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Sari: Five Dogs #2
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Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
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»Guten Appetit‼«, faucht sie raunend und verschwindet auch schon aus dem Schnellrestaurant. Eden blickt flüchtig auf die matschigen Überreste des Cheeseburgers. Ihr Blick wandert zu den Fenstern des Restaurants, wo sie sehen kann, dass die junge Frau zu einem schwarzen Wagen geht. Sie öffnet die Tür, blickt flüchtig hoch und dann treffen sich die Blicke der Frauen.

Ohne es kontrollieren zu können, spürt Eden plötzlich, wie ihr Herz zu rasen beginnt, als sie der Frau auf dieser Distanz direkt in die dunklen Augen blickt. Diese sind so unglaublich warm und weich, dass Eden sich auf einmal wie ertappt fühlt und merkt, dass ihr die Röte ins Gesicht schießt. Aber warum? Warum löst die fremde Frau diese Reaktion bei ihr aus? Warum eigentlich bei einer Frau? Sie ist mit einem Mann verheiratet! Warum passiert in ihrem Körper dann also etwas ungewohntes, was sie so bisher bei Ryan noch nicht empfunden hat? Sie weiß ja nicht wie sie früher auf ihren Ehemann reagiert hat, aber jetzt ist er ihr einfach zu wider. Sie ist gelangweilt und genervt von ihm. Aber diese Frau, diese fremde Frau, hat etwas an sich, was sie unglaublich interessiert und ungewöhnlich anzieht. Sie kriegt ihre Augen einfach nicht von der Südländerin und beobachtet, wie diese ihr einen recht hasserfüllten Blick zuwirft und in das Auto steigt. Sie lässt den Motor an und fährt rückwärts aus der Parklücke. Ein Lächeln brennt sich auf Edens Gesicht fest. Mit quietschen und qualmenden Reifen fährt die Frau vom Parkplatz. Es stört sie nicht, dass sie einem anderen Wagen die Vorfahrt nimmt und fast einen Unfall verursacht.

»Beeindruckend«, murmelt Eden leise vor sich hin, dreht sich zu ihrem Essen zurück und widmet sich für die restliche Stunde dem köstlichen Fast Food.

Kurz nach Mitternacht, schleicht sie ins Schlafzimmer, hebt die Decke leicht an und rutscht vorsichtig auf ihre Seite des Ehebetts. Sie deckt sich zu, kuschelt sich gemütlich ins Kissen und erschrickt, als sie Ryans Stimme leise und verschlafen neben sich hört.

»Du riechst nach Fleisch«, grunzt er offensichtlich wütend. Eden lächelt nur.

»Das war ja auch Sinn und Zweck dieser Fressorgie«, lacht sie und schert sich nicht weiter um die Aussage ihres Mannes. Sie fühlt sich gut. Ihr Körper fühlt sich gut. So gut, dass sie schon nach wenigen Augenblicken eingeschlafen ist. Sie schläft so tief und fest, dass sie mitten in der Nacht schweißgebadet hochschreckt. Ihr Oberkörper schwimmt in ihrem eigenen Schweiß. Eden versucht regelmäßig zu atmen, gibt aber nach einigen Sekunden unterlegen auf. Sie gibt sich der unregelmäßigen Atmung hin und beginnt mit ihrem Kopf zu arbeiten. Auch wenn sie Angst hat, dass sie gleich tot ins Bett zurückfällt, weil sie keine Luft bekommt, beginnt ihr Gehirn von ganz alleine zu arbeiten. Sie hat geträumt. Das weiß sie! Nur was sie geträumt hat, weiß sie keineswegs. Sie versucht sich den Traum ins Gedächtnis zurückzurufen, aber ihre Gehirnwindungen lassen das nicht zu. Es muss irgendetwas aus ihrer Vergangenheit gewesen sein, das spürt sie. Trotzdem weiß sie nicht, was ihr Gehirn derzeit verarbeitet. Sie weiß nur, dass sie wegen zwei Wörtern aufgewacht und hochgeschreckt ist. Black Devil! Diese beiden Worte ließen sie aus dem Traum erwachen. Was soll sie aber damit? Wieso Black Devil?

»Verdammt‼«, keucht sie schwer atmend und blickt zu Ryan hinüber. Der liegt ruhig neben ihr und sägt das halbe Schlafzimmer auseinander. Herrgott, wie kann man neben so einer schnarchenden Kettensäge nur schlafen?

