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Sari: Five Dogs #2
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»Was ist?«, zischt sie gespielt. Hektisch und ängstlich wandern Ryans Augen zwischen der Waffe und seiner Frau hin und her. Er kann offensichtlich diesen Augenblick weder fassen noch verarbeiten.

»Habe ich dir noch nie zuvor meine Waffe vor die Nase gehalten?«, feixt sie und sichert die Pistole mit einer kleinen Fingerbewegung. Wie gerne würde sie, anstatt ihren Daumen, den Zeigefinder bewegen? Nur ganz kurz. Dann wäre sie diese dauerhafte Grinse-Visage los.

Ryan schüttelt panisch den Kopf und sieht dabei zu, wie Eden die Waffe in die Schublade zurücklegt, sie noch flüchtig voller Stolz betrachtet und das Schränkchen schließt.

»Frühstück? Ich habe Hunger!«, reißt sie ihren Ehemann in eine normale Stimmung zurück und rupft sich einen Morgenmantel aus dem Kleiderschrank.

Nach dem gemeinsamen, aber nervenden harmonischen Frühstück, geht Eden in das Schlafzimmer zurück und sucht verzweifelt etwas, was sie anziehen kann. Ihr sind die ganzen Outfits ihres alten Ichs einfach zu wider. Geht sie etwa auch noch jeden Sonntag in die Kirche? Das wäre der Brüller!

Genervt greift sie nach einer hellblauen Bluse und rupft eine Kaki Hose heraus. Sie hält sich beides vor dem Spiegel an und rümpft die Nase. Mit einer Bewegung schmeißt sie es auf das Bett und kann kurz vor der vollständigen Drehung etwas an sich im Spiegel sehen. Sie dreht sich wieder zurück, schmeißt ihre Finger nach hinten und tastet blind herum. Eilig hüpft sie an den Spiegel, dreht und wendet sich. Sie glaubt sich zu täuschen.

»Ryan‼!«, brüllt sie lauthals und betrachtet dieses schwarze Etwas, das sie auf ihrem Körper sieht. Fragend steht ihr Mann wenige Augenblicke später im Zimmer.

»Was zur Hölle ist das??«, flucht sie und gleitet mit einer Hand über ihren Po. Als Arschgeweih prangt ihr dort eine Tätowierung entgegen, die sie kaum erkennen kann. Sie schärft den Blick, während sich Ryan ihr vorsichtig nähert.

»Das ist noch von deinem letzten Undercover-Einsatz. Es ist das Zeichen der Gang in der du eingeschleust wurdest. Den Dead Rabbits«, klärt er sie auf. Eden verrenkt sich in die unmöglichsten Richtungen, um die Tätowierung genauer sehen zu können.

»Ist das ein schwarzes Kaninchen?«, flucht sie und kann nicht glauben, dass sie tatsächlich eine Tätowierung auf dem Körper hat.

»Ja. Du warst schließlich fast zwei Jahre eine von ihnen. Du bist da nicht drum herum gekommen. Mir passt das genauso wenig wie dir, aber es ging nicht anders.«

»Warum zur Hölle war ich eigentlich bei denen?« Wütend kratzt Eden auf dem Kaninchen herum und wünscht sich auf der Stelle eine Stahlbürste, um dieses Vieh loszuwerden.

»Das kann ich dir leider nicht sagen. Du hast nie darüber gesprochen. Schließlich ist deine Arbeit immer geheim«, murmelt Ryan. Eden spürt, dass es ihm keineswegs passt, nur die eine Hälfte von dem Leben seiner Frau zu kennen. Ihr ist es eigentlich egal. Sie wünscht erst mal sich zu kennen, bevor sie sich Gedanken um ihre Mitmenschen, geschweige denn, um ihren Mann macht.

»Ich muss zur Arbeit. Kann ich dich alleine lassen?« Ryan tritt dicht an sie heran und drückt ihr einen Kuss auf die Lippen. Sie nickt nur und betrachtet das Kaninchen noch immer im Spiegel. Eigentlich ist es ja recht niedlich, richtig süß. Trotzdem ziemlich merkwürdig, dass so eine, scheinbar kriminelle Gang, so ein friedliches und entzückendes Tier als Gangzeichen ausgesucht hat.

