie hart sich ein Manager sein Geld verdienen muss. Frauen hätten es da leichter, zumindest in diesem speziellen Fall. Sonst auch – vermute ich jedenfalls.

Während ich so über die Härte meines Jobs nachdachte, hatte die Elfe mir gegenüber ihren Keks hinuntergeschluckt, nochmals mit Kaffee nachgeschwenkt und setzte zu ihrer nächsten investigativen Frage an.

„Herr Lewis, das hört sich ja alles ziemlich easy an, gab es denn gar keine Probleme, die Sie zu überwinden hatten? Das Bankgeschäft stelle ich mir jetzt nicht nur so einfach und nur lustig vor.“

War wohl noch nichts mit der geplanten Überleitung. Die Tortur geht vorerst weiter. Warte ab Reginchen beim nächsten Mal klappt es aber bestimmt.

„Natürlich gab’s das auch. Das erste Problem war schon der erste Tag. Es ist ein saublödes Gefühl zum ersten Mal mit ordentlicher Frisur, in Anzug und Krawatte durch die Nachbarschaft zu schleichen. Insbesondere, wenn man gerade erst 16 Jahre alt ist und die ganze Nachbarschaft einen nur mit langen, damals angesagten, Hippiehaaren, verwaschenen Jeans und T-Shirt kennt. Aber daran gewöhnt man sich schnell. Heute fühle ich mich – zumindest bei der Arbeit – ohne Krawatte fast nackt.

Ansonsten ist es wie überall. Wenn man sich erst einmal an das Fachchinesisch, das es in jedem Beruf gibt, gewöhnt und die Grundlagen begriffen hat, dann ist es eigentlich ganz einfach.“

Hurra, ‚eigentlich ganz einfach’ wieder mal sauber platziert.

„Anfänglich hatte ich Probleme mit der Buchhaltung“, erwiderte ich diesmal betont sachlich. „Für mich war überhaupt nicht logisch weshalb Forderungen, also Gelder, die man noch zu bekommen hat, im Soll verbucht wurden. Wenn ich einen Kontoauszug meiner Bank bekam, der einen Saldo im Soll auswies, dann hatte ich doch nichts zu bekommen, sondern musste im Gegenteil Geld zurückbezahlen. Erst als ich begriff, dass mein Bankauszug ein Auszug aus der Buchhaltung der Bank war, die ja tatsächlich Forderungen an mich hat, wenn sie im Soll bucht, war mir die Sache klar. Ich musste in meiner Buchhaltung, was ein Privatmensch normalerweise natürlich nicht macht, entsprechend gegenbuchen. Und bei meiner Gegenbuchung steht dann meine Schuld gegenüber der Bank im Haben. Jetzt plötzlich stimmte die Buchhaltung mit der Buchhaltungslehre logisch überein. Nachdem ich das begriffen hatte, war Buchhaltung eines meiner Lieblingsfächer, neben, man sollte es kaum glauben, Bankrechnen und Wirtschaftslehre.“

„Das mit den Verständnisproblemen kann ich gut nachvollziehen. Für mich ist manches, was man täglich über die Bank abwickelt auch nicht so richtig nachvollziehbar. Wie geht das z.B., wenn ich eine Überweisung abgebe und die Bank Geld an den Zahlungsempfänger schickt. Warum stehen auf meinem Kontoauszug zwei unterschiedliche Datumsangaben, nämlich Buchungstag, was ja noch irgendwie nachzuvollziehen ist, und zum zweiten Wert/Valuta?“

Reginchen beugte sich fragend zu mir vor. Na also dachte ich, jetzt sind wir endlich wieder bei einem Fachthema, geht doch. Die Klimaanlage surrte leise und mich fröstelte jetzt sogar leicht.

„Ja, Frau Berger, wenn man es genau betrachtet ist bargeldloser Zahlungsverkehr noch widersinniger als bunte Papierschnipsel zu tauschen. Meine Stammesbrüder jedenfalls würden mit Sicherheit kein Glücksgefühl empfinden, wenn denen jemand auf ein kleines Stück Papier eine große Zahl in schwarzer Schrift oder mit einem H dahinter aufschreiben würde, ganz im Gegensatz zu den sogenannten zivilisierten Menschen in den Industrieländern.

