Die skurrile Verwandtschaft des Friedrich K.

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„Ja, genau.“ Bernd grinste: „Ist doch spannend, oder?“

„Wenn die uns kriegen...“

„Wenn die uns kriegen, haben wir absolut gar keine Ausrede, warum wir dort sind. Wir wandern direkt in Untersuchungshaft.“

Friedrich ließ die Schultern hängen: „Gibt es keinen anderen Weg?“

„Schiss?“, fragte Gustav schadenfroh.

Friedrich fixierte ihn: „Nein. Ich suche nach einer Alternative, die weniger riskant ist. Das hat nichts mit Schiss, sondern mit Intelligenz zu tun.“

„Große Worte für einen kleinen Idioten. So, und jetzt Mund halten. Ich bin noch nicht fertig.“ Damit deutete Gustav wieder auf den Bildschirm und fuhr mit seinen Instruktionen fort.

Einbruch

Friedrich und Bernd liefen geduckt an der Mauer entlang - oder was man in Bernds Alter „geduckt“ nennen konnte. Oder laufen. Sie erreichten das Pförtnerhäuschen. Bernd sagte: „Zentrum, bitte kommen.“

Es rauschte, dann meldete sich Gustav: „Hier Zentrum. OB, ich mache jetzt die Tür auf.“

„OB?“, fragte Bernd irritiert.

„Opa Bernd.“ Bernd lächelte. OPA BERND! Das gefiel ihm. Als er merkte, dass er lächelte, schaute er schnell wieder grimmig. Allerdings fiel ihm dann ein, dass er eine Sturmhaube trug und sein Enkel nicht erkennen konnte, dass ihm die Bezeichnung ‚Opa‘ gefiel.

Die Tür vor ihnen klickte. Bernd betätigte die Klinke und sie schwang problemlos auf.

„Tür offen, Zentrum.“ Sie betraten das Pförtnerhäuschen. Es bestand lediglich aus einem kleinen Raum mit einem Schreibtisch, auf dem ein Telefon stand. Zwei Türen gingen ab: Eine führte zu einer kleinen Toilette, die andere war offensichtlich der Ausgang zum Garten.

„Hier entlang“, sagte Bernd und öffnete die Tür zum Garten. Sie folgten einem Gartenweg, der von dichten Büschen und Bäumen gesäumt wurde.

„Hier OB. Zentrum: Ist die Luft rein?“, fragte Bernd, als der Weg endete und sie einen Blick auf die Silhouette des Hauses werfen konnten: Es war eine alte, großzügig geschnittene Villa mit einer geschwungenen Auffahrt. Sie befanden sich auf der rechten Seite des Gebäudes, mussten aber leider auf die linke.

„Hier Zentrum. Ihr müsst vorsichtig sein. Ich habe zwar nur an der Straße Polizei gesehen, aber man kann nie wissen.“

„Woher weiß er das?“, fragte Friedrich.

„Er hat die Kameras gehackt. Deswegen werden wir später auch nicht mehr zu sehen sein“, antwortete Bernd.

„Aber... Er kann sowas?“

Bernd sah seinen Enkel verständnislos an: „Warum sollte er das nicht können?“ Er wartete die Antwort erst gar nicht ab: „Nur weil er alt ist? Das ist wirklich...“

„Schon gut, wir sollten vielleicht unsinnige Gespräche einstellen, während wir in eine Villa einbrechen“, sagte Friedrich schnell. Er wollte auf keinen Fall erwischt werden, nur weil sein Opa ihm einen Vortrag über die möglichen technischen Kompetenzen der verwitternden Generation hielt.

Sie schlichen in einem großen Bogen um das Haus herum und erreichten die andere Seite.

„So, das war doch ganz leicht“, sagte Bernd. „Warten Sie kurz.“ Er griff sich in die Hosentasche und holte ein Döschen hervor. Er öffnete es und nahm eine lila Pille heraus, die er sich schnell in den Mund steckte.

„Was war das?“, fragte Friedrich.

