Die ersten 100 Jahre des Christentums 30-130 n. Chr.

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Gründe für die Verfolgung

Was veranlasste Paulus zu seiner Verfolgertätigkeit? Wahrscheinlich erschien dem für die Tora eifernden Pharisäer die Verkündigung der Christusgläubigen, ein Gekreuzigter sei der verheißene Messias Israels, als Skandalon108. Die Bedeutung des Kreuzes Jesu Christi innerhalb der paulinischen Theologie (vgl. z.B. 1Kor 1,17.18.23; 2,2.8; Gal 3,1; 5,11.14; 6,14; Röm 6,6; Phil 2,8; 3,18) lässt vermuten, dass Paulus den einstigen Anstoß zu einem Zentrum seiner Verkündigung machte. Nach Dtn 21,23 steht der ‚am Holz Aufgehängte‘ unter dem Fluch Gottes. In 11QTa 64,15–20 wird dieser Fluch auch auf die durch eine Kreuzigung Hingerichteten übertragen109. Die Proklamation des gekreuzigten vermeintlichen Gotteslästerers Jesus von Nazareth zum Messias Israels durch die Christusgläubigen war für Paulus unerträglich, stellte sie doch die Fundamente seines bisherigen Glaubens infrage. Gal 3,13 bestätigt diese Interpretation, denn hier verarbeitet der Christ Paulus Dtn 21,23LXX und gelangt zu der Einsicht: Christus hat den Fluch des Gesetzes/der Tora auf sich genommen und uns somit von diesem Fluch losgekauft. Nicht Gott verfluchte Christus, als Unschuldiger nahm Christus den Fluch des Gesetzes/der Tora für uns auf sich110. Die Vorstellung eines gekreuzigten Messias musste Paulus nicht nur absurd vorkommen, sondern stellte in seinen Augen auch eine Lästerung der Heiligkeit Gottes und damit eine Infragestellung des jüdischen Glaubens dar. Vor allem deshalb verneinte er die Existenzberechtigung der Jesus-Christus-Anhänger innerhalb des Synagogenverbandes. Hinzu kam wahrscheinlich eine organisatorische Eigendynamik, d.h. die Christusgläubigen wurden immer mehr zu einer identifizierbaren Gruppe, die durch ihre Rituale (Taufe, Abendmahl) und einen anhaltenden Zulauf die Grenzen des Judentums aus Sicht der Synagoge überschritt111.

Die frühe Feindschaft der Sadduzäer und die Verfolgertätigkeit des Pharisäers Paulus zeigen, dass die von der Jerusalemer Gemeinde gelebte offene Variante des Judentums von Anfang an kritisch gesehen und bekämpft wurde. Das spätere Heraustreten der Christusgläubigen/der Christen aus dem Judentum war keineswegs ein einseitiger Prozess, sondern wurde immer auch von jüdischer Seite betrieben!

5.5 Theologische Institutionen und Diskurse

Zu den ersten grundlegenden Institutionalisierungen der Christusgläubigen in Jerusalem (und Galiläa) gehörten Taufe und Herrenmahl. Weil Rituale Verdichtungen religiöser Weltansichten sind112, wurden Taufe und Herrenmahl zu Katalysatoren einer neuen Identität: Im Ritual vollzieht sich die theologische und soziale Konstruktion des neuen Menschen ‚in Christus‘113.

Taufe

GERHARD DELLING, Die Taufe im Neuen Testament, Berlin 1963. – NIKLAUS GÄUMANN, Taufe und Ethik, BEvTh 47, München 1967. – UDO SCHNELLE, Gerechtigkeit und Christusgegenwart. Vorpaulinische und paulinische Tauftheologie, GTA 24, Göttingen 21986. − GERHARD BARTH, Die Taufe in frühchristlicher Zeit, BThSt, 4, Neukirchen 1991. – LARS HARTMAN, Auf den Namen des Herrn Jesus. Die Taufe in den neutestamentlichen Schriften, SBS 148, Stuttgart 1992. – UDO SCHNELLE, Art. Taufe im NT, TRE 32, Berlin 2001, 663–674. – DAVID HELLHOLM/TOR VEGGE/CHRISTER HELLHOLM (Hg.), Ablution, Initiation and Baptism I–III, BZNW 176, Berlin 2011.

Die Taufe Jesu am Jordan durch Johannes den Täufer (vgl. Mk 1,9–11par) dürfte erklären, warum von Anfang an in den frühchristlichen Gemeinden die Taufe als normativer Initiationsritus galt. Die rituellen Waschungen in Qumran (vgl. 1QS 2,25–3,12; 1QS 6,16f; 5,13), die Proselytentaufe (vgl. SifBam 108; bKer 9a) und die Waschungen in einzelnen Mysterienkulten (vgl. Apuleius, Metamorphosen XI 23) weisen einige Analogien auf, können aber nicht als geschichtliche Voraussetzung und Quelle für die frühchristliche Taufe angesehen werden.