Aber nun zu Ihrer Frage. Mit dem Zahlungsverkehr ist das, lassen Sie es mich so formulieren, eigentlich ganz einfach. Wenn Sie einen Überweisungsauftrag erteilen, wird natürlich kein Geld in einen Umschlag gesteckt und irgendwo hin geschickt. Die Voraussetzung für einen funktionierenden Zahlungsverkehr ist, dass die Banken untereinander Kontoverbindung haben. Dies ist dadurch gewährleistet, dass jede Bank ein Konto bei der Bundesbank unterhält. Die Kontonummer der einzelnen Bank dort ist übrigens die sogenannte Bankleitzahl der jeweiligen Bank.

Erteilen Sie einen Überweisungsauftrag, dann geht die Bank wie folgt vor: Sie belastet das Konto ‚Regina Berger‘ und beauftragt die Bundesbank gleichzeitig das Konto der Bank bei ihr zum einen zu belasten und den Betrag dafür dem Konto der anderen Bank bei der Bundesbank gutzuschreiben. Die andere Bank erhält dann die Mitteilung, dass sie eine Gutschrift erhalten hat und schreibt nun ihrerseits diesen Betrag ihrem Kunden, dem Empfänger, gut. Haben beide beteiligte Banken direkte Kontoverbindung dann funktioniert dieses Spiel auch ohne Einschaltung der Bundesbank. Heute natürlich elektronisch, nicht mehr wie früher über Papier, das hin und her getragen wurde.“

Auch Frau Berger schien zu frösteln. Ihr Luxus-Shirt beulte sich an den mir am nächsten zugewandten zwei Stellen verdächtig aus. Irgendwie empfand ich das Interview langsam als unmenschlich.

Hat das Mädel tatsächlich keinen BH an? Das konnte ich mir kaum vorstellen, angesichts der sichtbaren Masse. Ich beschäftigte mich gedanklich kurz mit den Gesetzen der Schwerkraft und war mir jetzt nicht mehr so ganz sicher, ob diese tatsächlich stimmen konnten.

„Bei Scheck- und Lastschriftzahlungen funktioniert dies genau umgekehrt“, stammelte ich meinem vorhergehenden Vortrag hinterher.

„Das habe ich jetzt verstanden, aber was ist mit den zwei verschiedenen Datumsangaben auf dem Kontoauszug“, fragte sie und ich hatte den Eindruck sie wollte das Interview auch nutzen um selbst etwas zu lernen. Sie war mir in dieser Hinsicht ziemlich ähnlich. Ich hätte es genauso gemacht.

„Das Buchungsdatum ist ja klar, es ist das Datum an dem die Buchung erfolgte. Wertstellungsdatum bzw. Valuta ist das Datum, auf welcher die Zinsberechnung basiert. In der Regel wird dies bei einer Kontobelastung das selbe wie der Buchungstag sein. Bei Gutschriften liegt das Wertstellungsdatum ein oder zwei Tage nach dem Buchungstag.“

„Warum denn das?“ fragte Frau Berger verständnislos.

„Die Bank verdient daran, dass sie das Geld gegen Verrechnung von Sollzinsen ausleihen kann, Zinsen auf der anderen Seite dafür aber selbst erst zwei Tage später zahlt.“

Frau Berger notierte eifrig, schaute kurz auf und fragte: „Darf die Bank das überhaupt, mit meinem Geld arbeiten ohne mir dafür Zinsen gutzuschreiben?“

„Ja selbstverständlich“, antwortete ich. „Wie lange eine Bank mit Ihrem Geld arbeiten darf, ohne Ihnen dafür Zinsen zu zahlen, ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegt.“

Ich versuchte unauffällig ihr Shirt zu analysieren. Selbstverständlich ausschließlich aus wissenschaftlichem Interesse. Da gab es ja noch den Widerspruch zu den geltenden Naturgesetzen, der mich beschäftigte. Na also, konnte ja nicht anders sein. Ich war mir ziemlich sicher eine kleine Erhebung auf den Schultern, unterm Shirt gesehen zu haben, sicher ein Träger.