»Arschloch‼«, flucht sie leise über das Sägegeräusch ihres Mannes und krabbelt aus dem Bett. Sie schiebt ihren klitschnassen Körper unter die Dusche, um diesen klebrigen Film abzuwaschen. Hellwach, aber doch verschlafen, schleicht sie durchs Haus, macht sich einen Kaffee und steht im Türrahmen zu ihrem Horrorzimmer. Der letzte Beutel steht dort noch immer. Ohne Umwege steuert sie darauf zu und tritt mit aller Kraft dagegen.

»Verdammte Mistgeburten‼«, keift sie über diese ekeligen Puppen, dreht sich um und verharrt mitten in der Bewegung. Black Devil! Black Devil‼ Black Devil‼! Sie grinst! Jetzt weiß sie, wo sie diese Worte herhat und was sie damit anfangen kann.

Mit dem großen Zeh drückt sie den Knopf des Computers, schaltet ihn ein und setzt sich auf den Stuhl. Seelenruhig und Kaffee trinkend, wartet sie, bis er hochgefahren ist und bedankt sich bei ihrer unbewussten Auffassungsgabe. Ihre Night Rod hat nämlich einen kleinen Klebeschriftzug auf dem Tank, mit dem Namen Black Devil. Damit wird sie weiterkommen, das weiß sie.

Überzeugt davon, dass ihr diese beiden Worte sehr von Nutzen sein werden, ruft sie erneut die FBI Dateien auf und gibt in die Zeile des Passwortes, den Namen ihrer Maschine ein. Es dauert etwas, bis sie stolz auf sich sein kann. Zugriff. Jetzt kann sie die restliche Nacht durch ihre Arbeit wandern und versuchen, sich an irgendetwas zu erinnern.

Es sind erstaunlich wenige Dateien. Weniger als sie annahm. Von daher dauert es nicht lange, bis sie die alphabetisch aufgelisteten Akten durchgearbeitet hat, aber ernüchtert feststellen muss, dass diese schon alle abgeschlossen sind. Nichts deutet auf einen Funken Erinnerung hin. Nichts! Ihr Gehirn nimmt keine Information auf, mit denen sie arbeiten kann, weil schon alles unter Verschluss ist. Warum hat sie dann aber noch diese alten Kamellen auf dem Computer? Ok, die fehlenden Vitamine könnten natürlich eine Erklärung dafür sein.

Erschrocken schießt sie im Stuhl hoch und blickt mit großen Augen zum geöffneten Fenster. Das bellen eines Hundes dringt durch die Stille. Langsam steht Eden auf, tritt ans Fenster und blickt in die dunkle Nacht. Nur ein paar Laternen erhellen diese idyllische Gegend, welche keineswegs nach ihrem Geschmack ist. Sie will sich lieber in einer dreckigen Gasse wiederfinden. Sie will riechen, schmecken und spüren, wie das Leben ist. Das Leben und der Tod!

»Morgen werde ich mir Soma mal etwas genauer anschauen«, flüstert sie sich leise zu und blickt noch immer durch die Nacht, auf der Suche nach dem bellenden Hund. Weil sie diesen aber nicht ausfindig machen kann, geht sie an den Computer zurück und will ihn ausschalten, als ihre Aufmerksamkeit auf eine Datei fällt, die sie bisher noch nicht geöffnet hat. Der Ordner trägt den Namen Rottweiler. Neugierig klickt sie zweimal auf das orangene Zeichen und wühlt sich durch die Akte. Interessiert zieht sie eine Augenbraue hoch, als sie den Namen Samantha Rodriguez lesen kann. Nach und nach bauen sich die Informationen auf, danach das Verbrecherfoto. Eine junge Frau, schaut Eden mit versteinertem Blick an. Ihre Augen sprühen vor Wut und Aggressivität. Dennoch sind sie zugleich unglaublich warm und haben einen fast liebevollen Ausdruck. Welch unterschiedliche Welten sich dort in den Augen widerspiegeln. Offene schwarze Haare, ein Piercing an der rechten Augenbraue und weiche Gesichtszüge.

»Hm«, murmelt Eden. Genervt atmet sie dann aber tief durch, als sie Ryan hinter sich vermutet. Sie riecht ihn. Sie riecht den Duft eines Männerparfüms. Warum ist er wach und warum geht er ihr auf die Nerven? Kann sie noch nicht einmal mitten in der Nacht ihre Ruhe vor ihm haben?

