Beyl und MacGarney

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„Was ist?“, fragte Beyl. Er kannte das bei seinem Partner: Er machte zwar immer einen ziemlich einfachen Eindruck, kam aber manchmal zu sehr intelligenten Schlussfolgerungen.

„Ich überlege gerade, ob wir uns nicht die ganzen Zeit geirrt haben.“

„Womit? Was meinst du?“

MacGarney schüttelte den Kopf. Dann wandte er sich dem Zimmer zu, in dem Sebstein gewohnt hatte. Die Tür war versiegelt: „Wir brauchen MacHorn.“

„Warum? Kannst du mal bitte sagen, was du meinst?“

MacGarney ignorierte ihn und marschierte an ihm vorbei, eilte die Treppe runter und rief: „MacHorn? Wo sind Sie?“

Der Besitzer des Hotels kam ihm mit wütendem Gesichtsausdruck entgegengeeilt: „Was soll das? Können Sie sich nicht benehmen? Das ist ein Urlaubshotel!“

„Jaja. Wir brauchen die Schlüsselkarte von Sebsteins Zimmer.“

MacHorn ging MacGarney voran zu Sebsteins Zimmer. Beyl stand noch immer vor der Tür.

„Sie sollten Ihrem Kollegen mal etwas Benehmen beibringen“, sagte er, während er seine Universalkarte in den Slot einführte. Beyl schüttelte resigniert den Kopf: „Wem sagen Sie das?“

Die Tür entriegelte sich mit einem leisen Klicken. MacGarney schob sich an MacHorn vorbei und öffnete die Tür. Das Siegel brach. MacHorn wollte ebenfalls das Zimmer betreten, wurde aber von MacGarney daran gehindert: „Sie bleiben draußen.“ Beyl schlüpfte durch die Tür, dann knallte sie vor der Nase des wütenden Direktors zu.

„So, was soll der Aufriss jetzt?“, fragte Beyl.

MacGarney tigerte durch den Raum, kniete sich auf den Boden, verschwand im Badezimmer, schaute in jede Ritze. Dann grinste er und ließ sich in einem Sessel nieder.

„Ich denke, ich habe eine wichtige Neuigkeit“, verkündete er.

„Welche?“ Beyl konnte seinen Ärger langsam nicht mehr zurückhalten.

„Wir sind in unseren bisherigen Szenarien davon ausgegangen, dass Sebstein den Täter entweder beim Einbruch erwischt hat oder der Mord bei einem Streit passiert ist, der aus dem Ruder gelaufen ist.“

„Ja.“

„Das macht aber keinen Sinn. Guck mal: Wir haben hier nicht einen Fingerabdruck von Philips gefunden. Wenn er Sebstein nur besucht hätte, hätte er wohl kaum Handschuhe oder so getragen. Also war er aus kriminellen Gründen hier im Raum.“

„Ja, aber ich kann dir nicht ganz folgen.“

„So, er ist aus kriminellen Gründen hier. Die beiden Männer kämpfen miteinander. Wer meinst du, gewinnt?“

Beyl dachte nach: „Sebstein war definitiv sportlicher als Philips.“

„Genau. Er hätte den Ober-Nerd platt gemacht. Hat er aber nicht. Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass Philips trotzdem der Täter ist, bedeutet das, dass er den Mord von vornherein geplant haben musste. Er hätte Sebstein sonst niemals mit dem Telefon einfach erdrosseln können.“

Beyl nickte: „Gut. Aber wenn es vorsätzlicher Mord war, hätte er doch auch eine andere Waffe benutzen können.“

MacGarney zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung. Auf jeden Fall musste er seine körperlichen Nachteile ausgleichen.“

„Du meinst...?“

„Ich meine, er hat ihm vorher etwas verabreicht, irgendein Mittel, dass ihn betäubt hat. Er hat sich trotzdem noch etwas wehren können: Es gab ja Kampfspuren an Sebsteins Händen. Aber Philips konnte ihn auf diese Weise erledigen.“

Beyl war noch nicht überzeugt: „Aber warum hätte Sebstein etwas trinken sollen? Außerdem hätte man doch das Gift bei der Obduktion gefunden.“