 

„Ach so, aber viel wird dabei wohl nicht zusammenkommen?“ unterbrach Frau Berger meine wissenschaftlichen Forschungen.

„Täuschen Sie sich da nicht, Frau Berger. Der Valutaschnitt ist ein ganz einträgliches Geschäft.

Nehmen wir einmal an Sie müssten für Inanspruchnahmen Ihrer Kreditlinie auf dem Girokonto 10% p.a. – also per annum – pro Jahr - Zinsen zahlen. Ihr Konto wäre auf null. Sie erhalten eine Überweisungsgutschrift in Höhe von EUR 2.000 und heben gleichzeitig einen Betrag in Höhe von EUR 2.000 ab. Ihr Konto ist buchungstechnisch also immer ausgeglichen, aber aufgrund des Unterschieds zwischen Buchungstag und Wertstellung zahlen Sie für 2 Tage Zinsen, macht EUR 1,11. Passiert das jeden Monat, sind es pro Jahr bereits über EUR 13“.

„Das geht ja noch“, sagte sie und es klang irgendwie erleichtert.

„Bei EUR 2.000 und einer Buchung sicherlich. Bei mehreren tausend Kunden und hunderttausenden von Buchungen am Tag kommt da aber für die Bank schon etwas zusammen.

Auch bei größeren Einzelbeträgen macht dies durchaus etwas aus. Stellen Sie sich vor, Sie würden auf derselben Basis EUR 200.000 überweisen, weil Sie z.B. eine größere Summe anlegen wollen oder den Kaufpreis für eine Immobilie bezahlen müssen. Ruckzuck wären dies Zusatzkosten von EUR 111,11 - aus Kundensicht - for nothing. Dafür kann man schon ganz gut essen gehen. Auf das Valutadatum zu achten bzw. bei größeren Dispositionen mit der Bank zu verhandeln macht also durchaus Sinn - aber erzählen Sie es nicht weiter.“

„Stimmt, bei größeren Summen rechnet sich das durchaus. Und was meinten Sie noch mit Fachchinesisch?“

„Eben zum Beispiel die Begriffe Wertstellung und Valuta. Oder die Ausdrücke ‚Kreditoren und Debitoren’.“

„Was heißt das nun wieder?“ fragte das Mädel interessiert nach.

Ich war immer noch mit meinen wissenschaftlichen Beobachtungen beschäftigt und mir nicht mehr ganz sicher, was meine vorigen Beobachtungsergebnisse betraf. Die Erhebung befand sich irgendwie nur auf der linken Seite des Shirts. Sind auf der linken Seite die Pflegehinweise eingenäht? Meine Frau wüsste das sicher, aber die konnte ich ja schlecht fragen - nicht nur weil sie gerade nicht da war.

Leicht abgelenkt durch das ungelöste wissenschaftliche Problem versuchte ich auf die gestellte Frage zu antworten.

„In der Buchhaltung gibt es Kreditoren, Menschen, die einem Kredit gewährt haben, also alle gegenüber denen man eine Zahlungsverpflichtung, z.B. aus einer offenen Rechnung, hat. Das Gegenteil sind Debitoren. Schulde ich Ihnen bspw. Geld wäre ich für Sie ein Debitor, jemand von dem Sie Geld zu bekommen hätten. Aus meiner Sicht wären Sie ein Kreditor - jemand, der Geld von mir zu bekommen hat. Und so gibt es hunderte Fachbegriffe aus den Bereichen Buchhaltung, Wertpapiergeschäft, Auslandsgeschäft, Zahlungsverkehr, Kreditgeschäft, Sortengeschäft und was es sonst noch alles für Geschäftsbereiche bei einer Bank gibt.“

„Des Sortengeschäfts ? Was ist denn ein Sortengeschäft?“

Meine Interviewerin schien erstaunt. Offensichtlich ist der Begriff weniger bekannt, als ein Bankkaufmann denkt. Sie kritzelte wieder eifrig auf ihren Block.