Nach Ostern setzte sich offenbar die Anschauung durch, dass die Ankündigungen des Täufers mit dem Geschehen um Jesus von Nazareth in unerwarteter Weise in Erfüllung gegangen sind. In dieser Kontinuität des eschatologischen Neuen ist der tiefste Grund für die Übernahme der Taufpraxis des Täufers in den frühen christlichen Gemeinden zu sehen. Die Kontinuität zur Johannestaufe zeigt sich in den charakteristischen Merkmalen frühchristlicher Taufpraxis: 1) Die frühchristliche Taufe ist keine Selbsttaufe, sondern wurde von einem Täufer vollzogen (vgl. 1 Kor 1,14.16; Apg 8,38; 10,48). 2) Wie die Johannestaufe war auch die Taufe der Christen ein einmaliger Akt und unterschied sich dadurch von rituellen Waschungen im antiken Judentum und im Hellenismus. 3) Wahrscheinlich wurde die frühchristliche Taufe wie die Johannestaufe durch Untertauchen im fließenden Wasser vollzogen (vgl. Apg 8,38; Did 7,1fl). 4) Die Taufe war wie die Johannestaufe eine Vergebung der Sünden (vgl. 1Kor 6,11; Apg 2,38) und hatte somit eine eschatologische und soteriologische Dimension.

Taufe ‚auf den Namen‘

Zugleich hob sich die Taufpraxis der Christusgläubigen in dreifacher Weise von der Johannestaufe ab: a) Sie versteht das Christusgeschehen als das eschatologische Heilsereignis, welches in der Taufe „auf den Namen des Herrn Jesus/im Namen Jesu Christi“ gegenwärtig ist. Mehrere alte formelhafte Wendungen belegen eine Taufpraxis, die dem ‚Namen Jesu‘ eine zentrale Bedeutung beimaß: („auf den Namen des Herrn Jesus“ = Apg 8,16; 19,5; vgl. 1Kor 1,13.15; Gal 3,27; Röm 6,3; Mt 28,19); („im Namen Jesu Christi“ = Apg 10,48; vgl. 1Kor 6,11); („auf den Namen Jesu Christi“ = Apg 2,38). Eine exakte sprachliche Ableitung dieser formelhaften Wendungen gelingt weder aus dem paganen Hellenismus noch aus der LXX114. Vielmehr weisen ihre Variabilität und inhaltliche Breite darauf hin, dass sie als spezifisch frühchristliche Bildungen zu gelten haben, die in der Auferstehung Jesu Christi von den Toten ihre sachliche Begründung und im jeweiligen literarischen Kontext ihren Sinn finden. Als tragender Gedanke dürfte hinter allen Wendungen eine grundlegende Erfahrung liegen: Durch die Taufe auf den Namen Jesu wurde der Täufling dem Messias Jesus übereignet, in die messianische Heilsgemeinde aufgenommen und sakramental versiegelt im Blick auf das kommende Weltgericht. Im Aussprechen des Namens des („Herrn Jesus Christus“) ist in der Taufe sein Heilswerk gegenwärtig und bestimmt von nun an das Leben des Getauften. b) Die frühchristliche Taufe ist mit der Gabe des Geistes verbunden. Die Erfahrung der Gegenwart des Geistes im Taufgeschehen markiert nicht nur eine Abgrenzung zur Johannestaufe, sondern das Zentrum christlicher Tauftheologie (vgl. Mk 1,8; Apg 1,5; 8,14–25; 9,17.18; 11,16; 1Kor 6,11; 12,13; 2Kor 1,21f; Gal 5,24.25; Röm 5,5; Joh 3,5). Der Geist trennt von der Macht der Sünde, gewährt Gerechtigkeit (vgl. 1Kor 1,30; 6,11; Röm 3,25) und bestimmt das neue Leben als wirkmächtige Kraft Gottes (vgl. Röm 8,1–11). c) In der Taufe vollzieht sich die Aufnahme in die eschatologische Heilsgemeinde. Die Getauften leben von nun an in der Einheit des Leibes Christi (1Kor 12,13) und haben bereits Anteil an den Kräften der kommenden Welt (vgl. 2Kor 1,22; 5,5; Röm 8,23).