MacGarney lachte leise: „Die Todesursache war so offensichtlich, dass ich bezweifle, dass die Gerichtsmedizin überhaupt entsprechende Tests durchgeführt hat: TOD DURCH STRANGULATION. Und die Diagnose ist ja auch richtig. Hinzu kommt: Zeige mir ein Glas in diesem Raum!“

Beyl sah seinen Kollegen verwirrt an: „Was?“

„Zeig mir ein Glas. Ein Trinkglas.“

Beyl ging durch den Raum. Nach wenigen Minuten kam er zu der Erkenntnis: „Hier ist kein Glas.“

MacGarney erhob sich aus seinem Sessel und öffnete die Zimmertür: „MacHorn?“ Der Direktor hatte auf dem Gang gewartet und eilte sofort zu Tür: „Ja?“, fragte er, immer noch wütend.

MacGarney hob einen Finger: „Sie warten noch immer schön draußen. Ich brauche nur eine Information: Wie viele Gläser stellen Sie Ihren Gästen bereit?“

MacHorn war verwirrt. Er kratzte sich am Kopf und dachte nach: „Wie viele Gläser? Puh... Zwei in der Minibar.“

„Danke“, sagte MacGarney und schloss die Tür wieder.

Beyl schaute ihn an: „Wir haben die Gläser nicht mitgenommen. In den Berichten steht nichts davon.“

„Genau. Also?“

„Der Mörder hat sie mitgenommen. Vielleicht hat er mit Sebstein etwas getrunken. Aber dann hätte er doch Handschuhe dabei getragen! Das wäre Sebstein aufgefallen.“

MacGarney schüttelte den Kopf: „Er hat beide Gläser mitgenommen: Das von Sebstein, weil es noch Spuren von dem Gift enthielt, und seins, weil es eines der Dinge war, die er angepackt hat. Wahrscheinlich ist er reingekommen, hatte eine gute Flasche dabei und hatte dadurch einen Grund, sofort an der Bar etwas einzuschütten.“

Beyl ging zur Minibar und öffnete sie: „Es fehlt nichts. Zumindest macht es auf den ersten Blick so den Anschein.“

MacGarney fasste zusammen: „Er stößt mit Sebstein an, das Gift wirkt. Während Sebstein zu schwanken beginnt, zieht er sich seine Handschuhe an. Sebstein erkennt, was passiert! Er will sich wehren, ist aber bereits zu benebelt! Philips stranguliert ihn mit dem Telefonkabel. Dann nimmt Philips die Gläser und die Flasche wieder mit.“

Beyl schaute seinen Partner an: „Könnte so gewesen sein.“

„Hätte auf jeden Fall den Vorteil, dass es Beweismittel gibt. Wir müssen die Gläser finden. Auf denen befinden sich Fingerabdrücke UND in ihnen Giftspuren.“

Beyl zückte sein Handy und wählte eine Nummer.

„Wen rufst du an?“, fragte MacGarney.

„Hallo? Hier Beyl. Ich brauche eine Nachuntersuchung von Sebstein. Ihr habt doch Blutproben und so von ihm. Checkt doch mal bitte, ob da Giftspuren drin sind. Irgendwas Betäubendes. Danke!“ Er legte auf: „Vielleicht finden Sie ja was. Ich denke, es ist nur eine kleine Chance, aber wir sollten sie nutzen.“

„Wir brauchen jetzt einen Plan. Und zwar schnell. Jede Stunde, die wir verschwenden, erhöht das Risiko, dass Philips die Gläser beseitigt. Wenn er schlau ist, hat er das schon längst getan. Mit einem Hammer alles pulverisieren und irgendwo wegschmeißen. Das gleiche mit der Flasche. Dann hätten wir nichts mehr.“

„Dann mal los!“ Beyl klopfte seinem Partner auf die Schulter. Zusammen stürmten sie aus dem Zimmer und ließen einen verwirrten MacHorn auf dem Gang stehen.

***

Philips saß an seinem Schreibtisch. Er ging ein paar Datenbanken durch und sichtete die Arbeit seiner Untergebenen. Es klopfte an der Tür: „Ja?“, fragte er verunsichert. Normalerweise kam hier niemand runter. Die Leute aus der Bank zogen es vor, für sich zu bleiben.