„Als Sorten bezeichnet der Bankkaufmann ausländisches Bargeld. Wenn Sie beispielsweise nach USA reisen wollen, werden Sie Dollar tauschen. Der Kurs zu dem Sie EURO in Dollar tauschen ist der – höhere – Briefkurs. Wenn Sie nach der Reise Dollar übrig haben, tauschen Sie diese bei der Bank wieder in EURO zurück. Diesmal allerdings zum – niedrigeren – Geldkurs. Die Differenz zwischen Brief- und Geldkurs ist die Gebühr der Bank für das Vorhalten verschiedener WährungsSORTEN.

Zahlen Sie in USA bargeldlos mit Ihrer Kreditkarte, so wird bei Umrechnung auf Ihrem Konto der günstigere Devisenkurs in Anrechnung gebracht. Fremde Währungen, die bargeldlos getauscht werden, sind nämlich Devisen.“

„Aha“, sie kritzelte weiter auf ihrem Block herum.

„Übrigens, die gerade angesprochenen Begriffe Geld und Brief werden in verschiedenen Bereichen benutzt, z.B. auch bei Kursangaben von Wertpapieren.“

„Was bedeuten Geld und Brief da?“ Das nette Reginchen war jetzt richtig wissbegierig. Fachthemen sind eben auch interessant und spannend, nicht nur Home-Stories, Klatsch und Tratsch.

„Geld ist das Synonym für Nachfrage, Brief das für Angebot“, antwortete ich freundlich dozierend.

Endlich Ablenkung von im Raum stehenden wissenschaftlichen Fragen und prähistorisch bedingten, manchmal lästigen und für einen Mann wie mich, im Rahmen der allgemeinen Moralvorstellungen, unanständigen Instinkten.

„Ein einfaches Bild beschreibt dies eindrücklich und hat mir immer als Eselsbrücke gedient. Stellen Sie sich einfach einen Menschen vor, der Geld in der Hand hält – logisch er möchte etwas kaufen, ist Nachfrager. Derjenige der Briefe, sprich Wertpapiere in der Hand hält, möchte verkaufen, er ist Anbieter.

So lassen sich auch die Kurszusätze in den Kursspalten der Zeitungen deuten. bG – bezahltGeld - als Zusatz hinter einer Kursangabe heißt einfach: die vorliegenden Kauf- und Verkaufsaufträge, sogenannte Orders, konnten weitgehend erfüllt / bezahlt werden, es gab jedoch noch weitere Nachfrage / Geld. Es wurde zwar lebhaft gehandelt, es war aber mehr Geld als ‚Material’ vorhanden.“

„Ach so“, folgerte meine intelligente und hübsche Gesprächspartnerin“, dann heißt bB wohl, dass Kauf- und Verkaufsorders weitgehend ausgeglichen waren, aber noch Angebot – Brief - da war?“

Reginchen strahlte mich dabei zwar stolz, aber schon wieder unanständig sympathisch, an. Ewig lockt das Weib – wie schwer ist doch dieser Beruf.

„Genau, Frau Berger, Sie lernen schnell. Und entsprechend ist es mit den reinen Zusätzen G oder B, es war folgerichtig überwiegend nur Nachfrage oder nur Angebot vorhanden.“

Es geht mit Fachthemen weiter – Gott sei Dank.

„Übrigens, die Wertpapierbörsen werden oft verklärt. Eigentlich unterscheiden sie sich kaum von einem Gemüse- bzw. Wochenmarkt. Außer, dass die bezahlten Preise, also die Kurse, in den Kursspalten der Wirtschaftspresse veröffentlicht werden.“

„Klingt ja eigentlich ganz einfach“, meinte meine reizende, geduldige Zuhörerin, kritzelte erneut auf ihrem Block herum und warf ihr goldenes Haar erneut über ihre reizende Schulter.