„Das?“, sagte Bernd. „Das war meine Tablette, damit ich pinkeln kann. Da kommen Sie auch noch hin. Es läuft nämlich nicht immer so geschmeidig wie jetzt.“

„Du nimmst das mitten in der Nacht?“

„Habe sie vergessen. Wegen des Gedächtnisses hatte ich auch mal ne Pille, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, wo ich das Rezept hingelegt habe. Und jetzt kommen Sie endlich.“

Friedrich schüttelte den Kopf und folgte seinem Opa, der über ein kleines Rasenstück zum Haus schlich. Als sie die Hauswand erreicht hatten, funkte Bernd Gustav an: „Zentrum: Wohin, links oder rechts?“

„Hier Zentrum: OB nach rechts.“

„Du brauchst dringend einen neuen Codenamen“, sagte Friedrich.

„Warum?“

„OB?“

„Opa Bernd.“

„Egal.“

Sie schlichen die Hauswand entlang und erreichten eine kleine Tür. Auch diese war mit einem elektronischen Schloss gesichert.

„Zentrum: Wir sind da. Bitte öffnen.“

Es klickte. Bernd öffnete die Tür und sie betraten das Haus von Bruno Grenadier.

Grenadier verstand offensichtlich etwas davon, sich geschmackvoll einzurichten - oder er kannte einen sagenhaft begabten Innenausstatter. Sie eilten eine Treppe hinauf. Friedrich wäre am liebsten alle fünf Meter stehen geblieben, um sich in Ruhe umzusehen, aber Bernd trieb ihn immer wieder zur Eile an: Überall hingen Bilder, schwere Teppiche lagen auf dem Boden. Dabei hatte Grenadier es geschafft, keine Kulisse aus einem alten schwarz-weiß-Film nachzubauen, sondern alles mit modernen Elementen verbunden: Die Räume waren offensichtlich vergrößert worden, überall war Glas und Metall.

„Links“, quakte Gustav aus Bernds und Friedrichs Kopfhörern. „Dann die breite Tür.“

Sie öffneten die Tür und huschten in das Atelier. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, nahmen sie sich kurz Zeit, um zu verschnaufen.

„Puh, das ist wirklich anstrengender als früher“, sagte Bernd und atmete tief durch.

„Ich dachte, du hast die Sachen nur verkauft.“

„Habe ich auch, aber man hört halt viel.“

Friedrich war sich nicht so sicher, was Bernd gesehen und was er erlebt hatte. Aber er wollte es lieber auch gar nicht wissen.

„So, dann lass uns mal umsehen“, sagte Bernd und ging langsam durch das Atelier: Die Decke bestand aus Glas. Tagsüber musste es hier sehr hell sein - im Sommer bestimmt knalle heiß, außer Grenadier hatte an eine andere umweltfreundliche Klimaanlage gedacht.

Überall standen Leinwände herum, es roch nach Farbe und Lacken. Drahtrollen türmten sich an einer Wand.

„Hier druckt der Kerl also sein Geld. Wie lange er wohl an einem Bild arbeitet?“, überlegte Bernd laut.

„Wonach suchen wir denn jetzt genau?“, fragte Friedrich.

„Ich habe keine Ahnung. Aber der Dieb wollte ja offensichtlich, dass wir uns diesen Ort näher ansehen. Das wird schon seinen Grund haben.“

„Mhmmm“, machte Friedrich.

„Was?“

„Wenn er wollte, dass wir kommen, tun wir gerade das, was er wollte, oder?“

„Ja.“

„Meinst du, das ist so schlau?“

Bernd zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung. Aber jetzt sind wir hier. Und eine andere Idee hatten wir ja nicht. Außer du hast mir einen Geistesblitz vorenthalten. In dem Fall wäre ich allerdings ziemlich sauer.“

Friedrich ging zu einem Schreibtisch und zog eine der Schubladen auf: Noch mehr Farbe. Er schloss die Schublade und öffnete eine andere: Eine alte Kladde. Er nahm sie heraus und schlug sie auf. Er runzelte verwirrt die Stirn: „Guck mal“, sagte er und drehte sich zu Bernd um. „Das sieht seltsam aus.“

Bernd trat neben ihn und warf ebenfalls einen Blick in das Buch: „Oh Mann“, sagte er und riss die Augen auf, was durch die Sturmhaube Friedrich verborgen blieb.

Plötzlich knallte etwas im Haus.

„Was war das?“, fragte Friedrich erschrocken. Bernd nahm ihm das Buch ab und steckte es sich unter seine Jacke.