Nachdem sie sich dann doch für eine Kleidung aus ihrem Schrank entschieden hat, wandert sie ziellos durch das Haus. Sie fühlt sich keineswegs heimisch. Sie betrachtet mehrere Fotos auf dem Kaminsims, auf dem sie und Ryan zu sehen sind. Hochzeitfotos! Typisch weißes Kleid mit Schleier. Ryan trägt einen schwarzen Anzug. Wie glücklich die beiden doch aussehen. Es war offensichtlich wirklich ein schöner Tag für beide und sie scheinen mit ihrer Entscheidung glücklich zu sein. Wenn Eden sich doch nur daran erinnern könnte.

»Kann ich aber nicht!«, murmelt sie, greift nach dem harmonischen Bild und klappt es um. Weg mit diesem versnobten und konservativen Anblick.

Sie wandert weiter und bleibt vor dem Zimmer mit ihren Babys stehen. Von der Tür aus, starrt sie die Porzellangesichter an. Sie kann es nicht verhindern, dass sich eine eiskalte Gänsehaut auf ihrem Körper ausbreitet. Wie kann eine erwachsene Frau, mit einem eigentlich vernünftigen Verstand, so einen Mist im Haus haben und das dann auch noch als ihre Babys ansehen? Was zum Teufel hat sie nur geraucht?

»Das geht nicht! Das geht gar nicht‼«, flucht Eden und stolpert die Treppe herunter. Wenige Momente später eilt sie mit einer Rolle Müllsäcke zurück. Nach und nach befördert sie die Puppen in den blauen Plastikbeutel. Mit jeder Puppe fühlt sie sich befreiter und atmet erleichtert aus, als der dritte Sack mit diesen Mistgeburten gefüllt ist. Ohne Rücksicht auf Verluste, schleift sie zwei Säcke hinter sich her. Sie schert sich keineswegs darum, dass die Säcke und somit auch die Puppen, jede Stufe der Treppe brutal zu spüren bekommen. Mit jedem Schritt, hört sie es klirren und knacken und erfreut sich an dem Geräusch.

Als wenn sie eine Leiche hinter sich herschleppen würde, hievt sie die Säcke zur Straße hinaus und bringt sie zur Mülltonne. Weg mit diesem Horror. Das hält ja kein gesunder Menschenverstand aus.

»Eden??«, prallt ihr plötzlich eine Stimme entgegen. Sie dreht sich um und sieht eine Frau auf dem Bürgersteig stehen. In der einen Hand eine Einkaufstüte mit Lebensmitteln (der herausragende Porree verrät dies eindeutig), in der anderen, mehrere Tüten von Designer Läden.

»Eden?? Bist du es wirklich??«, quiekt die Frau, schmeißt sämtliche Tüten zu Boden und eilt zu ihr. Eden steht wie angewurzelt an Ort und Stelle. Sie muss sich gewaltig beherrschen, ihren Kopf nicht im Rhythmus der Brüste auf und ab zu bewegen, die hüpfend und schwingend auf sie zuspringen. Meine Güte, mit diesem Bomberbusen könnte die gute Frau den nächsten Weltkrieg gewinnen. Jedes Land würde sofort kapitulieren.

Die fremde Frau schmeißt sich Eden ungebeten um den Hals. Vor lauter Freude quiekt sie wie eine Quietsche-Ente. Eden spürt allerdings nur, wie der Druck der Brüste ihre eigenen zerquetscht und ihr fast sämtliche Rippen bricht. Wahnsinn, wie kann man mit solchen Torpedos bloß leben? Wie hält die Frau das Gewicht nur aus?

Die Frau nimmt Eden etwas von sich weg und strahlt genauso schlimm wie Ryan. Eden betrachtet sie allerdings sparsam.

»Wer…?«, beginnt sie zu stottern und studiert diesen Schminkkasten, der sich in das Gesicht der Frau verirrt hat.

»Du weißt nicht wer ich bin?«, trällert die Frau und winkt dann mit Meterlang lackierten Fingernägeln ab.

»Ach das macht nichts, Schätzchen. Ryan sagte mir schon, dass du Amnesie hast und niemanden wiedererkennst«, jodelt sie weiter. Schätzchen? Schätzchen?? Was soll das?? Wurde Eden von dieser Person bisher wirklich immer mit diesem Kosenamen betitelt? Bitte Dead Rabbits, verpasst mir noch eine Kugel!, betet Eden wimmernd.

»Ich bin es, deine beste Freundin Jill!« Eden schaut die Frau noch immer nüchtern an und zuckt mit den Schultern. Verzweifelt sucht sie in ihrem Gehirn nach so einer Person. Sie findet aber nichts und empfindet dies als eine gelungene Wohltat. Man könnte es auch einen vollen Erfolg nennen.