Die Unterscheidung einer (Johannes-) Taufe mit Wasser und einer Geisttaufe (vgl. Apg 1,5; 11,16; 18,25; 19,3–6) dient Lukas zum Aufweis der heilsgeschichtlichen Überlegenheit der christlichen Taufe. Ihm kommt es darauf an, im Rahmen der Missionserfolge der jungen Kirche den festen Zusammenhang zwischen der Taufe ‚auf den Namen Jesu‘, Geistempfang, Sündenvergebung (Apg 2,38; 22,16) und Einheit der apostolischen Kirche darzustellen. Es ist für ihn selbstverständlich, dass die zum Glauben Gekommenen sich sofort taufen lassen (vgl. Apg 2,41; 8,12.13.26–40; 9,18; 10,47f; 16,33; 18,8; 22,16). Offenbar wurde schon früh innerhalb der Tauffeier der Geistempfang dem Akt der Handauflegung zugeordnet. Dies bot Lukas die Möglichkeit, die vorangegangene Taufe durch die Handauflegung der Apostel richtig zu vollziehen und die bleibende Verbundenheit mit Jerusalem herauszustellen. Für Lukas gehören Handauflegung, Geistverleihung und Taufe eng zusammen, auch wenn die Handauflegung der Taufe vorangehen (Act 9,17–19; 10,44–48) oder folgen kann (Act 8,4–25; 19,1–7) 115.

Die frühchristliche Taufe war sowohl religionsgeschichtlich (einmaliges Untertauchen in fließendem Wasser) als auch theologisch (Sündenvergebung, Partizipation am Heilsgeschehen) ein neues Ritual. Sie konnte vor oder während der normalen Gottesdienste vollzogen werden. Der Taufe kam für die Identitätsbildung der neuen Bewegung zweifellos eine zentrale Stellung zu, denn nun trat neben die Beschneidung ein zweites Initiationsritual, an dem auch Frauen (und Kinder?)116 teilhatten und mit dem sich grundlegende theologische Aussagen verbanden. Als Statustransformationsritual bewirkt die Taufe nicht nur eine neue Wahrnehmung der Wirklichkeit, sondern der Getaufte und die Wirklichkeit selbst sind verändert117.

Herrenmahl

HANS LIETZMANN, Messe und Herrenmahl. AKG 8, Berlin 1926. – JOACHIM JEREMIAS, Die Abendmahlsworte Jesu, Göttingen 41967. – HERMANN PATSCH, Abendmahl und historischer Jesus, München 1972. − HELMUT MERKLEIN, Erwägungen zur Überlieferungsgeschichte der neutestamentlichen Abendmahlstraditionen, in: ders., Studien zu Jesus und Paulus, WUNT 43, Tübingen 1987, 157–180. – BERND KOLLMANN, Urspung und Gestalten der frühchristlichen Mahlfeier, GTA 43, Göttingen 1990. – JENS SCHRÖTER, Das Abendmahl, SBS 210, Stuttgart 2006.

 

Wie bei der Taufe war auch beim Herrenmahl/Abendmahl118 ein Impuls aus dem Leben Jesu von entscheidender Bedeutung für die Herausbildung des Sakramentes. Historisch sehr wahrscheinlich ist ein letztes Mahl Jesu mit seinen Jüngern in Jerusalem unmittelbar vor seiner Verhaftung (vgl. 1Kor 11,23c). Dieses Mahl erhielt seinen besonderen Charakter durch das Bewusstsein Jesu, dass er sterben wird. Jesus verband seinen bevorstehenden Tod offenbar mit der Erwartung, das Reich Gottes werde nun umfassend anbrechen (Mk 14,25: „Amen, ich sage euch: ich werde sicherlich von dem Gewächs des Weinstocks nicht mehr trinken bis zu jenem Tage, wo ich es von neuem trinken werde im Gottesreich“)119. Dieses Sterben konnte von Jesus nicht losgelöst gedacht werden von seiner einzigartigen Gottesbeziehung und seiner ausgeprägten Gottesgewissheit, die sich vor allem in seiner Reich-Gottes-Verkündigung und seinen Wundern zeigten. Jesu Hoheitsbewusstsein forderte geradezu eine Deutung des bevorstehenden Geschehens! Diese Deutung konnte nicht in einfacher Kontinuität zu den Mahlfeiern des Irdischen stehen, denn mit dem bevorstehenden Tod stellte sich für Jesus umfassend die Frage nach dem Sinn seiner Sendung. Seiner Person kam dabei eine zentrale Bedeutung zu, da bereits die Gegenwart des Reiches Gottes und die Wunder ursächlich von ihr abhingen (vgl. Lk 11,20). Entsprechend forderte das bevorstehende Geschehen eine Deutung im Hinblick auf die Person Jesu, die nur er selbst geben konnte120. Wahrscheinlich verstand Jesus seinen Tod in Aufnahme von Jes 53 als Selbsthingabe für die ‚Vielen‘ (vgl. Mk 10,45b)121; der Tod steht damit in Kontinuität zum Leben des irdischen Jesus, der ‚für andere‘ eintrat und lebte. Diese Selbsthingabe formuliert Jesus im Verlauf des letzten Mahles gleichnishaft mit Deuteworten („dies ist mein Leib“) und („dies ist mein Blut … für die Vielen“).