„Hallo? OB? Hier Zentrum. Ihr solltet euch verpissen. Ihr bekommt Besuch. Zwei Polizisten kommen von der Straße den Weg entlang gerannt. Sind ausnahmsweise auch mal keine fetten Bullen, sondern ziemlich sportlich. Haut ab.“

„Komm mit“, sagte Bernd und zog Friedrich vom Schreibtisch weg. Sie öffneten die Tür und hatten das Atelier gerade verlassen, als im ganzen Haus schlagartig das Licht aufflammte.

„Scheiße“, schimpfte Bernd. „Wir müssen uns beeilen. Hoffentlich macht meine Pumpe das mit.“

Sie rannten den Gang entlang und erreichten eine Treppe.

„Stopp“, sagte Friedrich und riss seinem Opa an der Schulter.

„Was?“, fragte der.

„Hör doch mal“, zischte Friedrich

Bernd lauschte: Jetzt hörte er es auch: Von unten kamen Schritte!

„Zentrum? Wo sollen wir lang? Die kommen uns entgegen!“ Bernd lauschte.

„Zentrum? Hallo?“

Friedrich sah sich um: Auf dem Gang gab es mehrere Türen, aber falls sie Pech hatten, landeten sie direkt in Grenadiers Schlafzimmer. Aber das Risiko mussten sie wohl eingehen.

„Komm mit“, sagte er und stürmte kurzentschlossen auf die nächstgelegene Tür zu.

„Warte“, zischte Bernd, folgte seinem Enkel aber trotzdem. Was sollte er auch sonst machen?

Friedrich riss die Tür auf, Bernd folgte ihm und sie schlossen die Tür wieder leise.

„Wo sind wir?“, fragte Bernd leise.

„Woher soll ich das wissen?“

„Hast du einen Plan?“

Friedrich schüttelte den Kopf, was Bernd aber in der Dunkelheit nicht sehen konnte.

Von der Treppe drangen Stimmen heran: „Wir gucken im Atelier nach. Mal sehen, ob da was ist.“

Sie hörten, wie die Schritte lauter wurden, ihr Versteck passierten und vor der Tür zum Atelier verstummten.

„Hier ist nichts“, sagte eine andere Stimme.

„Wir müssen trotzdem nachsehen. Wenn doch was ist, sind wir die Blöden.“

Die Tür zum Atelier wurde geöffnet.

„Das ist unsere Chance“, sagte Bernd.

„Nicht so hastig“, sagte eine ruhige Stimme hinter ihnen aus der Dunkelheit. Licht flammte auf: Bruno Grenadier stand keine drei Meter von ihnen entfernt und hielt einen Revolver in der Hand.

„Was ist das denn?“, fragte Bernd irritiert. „Was machen Sie denn hier?“

„Das ist mein Haus. Das hier ist mein Ruheraum. Ich unterbreche meine Arbeit öfters und ziehe mich zu einer schöpferischen Pause hierher zurück.“ Grenadier zeigte auf ein großes Sofa, auf dem sich mehrere Decken befanden.

 

„Ich würde aber gerne wissen, mit wem ich es zu tun habe“, fuhr der Künstler fort. „Setzen Sie sich doch.“ Er deutete kurz mit dem Revolver zum Sofa. Friedrich und Bernd gingen langsam dorthin.

„Bitte“, sagte Bernd, „Wir haben nichts gestohlen.“

„Nein? Und was machen Sie dann hier? Nehmen Sie doch bitte zunächst mal die Masken ab.“

Friedrich warf seinem Opa einen Blick zu, den dieser als hilfesuchend eingestuft hätte, wenn er ihn denn hätte sehen können.

„Ich fürchte, das geht nicht“, sagte Bernd ruhig.

„Das geht nicht? Ich werde gleich die beiden Beamten rufen, damit die euch beide dorthin bringt, wo ihr hingehört: Ins Gefängnis. Aber vorher will ich euch ins Gesicht sehen!“

„Dann müssen Sie mir die Maske schon selbst abnehmen. Mit der Waffe machen Sie mir keine Angst: Abknallen werden Sie uns sowieso nicht.“

Grenadier kniff verärgert die Lippen zusammen. Dann stampfte er auf Bernd zu und streckte die Hand aus, um ihm die Maske abzureißen. In dem Moment griff Bernd nach der Waffenhand, drückte sie zur Seite und versetzte Grenadier einen kurzen, aber gezielten Schlag vor den Hals. Der Künstler sank sofort zu Boden.

„Woher kannst du denn sowas?“, fragte Friedrich erstaunt und erleichtert.