»Komm lass uns ein Käffchen trinken. Ich habe dich so schrecklich vermisst. Und ich habe so unglaublich viele Fragen«, jauchzt diese Jill weiter, hakt sich bei Eden unter den Arm und schleift sie zum Haus. Käffchen? Hat die Frau auch noch einen anderen Wortschatz, oder besitzt jedes Wort von ihr ein ä und endet mit chen? Meine Güte, Eden würde ihr sogar freiwillig eine Sprachtherapie bezahlen, nur damit sie wie ein normaler Mensch redet.

Sie dreht sich aber um und zeigt auf die Müllsäcke.

»Aber ich…!«

»Papperlapapp Schätzchen! Egal was du gemacht hast, das kann warten.«

In der Küche angekommen, stopft diese Jill Eden auf einen Stuhl und beginnt Kaffee zu machen. Sie scheint öfter in diesem Haushalt zu sein, ihre Handlungen sind sicher und vertraut. Zielbewusst greift sie in einige Schränke und Schubladen und stellt schon nach wenigen Momenten, zwei dampfende Tassen Kaffee auf den Tisch. Sie nimmt Platz und strahlt Eden freudig an.

»Wie geht es dir denn Schätzchen? Ich habe dich ja schon so lange nicht mehr gesehen. Geht es dir gut? Wie war die OP? Hast du alles gut überstanden? Seit wann bist du wieder zu Hause? Wieso hat Ryan mir nichts davon erzählt?«, pfeffert diese Jill hektisch um sich. Hoffnungslos überfordert, starrt Eden sie an und versucht zu atmen.

»Äh, ich… ähm… ich…«, beginnt sie zu stottern und wird von Jill unterbrochen.

»Hach Gottchen, Schätzchen! Was haben die nur mit deinen schönen Haaren gemacht?« Mit einem flinken Griff, führt Jill ihre Hand an Edens Kopf und berührt die rasierte Haut. Gleich darauf fahren ihre Finger über die große Narbe.

»Hach, das sieht schrecklich aus, Schätzchen. Das tut mir so leid. Hoffen wir, dass deine Haare wieder schnell wachsen«, jodelt sie weiter und lässt Eden nicht eine Sekunde über eine Antwort ihrer gestellten Fragen nachdenken. Stattdessen beginnt sie wie ein Wasserfall zu reden. Eden schaltet irgendwann ihr Gehirn aus, starrt nur noch auf die knallrot angemalten Lippen und sieht, wie diese sich bewegen. Hören tut sie nicht ein Wort. Jill fuchtelt mit Händen und Füßen wild in der Luft herum und quasselt Stundenlang auf sie ein. Quiekend erzählt sie von sich und wie sehr sie Eden vermisst hat und wie schrecklich der Gedanke war, dass sie angeschossen wurde und eigentlich schon tot war. Es ist allerdings merkwürdig, dass sie Eden im Krankenhaus nie besucht hat. Aber wahrscheinlich hat Ryan sie davon abgehalten und darum gebeten, so lange zu warten bis sie wieder zu Hause ist. Zum Glück, denn wenn diese Quietsche-Ente an Edens Bett gestanden hätte, wäre sie freiwillig aus dem Fenster gesprungen.

 

Bis zum frühen Abend sitzt Jill am Küchentisch und redet ohne Unterlass. Edens Gehirn fühlt sich schon wie Babybrei an, aber sie hat Anstand und schmeißt dieses Playboy-Bunny nicht aus ihrem Haus.

Als sie irgendwann hört, dass ein Schlüssel in der Haustür gedreht wird, atmet sie erleichtert aus. Ryan, endlich. Er wird Eden sicher vor dieser Schreckschraube retten. Diese komische Frau geht ihm mit Sicherheit genauso auf die Nerven, wie ihr.

Ryan betritt die Küche und strahlt bis zu den Ohren. Übermütig begrüßt er die zweite Frau am Tisch mit einem jauchzenden »Jill!« und fällt ihr in die Arme. Eden fällt stöhnend der Kopf auf die Hände. Dieser Albtraum hat noch immer kein Ende.

Erst spät in der Nacht, verlässt Jill das Haus. Erschöpft kippt Eden ins Bett. Sollte sie nicht Ruhe haben, um sich zu erholen? Wie denn? Wie soll sie bei solch komischen Menschen auch nur einen Funken Erholung bekommen? Das geht ja gar nicht. Das ist absolut unmöglich. Ebenso, dass Ryan die Nacht erneut ungebeten regelrecht über sie herfällt. Sie bat ihn, schlafen zu dürfen, aber er überhörte es spielerisch und ging sich seine ehelichen Pflichten holen.