Deuteworte

Diese Deuteworte orientieren sich nicht an dem, was eigentlich im Passamahl im Vordergrund stand, und sie gewinnen durch die Gesten eine weitere Dimension: Das gemeinsame Trinken aus dem einen Becher könnte darauf hinweisen, dass Jesus angesichts seines Todes die von ihm gestiftete Gemeinschaft über seinen Tod hinaus fortgesetzt wissen wollte. Jesus feierte somit das letzte Mahl in dem Bewusstsein, mit seinem Tod werde Gottes Reich und damit auch das Gericht hereinbrechen. Er gibt sein Leben, damit die ‚Vielen‘ in diesem Endgeschehen Rettung erlangen werden. Die Erwartung des mit seinem Sterben sich umfassend enthüllenden Reiches Gottes erfüllte sich für Jesus nicht (vgl. Mk 15,34). Gott handelte an ihm durch die Auferweckung von den Toten in unerwarteter Weise, zugleich aber auch in Kontinuität: Jesu Tod ist und bleibt rettendes Geschehen für die ‚Vielen‘.

Lobpreis, Erinnerung und Anrufung

Nachösterlich wurde das letzte Mahl zum Dank- und Lobpreis (1Kor 11,11–24/Mk 14,22.23) sowie zum Erfüllungs- und Erinnerungszeichen (1Kor 11,24.25/Lk 22,19: „zu meinem Gedächtnis“) des stellvertretend Leidenden (Mk 14,24: „vergossen für die Vielen“/Lk 22,20: „vergossen für euch“). In der Kraft des Heiligen Geistes ist der Auferstandene selbst das lebendige und gegenwartsmächtige Subjekt seines Gedächtnisses; er ist der Stifter eines neuen Bundes (1Kor 11,25/Lk 22,20), dessen heilvolle Wirkung („mein Leib/mein Blut“) die glaubende Gemeinde empfangen darf. Schließlich erweist sich der (1Kor 11,23: „Jesus, der Herr“) als kommender Herr von Menschheit und Welt (1Kor 11,26: „verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“; vgl. Mk 14,25). Diese Grundgedanken prägen trotz unterschiedlicher Ausformungen alle Abendmahlsüberlieferungen. Über die konkreten Formen der Herrenmahlsfeiern in der Jerusalemer Gemeinde gibt die Erwähnung des ‚Brotbrechens‘ in Apg 2,42.46 keine direkte Auskunft. Lukas lässt aber erkennen, was er für Jerusalem voraussetzt: Gemeinsame Gottesdienstfeiern in Hausgemeinden mit liturgischen Elementen wie ‚Brotbrechen‘ und Gebet (V. 42.46), verbunden mit Mahlzeiten (V. 46b) und einer eschatologischen Perspektive (V. 46b: „mit Jubel“).

Überindividuelle Kräfte

Einen genaueren Einblick in die frühchristliche Herrenmahlspraxis gewährt die alte vorpaulinische Tradition 1Kor 11,23–26: „Ich habe nämlich von dem Herrn empfangen, was ich euch überliefert habe: Der Herr Jesus nahm in der Nacht, in der er verraten wurde, Brot, sagte Dank, brachs und sprach: Das ist mein Leib, der für euch (gegeben wurde). Tut dies zu meinem Gedächtnis! In gleicher Weise nahm er nach dem Mahl auch den Kelch, indem er sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; tut dies, sooft ihr immer trinkt, zu meinem Gedächtnis. Denn sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“ In Korinth wurde die sakramentale Handlung mit einer gemeinsamen Mahlzeit verbunden, wobei ursprünglich die Brot- und Kelchhandlung die Mahlzeit umrahmte ( („nach dem Mahl/Essen“) in 1Kor 11,25; vgl. auch Lk 22,20). Brotgestus und Brotwort leiteten das Gemeinschaftsmahl ein, Bechergestus und Becherwort schlossen es ab; zwischen beiden Handlungen fand das Gemeinschaftsmahl als Sättigungsmahl statt. Diese anfängliche Praxis war inzwischen Mahlzeiten schon vor der eigentlichen sakramentalen Handlung gewichen. Hierbei traten die Unterschiede zwischen armen und reichen Gemeindegliedern in Korinth offen zutage, die einen schlemmten, die anderen hungerten (vgl. V. 21f.33f). Wie bei paganen Opfermahlen bildeten sich Tischgemeinschaften unter den Wohlhabenden, von denen die Armen ausgeschlossen waren. Diese Entwicklung wird von Paulus scharf kritisiert (1Kor 11,17–22); er plädiert für eine Trennung von Mahlzeiten und Herrenmahlsfeier (1Kor 11,22: „Habt ihr nicht Häuser, wo ihr essen und trinken könnt“?). Bemerkenswert für die Realistik des paulinischen Sakramentsverständnisses und den Gedanken der Reinheit der Gemeinde ist 1Kor 11,30: Weil in Korinth das Abendmahl unwürdig genossen wurde, gibt es so viele Schwache und Kranke in der Gemeinde und sind sogar manche gestorben. Hier wird ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Genuss des Sakramentes und dem Schicksal von Menschen hergestellt. Zweifellos liegt dieser Aussage die Vorstellung zugrunde, bei einem unwürdigen Genuss bewirke das Sakrament selbst die tödlichen Folgen122. Wie bei der Vikariatstaufe 1Kor 15,29 wohnt auch dem Herrenmahl eine Kraft inne, die unabhängig vom Menschen wirkt, sei es zum Guten oder zum Bösen.