„Lange Geschichte. Wir müssen los, komm schon. Ich denke, die Bullen sind inzwischen weg.“

Nachbesprechung

Bernd, Friedrich, Gustav und Yu saßen in einem Burger-Laden. Friedrich hatte sich bei der Wahl des Lokals durchgesetzt, da er nach der stressigen Nacht erstmal eine schwere, fettige Mahlzeit brauchte.

„Was war da auf einmal los?“, fragte Bernd seinen alten Kumpel. Der nippte an einer Cola und zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung. Auf einmal sprangen die Bullen aus dem Streifenwagen und rannten zum Haus.“

„Jungbullen“, sagte Bernd kopfschüttelnd. „Wieso wussten die, dass wir dort waren? Du hast doch den Alarm ausgeschaltet, dachte ich?“

Gustav sah seine Enkelin an: „Hat der gesagt, ich habe Scheiße gebaut?“

„Ich denke, er meinte...“, begann Yu, aber sie musste feststellen, dass die Frage wohl eher rhetorisch gemeint war.

„Ich habe alle Systeme ausgeschaltet“, sagte Gustav beleidigt. „Das war das letzte Mal, dass ich dir undankbarem Arschloch geholfen habe.“

Bernd schloss kurz die Augen und atmete tief durch: „Das habe ich doch gar nicht gesagt.“ Er sah Yu an: „Habe ich gesagt, dass es seine Schuld war?“

„Ich denke, er meinte...“, sagte Yu erneut, aber wieder kam sie nicht sonderlich weit - wieder diese Sache mit rhetorischen Fragen.

„Ich meinte nur, dass die eigentlich nicht hätten auftauchen dürfen, WEIL du ja alles deaktiviert hast. Es ist ja wohl in Ordnung, wenn ich meine Bestürzung darüber ausdrücke, dass wir fast geschnappt wurden.“

„Das stimmt. Wäre echt blöd gewesen, wenn du so kurz vor Ladenschluss noch kassiert worden wärst.“ Die beiden alten Männer stießen mit ihren Pappbechern an.

Friedrich hatte die ganze Zeit geschwiegen. Er dachte nach. Schließlich sagte er vorsichtig: „Ich habe nachgedacht.“

„Das ist ja mal was Neues“, stellte Gustav fest. „Bisher war dein Anteil an dem Unternehmen hier eher...Naja, du bist ne Bremse.“

Friedrich ignorierte den alten Mann. Er hatte eine Idee und wollte sie loswerden, bevor er sie wieder vergaß: „Der Dieb möchte uns in die Sache reinziehen. Gleichzeitig hat er einen Hinweis platziert. Er wusste, dass wir uns das Atelier ansehen würden. Könnte es nicht sein, dass wir alles richtig gemacht haben, aber er die Polizei informiert hat?“

„Du meinst, er hat uns verpfiffen?“, fragte Gustav. Yu legte den Kopf leicht schief: „Das würde bedeuten, dass er das Haus oder euch beobachtet hat. Er konnte ja nicht wissen, wann wir dort einsteigen würden.“

Friedrich nickte: „Er muss in der Nähe gewesen sein.“ Seine Begeisterung nahm schlagartig ab: „Allerdings nutzt uns das im Nachhinein auch nichts.“

Schweigen legte sich über den Tisch. Trotz der späten Stunde war der Laden gut besucht - hauptsächlich nutzten Studenten die Nacht, um durch erhöhten Alkoholkonsum ihre Lernmöglichkeiten am kommenden Morgen einzuschränken. Einige befanden sich offensichtlich auf einem guten Weg.

„Was ist mit den Kameras von den Häusern?“, fragte Yu.

„Von dem Atelier?“, fragte Gustav skeptisch.

„Nein, die meine ich nicht. Aber in der Straße sind doch hauptsächlich Bonzen-Villen. Die haben bestimmt alle eine Kamera, die zumindest Teile des Gehwegs und der Straße filmt. Vielleicht können wir darauf zugreifen.“

„Wie soll das denn gehen?“, fragte Friedrich. Gustav übernahm es, zu antworten: „Viele Kameras werden von Sicherheitsdiensten gewartet. Die übernehmen dann auch die Überwachung des Objekts. Um den Preis zu senken, sitzen sie aber nicht im Haus, sondern übertragen die Videos in Echtzeit übers Internet zu ihrer Firma.“ Er schüttelte den Kopf: „Es ist total einfach, das Signal abzufangen.“ Er fixierte seine Enkelin: „Aber das wird unter Umständen sehr viel Material. Ich habe eigentlich keinen Bock, mich da durchzuwühlen.“

„Wir könnten uns das doch teilen.“

Gustav warf seinem alten Freund einen kurzen Blick zu.