»Was ist?«, giftet sie zischend nach hinten. Sie wartet auf eine Antwort von ihrem Mann, aber er reagiert nicht. Es ist still. So still, dass Eden nur das Surren des Computerlüfters hört. Ebenfalls hört sie ihren Herzschlag, der ungewöhnlich hart und laut schlägt.

Genervt, weil Ryan ihr nicht antwortet, dreht sie sich zu ihm um. Mitten in der Bewegung bleibt sie stehen. Hinter ihr steht niemand. Sie ist alleine im Zimmer.

»Ryan?«, ruft sie vorsichtig. Keine Antwort. Was soll das denn? Sie hat ihn doch gerochen. Sie hat sein Parfüm gerochen. Ein Männerparfüm.

Kopfschüttelnd, weil ihr diese Unterbrechung derzeit keineswegs passt, steht sie vom Stuhl auf und schleicht zum Schlafzimmer. In der Dunkelheit sieht sie Ryans Umrisse. Das laute Schnarchen verrät ihr, dass er tief und fest schläft. Wenn er aber im Land der Träume ist, warum hat sie dann ein Männerparfüm gerochen? Wird sie allmählich ganz verrückt? Hat ihr der Jahrelange Vitaminmangel so zugesetzt?

Murmelnd setzt sie sich wieder an den Schreibtisch zurück und liest sich nach und nach die Straftaten dieser Rodriguez durch. Alles nur kleine Sachen. Raub, Einbruch, die üblichen Lappalien. Interessant wird es aber, als sie liest, dass die gute Frau zehn Jahre für mehrere Verbrechen gesessen hat, die sich erst nach einem bestimmten Zeitraum angehäuft haben. Plötzlich scheint die Frau einen brutaleren Weg eingeschlagen zu haben. Fast im wöchentlichen Rhythmus kommt eine neue Straftat hinzu, was Eden sehr auffällig vorkommt. Warum hat diese Rodriguez nur alle paar Monate zugeschlagen und plötzlich von einem Tag zum anderen, diese ganzen Sachen gemacht? Wurde sie süchtig danach?

Eden liest sich die Akte bis zum Ende durch und muss ernüchternd feststellen, dass sie mit dieser nichts mehr anfangen kann. Rodriguez ist tot! Selbstmord! Was??

Steif schreckt Eden im Stuhl hoch und schaut sich diese Samantha genauer an. Selbstmord? Wieso Selbstmord? Was hat sie dazu getrieben? Sie kam mit fast zweiundzwanzig ins Gefängnis, verbrachte dort zehn Jahre ihres Lebens, kommt frei und bringt sich fast dreißig Stunden später selber um? Da stimmt doch was nicht! Das kann doch nicht sein!! Sie hatte doch noch ihr ganzes Leben vor sich! Wieso baut sie so ein Vorstrafenregister auf, hält all die Jahre im Knast durch und bringt sich dann auf freiem Fuß um? Hätte sie das nicht ihren Mithäftlingen überlassen können? An diesem Braten ist definitiv was faul.

Eden scrollt die Akte weiter durch, arbeitet sich durch die Reiter und kommt zu den Verbindungen, die jede Person im Leben hatte und für spätere Fälle oder Akten gespeichert werden.

 

»Five Dogs?«, flüstert sie murmelnd und lehnt sich weit zum Bildschirm vor. Nach und nach nimmt ihr Gehirn mehrere Informationen auf. Tätowierung, Matt, Laura, Bewährung, Dead Rabbits! Dead Rabbits? Dead Rabbits?? Sofort wandert ihre Hand über ihren Arsch. Sie fühlt die Tätowierung nicht, weiß aber, dass sie da ist. Dort prangt ein zuckersüßes Kaninchen. Dead Rabbits! Sie war (nach Ryans Aussage) selber zwei Jahre ein Kaninchen. Nur warum? Warum wurde sie in diese Gang geschleust? Und was haben die Dead Rabbits mit den Five Dogs zu tun? Wo steckt da die Verbindung?

Eden klickt wieder auf den ersten Reiter zurück und betrachtet das Foto dieser Rodriguez erneut.

»Ich liebe dich Neve!! Ich habe dich von der ersten Sekunde an geliebt und ich werde dich bis in die Ewigkeit lieben!«

Erschrocken dreht sich Eden um, als sie eine weibliche Stimme dicht hinter sich hört. So dicht, als wenn jemand ihr im Nacken sitzen würde. Hektisch blickt sie sich im dunklen Zimmer um, sieht aber nichts. Keinen Menschen, keinen Geist, nichts.