Die Bedeutung von Taufe und Herrenmahl für die Bewegung der Christusgläubigen sind auf theologischer, institutioneller und identitätstheoretischer Ebene kaum zu überschätzen. Theologisch zeugen beide Sakramente vom Anbruch der Endzeit; in ihnen wird der erhöhte Jesus Christus als anwesend gedacht, wodurch sie zur Antizipation des Zukünftigen werden. Institutionell tragen Taufe und Herrenmahl entscheidend zur Ausbildung einer eigenen Identität bei. Zwar dürfte die Jerusalemer Gemeinde ihre Tauf- und Herrenmahlspraxis im Kontext des Judentums verstanden haben; zugleich unterscheiden sich aber beide Sakramente durch ihre Christuszentriertheit und ihren soteriologischen Anspruch erheblich von jüdischen Reinigungs- und Mahlpraktiken. Zudem wurden Taufe und Herrenmahl schon sehr früh außerhalb Palästinas und losgelöst von jüdischen Kontexten in den Gemeinden Syriens, Kleinasiens und Griechenlands gefeiert, d.h. sie waren auf identitätstheoretischer Ebene die Katalysatoren eines trans-ethnischen Bewusstseins und förderten so entscheidend den Prozess einer eigenständigen Bewegung der Christusgläubigen.

Neue Sozialformen?

LUKE TIMOTHY JOHNSON, The Literary Function of Possessions in Luke-Acts, SBLDS 39, Missoula 1977. – HANS-JOSEF KLAUCK, Gütergemeinschaft in der klassischen Antike, in Qumran und im Neuen Testament, in: ders., Gemeinde – Amt – Sakrament, Würzburg 1989, 69–100. – GERD THEISSEN, Urchristlicher Liebeskommunismus, in: Texts and Contexts (FS L. Hartman), hg. v. Tornd Fornberg/David Hellholm, Oslo 1995, 689–712. – FRIEDRICH WILHELM HORN, Die Gütergemeinschaft der Urgemeinde, EvTh 58 (1998), 370–383.

Lukas schildert die Anfangszeit der Jerusalemer Gemeinde als Epoche der Einheit: Einheit im Gebet und in der Lehre (vgl. Apg 2,42), in der Eucharistie und im Handeln. Auch die Darstellungen der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb der Gemeinde stehen unter dem Motiv der Einheit, was vor allem durch die Summarien Apg 2,42–46; 4,32–35 nachdrücklich unterstrichen wird. Die Christusgläubigen in Jerusalem bildeten eine freiwillige Liebesgemeinschaft, indem sie auf den Besitz zugunsten Notleidender verzichteten (Apg 2,45; 4,34) und das Privateigentum gemeinschaftlich nutzten (Apg 4,32: „Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele, und keiner nannte etwas von dem, was er besaß, sein eigen, sondern sie hatten alles gemeinsam“). In Apg 2,45 heißt es über die Rolle der Apostel beim Verkauf und der Verteilung der Güter: „Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie unter alle aus, je nachdem wie es einer nötig hatte.“ Weitere Differenzierungen erfolgen im zweiten Summarium; wie zuvor in Apg 2,44 wird das antike Freundschaftsmotiv des („alles gemeinsam haben“) aufgenommen (vgl. Apg 4,32), aber erst jetzt wird erwähnt, dass Mitglieder der Jerusalemer Gemeinde Äcker und Häuser besaßen (vgl. Apg 4,34). Der Erlös der verkauften Güter wurde zu den Füßen der Apostel niedergelegt, die damit die Verfügungsgewalt hatten und den Erlös nach Bedürftigkeit verteilten. Apg 4,36.37 erwähnt den Verkauf eines Ackers durch Barnabas, dessen Erlös er ebenfalls den Aposteln übergab.