„Sie sagen es überdeutlich, besser hätte ich es nicht formulieren können“, sagte ich mit etwas ironischem Unterton. Sie war offensichtlich schon von meinem ‚eigentlich-ganz-einfach-Virus’ infiziert.

„Und was war das für Sie schwierigste fachchinesische Wort für Sie, Herr Lewis?“

„Keines! Mit den Begriffen wird man nach und nach konfrontiert. Bald sind sie so normal, dass man eher Schwierigkeiten hat ein umgangssprachliches Wort dafür zu finden. Im Gespräch mit Kunden bemühe ich mich aber trotzdem darum Fachchinesisch zu vermeiden.

Ich selbst wäre verloren, wenn mich ein Ingenieur mit seinem Fachchinesisch zuschütten würde und deshalb versuche ich dem Ingenieur das Bankchinesisch zu ersparen. Sie wissen ja: was du nicht willst, das man dir tu‘, das füg’ auch keinem anderen zu.“

Ich lächelte sie an und ergänzte: „Manche Kollegen meinen besonders kompetent zu wirken, wenn Sie keiner versteht – oft wird dahinter aber auch Inkompetenz versteckt. Wer weiß wovon er spricht, kann dies fast immer auch einfach formulieren. Wer nicht, der eben nicht.“

„Und welchen Fachausdruck halten Sie für typisch für einen Banker?“

Sie lehnte sich entspannt zurück in die weiche Couch, die Beine leger übereinandergeschlagen.

„Sie meinen einen Ausdruck, bei welchem jedem Bankkaufmann sofort klar wird, dass sein Gegenüber Stallgeruch mitbringt?“

„Ja, zum Beispiel. Gibt es so etwas?“

Ihren Block hatte sie zwischenzeitlich neben sich gelegt und drehte den Stift lässig zwischen ihren zarten Fingern. Sie schien jetzt richtig entspannt.

„Klar! Der Begriff Schlado ist, zumindest unter erfahrenen, also etwas älteren Bankkaufleuten, ein klares Merkmal für einen Insider.“

„Und was bedeutet Schlado“, wollte sie nun wissen.

„Der Begriff stammt aus der Zeit, als die Schalterstunden von allen Banken noch Montag bis Mittwoch und Freitag zwischen 9.00 Uhr und 16.00 Uhr waren. Aber donnerstags von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Heute ist das ja meist etwas anders, die Öffnungszeiten sind kundenfreundlicher geworden. Damals jedenfalls war der Donnerstag logischerweise bei den Bankangestellten ein wenig beliebter Tag, eben der Schlado. Auf Deutsch – der sehr (Zensur! Im Original: scheiß) lange Donnerstag.“

„Ein wenig vornehmer Ausdruck“, befand sie kurz.

„Ja, eben intern. Ich habe ja vorher schon gesagt, dass eine gewisse Diskrepanz zwischen ex- und intern besteht.“

„Außen hui, innen Pfui?“

Ihr Lächeln hatte bei dieser Frage einen ziemlich geringschätzenden Ausdruck. Nach dieser Antwort und im Kontext der Rolle einiger ‚Banker‘ und Banken bei der sogenannten Finanzkrise auch nicht verwunderlich.

„Ja - das habe ich nie gesagt“, erwiderte ich verschmitzt auf diese indiskrete Frage.

„Und was gab es noch interessantes in Ihrer Bankausbildung?“

„Nichts, Frau Berger. Zumindest nichts, was ich Ihnen jetzt auf die Nase binden würde.“

Sie schien etwas enttäuscht. Aber ich fand, dass ich schon genügend aus dem Nähkästchen geplaudert hatte. Irgendwie sollte ihr Artikel die Branche, die Bank und meine Person schon im richtigen, zumindest nicht in einem allzu ungünstigen, Licht erscheinen lassen.

„Und danach“, drängelte Sie weiter.