Am Morgen behält sie mit Absicht solange ihre Augen geschlossen, bis sie sich sicher sein kann, dass Ryan das Haus verlassen hat. Duschen, Zähne putzen, etwas rausputzen und dann will sie raus auf die Straße. Spazierengehen und die Gegend erkunden. Vielleicht sieht sie bei einem Spaziergang ja einiges, was sie kennt. Eventuell kehrt dadurch die eine oder andere Erinnerung zurück.

Eden öffnet den Schrank und rümpft erneut die Nase. Wahrscheinlich wäre eine komplett neue Garderobe besser, als ein Spaziergang. Was soll sie heute denn anziehen? Blümchenkleider? Blaue Blusen mit roten Bärchen? T-Shirts mit Katzenmotiven? Oh Gott, wie krank war sie nur?

Erschöpft, weil ihr die Kleidung sämtliche Kraft raubt, setzt sie sich langsam auf das Bett und atmet tief durch. Kein Spaziergang! Einkaufen, definitiv einkaufen!

Sie rafft sich wieder auf, holt aus dem Puppenzimmer die Rolle mit Müllsäcken und schmeißt den halben Kleiderschrank weg. Bluse um Bluse verschwindet vom Bügel, bis der Schrank soweit leer ist, dass nur noch vier Teile hängen bleiben, mit denen sie tatsächlich leben kann.

In dem Moment als sie sich bückt, um die Säcke aufzuheben, fällt ihr Blick in den unteren Teil des Schrankes. Sie erspäht eine große blaue Kiste und zieht eine Augenbraue hoch. Neugierig rutscht sie auf allen vieren dorthin, rupft die Kiste aus der Dunkelheit und öffnet den Deckel.

»Was zum…?« stockt sie. Sie greift hinein und starrt mit großen Augen einen lila Doppel-Dildo an.

»Was…??« Ihr Blick wandert in die Kiste zurück. Sie glaubt ihren Verstand zu verlieren. Fast mit zitternden Händen holt sie mehrere Sex-Toys heraus. Penispumpen, Penisringe, Klitoris Stimulationen, Handschellen, Peitsche, Nippelsauger und Klemmen.

Als sie einen tiefblauen Anal-Plug in den Händen hält, schleudert sie diesen mit einem kreischenden »AAAHHH!«, quer durch das Schlafzimmer. Am ganzen Körper zitternd, zieht sie ein Kabel aus der Kiste und hat an einem Ende einen bestialisch großen Vibrator hängen. Am anderen baumelt ein kleiner Schalter. Fast ängstlich drückt sie den -An- Knopf. Verzweifelt versucht sie bei Verstand zu bleiben, als der Vibrator mit einem monotonen Geräusch zu vibrieren beginnt. Sie merkt nicht, wie sich ihr Kopf der technischen Bewegung anpasst und in rhythmischen Kreisen mit dreht.

»Oh mein Gott‼«, haucht sie fassungslos. Entsetzt über ihr vorheriges Leben, schleudert sie die Kiste in die Dunkelheit zurück. Es scheppert und klimpert, als sie gegen irgendetwas stößt.

»Was kommt jetzt?«, stöhnt sie kopflos, schiebt die Kiste zur Seite und kriecht tiefer in den Kleiderschrank. Als sie wieder herauskommt, hat sie eine lange Metallstange in der Hand. Auf der oberen Seite ist eine Kette befestigt, die, beim straff ziehen, in einem Dreieck nach oben zeigt. Rechts und links hängen auf der unteren Seite ebenfalls Ketten herunter, an denen Handschellen befestigt sind. Mit riesigen Augen starrt sie das Teil an. Ein grauenvoller Gedanke keimt in ihr auf. Sie reißt den Kopf hoch und sucht die Zimmerdecke ab.

»Och nö‼ Komm schon, das ist nicht dein Ernst‼«, stöhnt sie entsetzt, als sie an einem Fleck der Decke einen großen Haken montiert sieht. Auch wenn ihr Kopf noch nicht so arbeitet, wie sie will, kann sie Eins und Eins zusammenzählen. Sie will sich gar nicht vorstellen, wie Ryan sie, oder besser gesagt, ihren Körper an diese Stange geschnallt hat und diese an der Zimmerdecke eingehängt hat. Dafür ist dann wohl auch die Peitsche gedacht.