Aporien

Die gedanklichen Aporien dieser Form von – vom antiken Freundschaftsideal geprägten – Summarien sind offenkundig123: 1) Wirtschaftlich ist das Verhalten der Jerusalemer Gemeinde unsinnig, denn durch den Verkauf ihres Besitzes verlieren sie ihre wirtschaftliche und soziale Existenzgrundlage. 2) Wenn Lukas betont, dass sich die Gemeinde täglich zum Brotbrechen in den Häusern traf (Apg 2,46), so setzt dies voraus, dass nach wie vor Christusgläubige Hausbesitzer waren. Sie stellten ihre Wohnhäuser zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung (vgl. Apg. 12,12f). 3) Wenn die begüterten Mitglieder der Gemeinde ihren Besitz verkaufen und den Erlös den Aposteln zu Füßen legen, könnte man erwarten, dass alle Mitglieder der Gemeinde aus diesem Kapital gleichmäßig versorgt werden. Wir hören aber, dass der Erlös nach Bedürftigkeit zur Verteilung kam (vgl. Apg 2,45; 4,35). Es gab also auch nach diesen Verkaufs- und Schenkungsaktionen weiterhin Bedürftige, andere waren offenbar nicht auf Unterstützung angewiesen. Zudem bestätigen der Konflikt um die Witwenversorgung (Apg 6,1) und die Kollekte für „die Armen unter den Heiligen“ (Röm 15,26) anhaltende soziale bzw. wirtschaftliche Probleme in der Gemeinde. 4) Nach Apg 4,32 gab es in der Gemeinde nach wie vor Besitzende, die aber die Nutzung ihres Eigentums allen ermöglichten. Sie pochten nicht auf Eigentum, sondern stellten es zur Verfügung, aber nicht so, dass sie es verkauften, sondern sie ließen andere daran partizipieren. 5) Das von Lukas geschilderte Bild der Jerusalemer Gemeinde ist in einem weiteren Punkt widersprüchlich: Die Geschichte von Ananias und Saphira in Apg 5,1–11 setzt voraus, dass nicht alle ‚alles gemeinsam‘ hatten und dies auch nicht erwartet wurde. 6) In den paulinischen Gemeinden wird ganz selbstverständlich Privatbesitz vorausgesetzt; sollte es die Gütergemeinschaft in Jerusalem in der beschriebenen Weise je gegeben haben, so hätte sie keine Nachfolger gefunden.

Aus diesen Beobachtungen lässt sich nun der Schluss ziehen, dass Lukas Einzelfälle von Besitzverkauf zugunsten der Jerusalemer Gemeinde verallgemeinert hat. Darauf weist insbesondere die Erwähnung des Barnabas in Apg 4,36f hin, denn sie wäre nicht sinnvoll, wenn Barnabas nur das getan hätte, was ohnehin alle taten. Wahrscheinlich wurden die Erlöse vereinzelter Haus- oder Grundstücksverkäufe von den Aposteln in der Gemeinde je nach Bedürftigkeit verteilt.

 

Antike Gesellschaftsutopien

Lukas nimmt mit der Gütergemeinschaft einen zentralen Topos antiker Staats- und Gesellschaftsutopien auf124. Er könnte auf Pythagoras zurückgehen, vom dem Iamblichus, De Vita Pythagorica 167f, überliefert: „Ursprung der Gerechtigkeit ist nun Gemeinschaft, gleiches Recht und eine Verbundenheit, in der alle ganz wie ein einziger Leib und eine einzige Seele dasselbe empfinden und mein und dein gleich bezeichnen … Gemeinsam gehörte allen alles ohne Unterschied, privat besaß keiner etwas. Fand einer an der Gemeinschaft Gefallen, so gebrauchte er die gemeinsamen Güter aufs Gerechteste; andernfalls nahm er seine eigene Habe und noch mehr als er zum gemeinsamen Besitz beigesteuert hatte und ging von dannen“ (vgl. ferner Diog L 8,23: „…von Privateigentum halte man gar nichts!“). Bereits für den Idealstaat Platons gilt, dass ‚Freunden alles gemeinsam sein soll‘ (Politeia 424A, 449C) und Privatbesitz zu vermeiden ist (Politeia 416D, 464D, 543B). Aristoteles, Ethica Nicomachia VIII 11 (1159b), sagt über die Freundschaft: „Und soweit Gemeinschaft ist, soweit ist Freundschaft, denn soweit ist auch Recht. Und das Sprichwort: ‚Freundesgut, gemeinsam Gut‘ ist richtig. Denn Freundschaft setzt Gemeinschaft voraus.“ Auch Cicero, De officiis I 51, sieht in der gemeinsamen Nutzung des Besitzes ein Merkmal des idealen Staates: „Und es ist dies die am weitesten ausgreifende Gesellschaft der Menschen untereinander; die aller mit allen. In ihr ist die gemeinschaftliche Verfügung über alle Erzeugnisse, die die Natur zu gemeinschaftlicher Nutznießung durch die Menschen hervorgebracht hat, zu wahren …, wie es in einem Sprichwort der Griechen heißt: Es sei Freunden alles gemeinsam.“ Eine eindrucksvolle Parallele zu dem von Lukas geschilderten Gemeinschaftsleben der Jerusalemer Gemeinde findet sich bei den Essenern125. Die verheirateten Mitglieder der über ganz Israel verstreuten Essenersiedlungen verfügten über privaten Besitz und privates Vermögen (CD IX 14ff.22). Sie besaßen Häuser (CD XI 7–11) und Äcker und beschäftigten Sklaven und Tagelöhner (CD XI 12, XII 10). Wer in die Gemeinde aufgenommen wurde, musste Angaben über seine Vermögensverhältnisse machen, falsche Angaben wurden bestraft (CD XIV 20f). Die Mitglieder leisteten monatliche Zahlungen in eine Gemeinschaftskasse, die von einem Aufseher verwaltet wurde (CD XIV 12–16). Aus dieser Gemeinschaftskasse sollten Bedürftige unterstützt werden: „Davon soll man den Waisen geben, und davon soll man den Elenden und Armen unterstützen; und weiterhin für den Greis, der im Sterben liegt, und für den Mann, der heimatlos ist, und für denjenigen, der in ein fremdes Volk gefangen weggeführt wird, und für die Jungfrau, die keinen Löser hat.“ (CD XIV 14fl). Für Qumran als einem Zentrum der Essener galten radikalere Regeln. Wer dieser Gemeinschaft beitrat, musste seinen Besitz oder sein Vermögen in den Gemeinschaftsbesitz einbringen (IQS VI 19f). Die Verfügungsgewalt darüber lag dann bei den Priestern: „Nur die Söhne Aarons sollen in Bezug auf Rechtssprechung und Besitz herrschen, nach ihrer Weisung soll das Los fallen für jede Anordnung der Männer der Gemeinschaft und (für) den Besitz der Männer und der Heiligkeit, die in Vollkommenheit wandeln. Ihr Besitz soll nicht vereint werden mit dem Besitz der Männer des Trugs, die ihren Wandel nicht geläutert haben, um sich (so) zu scheiden vom Frevel und auf dem Wege der Vollkommenheit zu wandeln“ (1QS IX 7–9).