„Das habe ich gesehen“, sagte der leicht gekränkt.

„Du weißt genau, dass das nicht böse gemeint ist“, sagte Gustav vorsichtig. „Aber du bist einfach...echt scheiße, wenn es um Technik geht.“

„Mhmmm.“

„Ich könnte helfen“, sagte Friedrich. „Ich habe Zeit. In die Firma lassen die mich im Moment sowieso nicht, da kann ich mich auch nützlich machen.“

Gustav wirkte nicht überzeugt: „Du gehst sehr leichtfertig mit dem Wort ‚nützlich‘ um.“

„Wir können das zusammen machen“, bot Yu an. Friedrich nickte. Dann wandte er sich an seinen Großvater: „Das wäre dann ja geklärt. Jetzt das andere Thema: Was ist mit dem Notizbuch, das wir im Atelier gefunden haben?“

Bernds Mine verfinsterte sich: „Da kann ich nichts zu sagen.“

„Was soll das heißen?“

„Das heißt, dass ich im Moment nicht in der Lage bin, Ihnen genau zu erklären, was dieses Buch genau ist.“

„Aber du hast eine Idee?“

„Natürlich.“

„Und was ist das für eine Idee?“

„Sage ich Ihnen nicht!“

„Warum nicht?“

Bernd schüttelte energisch den Kopf: „Ich habe eine Idee, aber ich möchte in Ruhe überprüfen, ob ich Recht habe oder ob ich mich irre.“

Friedrich spürte, wie er langsam wütend wurde: „Warum stellst du dich so an?“

„Ich stelle mich nicht an. Ich möchte nur sicher sein. Und jetzt lasst uns gehen! Ich habe das Gefühl, ich stinke bald selber wie eine alte Fritte.“ Mit diesen Worten erhob sich Bernd, nahm seine Jacke und steuerte in Richtung Ausgang.

„Hat er das Buch mitgenommen?“, fragte Yu. Friedrich nickte.

„Wir können uns das nochmal in Ruhe auf Band ansehen“, schlug Yu vor.

„Wie das denn?“, fragte Friedrich erstaunt.

„Ihr hattet doch Kameras auf: Alles was ihr gesehen habt, haben wir auch gesehen - und aufgenommen.“

Ein ereignisreicher Morgen für Friedrich

Friedrich betrat das Hauptgebäude der Universität zu Köln. Mitten im Semester herrschte Hochbetrieb. Er musste grinsen, während er die verschiedenen Studentengruppen beobachtete: Die einen standen locker beieinander und lachten - offensichtlich hatten sie keinen Stress. Dann gab es dort aber auch noch andere, die abgehetzt durch die Gegend liefen und Taschen voller Bücher mit sich herumschleppten: Die armen Schweine hatten wohl bald Prüfung und nicht mehr so viel vom lockeren Leben an der Uni.

Friedrich war ziemlich erstaunt gewesen, als er gehört hatte, was Yu in ihrem normalen Leben machte: Sie promovierte am Lehrstuhl für Kriminologie. Friedrich fand es sehr unterhaltsam, dass sie sich mit Verbrechen und Kriminalität wissenschaftlich beschäftigte, gleichzeitig aber nachts mit ihrem hackenden Opa in einem Van saß und einem anderen Rentner dabei half, in ein Atelier einzubrechen, weil der und sein Enkel von der Polizei verdächtigt wurden, ein Bild gestohlen zu habe... Ob das ihr Doktorvater wusste?

Er klopfte an ihre Tür.

„Herein“, sagte eine fröhliche Stimme. Friedrich öffnete die Tür und schaute in ein kleines Büro, in dem zwei Schreibtische standen. Beide waren mit Büchern übersät. Die einzigen freien Flächen befanden sich jeweils vor den Tastaturen, die Historiker gerne zum Thema „Geschichte der EDV“ untersucht hätten.

„Schön, dass du hierhin gekommen bist. Ich stecke bis oben voller Arbeit“, sagte Yu und gab ihm freundlich die Hand. Friedrich lächelte: Er hasste es, wenn Leute sich dauernd zur Begrüßung umarmten, obwohl sie sich überhaupt nicht näher kannten. Er musterte Yu: Sie war sportlich und hatte definitiv das, was man eine ‚tolle Figur‘ nennen würde.