»Hallo?«, flüstert sie leise, aber keineswegs verängstigt. Eher angespannt! Sie steht vom Stuhl auf und geht zur Tür.

»Ryan?«, ruft sie gedämpft durch den Flur, hört als Antwort aber lediglich ein regelmäßiges Schnarchen. Mit einem Ruck dreht sie sich um, tritt an das Fenster und durchsucht erneut die dunkle Nacht. Dieses Mal aber auf der Suche nach einer Person. Nichts! Sie hört und sieht rein gar nichts. Es herrscht Totenstille.

»Was zur Hölle…?«. Murmelnd zieht sie den Kopf vom Fenster weg und tritt wieder an den Computer. Sie blickt wieder in das Gesicht dieser Rodriguez und versucht sich die Worte ins Gedächtnis zu rufen, die auf unheimliche Art und Weise, durch das Zimmer getragen wurden. Irgendwie kam es ihr auch vor, als wenn die Stimme in ihrem Kopf gewesen wäre. Das kann aber nicht sein, weil es eine völlig fremde Stimme war. Zugegeben, sie kennt sich selbst noch nicht. Aber ihre eigene Stimme kann sie schon erkennen. So bescheuert ist sie dann doch nicht geworden.

»Neve! Wer ist Neve?«, flüstert sie leise und wandert mit ihren Augen auf dem Verbrecherfoto dieser Sam umher. Pore für Pore begutachtet sie das Bild, findet aber nichts, was auffällig ist.

»Neve‼«, nuschelt sie weiter. Dann fällt ihr etwas ein. Sie klickt zu den Verbindungen zurück und ist sichtlich stolz auf sich, dass sie sich unbewusst wieder eine wichtige Information gemerkt hat. Neve Preston! Da ist er! Dieser Name! Diese Samantha hatte also eine Verbindung zu Neve Preston. Ok und wer ist das?

Neugierig und interessiert, klickt Eden auf den Namen und sieht der Technik dabei zu, wie eine neue Akte geöffnet wird. Sie fällt aus allen Wolken, als sie plötzlich eine Polizistin vor sich sieht. Eine junge Frau in Polizeiuniform, grinst sie mit einem stolzen, aber ernsten Ausdruck an. Dieses Foto wurde offensichtlich kurz nach der Academy aufgenommen. Denn (wie Eden lesen kann), wurde die gute Frau zweiundvierzig. Auf dem Foto ist sie aber sichtlich jünger.

Ok, eine Polizistin also. Und wo steckt da die Verbindung zwischen ihr und Samantha Rodriguez?

Immer wieder klickt Eden zwischen den beiden Akten hin und her und versucht eine Verbindung zwischen den beiden Frauen aufzubauen. Sie scheitert aber kläglich. Nichts deutet daraufhin, dass sie etwas gemeinsam hatten. Das was Eden allerdings bei dieser Neve gegen den Strich geht, ist die Tatsache, dass in der Akte vermerkt ist, dass sie vom Polizeidienst unehrenhaft entlassen worden ist und kriminell wurde. Wie zur Hölle kann man zum Verbrecher werden, wenn man jahrelang das Gesetz vertreten und kriminelle Menschen ins Gefängnis verfrachtet hat? Was treibt einen Menschen dazu, so einen gravierenden Turn im Leben zu machen? Was ist da nur passiert? Was ist mit dieser Neve passiert?

Eden wälzt sich weiter durch die Akte und sucht noch immer nach einer Verbindung zwischen Neve Preston und Samantha Rodriguez. Fast eine halbe Stunde klickt sie hin und her, bis es ihr auffällt. Nur eine winzig kleine Notiz! Ein Datum und eine Uhrzeit, mehr nicht. Der Todeszeitpunkt! Beide sind am selben Abend und offensichtlich zum gleichen Zeitpunkt gestorben. Aber warum? Wieso sterben zwei Menschen am selben Ort und zur selben Zeit? Gibt es da vielleicht eine tiefere Verbindung zwischen den beiden Frauen, als diese Akte hergibt?

Diese Neve wurde erschossen. Soweit ist Eden durch die Akte dann doch gekommen. Neve wurde nicht nur erschossen, ihr Körper wurde regelrecht durchsiebt. Insgesamt drangen achtzehn Kugeln in ihr Fleisch und nahmen ihr das Leben. Das muss ein ziemlich heftiger Anblick für die auftauchende Polizei und Sanitäter gewesen sein.