Eine neue Kultur des Teilens

Lukas nahm einzelne Fälle von freiwilligem Besitzverzicht bzw. einer gemeinsamen Besitznutzung in der Jerusalemer Gemeinde zum Ausgangspunkt seiner Darstellung und verband sie mit dem gemeinantiken Ideal des . So erschuf er Ur-Szenen und gab den Ereignissen eine paradigmatische Aura. Zudem dürften ihn der radikale Lebensstil des irdischen Jesus und seines Jüngerkreises, aber auch des Paulus und seiner engsten Mitarbeiter dazu inspiriert haben. Darüber hinaus sieht er in der Gemeinde die Verwirklichung der in der antiken Philosophie häufig anzutreffenden Sozialutopie des idealen Gemeinwesens. Mit seinem Bild der Gemeinde verdeutlicht Lukas schließlich, dass mit der neuen Gemeinschaft der Christusgläubigen auch eine neue Kultur des Teilens verbunden war, was in Einzelfällen wahrscheinlich auch zutraf. Zugleich schuf Lukas mit dieser sozialen Utopie einen durch die Zeiten hindurch wirkenden Anstoß, der unmissverständlich fordert, wie die Jerusalemer zu geben, zu teilen und alles gemeinsam zu haben126.

Hebräer und Hellenisten

MARTIN HENGEL, Zwischen Jesus und Paulus, ZThK 72 (1975), 151–206. − NIKOLAUS WALTER, Apostelgeschichte 6,1 und die Anfänge der Urgemeinde in Jerusalem, in: ders., Praeparatio Evangelica, WUNT 98, Tübingen 1997, 187–211 (= 1983). – HEIKKI RÄISÄNEN, The „Hellenists“ – A Bridge between Jesus and Paul?, in: ders., The Torah and Christ, SESJ 45, Helsinki 1986, 242–301. – CRAIG C. HILL, Hellenists and Hebrews: Reappraising Division within the Earliest Church, Minneapolis 1992. − GERD THEISSEN, Hellenisten und Hebräer (Apg 6,1–6). Gab es eine Spaltung in der Urgemeinde?, in: Hermann Lichtenberger (Hg.), Geschichte – Tradition – Reflexion (FS M. Hengel), Bd. III, Tübingen 1996, 323–343. – MICHAEL ZUGMANN, „Hellenisten“ in der Apostelgeschichte, WUNT 2.264, Tübingen 2009. − JAMES D.G. DUNN, Beginning from Jerusalem, 241–278.