»Ihr seid so armselig‼«, stöhnt Eden entkräftet und schleudert die Stange mit einem lauten Scheppern in den Schrank zurück. Da hat ihr altes Ich nach außen hin eine konservative und brave Bürgerin gemimt, aber sobald die Schlafzimmertür zufiel, gingen sie und Ryan einen ganz anderen Weg. Ist ja schön und gut, aber warum leben die beiden das nicht offen aus? Müssen sie sich wirklich dafür schämen? Sie sind doch erwachsene Menschen! Warum sich verstecken? Wenn sie Kinder hätten, würde sie das verstecken der Spielsachen ja nachvollziehen können, aber so?

Eden kann ihre alte Vergangenheit nicht nachvollziehen und verstaut dieses Thema in die dunkelste Ecke ihres Gehirns, das es aufweisen kann. Sie will jetzt nur noch hier raus und ihren Kleiderschrank auffüllen.

In der Garage angekommen, stellen sich ihre Nackenhaare auf, als sie den kackgrünen Kombi sieht. Das ist doch wirklich nur ein schlechter Albtraum. Am liebsten würde sie zu Fuß gehen, aber dann hätte sie einen zweistündigen Fußmarsch vor sich. Dieser Albtraum ist also noch schlimmer.

Schweren Herzens ergibt sie sich ihrer aussichtslosen Situation, steigt in den Wagen und lässt ihn ängstlich an. Keine Explosion oder Knall, sehr gut.

Langsam rollt sie aus der Garage, bleibt stehen und wirft einen Blick in den Rückspiegel, um zu beobachten, wie sich das Tor vollständig schließt. Sie holt schnappend Luft und glaubt ihren Augen nicht zu trauen. Hektisch reißt sie die Wagentür auf, stolpert aus dem Auto und stürzt in die Garage zurück. In der Dunkelheit tastet sie nach einem Lichtschalter und betätigt ihn. Schlagartig entweicht ihr ein stöhnendes Japsen. Ihr Puls steigt, ihr Herz beginnt freudige Luftsprünge zu machen. Wie ein Kleinkind beginnt sie auf der Stelle zu hüpfen und klatscht quiekend in ihre Hände.

»Ja, ja, ja, ja, ja‼«, quietscht sie und tritt näher an die schwarze Night Rod. Ein Motorrad, das kaum schöner, edler und kraftstrotzender sein kann, präsentiert sich Edens Augen. Vor lauter Freude werden diese sogar feucht.

»Du warst ja doch nicht so scheiße‼«, lobt sie ihr altes Ich und tritt näher an das Motorrad. Noch nie hat sie so eine tolle Harley gesehen und hätte auch nicht gedacht, dass sie so ein Schmuckstück in ihrer eigenen Garage stehen hat.

Mit bebendem Herzen geht Eden langsam auf das Motorrad zu, hebt eine Hand und führt diese ehrfürchtig zitternd an die Maschine. Kaum berühren ihre Finger das Leder des Sitzes, atmet sie schwer aus und versucht ihren Herzschlag zu kontrollieren. Sie gibt unterlegen, aber gerne, nach wenigen Sekunden auf und inhaliert einfach nur den Anblick, der ihr geboten wird. Dann fällt ihr ein, weshalb sie sich auf den Weg gemacht hat. Sie atmet enttäuscht ein, weil sie definitiv neue Kleidung braucht. Da kommt sie nicht drum herum.

»Du bleibst brav hier. Nicht abhauen«, schimpft sie liebevoll mit der Harley, setzt sich schweren Herzens wenige Augenblicke später, in die alte Kombischüssel und kämpft mit sich, diesen Wagen nicht gleich zum Schrotthändler zu bringen. Zu mehr ist es eh nicht mehr zu gebrauchen. Sie würde sogar noch oben drauflegen, nur damit sie das Stück Metall vernichtet weiß.

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Nach zwei Stunden und mit mehreren Einkaufstüten bewaffnet, kehrt Eden in das Horrorhaus zurück und schmeißt die erste Waschmaschine an. Die Night Rod in der Garage hat sie mit Sicherheit nicht vergessen. Wie könnte sie auch? Sie wird heute Nacht davon träumen, das weiß sie. Morgen, ja morgen wird sie sich diesem edlen Stück voll und ganz widmen. Sobald Ryan aus dem Haus ist, wird sie sich aufpolieren, auf das Leder schwingen und dann nach Soma fahren. Sie riecht jetzt schon den Wind. Er wird ihr während der Fahrt ins Gesicht wehen. Wie sehr sie sich da schon drauf freut.