Die Tür öffnete sich und einer der beiden Polizisten betrat den Raum. Der Nette. Sein unangenehmer Kollege war nicht dabei.

„Guten Tag, Mr. ...“, sagte Philips, während er aufstand und um seinen Schreibtisch herumkam, um dem Polizisten die Hand zu geben.

„Beyl mein Name.“ Beyl ergriff die Hand seines Gegenübers und schüttelte sie.

„Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte Philips. Er zog einen Stuhl für Besucher heran, der niemals gebraucht wurde und postierte ihn vor dem Schreibtisch. Dann setzte er sich wieder auf seinen Platz. Beyl nahm ihm gegenüber Platz und schlug die Beine übereinander.

„Sehen Sie, ich habe da ein oder zwei Fragen“, begann Beyl. „Die erste wäre, ob Sie das Retro-Hotel kennen, in dem Sebstein gewohnt hat.“

Philips lehnte sich zurück. Er schaute kurz zur Decke, dann sagte er langsam: „Das Hotel? Nein.“

Beyl tat erstaunt: „Ach, wirklich? Das ist aber seltsam. Wir haben nämlich eine Zeugenaussage, dass Sie dort die letzten Wochen regelmäßig zu Abend gegessen haben.“

Philips wurde nervös: „Ich war öfters essen, ja. In einem Hotel. Ich weiß aber nicht, in welchem Sebstein gewohnt hat.“

Beyl zuckte mit den Schultern: „Dann haben wir wohl aneinander vorbei geredet. Meine zweite Frage ist: Haben Sie irgendwelche besonderen Gläser in letzter Zeit erworben? Aus einer Mini-Bar vielleicht?“

Philips fuhr sich mit der Hand über die Stirn: „Gläser? Ich verstehe nicht...“

„Ich werde es Ihnen erklären: Der Mörder von Sebstein hat ihn betäubt, bevor er ihn stranguliert hat. Anders hätte er den Mann gar nicht töten können. Das Gift hat er ihm in einem Glas verabreicht.“

„Aha. Wie kommen Sie darauf?“

„Die Gläser des Hotels sind weg. Spurlos verschwunden. Wir gehen davon aus, dass der Mörder beide mitgenommen hat. Zum einen, um das Gift verschwinden zu lassen, zum anderen, weil natürlich seine Fingerabdrücke auf dem Glas sind.“

„Natürlich.“ Philips dachte kurz nach: „Aber warum fragen Sie mich das alles? Wollen Sie etwa andeuten, dass ich etwas damit zu tun habe?“

„Ich deute nichts an. Sie stehen ganz offiziell unter Mordverdacht.“ Er wandte sich sitzend der Tür zu: „Ihr könnt reinkommen!“, rief er. Die Tür öffnete sich und drei Beamte in Uniform kamen in den Raum und begannen umgehend, den Raum zu durchsuchen.

„Was soll das?“, rief Philips erschrocken und empört! Beyl griff in seine Tasche und holte einen Briefumschlag hervor. Er öffnete ihn und reichte das Schreiben an Philips weiter: „Der Durchsuchungsbefehl“, sagte er.

Philips las ihn, dann sprang er auf: „Was? Da steht, dass auch meine Wohnung...!“

Beyl nickte: „Genau. Mein Kollege ist mit ein paar Beamten gerade dabei, Ihre Wohnung zu durchsuchen.“

Philips Gesicht verfärbte sich: „Das ist doch nicht Ihr Ernst! Warum hätte ich Sebstein etwas antun sollen?“

 

„Weil er Ihren Job bekommen hätte. Er hatte sich mit Ihrem Boss geeinigt. Sie wären raus aus der Firma gewesen. Das ist ein Motiv. Dann haben Sie uns nichts von Ihren Abendessen erzählt und auch eben...sagen wir mal...improvisiert.“

Philips ließ sich in seinen Stuhl fallen: „Ich möchte einen Anwalt haben“, sagte er.

„Das ist Ihr gutes Recht - und auch verständlich.“

***

Zwei Stunden später saßen MacGarney und Beyl in ihrem Büro. Ihre Chefin war ebenfalls anwesend.

„Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?“, schimpfte MacGarney. „Das ist doch totale Scheiße. Wir alle wissen, dass der Arsch es getan hat!“

„Jetzt machen Sie mal halblang“, schimpfte die alte Chefin. „Natürlich wissen wir das. Aber wir haben keine Beweise. Weder Sie noch Ihr Kollege haben die Gläser gefunden - oder eine Flasche mit Gift.“

„Aber müssen wir ihn denn unbedingt laufen lassen?“

„Wir können niemanden ohne Beweise einsperren.“

„Scheiße!“, maulte MacGarney.

Beyl verschränkte die Arme vor der Brust: „Philips hat mehrfach Falschaussagen getätigt.“

„Das stimmt, aber das reicht nicht. Das wissen Sie so gut wie ich. Sie brauchen mehr.“

„Wo sollen wir das denn herbekommen?“, schimpfte MacGarney. „Die Gläser sind die einzige Spur. Der einzige Beweis. Scheiße! Wenn er sie woanders als zuhause oder auf der Arbeit versteckt hat, kann er sie jetzt in Ruhe vernichten.“

Beyl warf ein: „War in der Wohnung wirklich nichts?“

MacGarney starrte ihn wütend an: „Nein, meinst du ich bin blöd? Wir haben alles abgesucht! Da waren nur Computer und Fotos von seiner Mutter im Altersheim. Mist! Wir hätten noch warten sollen.“

Beyl war anderer Meinung: „Wir haben das diskutiert. Wir konnten nicht warten. Damit wäre das Risiko, dass er die Gläser vernichtet, immer weiter gestiegen. Wenn er es nicht schon sowieso getan hat.“

Die Chefin wandte sich zum Gehen: „Ihr solltet überlegen, ob ihr nicht was übersehen habt. Der Kerl wirkt nicht gerade wie ein eiskalter Killer. Nicht gerade abgezockt, ihr wisst, was ich meine.“ Damit war sie raus.

MacGarney stand auf und schnappte sich seine Klamotten: „Ich mache Schluss für heute. Mir reicht der Scheiß für einen Tag.“

Beyl fragte: „Pub?“

„Von mir aus. Aber beeil dich!“

Wichtige Erkenntnisse

„So“, sagte MacGarney und stellte die beiden Pints auf dem Tisch ab. Beyl zog sich seins heran und nippte. MacGarney setzte sich.

Der Pub war gut besucht, aber sie hatten Glück gehabt und einen Tisch in einer ruhigen Ecke gefunden.

„Wo sollen wir denn jetzt weitermachen?“, fragte MacGarney, nachdem er einen tiefen Schluck genommen hatte.

„Die einzige Fährte ist das Gift“, sagte Beyl. „Wir müssen rausbekommen, wo er es herhat.“

MacGarney betrachtete sein Glas: „Ich denke, er hat es im Internet gekauft. Das würde sich anbieten - ist immerhin sein Job, dieser ganze Blödsinn mit Computern.“

„Dann haben wir schlechte Karten“, konstatierte Beyl. „Er wird wissen, wie man seine Spuren verwischt.“ Er nahm einen Schluck Bier.

„Scheiße“, fasste MacGarney den Stand der Ermittlungen in einem Wort zusammen.

Beyls Handy piepte kurz. Er verdrehte die Augen und griff danach: „E-Mail“, sagte er und tippte stirnrunzelnd auf dem Display herum.

„Ich finde, die Dinger sollte man im Pub verbieten“, sagte MacGarney. „Wie soll man ein normales Gespräch führen, wenn alle dauernd ihre Handys rausholen?“

Beyl schwieg und las konzentriert. Dann steckte er es weg: „Das wird dich aber auch interessieren. Die Jungs von der Gerichtsmedizin haben die Tests fertig.“

„Und?“

„Sie haben ein Schlafmittel im Blut gefunden.“

„Schlafmittel? Das wars?“

„Naja. Die Dosis war wohl sehr hoch. Außerdem ist das Zeug verschreibungspflichtig wegen der vielen Nebenwirkungen. Laut Sebsteins Akte hat er keine Schlafmittel verschrieben bekommen.“