„Kein Problem. Ich habe Zeit“, sagte er und öffnete seine Jacke.

„Ich habe nur zwei Stunden Zeit. Dann muss ich ein Seminar über den Täter-Opfer-Ausgleich geben.“ Sie lächelte entschuldigend. Friedrich machte eine wegwerfende Handbewegung: „Schon gut. Es ist ja nicht selbstverständlich, dass du dir überhaupt Zeit nimmst.“

Yu versuchte, notdürftig etwas Ordnung auf ihrem Schreibtisch herzustellen: „Ich muss mal aufräumen. Aber irgendwie gerät immer alles durcheinander“, sagte sie entschuldigend und stapelte Bücher aufeinander. Dann zog sie einen Stuhl heran und deutet darauf: „Setz dich. Mein Großvater hat die Videos hochgeladen. Wir können online darauf zugreifen.“

Friedrich setzte sich: „Dein Opa ist auch etwas... speziell, oder?“

„Wie meinst du das?“

„Naja... Ich meine... Das ist ja schon... ungewöhnlich, oder?“

„Dass er mit Computern umgehen kann?“

„Nein, ich meine...“ Friedrich suchte nach den passenden Worten. Er wollte sie und ihren Opa nicht beleidigen. Während er fieberhaft überlegte, begann Yu breit zu grinsen: „Ich weiß, was du meinst. Mein Opa ist ein verdammter Hacker und dabei ein absolutes Genie. Dabei hat er das Benehmen eines dreisten Arschlochs, dem alles egal ist.“ Sie lächelte sanft: „Er ist super. Er ist meine ganze Familie.“

„Was ist mit deinen Eltern?“

Das Lächeln erstarb: „Lass uns anfangen“, sagte Yu und wandte sich dem Computer zu.

„Entschuldigung, ich wollte dir nicht zu nahe treten. Ich...“

„Schon gut! Also, hier ist das erste Video.“

Sie zeigte auf den Bildschirm.

Ein ereignisreicher Morgen für Bernd

Bernd saß am Aachener Weiher auf einer Bank und las in einer Zeitschrift. Es war ein schöner Morgen, die Sonne schien, auch wenn es frisch war.

Ein Obdachloser näherte sich seiner Bank. Er sah abgeranzt aus und hielt eine Flasche Kölsch in der Hand. Er setzte sich neben Bernd und nahm einen Schluck Bier.

„Sie trinken im Dienst?“, fragte Bernd, ohne von seiner Lektüre aufzusehen.

„Das ist der einzige Vorteil, den dieser Aufzug mit sich bringt.“

Bernd rümpfte die Nase: „Sie haben Ihre Verkleidung auf jeden Fall sehr genau ausgesucht. Sogar meine Nase ist davon überzeugt, dass Sie die letzten Wochen ohne eine Dusche unter freiem Himmel geschlafen haben.“

„Wir haben extra Shampoo und Deo für diese Zwecke. Sie machen zwar sauber, lassen uns aber ganz und gar nicht so riechen.“ Er nahm einen erneuten Schluck: „Wir haben die Botschaft überbracht.“

„Danke.“

„Keine Ursache. Die ganze Ermittlung ist ein Witz. Dorfler hat nichts. Außer ein sehr ausgeprägtes Feindbild. Er bekommt auch mächtig Druck von oben, aber das wird sich bald ändern.“

„Wie meinen Sie das?“

„Unsere Bosse haben seinen Bossen gesagt, dass sie etwas ruhiger machen sollen. Der Fall wird in seiner Priorität systematisch nach unten gefahren.“

„Und die Presse?“

„Gleiches Prinzip, andere Bosse.“

Bernd war immer wieder fasziniert davon, was für eine Macht ein Geheimdienst hatte, wenn er ein bestimmtes Ziel verfolgte: „Danke. Nicht für mich: Wenn man mir was anhängen würde, wäre mir das egal. Ich hatte ein sehr schönes Leben. Aber mein Enkel... Der Junge ist schwer in Ordnung.“

„Sie kennen ihn doch kaum.“

„Er gehört zur Familie.“

„Das ist ein Argument.“ Der Obdachlose stand auf: „So, ich muss weiter. Aber für diese Sache hier schulden Sie uns was.“

 

„Ich denke, ich habe so viel für Sie getan, dass SIE MIR noch ein paar Gefallen schuldig sind.“ Der Obdachlose grinste und ging weg.