Ich war trotz Anstrengung und diverser Plausibilitätsprüfungen der gesicherten Antwort meiner wissenschaftlich interessanten Frage noch immer nicht näher gekommen. Als plausibelste Lösung erschien mir die Sache mit dem eingenähten Pflegehinweis. Eine Theorie - der Widerspruch zu den Naturgesetzen blieb damit vorerst weiter ungelöst. Ach was geht mich ein physikalisches Problem an, dachte ich, letztlich macht es sowieso keinen Unterschied, ist doch nicht mein Problem. Ich versuchte den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen.

„Danach wurde ich in die Personalreserve übernommen, offiziell hieß diese Orientierungsstufe. Theoretisch sollte ich alle Geschäftsbereiche nochmals sehen, um mir über meine weitere Laufbahn klar zu werden. Praktisch war es so, dass ich immer dort hin gerufen wurde, wo es gerade klemmte, z.B. weil ein Kollege plötzlich krank geworden oder verunglückt war oder weil eine Stelle nach Kündigung eines Kollegen nicht sofort besetzt werden konnte.

Meine Aufgabe bestand zu dieser Zeit täglich oder wöchentlich hauptsächlich in der Begrüßung der Kollegen mit: Hallo, mein Name ist Lewis, ich komme jetzt öfter. Die Sache mit der Theorie war, wie bei mir meist, ein ziemlich großer Flop – die Zeit in der Personalreserve trotzdem ein großer persönlicher Gewinn. Nirgendwo wurde Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und die Fähigkeit sich schnell in Neues einzuarbeiten besser trainiert.“

„Wie lange haben Sie das gemacht?“

„Ein starkes Jahr.“

Ich war der Meinung, dass ich die letzte Zeit genug geplaudert und preisgegeben hatte und begann mir nun die Antworten aus der Nase ziehen zu lassen.

„Und dann?“

Frau Berger beugte sich wieder zu mir vor, was meine wissenschaftlichen Beobachtungen zwar begünstigte, mich aber der endgültigen Lösung dennoch nicht näher brachte.

„Dann habe ich mich darum bemüht, eine weiterführende Ausbildung innerhalb der Bank machen zu können. Ich wollte weiterkommen und wusste, dass ich das Zeug dazu hatte.“

„Und Ihre Vorgesetzten wussten dies auch?“

„Nach deren Beurteilungen zu urteilen schon. Aber außer kleinen Teilschritten, wie der Ausbildung zum Ausbilder – ich war eine Zeitlang jüngster Ausbilder des Landes – tat sich nicht viel.“

„Was haben Sie dann gemacht, Herr Lewis?“ Sie nahm ihren Block wieder auf. Wieder ging es Richtung persönliches und dies schien sie wieder besonders zu interessieren.

„Ich habe mir das 3 Jahre lang angeschaut und dann gekündigt. Nach erfolgter Kündigung hat man mir dann mitgeteilt, dass meine weiterführende Ausbildung in der nächsten Woche beginnen würde. Dem habe ich allerdings widersprochen. Gekündigt ist gekündigt – ein Mann ein Wort.“

„Dann waren Sie lieber arbeitslos?“

 

„Wieso, natürlich hatte ich bereits einen Vertrag in der Tasche, bei einer Großbank. Zuerst sollte ich ein halbes Jahr das neue Institut kennen lernen. Ich ging deshalb zuerst in die Hauptverwaltung nach Frankfurt. Danach ging es zur Filiale meines neuen Arbeitgebers nach London. Investmentbanking, 2 Jahre. Das war eine sehr interessante Zeit.“

„Wollen Sie mir etwas darüber erzählen, Herr Lewis?“

Investmentbanker, da hatte man doch in der letzten Zeit so herrlich wilde Geschichten gehört. Die Neugier blitzte ihr aus den Augen. Sie nahm ihren Block fester in die Hände und sortierte schon wieder ihre Wahnsinns-Beine. Die anfängliche Anspannung schien fast vollständig aus ihrem Körper gewichen zu sein. Ich hatte aber nun wirklich keine Lust und wollte zurückkommen auf die mir angenehmeren Fachthemen.

„Da gibt’s nicht viel zu erzählen Frau Berger“. Ich bemühte mich meine Antwort kurz und freundlich aber möglichst abweisend zu halten.