Sie fragt sich aber dennoch, wie sie an so eine Maschine gekommen ist. So ein gutes Stück kostet eine Stange Geld. Auch wenn sie noch keine persönlichen Daten von sich im Kopf hat, weiß sie auch so, dass man beim FBI nicht genug Geld verdient. Und Ryan mit seinem Redakteur Gehalt? Mit Sicherheit bringt er auch nicht genug Geld mit nach Hause. Zusammengerechnet dürfte es ungefähr so viel sein, dass sie sich dieses Haus leisten können und vielleicht zweimal im Jahr einen Urlaub genießen. Wo hat sie aber das Geld für eine Harley Davidson her?

Skeptisch über sich selbst, wandert Eden planlos durch das Haus und landet in ihrem Puppenzimmer. Der eine Müllsack von gestern steht noch immer im Raum. Den hat sie ja wegen dieser Jill nicht mehr nach draußen bringen können. Das wird sie aber nachholen. Gleich nachdem sie ihre finanzielle Situation gecheckt hat. Merkwürdig findet sie das schon.

Sie setzt sich an den Schreibtisch, der auf der anderen Zimmerseite steht und blickt sich suchend um. Ein Computer, Scanner, Drucker und ein Telefon. Über dem Schreibtisch hängt ein Regal auf dem mehrere Ordner stehen.

»Kontoauszüge«, liest Eden laut und rupft einen Ordner mit dieser Beschriftung vom Regal. Gleichzeitig schaltet sie mit einem Knopfdruck den Computer an. Neugierig blättert sie herum und stellt schon nach wenigen Minuten etwas Merkwürdiges fest. Alle paar Wochen hat sie auf ihr Konto Einzahlungen mit unregelmäßig, aber verdächtig hohen Summen. Mal sind es zwanzigtausend Dollar, dann fünfzigtausend und hin und wieder kleine Beträge von ein paar tausend. Was zur Hölle ist das? Und von wem erhält sie das Geld? Es steht kein Name geschrieben und das Geld wurde immer bar auf das Konto eingezahlt. Von wem? Vor allem aber, warum?

»Da stimmt doch irgendetwas nicht«, murmelt sie vor sich hin und sieht aus dem Augenwinkel, dass der Computer startklar ist. Sie klickt eine geraume Zeit hin und her, stellt zwischendurch eine neue Waschmaschine an und wälzt sich weiter durch ihr Eigentum, das ihr fremd vorkommt. Sie findet mehrere Ordner, mit Dateien und kann diese sofort zuordnen. FBI. Sie hat tatsächlich FBI Dateien auf ihrem privaten Computer? Wie leichtsinnig war sie eigentlich? Und sie will tatsächlich ein Agent sein? Da ist ja ein Kindergartenkind schlauer als sie.

Kopfschüttelnd klickt sie auf eine Datei und nimmt sofort ihre vorherigen Gedanken zurück. Passwortgeschützt. Sie überlegt einige Zeit, findet aber kein passendes Wort, das ihr schlau und clever genug erscheint, dass man es als Passwort nutzen könnte. Sie versucht einige belanglose, erhält aber keinen Zugriff auf die Dateien.

»Mist‼«, flucht sie, fährt den Computer herunter und zieht stattdessen den Ordner mit den Kontoauszügen wieder zu sich. Ihr kommt ein Gedanke, als sie sehen kann, wie viel Geld sich derzeit auf ihrem Konto befindet. Das ist eine gute Idee, eine verdammt gute! Sie wird diese Idee gleich morgen in die Tat umsetzen und da es sich um ihr eigenes Konto handelt, braucht sie sich um keinen Streit mit Ryan zu sorgen. Es ist immerhin ihr Leben und Geld!

Gegen Abend hat sie sämtliche neue Wäsche gewaschen und zum trocknen aufgehängt. Weiße Blusen, helle und dunkle Jeans, die aussehen, als wenn sie schon völlig ausgetragen wären. An den Knien zerrissen und aufgeschlitzt. Mehrere Schulterfreie weiße Unterhemden, die sie unter den Blusen tragen wird und unzählige Hosenanzüge. Die meisten in weiß, aber auch ein paar schwarze, hellgraue und sogar ein rotes Cocktailkleid. Es gefiel ihr beim ersten Anblick so sehr, dass sie gar nicht lange nachdachte und ihre Kreditkarte zog. Sie war froh, dass sie schlau genug war, zuvor noch ihre Unterschrift zu üben. Diese entnahm sie der Hochzeitsurkunde, die sie in einem Schrank neben den ganzen Hochzeitsfotos fand. Ihre Intelligenz scheint also keinen Schaden genommen zu haben. Da funktioniert offensichtlich noch alles.