Diese Rodriguez wurde allerdings durch einen Kopfschuss getötet. Nein, sie tötete sich selbst. Nur warum? Wo liegt die Verbindung zwischen dem Sieb und dem Loch im Kopf?

»Verdammt‼«, keift Eden und stampft wie ein Kleinkind mit einem Fuß auf. Es passt ihr keineswegs, dass sie nicht weiterkommt. Die Akte gibt einfach zu wenig her. Sie will endlich wissen, was da bei diesen beiden Frauen lief. Das bedeutet, dass sie in die FBI Zentrale muss, um die vollständige Akte zu sichten. Wiederrum bedeutet das, dass sie schnell wieder gesund werden muss, damit sie arbeiten gehen kann. Das wird also ihr nächstes Ziel sein. Gesund werden und arbeiten gehen.

Go

Am nächsten Morgen, brezelt Eden sich etwas auf und betritt voller Stolz die Garage. Als sie die Night Rod dort wartend stehen sieht, grinst sie von einem Ohr zum anderen. Leichtfüßig schreitet sie auf die Maschine zu. Sie schwingt das eine Bein auf die andere Seite, senkt ihren Körper und nimmt auf dem weichen Leder Platz. Mit geschlossenen Augen genießt sie für einige Momente dieses Gefühl. Sie erfreut sich an dem Gedanken, dass sie nun kraftvolle und beeindruckende Pferdestärken zwischen den Beinen hat.

Eden umgreift den Lenker, drückt ehrfürchtig den Start-Knopf und hört nach einem kurzen surren, ein so tiefes und starkes Blubbern, dass sie das Gefühl bekommt, vor Freude und Stolz gleich durch die Decke zu springen. Unter ihr und zwischen ihren Beinen, blubbert es kraftstrotzend. Sie spürt, dass ihr Black Devil darauf wartet, endlich gefahren zu werden.

»Ja, mein Süßer. Wir sind ja schon unterwegs«, haucht Eden respektvoll, hievt die Maschine aus dem Ständer und klappt diesen ein.

»Auf auf und davon!«, flüstert sie leise, rollt ein paar Meter aus der Garage und dreht dann am Gas.

»Eden, huhu Eden«, hört sie plötzlich eine quiekende Stimme. Sie blickt in die Richtung. Schlagartig bekommt sie Herpes, als sie Jill grinsend und Hände wedelnd auf sich zulaufen sieht. Mit rollenden Augen dreht sie am Gas und fährt, ohne Rücksicht auf Jill zu nehmen, auf die Straße. Diese bleibt wie angewurzelt stehen. Entgeistert starrt sie ihr hinterher. Was ist? Hat Eden sie zuvor noch nie stehen gelassen? War sie immer und zu jeder Zeit etwa für sie da? Mag ja gut und gerne sein, aber diese Eden gibt es nicht mehr! Eine neue Eden wohnt nun in dieser Straße und diesem Haus. Eine Eden die Fleisch isst und Porzellanpuppen hasst.

Stunden um Stunden vergehen, in denen Eden ihre Black Devil genießt und die Umgebung von San Francisco wie ein Schwamm gierig aufsaugt. Sie will so viele Informationen wie nur irgendwie möglich erhalten, um endlich wieder arbeiten zu können. Sie will im gewissen Grad ihr altes Leben wieder zurückerlangen. Sie will endlich wissen wer sie ist und welche Aufgabe sie hier in diesem Leben hat.

Eden genießt den Fahrtwind und den Stadtsmog. Besser als diese idyllische grüne Horrorheimat, die sie zu Hause erwartet. Das hier ist das Leben! Das und nichts anderes! Kein grüner Rasen, mit weißem Gartenzaun und einheitlichen Briefkästen. Hier spielt das Leben und der Tod. Genau das ist es, was Eden sehen und spüren will. Egal was Ryan ihr versucht zu erzählen. Sie spürt, dass sie hierher gehört. Hier in Soma und dort.. dort in Downtown! Überall in Frisco gehört sie hin, aber nicht da wo jetzt ihr zu Hause ist. Sie muss da raus! Definitiv! Das wird sie auch, aber erst wenn sie bei vollem Verstand ist. Erst muss sie zu sich selbst finden und erst dann kann sie ihre Koffer packen. Egal wie sehr sie Ryan damit verletzen wird. Es geht hier schließlich um sie und nicht um ihn.