„Und danach?“

„Danach kam ich zurück und stieg ganz normal die Karriereleiter hoch. Abteilungsleiter, Filialleiter, Bankakademie, verschiedene Seminare und Schulungen, stellvertretender Direktor. Dann wechselte ich zu diesem Institut. Es folgte die Berufung zum stellvertretenden Vorstandsmitglied, danach zum ordentlichen Vorstandsmitglied. Und seit nunmehr 2 Jahren bin ich Sprecher des Vorstands. Nichts Außergewöhnliches also.“

„Hört sich eigentlich ganz einfach an.“

„Achtung, Frau Berger, auf ‚eigentlich ganz einfach’ habe ich schon fast Schutzrechte. Vielleicht ist Ihnen schon aufgefallen, dass ich diese Redewendung ab und an benutze.“

„Stimmt, ist mir auch schon aufgefallen. Wäre eine passende Headline für meinen Artikel.“ Sie lächelte mich dabei freundlich an und beugte sich abermals zu mir vor.

Ich nutzte die Gelegenheit und schaute nochmals unauffällig, konnte aber die offensichtliche Schwerkraftanomalität noch immer nicht abschließend klären. Wissenschaftler würden dem im Raum stehenden Problem mit Versuchen auf die Spur zu kommen versuchen. Dies war allerdings hier undenkbar – d.h. denkbar schon und das nicht mit Unbehagen – es wäre jedoch mehr als unschicklich. Schließlich war ich nicht mehr im Dschungel von Orinoco, wo dies etwas weniger verklemmt gesehen würde, vermute ich jedenfalls.

„Hüten Sie sich, Frau Berger. Sonst könnte es schnell vorbei sein mit der Freundschaft“, erwiderte ich lachend. Genau genommen war es mir allerdings ziemlich ernst damit.

Eine öffentlich verbreitete Schrift mit der Headline meiner Schwäche ‚EIGENTLICH GANZ EINFACH’? Nicht vorstellbar. Kein Mensch will seine Schwächen in großen Lettern am Kiosk sehen. Na ja, vielleicht Perverse, ich jedenfalls ganz bestimmt nicht!

„Wenn Sie Ihren Werdegang so schildern, müsste man ja fast den Eindruck bekommen, jeder könnte so eine Karriere machen wie Sie“, fragte sie penetrant weiter.

„Klar, Frau Berger, kann auch jeder, fast jeder zumindest.“

„Und wieso macht dann nicht jeder solch eine Karriere?“

„Weil nicht jeder in seinem Traumberuf arbeitet. Nur jemand der Spaß an seiner Arbeit hat, ist begeistert und hat den notwendigen Biss.“

„Aber Karriere lässt sich doch auch planen.“

„Ja, denkt man.

Ein Plan ist sicher wichtig, reicht aber nicht. Freude und Spaß an der Arbeit lässt sich nicht planen. Ich habe viele Leute gesehen, die das dachten. Die haben studiert und meinten alle Wege stünden ihnen dann automatisch offen, der Weg nach oben wäre so reine Formsache.“

„Glauben Sie, dass ein Studium nutzlos ist, vielleicht weil Sie, wie Sie eingangs erwähnten, selbst nicht studiert haben.“

Sie war noch immer vorsichtig. Das mit dem ‚nicht unterernährt aussehen’ zehrte offensichtlich immer noch an ihr.

„Nein, Frau Berger, ein Studium ist keineswegs falsch. Ich halte es sogar für wichtig und richtig. Nur ein Studium alleine ist nichts, es ist nur die Möglichkeit zu etwas und es ist immer sinnvoll zuerst einen Beruf in der Praxis kennen zu lernen und sich dann in dieser Fachrichtung weiterzubilden. Das spart unter Umständen viel Zeit. Wir hatten einige Hochschulabsolventen, die frisch von der Uni kamen und dann in der Bank eine Trainee-Ausbildung machten – während meiner Ausbildungszeit nannten wir solche Leute Zauberlehrlinge.“

„Sie sprechen in einem ziemlich abfälligen Ton von diesen ‚Zauberlehrlingen’.“

Frau Berger schien wieder einmal entsetzt. War sie selbst Trainee gewesen?