Bernd starrte in seine Zeitschrift, las aber keinen Buchstaben: Er hatte Ruhe in die Sache gebracht. Aber er musste trotzdem wissen, wer hinter dem ganzen Mist steckte.

***

Bernd betrat den Laden, in den er seit über zwanzig Jahren keinen Fuß mehr gesetzt hatte. Ein leises Klingeln informierte den Besitzer über die Ankunft des neuen Kunden.

Bernd schnupperte: Das Antiquariat roch so wie früher: Nach Geschichten und Geschichten.

„Guten Tag“, sagte ein Mann und lächelte Bernd an. Er war Mitte fünfzig, hatte angegrautes, dünnes Haar und war glatt rasiert.

„Hallo“, sagte Bernd leicht irritiert.

„Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Ich suche jemanden. Ian Glend. Ihm gehört das Geschäft doch noch, oder?“

Der junge Mann sah mit einem Mal traurig aus: „Das ist mein Vater. Er ist leider vor zwei Jahren verstorben.“

„Oh. Das tut mir leid. Entschuldigung, ich hatte gar nicht mitbekommen, dass Ian gestorben ist.“

„Lungenkrebs.“ Der Mann lächelte gequält: „Ich habe ihm immer gesagt, er soll nicht so viel oder am besten gar nicht rauchen.“

„Er hat wirklich dauernd gequalmt.“

Glend sah Bernd nun genauer an: „Kann ich Ihnen vielleicht helfen? Ich habe mit meinem Vater sehr eng zusammengearbeitet.“ Er machte eine kurze Pause, dann fuhr er fort: „Ich habe Ihren Namen eben nicht verstanden.“

Bernd überlegte kurz, dann antwortete er: „Mein Name ist Bernd Kammers. Ich hatte geschäftlich mit Ihrem Vater zu tun.“

Glends Blick wechselte von interessiert zu...wachsam: „Kammers?“, fragte er. Bernd nickte.

„Mein Vater hat mir von Ihren... Geschäften erzählt. Ich war etwas irritiert, dass Sie nicht bei seiner Beerdigung waren. Ich hatte den Eindruck, dass mein Vater und Sie eine tiefe Freundschaft verbunden hat.“

„Das kann man so sagen, ja“, sagte Bernd. Er spürte, wie seine Augen glasig wurden. Er hatte die Beerdigung von Ian verpasst. Und warum? Wegen der Geschäfte!

„Kommen Sie mit nach hinten. Ich mache uns einen Kaffee“, sagte Glend und legte ihm die Hand auf die Schulter. Bernd nickte und folgte dem Sohn seines alten Freundes in einen Hinterraum.

Der Hinterraum war ein kleines Büro mit einem Sofa, einem Sessel und einem Beistelltisch.

„Setzen Sie sich, bitte“, sagte Glend und schaltete einen Wasserkocher ein, der in einer Ecke stand. Dann holte er zwei Becher aus einem Regl und schaufelte Instant-Kaffee hinein. Nachdem das Wasser aufgekocht war, goss er es in die Becher und rührte den Inhalt um.

Bernd saß auf dem Sofa und nahm den Becher dankbar entgegen - auch wenn er jetzt schon wusste, dass er die Plörre niemals komplett trinken würde.

„Sie und mein Vater haben Geschäfte miteinander gemacht. Er hat auch gesagt, dass sie einander wegen dieser Geschäfte zuletzt meiden mussten. Ich frage mich, was sich geändert hat, dass Sie doch hier auftauchen und meinen Vater sprechen wollen. Wenn es noch gehen würde.“ Glend hatte im Sessel Platz genommen und schlürfte das Getränk, das sich die größte Mühe gab, wie Kaffee zu erscheinen.