Physisch und psychisch vollkommen befriedigt, parkt Eden ihren Teufel am Straßenrand, lässt das Blubbern verstummen und atmet tief durch. Sie fummelt in ihrer Hosentasche herum und zieht eine Schachtel Zigaretten heraus. Sicherlich auch etwas Neues bei der neuen Eden. Zigaretten! Die alte hätte ihren Körper sicherlich nicht mit Nikotin missbraucht. Aber die Neue macht es und genießt den Moment, wie der erste Zug in ihrer Lunge verschwindet. Zwar muss sie stark husten, weil ihr Körper diesen Dreck nicht drin haben will, hat ihn aber nach ein paar Zügen unter Kontrolle. Sie dreht sich auf dem Sitz um und legt sich rücklings auf das Leder. Mit einem Arm unter dem Kopf, blickt sie in den Himmel. Sie genießt das Bild, wie ihre Augen die Hochhäuser um sie herum aufnehmen.

»Verdammt Marley, bleib hier du scheiß Köter‼«, hört sie plötzlich jemanden brüllen. Sie blickt zur Seite und sieht einen schwarz-weißen Pointer in ihre Richtung laufen. Hinter dem Hund eine farbige Frau, die ihm panisch hinterherrennt.

»Bleib hier‼«, brüllt sie wieder. Eden kommt ein schrecklicher Gedanke, als sie das halbe Kalb auf sich zuwalzen sieht. Mit einem Satz springt sie von der Harley und streckt eine Hand nach dem Hund aus.

»Stop‼«, keift sie das arme Tier an. Sie hat keine Lust, dass der Hund ihr auf der Maschine in den Schoß springt und mit seinen Krallen eventuell den Lack ruiniert.

Wie auf Befehl hört der Hund, bremst seinen schnellen Gang ab und dribbelt dann im schlaksigen Schritt weiter auf sie zu. Als er bei Eden ankommt, steckt er plötzlich seinen Kopf zwischen ihre Beine. Verwirrt blickt sie zu ihm herunter. Sie hebt den Kopf, als sie sehen kann, dass die farbige Frau plötzlich abrupt stehen bleibt. Mit großen Augen wird sie von ihr angestarrt. Ihr wirrer Blick wandert zwischen ihr und dem Hund hin und her. Dann scheint sie sich wieder gefangen zu haben, weil sie die Leine in ihrer Hand etwas kräftiger nimmt und auf sie zugeht.

»Bitte entschuldigen sie! Das tut mir wirklich leid‼«

»Was macht der da?«, pfeffert Eden wütend herum und blickt zu dem Pointer herunter. Er hat seinen Kopf noch immer zwischen ihren Beinen stecken. Dabei wedelt er so stark mit dem Schwanz, dass er jedem Army-Hubschrauber mit dieser rotierenden Bewegung Konkurrenz machen kann.

»Verstecken spielen«, antwortet die Frau kurz, zückt die Leine und zieht den Hund von Edens Beinen.

»Verstecken spielen? Dieses Kalb kann man doch gar nicht übersehen‼«, schimpft sie weiter. Um das Fell auf der Hose loszuwerden, klopft sie sich auf den Innenseiten ihrer Schenkel herum.

»Nein, aber er denkt, dass er nicht gesehen wird.«

»Sie sollten das Kalb besser erziehen. So etwas kann böse enden.«

»Das weiß ich selber, aber er lässt sich von mir nichts sagen. Er hat immer nur auf sein Frauchen gehört. Sie war seine ganze Welt.«

»Dann sollte die was dagegen machen. Bestellen sie ihr schöne Grüße von mir. Ich werde ihr die Rechnung der Reinigung schicken‼«, schimpft Eden und klopft nochmal auf der Hose herum.

»Gerne. Die Adresse lautet, San Francisco National Friedhof, Lincoln Boulevard eins. Neve Preston steht auf dem Grab. Schönen Tag noch‼«, schmeißt die farbige Frau Eden sichtlich wütend entgegen und dreht sich auf der Stelle um. Erschlagen blickt diese ihr hinterher und könnte sich selbst für ihren dummen Kommentar ohrfeigen. Wie konnte sie nur? Wie konnte sie nur so einen Spruch ablassen? Aber woher sollte sie das denn wissen? Sie konnte es doch gar nicht wissen! Woher denn auch??