Mit Kap. 6 ändert sich die Erzählperspektive der Apostelgeschichte; das in Apg 1–5 vorherrschende Bild vom harmonischen Leben der Jerusalemer Gemeinde bekommt Risse. Bisher wuchs die Gemeinde in außerordentlicher Weise (vgl. Apg 2,41; 4,4, 5,14); sie genießt Hochachtung beim Volk (Apg 5,13b), alle sind ein ‚Herz‘ und eine ‚Seele‘ (Apg 2,44; 2,34) und haben alles gemeinsam (Apg 2,44ff; 4,32), so dass niemand Not leiden muss (Apg 4,34). Nun dominiert eine andere Wirklichkeit; die Hochachtung des Volkes gegenüber der Gemeinde ist heftigen Auseinandersetzungen und Verfolgungen gewichen, die im Martyrium des Stephanus ihren Höhepunkt finden (vgl. Apg 6,11–14; 7,57–58). Es kommt zu Ausschreitungen gegen die neue Bewegung, die viele zur Flucht aus Jerusalem veranlassen (Apg 8,1) und sogar unter den Christusgläubigen entsteht ein Streit zwischen den Gruppen der ‚Hellenisten‘ und ‚Hebräer‘. Von der in Apg 2,44– 47 und 4,32–37 erwähnten Gütergemeinschaft ist in Kapitel 6 nicht mehr die Rede. Auch wenn die große erzählerische Linienführung auf Lukas zurückgeht, sind hinter Apg 6,1–8,3 deutlich historische Konflikte innerhalb der Jerusalemer Gemeinde und zwischen Teilen der Gemeinde und dem Jerusalemer Judentum zu erkennen127.

Die ‚Zwölf‘ und die ‚Sieben‘

In Apg 6,1–7 lässt Lukas zwei Leitungsgremien auftreten: den Zwölfer- und Siebenerkreis. Die ‚Zwölf‘ erscheinen nur in Apg 6,2 (vgl. Lk 6,13; 9,1; 18,31; 22,3.30), in Apg 6,6 ist schon wieder von ‚den Aposteln‘ die Rede. Beim Zwölferkreis handelt es sich wahrscheinlich um eine von Jesus selbst eingesetzte Gruppe, die symbolisch die Gesamtheit der Zwölf Stämme Israels repräsentierte und die nach Ostern nur noch eine kurze Zeit von Bedeutung war (s.o. 5.2). Auch der Siebenerkreis war im frühen Christentum ein fester Begriff, denn Philippus wird in Apg 21,8 als „einer von den Sieben“ genannt. Die Herkunft der Zahl Sieben könnte mit der Auslegung von Dtn 16,18 zusammenhängen, denn Josephus erwähnt dazu, dass in jeder jüdischen Stadt sieben Männer regieren sollen128. Die Bildung des Siebenerkreises verbindet Lukas mit einem Konflikt innerhalb der Jerusalemer Gemeinde: „In diesen Tagen aber, da die Zahl der Jünger stark zunahm, gab es ein Murren der Hellenisten gegen die Hebräer, ihre Witwen würden bei der täglichen Almosenverteilung übersehen“ (Apg 6,1). Die Witwen der Hellenisten fühlten sich beim innergemeindlichen Bedarfsausgleich übersehen bzw. benachteiligt, was zu einem Konflikt zwischen den Hellenisten und Hebräern führte. Als Erkärung dient der Hinweis, dass die ‚Zwölf‘ mit der Doppelaufgabe von Diakonie und Verkündigung überlastet waren. Deshalb erfolgt eine erste Erweiterung der Gemeindeorganisation, indem für die Armenvorsorge sieben Männer ausgewählt und durch die Apostel eingesetzt werden. Die Darstellung des Lukas in Apg 6,1–7 enthält eine Reihe von Ungereimtheiten: 1) Es bleibt unklar, ob die Witwen der Hellenisten innerhalb eines – wegen des Wachstums der Gemeinde – neu eingerichteten Systems von Anfang an nicht berücksichtigt wurden oder in einem bestehenden System von einem bestimmten Zeitpunkt an keine Unterstützung mehr erhielten. 2) Warum wurden nur die hellenistischen Witwen übersehen? Lebten sie bereits abseits in einer eigenen Gemeinde? 3) Alle sieben ‚Diakone‘ trugen hellenistische Namen129, einer ist sogar Proselyt aus Antiochia. 4) Warum wählte man nur Hellenisten und nicht einen gemischten Kreis zur Durchführung der Armenfürsorge? 5) Besonders auffällig ist, dass im weiteren Verlauf der Apostelgeschichte Stephanus und Philippus in keiner Weise als Armenpfleger auftreten. Vielmehr handelt es sich bei beiden um geistbegabte frühchristliche Missionare. 6) Ebenso kommen die ‚Zwölf‘ ihrer angekündigten Aufgabe (Apg 6,4: „wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben“) innerhalb der Erzählung nicht nach; sie entschwinden vielmehr und werden von den Aposteln ersetzt (vgl. Apg 6,6)130. 7) Ein Zusammenhang mit der zuvor geschilderten Gütergemeinschaft (Apg 4,32–37) wird von Lukas nicht hergestellt, obwohl er auf der Hand liegt: Wenn das Ziel dieses Programms darin lag, dass „keiner unter ihnen Mangel hatte“ (vgl. Apg 4,34), zeigt der Streit über die Witwenversorgung, dass es zumindest in der Realität so nicht funktionierte (oder gänzlich Fiktion war).