„Nur von manchen. Von denen, die theoretisch viel wissen und sich deshalb für besonders qualifiziert halten, es aber nicht schaffen ihr theoretisches Wissen auch in der Praxis anzuwenden.“

„Wie meinen Sie das, Herr Lewis?“

„Ich kann mich z.B. an einen Zauberlehrling während meiner Azubi-Zeit erinnern. Er sollte fit gemacht werden für seine zukünftige Tätigkeit als Zweigstellenleiter.

Als eine wohlhabende, schon etwas betagtere Kundin in die Bank kam, meinte er ihr eine qualifizierte Beratung angedeihen lassen zu müssen. Er unterhielt sich mit ihr über die weltwirtschaftliche Lage und fand es angebracht, über die Neuordnung ihrer Assets unter Berücksichtigung der Portfoliotheorie zu dozieren.“

„Was ist daran falsch, wenn die Dame über Vermögen verfügte?“

Das Fahrwerk wurde von Frau Berger erneut neu gemischt. Mir fiel auf, dass ich meine wissenschaftlichen Beobachtungen schon einige Zeit vernachlässigt hatte. Vielleicht ergibt sich ja noch eine günstige Gelegenheit.

„Im Prinzip nichts. Und die Themenauswahl des Zauberlehrlings war durchaus interessant und fachlich, zumindest theoretisch, korrekt.“

„Und was störte Sie daran?“

„Eigentlich ganz einfach. Die alte Dame wollte dies alles nicht hören. Sie hat es weder interessiert, noch hat sie es verstanden. Sie wollte einfach über ihre Enkel sprechen. Sie wollte gefragt werden, wie es ihr geht. Sie wollte, dass ihr jemand zuhört. Und sie wollte schlicht, dass jemand ihr Sparbuch nachträgt. Unabhängig davon, dass die Bank an niedrig verzinsten Spareinlagen, die sie wieder teuer als Kredite herauslegen kann, ganz gut verdient. Für eine über 80-jährige Dame ist außerdem, unabhängig wie viel Vermögen sie besitzt, die Auswirkung einer langfristigen Portfoliotheorie nun wirklich sehr theoretisch. Das stört mich daran.

Eine Genugtuung für den einfachen Bank-Azubi war dann auch die Reaktion der alten Dame.“

„Wieso, wie hat die Dame reagiert?“

„Sie sagte schlicht: das nächste Mal komme ich lieber wieder zu Ihnen, der hat doch keine Ahnung.“

„Deshalb haben Sie nicht studiert?“

„Ich habe studiert, Frau Berger, nur nicht auf einer Hochschule. Unabhängig davon, dass ich selbstverständlich eine Reihe von Schulungen, Seminaren und die Bankakademie besuchte, habe ich das meiste in der Praxis gelernt. Das ist zwar oft teurer, prägt sich aber dafür besser ein.“

„Was meinen Sie mit teurer?“

Jetzt schien ihre Neugier wieder geweckt. Sie beugte sich jedenfalls wieder vor und verließ damit wieder ihre abweisende Körperhaltung. Gelegenheit für erneute wissenschaftliche Beobachtungen – allerdings erneut ergebnislos.

„Ich habe Ihnen schon erzählt“, Frau Berger, „dass ich neugierig, oder sagen wir besser, sehr wissbegierig bin. Die beste Voraussetzung um zu lernen. Diese Erfahrung hatte ich ja bereits in meiner Kindheit und Jugend gemacht. Dazu kommt allerdings, dass ich auch alles gleich ausprobiere. Sie wissen ja, grau ist alle Theorie und probieren geht über studieren.“

„Und was haben Sie probiert?“

Ihre Neugier schien wieder zu steigen. Ihre Sitzposition kam dabei meinem Forscherdrang weiter entgegen.

„Z.B. wie Spekulation funktioniert.“

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