Peinlich berührt und beschämt, dreht sich Eden zur Harley um und vergisst sofort die Rechnung der Reinigung. Natürlich vergisst sie diese. Sie vergisst sie aber auch, weil ihr im Bruchteil einer Sekunde etwas einfällt. Neve Preston? Neve Preston?? Schlagartig hat sie das Bild der jungen Frau vor den Augen, die sie letzte Nacht in Polizeiuniform auf dem Computerbildschirm angelächelt hat.

Hektisch dreht sich Eden um und eilt der Frau mit dem Hund hinterher. Diese verschwindet hinter dem Zaun eines Basketballplatzes und setzt sich auf eine Bank, an der ein ebenfalls farbiger Mann steht. Neben ihr sitzt eine Frau, deren Hand einen Kinderbuggy hält.

 

Abrupt bleibt Eden stehen, als ihr ein Gedanke kommt. Offensichtlich kennt die Frau diese Neve Preston. Sie könnte Informationen haben, mit denen sie weiterarbeiten könnte. Aber wie kann sie an diese herankommen? Sie kann jetzt schlecht zu dem Platz gehen und sie über die ehemalige Polizistin ausquetschen. Sie würde mit Sicherheit nichts erfahren. Das heißt also, dass sie sich gedulden muss. Erst wieder arbeiten und dann dieser merkwürdigen und eigentlich geschlossenen Akte nachgehen. Es interessiert sie einfach, welche Verbindung zwischen dieser Neve und Sam bestand. Sie hat so viele Fragen im Kopf, die sie aber nicht beantworten kann.

Eden muss unbedingt wieder arbeiten gehen, denn nur so, kommt sie an die Akte und kann ihren Wissensdurst stillen. Verdammte Stahlplatte!

Wütend über ihren körperlichen Zustand, führt sie eine Hand an den Kopf und ertastet zuerst die kurzen stoppeligen Haare und dann die Narbe. Das wäre jetzt auch eine gute Gelegenheit einen Friseur zu suchen. Jemand der diesen Haufen Mist etwas besser aussehen lässt.

»Guck mal Daddy«, reißt eine quiekende Stimme Eden aus ihren Gedanken. Sie blickt flüchtig zum Platz und sieht einen farbigen Jungen auf den Schultern eines farbigen Berserkers sitzen. Er trägt den Jungen zum Basketballkorb, woraufhin dieser einen Ball schwungvoll und treffsicher zum Korb wirft. Ohne den Ring zu berühren, flutscht der Ball dort hindurch. Er rutscht am Netz herunter, bis er der Schwerkraft folgt und patschend über den Asphalt hüpft.

»Das war super, Damon‼«, ruft der farbige Mann von der Bank zu dem Jungen. Die beiden Frauen neben ihm klatschen begeistert Beifall, bis die jüngere von beiden sich zum Kinderbuggy vorbeugt. Sie greift hinein und holt ein farbiges Kind raus. Eden schätzt das Kind auf zwei Jahre. Plus / Minus ein halbes Jahr.

Mit vorsichtigen Bewegungen hebt die Frau das Kind hoch und lächelt sie voller Stolz an.

Eden tritt unauffällig näher an den Zaun und lauscht der Stimme der Frau, die freudig mit dem Kind spricht. Zuerst versteht sie nur kleine Fetzen, bis die Sätze deutlicher werden.

»Es ist ein absolutes Wunder, dass die Kleine diesen Kugelhagel tatsächlich überlebt hat. Neves Körper war ja vollständig durchsiebt«, haucht sie offensichtlich Gedankenverloren. Sie blickt in das kleine Gesicht des farbigen Mädchens, das über ihrem Kopf schwebt und sie quiekend anlächelt. Das Kind schaut die Frau mit großen braunen Augen neugierig an und grinst bis zu den Ohren.

»Ja, sie hat da schon bewiesen, dass sie ganz nach ihrer Mutter kommt. Eine kleine Kämpfernatur, die nicht so leicht aufgibt, nur weil es mal ein klein wenig eng wird«, bestätigt die farbige Frau neben ihr die Aussage und blickt ebenfalls zu dem Kind.

»Das hast du echt super gemacht, kleine Precious!« Sie streckt eine Hand nach dem Kind aus, um ihr über den Kopf zu streicheln.

Wie erstarrt blickt Eden zu dem Kind. Ungewollt muss sie schwer schlucken. Das stand nicht in der Akte. Dass diese Neve schwanger war, als sie erschossen wurde. Achtzehn Kugel hat ihr Körper empfangen und aus diesem Gemetzel haben die Ärzte tatsächlich noch ein lebendes Kind herausgeholt?? Das grenzt an ein Wunder! Das ist doch kaum möglich! Wie hat das Kind das nur gemacht? Ist sie in der Gebärmutter zwischen den Kugeln hin und her geflitzt? Wie kann ein Kind so einen Kugelhagel nur überleben?