MacGarney runzelte die Stirn: „Wer nimmt denn Schlafmittel mit krassen Nebenwirkungen?“

„Aus dem Bericht geht hervor, dass das Mittel häufig bei älteren Menschen eingesetzt wird.“

„Weil es da sowieso egal ist?“

„Nicht gerade nett, oder?“

MacGarney dachte nach: „Meinst du, er hat sich das Zeug besorgt? Übers Internet?“

Beyl kratzte sich an der Nase: „Keine Ahnung. Aber übers Internet wäre, denke ich mal, etwas zu aufwendig für ein einfaches Schlafmittel.“

„Warum?“

„Wenn er schon den anonymen Weg über das Internet wählt, hätte er doch auch direkt was Tödliches oder Heftigeres nehmen können als ein Schlafmittel für alte Leute.“

„Stimmt.“ MacGarney dachte nach: „Dann hat er es sich also woanders besorgt.“

„Genau.“

Die beiden Männer saßen schweigend an ihrem Platz und starrten auf ihre Biere. Plötzlich schlug MacGarney mit der Hand auf den Tisch: „Ich weiß, wo er es herhat!“

Konfrontation

Die Türklingel meldete sich mit einem lauten Bimmeln, als der Klingelknopf betätigt wurde. Es dauerte ein paar Minuten, bis die Tür aufschwang und Mr. Philips den beiden Polizeibeamten gegenüberstand, die ihn zuletzt schon mit Vorwürfen konfrontiert hatten, die er bislang von sich weisen konnte.

„Sie schon wieder?“, fragte er. Er schaute auf seine Armbanduhr: Es war neun Uhr! Nach den Ereignissen des vergangenen Tages hatte er sich einen Tag Urlaub genommen. Die Bank war nicht traurig darüber gewesen, ihn nicht sehen zu müssen. Polizeibesuche und Durchsuchungen machten sich niemals gut in der Presse.

„Guten Morgen, Mr. Philips. Wir dürfen eintreten?“

„Nein!“

„Doch!“, sagte Beyl und marschierte an ihm vorbei in die Wohnung. Philips folgte ihm ins Wohnzimmer. MacGarney blieb hinter ihm und schloss die Wohnungstür.

„Was wollen Sie?“, fragte Philips. Beyl hatte sich auf das Sofa gesetzt.

„Am besten nehmen Sie Platz“, sagte er ruhig. „Das hier könnte etwas dauern.“

Philips musterte Beyl und wandte sich dann MacGarney zu, der in der Zimmertür stand. Dann nahm er schließlich widerstrebend Platz.

„Wir haben Sie ja gestern bereits wegen der Gläser besucht.“

„Genau, gestern haben Sie sich schon mal geirrt und mich zu Unrecht verdächtigt!“, ereiferte sich Philips.

„Das stimmt nur zu Hälfte: Zu Unrecht war das nicht, aber geirrt haben wir uns tatsächlich! Wir haben Sie dahingehend unterschätzt, dass wir Ihnen unterstellt haben, Sie hätten die Gläser noch nicht vernichtet. Natürlich hatten Sie das schon erledigt.“

Philips schüttelte den Kopf: „Das ist eine Frechheit! Ich werde mich bei Ihrem Vorgesetzten beschweren.“

„Ihrer“, sagte MacGarney.

Philips wandte sich ihm verwirrt zu. MacGarney verdrehte die Augen: „Ihrer Vorgesetzten heißt es. Es ist eine Frau. Sie wird sauer, wenn man da nicht drauf achtet. Wissen Sie, wegen Gleichbehandlung und so.“

Philips wandte sich wieder Beyl zu: „Also, was wollen Sie heute von mir?“

„Heute wollen wir Sie verhaften“, sagte Beyl gut gelaunt. Philips wurde bleich: „Warum?“

„Wegen des Mordes an Mr. Sebstein! Darum geht es doch die ganze Zeit. Ich dachte, das wäre Ihnen klar.“

„Aber...“, sagte Philips.