 

Als Ryan am Abend zu Hause eintrifft, ist Eden schlagartig von seinem Dauergrinsen genervt. Wenn sie könnte, würde sie…! Egal, sie erträgt es, versucht zu sich selbst zu finden und mit ihren bisherigen Erkenntnissen klarzukommen. Nach und nach ihr Leben aufzudecken, jenes umzukrempeln und neu aufzubauen. Denn das was bisher dort stattgefunden hat, wird so nicht mehr weiter funktionieren. Schon gar nicht, mit diesen ganzen Sex-Toys. Da wird sie mit Ryan definitiv noch drüber reden müssen. Dafür kann er sich eine andere suchen, die dieses Spielchen mit ihm ausübt. Sie braucht das nicht.

Ryan stellt den beiden zwei Schachteln vom Chinesen auf den Tisch. Keiner von ihnen hatte Lust zu kochen und somit entschieden sie sich, Essen zu holen.

Mit schmerzenden Magen, weil sie den ganzen Tag über noch nichts gegessen hat, klappt Eden die Pappe auf und stutzt. Suchend stochert sie in dem Essen herum.

»Wo ist das Fleisch?«, fragt sie brummend und gräbt sich bis zum Pappboden durch.

»Fleisch?«, schluckt Ryan sein Essen herunter und schaut sie fragend an.

»Schatz, du bist Vegetarier, du isst kein Fleisch. Mungbohnenkeime und Bambussprossen sind beim Chinesen dein Leibgericht«, klärt er sie auf.

»Was???«, japst Eden entsetzt und schaut ihn mit Mondgroßen Augen geschockt an.

»Vegetarier?? Ich bin kein Vegetarier!«, schimpft sie und sucht verzweifelt in dem Karton nach einem Rind, einer Ente, oder zumindest einem Huhn. Irgendetwas muss doch da drinnen sein, verdammt nochmal.

»Doch Schatz, du hast seit zwanzig Jahren kein Fleisch mehr gegessen«, versucht Ryan Eden auf die Fleischfreie Bahn zurückzubringen. Sie schüttelt panisch den Kopf. Das kann nicht sein. Sie weiß, dass sie Fleisch liebt. Sie kann gar nicht ohne Fleisch.

»Kein Wunder, dass ich so eine Schraube locker habe. Da fehlen definitiv zu viele wichtige Vitamine‼«

Wütend pfeffert Eden ihre Stäbchen in den Karton zurück und steht vom Essenstisch auf. Als sie gleich darauf angezogen das Wohnzimmer durchquert und auf die Haustür zusteuert, ruft Ryan ihr hinterher.

»Wo willst du hin?«

»Fleisch essen gehen‼«, antwortet sie fluchend und knallt die Tür hinter sich zu. Bewusst lässt sie die Harley in der Garage stehen. Auch wenn es ein Traum wäre, nun bei dieser Dunkelheit damit zu fahren, hat sie sich ein Ziel für die Jungfernfahrt gesetzt und das will sie sich nicht selber verbauen. Also ab in die Kombischüssel und nach Soma fahren.

Dort angekommen parkt sie die Familienkutsche bei einem Schnellrestaurant und marschiert ohne Umwege in die Räumlichkeit. Am Tresen wird sie von der Auswahl der Menüs erschlagen. Völlig überfordert, weiß sie gar nicht so genau, was sie eigentlich essen will. Es sieht alles so verführerisch und köstlich aus.

Kurzerhand entscheidet sie sich für ein großes Menü mit Cola und Pommes. Zusätzlich bestellt sie noch drei weitere Burger. Sie weiß selber, dass sie das alles nicht essen kann, aber sie will wenigstens von jedem mehrere Male abbeißen, nur um den Geschmack zu genießen.

Stolz wie Oscar, marschiert sie einige Minuten später zu einer Tischreihe, stellt das Tablett ab und rutscht auf die Holzbank.

Wie ein Kleinkind an Weihnachten, sitzt sie mit leuchtenden Augen auf der Bank. Sie schert sich nicht um die halbwüchsigen Jugendlichen, die lautstark um sie herum turnen. Sie hat nur noch Augen für sämtliche Burger, die nur darauf warten, von ihr verzehrt zu werden. Der Duft von künstlich gepresstem Fleisch, ranzigem Fett und salzigen Pommes, lässt ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Sie nimmt schnell einen Schluck Cola, genießt die erfrischende und prickelnde Kälte, die ihre Speiseröhre herunterläuft und blickt wieder auf das Essen vor sich. Sie kann sich nicht entscheiden was sie zuerst essen soll. Es ist auch egal. Irgendetwas. Irgendein Burger muss zuerst dran glauben und welcher das ist, ist ihr im Moment vollkommen egal.