Eden schluckt und wirft ihren Blick zu den Frauen zurück. Ok, dieses Kind gehört dieser getöteten Neve, aber was haben die beiden Damen damit zu tun?? Offensichtlich kannten sie Neve und standen ihr recht nahe. Warum sollten sie sich sonst um ihr Kind kümmern? Vor allem, wie erklären sie dieser Precious später, wo ihre leibliche Mutter ist? Sie wird sie niemals kennenlernen. Sie wird sie niemals in die Arme nehmen können, um ihr zu sagen, dass sie sie lieb hat. Sie wird niemals den Duft ihrer Mutter einatmen können. Niemals wird sie von ihr abends ins Bett gebracht. Niemals wird sie ihr ihre Wunden versorgen können. Niemals werden Mutter und Tochter die schwere Zeit der Pubertät gemeinsam meistern müssen. Precious wird zwar offensichtlich mit viel Liebe und Hingabe großgezogen, aber es wird immer die leibliche Mutter fehlen. Etwas was niemals ersetzt werden kann. Wie kann man als Mensch auch nur so ein egoistisches Arschloch sein und eine hochschwangere Frau erschießen? Diese Neve hatte augenscheinlich einen Plan für ihr weiteres Leben. Sie wollte eine Familie gründen! Aber wollte sie auch der Kriminalität den Rücken kehren, um sich voll und ganz um ihr eigen Fleisch und Blut zu kümmern?

Erneut schluckt Eden schwer. Erst jetzt bemerkt sie, wie ihr eine Träne die Wange entlangläuft. Was zum…? Sie nimmt sie mit einem Finger weg, schaut auf die salzige Flüssigkeit und wischt es sich mit einer flüchtigen Bewegung an der Hose ab. Was soll das? Wieso entweichen ihr Tränen, wenn sie über eine kriminelle Frau nachdenkt? Vielleicht deshalb, weil dieses Kind für immer alleine sein wird? Egal wie viele Menschen sich um sie kümmern, sie wird immer alleine sein. Denn die Liebe einer Mutter, ist das was ein Kind voll und ganz erfüllt.

Mit einem Ruck reißt sich Eden herum, eilt zu ihrer Harley, startet sie hart und rast mit quietschenden Reifen vom Basketballplatz weg. Verdammt, diese Neve wurde mit einem Kind im Bauch erschossen und dieses wird ohne Mutter aufwachsen. Wie krank ist diese Welt eigentlich?

Ohne einen Frisör aufgesucht zu haben, verschließt sie sich den Rest des Tages in ihrem Horrorzimmer und saugt jede einzelne Information der Akten von Neve und Sam auf. Sie durchforstet das Internet und erfährt lediglich, dass es einer der typischen Bandenkriege war. Ein Rachefeldzug der Dead Rabbits an den Five Dogs! Schon wieder diese verdammten Kaninchen!

Bis tief in die Nacht arbeitet sich Eden durch sämtliche Informationen und stellt erstaunliche Sachen fest. Nach der Eingabe des Namens Samantha Rodriguez, spuckte ihr die Suchmaschine eine Autowerkstatt aus, die den Namen Rodriguez T.I.R. trägt. Ebenso eine Baufirma mit dem Namen Richmond & Rodriguez Immobilien. Was?? Warum bringt diese Samantha sich nach zehn Jahren Knast um, wenn sie auf freiem Fuß erfährt, dass sie zwei Firmen besitzt? Was zum Teufel hängt da nur dran? Was stimmt an dieser Geschichte nicht? Was ist da abgelaufen?

Eden erfährt, dass dieser Richmond nach Sams Tod beide Firmen aufgekauft hat, die Firmennamen aber beibehält. Ein kluger Schachzug. Denn nach dem amerikanischen Recht, wären beide Firmen an den Staat gegangen. Das wollte dieser Michael Richmond offensichtlich verhindern. Michael Richmond, noch ein Name der in dieser merkwürdigen Verbindung steht. Noch ein Name, den sie überprüfen wird, wenn sie wieder arbeiten geht. Und das muss definitiv schnell passieren. Sie hält diesen Nervenkitzel kaum noch aus. Diese Anspannung um das fehlende Wissen, erträgt sie kaum noch. Sie muss arbeiten, verdammt.