„Die Sache ist etwas kompliziert. Sehen Sie, es sind ein paar Ereignisse eingetreten, die ich gerne mit Ihrem Vater besprochen hätte. Und ich hätte gerne seine Meinung zu einer bestimmten Sache gehört.“

Glend grinste: „Zu welcher Sache?“

„Ich denke, es ist besser, wenn Sie nichts davon wissen.“

Glend stellte den Becher ab: „Herr Kammers. Wie soll ich es formulieren? Sie wissen, was mein Vater für Geschäfte gemacht hat. Sie waren immerhin Partner. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich eng mit ihm zusammengearbeitet habe. Sie können also davon ausgehen, dass wir Klartext reden können. Außerdem: Das Haus hier hat mein Vater früher gemietet, wie Sie sicher wissen.“

„Ja.“

„Vielleicht beruhigt Sie die Information, dass ich es im vergangenen Jahr gekauft habe. Sie können ja überschlagen, wie viel Geld man mit einem Geschäft dieser Art machen kann und sich dann überlegen, wie ich das Geld beschafft habe - nach dem Tod meines Vaters wohlgemerkt. Er hat es leider nicht mehr erlebt.“

Bernd dachte nach: Der Junge schien das Gleiche zu machen wie sein Vater und Bernd früher. Wenn das mit dem Haus stimmte, musste er ziemlich erfolgreich sein. Bernd beschloss, es drauf ankommen zu lassen: „Also gut“, sagte er und zog das Notizbuch aus der Jackentasche, welches er bei Grenadier eingesteckt hatte. „Es geht um dieses Buch. Schauen Sie hinein und sagen Sie mir, was Sie davon halten.“ Er reichte Glend das Buch. Der nahm es entgegen, lehnte sich zurück und schlug es auf. Seine Stirn zog sich konzentriert zusammen. Man konnte förmlich hören, wie sein Verstand arbeitete. Bernd musterte ihn dabei: Er sah genauso aus wie Ian früher, wenn er sich in eine komplizierte Aufgabe vertiefte.

Glend ging das Buch Seite für Seite durch. Er betrachtete jede einzelne konzentriert, so, als würde er sie auswendig lernen. Bernd erbarmte sich in der Zwischenzeit und trank etwas von dem Kaffee-Verschnitt.

„Also gut“, sagte Glend schließlich und schlug das Buch zu. Er warf einen Blick auf Bernds Kaffeebecher: „Der ist furchtbar, oder?“ Bernd nickte.

„Ich muss etwas den Schein waren. Es ist schon riskant gewesen, das Haus zu kaufen, aber wenn ich auch noch anfange, es mit Luxus vollzustellen, passt die Fassade nicht mehr.“ Er grinste. Dann wurde er wieder ernst: „Das Buch“, sagte er und tippte auf selbiges, „ist etwas Besonderes. Sie wissen natürlich, was es ist.“

Bernd nickte: „Ja. Aber ich habe so etwas seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen.“

„Es ist auch nicht mehr üblich, so zu arbeiten.“

„Das denke ich mir auch. In einer Welt voller Computer... Wer macht das noch so?“

Glend kratzte sich an der Nase: „Entweder jemand, der alt ist oder die alte Schule bevorzugt.“

„Haben Sie eine Idee, wer das sein könnte?“ Bernd nahm einen weiteren Schluck Kaffee, verzog aber unbewusst das Gesicht.

„Ich kann mich umhören. Es gibt viele Leute auf dem Gebiet. Ich interessiere mich logischerweise mehr für das Resultat, weniger für die Vorarbeit.“ Er dachte kurz nach: „Wo haben Sie das her?“

Bernd machte eine wegwerfende Handbewegung: „Das möchte ich für mich behalten.“

„Sie können davon ausgehen, dass ich...“

„Ich weiß, dass Sie diskret sind. Sie sind wie Ihr Vater.“ Bernd lächelte freundlich, wie er zumindest hoffte. „Aber mich interessiert, ob Sie mir vielleicht den Namen des Mannes nennen, von dem ich das Buch habe. Ich möchte Sie nicht dadurch beeinflussen, dass ich Ihnen eine Richtung vorgebe.“

„Verstehe“, sagte Glend besänftigt. Er dachte nach. „Geben Sie mir zwei Tage. Ist das für Sie in Ordnung?“

„Sehr gut“, sagte Bernd und stand auf. „Aber wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich Sie dann gerne in einem richtigen Café auf einen Kaffee einladen. Die Fassade stimmt dann ja noch, wenn ich bezahle.“

Glend lachte leise: „Sehr gut. Ich nehme Ihre Einladung gerne an. Haben Sie eine Handynummer?“

Bernd schüttelte den Kopf: „Ich hasse diese Dinger.“

„Mhmmm. Dann rufen Sie mich doch einfach in zwei Tagen an und wir machen etwas aus.“

„Sehr gut.“

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