„Ich verstehe Ihre Verwirrung. Ich will Ihnen helfen. Gestern haben wir rausgefunden, dass Sebstein kurz vor seinem Tod ein hochdosiertes Schlafmittel eingenommen hat. Ein verschreibungspflichtiges Schlafmittel.“

„Damit habe ich aber nichts zu tun!“

„Naja, wie man es nimmt. Sie haben es ihm in den Drink getan. Aber der Reihe nach: Das Mittel wird meistens bei alten Leuten eingesetzt. In Ihrer Wohnung hier hängen überall Bilder von Ihrer Mutter im Altersheim.“ Beyl zeigte auf ein paar Bilder: „Also sind wir heute Morgen ganz früh zum Altersheim gefahren und haben uns dort den Bereich angeschaut, wo die Medikamente aufbewahrt werden. Also auf der Station Ihrer Mutter meine ich. Und wissen Sie was: Da hat doch genau dieses Medikament gefehlt.“

„Das muss ein Zufall sein!“

„Das könnte man so sehen. Aber wissen Sie, die passen dort ganz schön auf die Sachen auf. Die haben sogar vor kurzem versteckte Kameras installiert, die den Eingang zu dem Lagerraum filmen. Einfach raffiniert! Und jetzt raten Sie mal, wen wir da auf dem Überwachungsband gesehen haben, wie er sich Zutritt zu dem Lager verschafft?“

Philips sackte in sich zusammen. Es war, als wäre sämtliche Luft aus ihm entwichen.

„Also?“, fragte Beyl. „Was möchten Sie uns sagen?“

„Ich möchte einen Anwalt sprechen“, sagte Philips. Beyl nickte: „Das habe ich mir gedacht. Gut, dann wollen wir uns mal auf den Weg zum Revier machen.“

Abschluss

„Gute Arbeit“, sagte Dromder, als MacGarney und Beyl in ihrem Büro Platz genommen hatten. Sie zeigte auf die Zeitung, die vor ihr auf dem Schreibtisch lag: „Retro-Mord gelöst... Das nenne ich mal eine Schlagzeile!“

MacGarney grinste: „Dabei ist es nicht mal ein Retro-Mord!“

„Warum nicht? Der Typ hatte doch ne Telefonschnur um den Hals!“

„Schon“, stimmt MacGarney zu. „Aber verübt wurde der Mord wegen eines Jobs im modernen Bankwesen... Es ist also eher ein Future-Mord mit alten Methoden.“

Dromder schaute MacGarney etwas verwirrt an, beschloss aber, nichts zu sagen. MacGarney war der Gute von den beiden. Hätte Beyl so einen Mist verzapft, hätte sie ihm erstmal die Meinung zu seiner Person mitgeteilt!

„Naja gut“, sagte sie.

„Mit dem Telefon war auch mehr oder weniger Zufall“, warf Beyl ein. „Eigentlich hatte Philips wohl vor, Sebstein mit einem Würgedraht umzubringen.“

Dromder zog erstaunt die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts. Beyl fuhr fort: „Allerdings war es wohl so, dass Sebstein merkte, dass Philips ihm was in den Drink getan hat - nur da hatte er das Zeug schon getrunken. Er war aber noch so fit, dass er zum Telefon getorkelt ist, um die Polizei anzurufen. Philips musste improvisieren und hat ihn daher direkt mit dem Telefonhörer umgebracht, den Sebstein schon in der Hand hatte.“

„Der Kerl ist echt bescheuert: Mit einer Pistole wäre das alles so viel einfacher gewesen.“

MacGarney stimmte zu: „Klar, aber die Sache mit dem Telefon war für ihn natürlich ein Volltreffer: Wir sind zunächst von einer spontanen Tat ausgegangen. Irgendwas, was aus dem Ruder gelaufen ist. Bei einer Schusswunde wäre das anders gewesen. Auch bei dem Draht.“

Dromder nickte: „Gut, das reicht mir jetzt auch. Ich denke, Sie haben noch zu tun.“

Beyl und MacGarney schauten sich kurz an: Das war Dromders freundliche Variante von „Bitte gehen Sie weg!“

Sie erhoben sich und verließen das Büro.

„Und jetzt?“, fragte MacGarney.

Sein Kollege schaute auf die Uhr: „Ich würde sagen, jetzt gehen wir in aller Ruhe mal einen Kaffee trinken.“

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