Sie klappt den Pappdeckel auf, greift hinein und schiebt mit Genuss den Burger Richtung Mund. Sie nimmt die Lippen auseinander, umgreift mit ihren Zähnen das pappige Brötchen, beißt ab und lässt ein kurzes aber befriedigtes Stöhnen über ihre Stimmbänder huschen, als sie mit geschlossenen Augen beginnt zu kauen. Wie herrlich dieses Fast Food doch schmeckt. Da kommen keine Mungbohnenkeime und Bambussprossen gegen an. Egal was sie jemals zuvor gegessen hat, das hier, ist im Moment das größte für sie. Unglaublich!

Eden öffnet befriedigt die Augen, kaut weiter und hat eine Frau im Blickfeld, die zwei Tische weiter sitzt und sie skeptisch anschaut. Sie scheint Eden schon die ganze Zeit zu beobachten. Ihren Gesichtszügen nach zu urteilen, kann sie Edens Freude über so einen Burger keineswegs teilen.

Die Frau blickt sie leicht angewidert an und schüttelt kaum sichtbar den Kopf. Eden will sich aber nicht aus ihrer Stimmung rausreißen lassen und schaltet um. Ihr ist es egal wie das jetzt rüberkommt, sie will einfach nur noch ihre Ruhe haben und einen Burger nach dem anderen genießen.

»Hast du ein Problem??«, pfeffert sie der Frau entgegen, die sie noch immer angewidert beobachtet. Sie ist circa Anfang dreißig und offensichtlich Südländerin. Ihre exotisch braune Haut verrät dies.

»Was gibt es denn so blöd zu glotzen??«, schmeißt ihr Eden gereizt an den Kopf. Sie fühlt sich derzeit in ihrer Privatsphäre gestört. Soll sie der guten Frau noch ein Fernglas reichen? Dann kann sie jedem Salatblatt dabei zusehen, wie es in ihrem Mund verschwindet.

Die Frau blickt Eden direkt in die Augen. Eden kann sehen, dass die Frau auf einmal von einer Welle tobender Wut erfasst wird. Sie sieht, wie sich die Kiefermuskeln der Frau bewegen. Scheinbar fühlt sie sich angegriffen oder provoziert. Soll sie ruhig, es war von Eden schließlich auch so gemeint. Sie will in Ruhe essen und keine Gaffer vor sich sitzen haben.

Die Südländerin atmet tief ein und wirft ihren Blick auf das Tablett, das vor ihr steht. Sie betrachtet alles ganz genau und greift dann nach dem Cheeseburger. Sie wickelt ihn auseinander, schaut ihn mit einem merkwürdigen Blick an und beißt zögernd ab. Mit langsamen Bewegungen beginnen ihre Zähne dieses Nahrungsmittel zu zerkleinern und zu einem matschigen Brei zu verarbeiten.

Belustigt beobachtet Eden die Frau dabei, wie die plötzlich den Mund aufreißt und die matschigen Überreste auf das Tablett zurückspuckt. Angewidert wischt sie sich die Lippen ab. Sie hebt den Burger und inspiziert das Ding kleinlich.

»Das nennt man einen Cheeseburger‼« Eden kann sich diesen Kommentar keineswegs verkneifen. Die Frau reagiert nicht auf diese Aussage. Stattdessen klappt sie den Brötchendeckel auf. Mit zitternden Fingern matscht sie in dem Senf-Ketchup Gemisch herum und zieht etwas Grünes heraus. Skeptisch begutachtet sie diese Zutat und schlabbert mit dem guten Stück in der Luft herum. Angeekelt beobachtet sie das Teil.

»Gurke‼«, wirft ihr Eden herüber. Sie könnte sich bei dem Schauspiel vor Lachen kringeln. Wie angeekelt die Frau dieses kleine Stück Gemüse anschaut. Sie scheint sich jeden Augenblick übergeben zu müssen. Ihr Gesicht wird tatsächlich blass.

Mit einer schnellen Bewegung, schmeißt sie die Gurke auf das Tablett zurück und wischt sich die rot-gelbe Mischung von den Fingern. Sie steht vom Platz auf und steuert samt Tablett auf Eden zu. Neben ihrem Tisch bleibt sie stehen und blickt sie von oben herab äußerst wütend an. Dann holt sie Luft, spuckt mitten auf den Cheeseburger und pfeffert Eden das Tablett quer über den Tisch.