Unter der Sonne geboren - 1. Teil Der kleine König

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Die geliebte Mutter

Anna Maria Mauricia von Spanien, genannt von Österreich gemäß ihrem spanischen Namen Ana de Austria bzw. ihrem späteren französischen Namen Anne d'Autriche wurde am 22. September 1601 in Valladolid geboren. Ihr Vater war Philipp III. von Spanien, ihre Mutter Margarete von Österreich. Am 21. November 1615 wurde sie mit dem jungen französischen König Ludwig XIII. in der Kathedrale Saint-André in Bordeaux getraut.

Bereits am 9. November trafen zwei prunkvoll gekleidete junge Mädchen auf der eigens für diesen Anlass erbauten hölzernen Brücke zusammen, welche die Ufer des Bidassoa verband, des Flüsschens, das die Grenze zwischen Frankreich und Spanien markierte. Die jüngere (sie war erst dreizehn Jahre alt) war Elisabeth von Frankreich, die Zweitgeborene Heinrichs IV. und Marias de' Medici, die in Bordeaux per Ferntrauung mit dem Prinzen von Asturien, dem zukünftigen König Philipp IV., vermählt worden war und ihr Heimatland nun für immer verließ, um ihrem Schicksal in Spanien entgegenzugehen. Die ältere, die fünfzehn Jahre alt war und in die entgegengesetzte Richtung ging, war Anna von Österreich, die Tochter des Königs Philipp III. von Spanien und Margarethes von Osterreich. Sie war bereits in Madrid per Prokura zur Gemahlin Ludwigs XIII., des Königs von Frankreich, geworden.


Heirat zwischen Ludwig XIII. und Anna von Österreich im Jahr 1615

Die verewigte Szene vom Austausch der beiden Prinzessinnen stellt den Triumph der prohabsburgischen Politik der Regentin dar. Tatsächlich hatte sie diese beiden Hochzeiten in die Wege geleitet, die den Frieden zwischen den Kronen befestigen und das Einverständnis zwischen den katholischen Mächten stärken sollten. All das ließ vermuten, dass sie die junge Schwiegertochter mit offenen Armen empfangen würde. Das Gegenteil geschah: Maria tat alles, um die von ihr so innig ersehnte Verbindung zu einem Desaster zu machen, indem sie wieder einmal den eigenen Machtwillen über das Glück des Sohnes stellte.

Die Feindseligkeit, mit der Maria und Richelieu Anna von Österreich begegneten, wurde auch dadurch befördert, dass fast der ganze Hof dem Zauber der jungen Königin erlegen war. Angeblich gehörte der Kardinalminister selbst zum Kreis der von ihr verschmähten „Galane“ und grollte ihr darum.

Anna war schön und sich ihrer hohen Abstammung wohl bewusst. Sie stammte aus einer Familie, die in Eintracht gelebt hatte, und war umgeben von Zuneigung aufgewachsen. Ihr Vater liebte sie zärtlich, und ihre Mutter, die im Ruf der Heiligkeit starb, „hatte sich rührend um ihre Erziehung gekümmert, indem sie ihr Gefühle ein-flößte, die den ihren ähnlich waren; und das hatte bei Anna jene große Liebe zur Tugend entstehen lassen, mit welcher sie sich die göttliche Gnade erworben hatte, Gott ihr ganzes Leben lang allem anderen vorzuziehen“.

Überdies galt Anna als „eine der großen Schönheiten des Jahrhunderts“. Lesen wir, wie sie von Madame de Motteville an der Schwelle zum dreißigsten Lebensjahr erinnert wird, also in einem Alter, das für die Frauen jener Zeit gefährlich an die Reife grenzte: „Ihre sehr dichten Haare waren ein wenig dunkler geworden. Ihr Teint war nicht besonders zart, ihre Nase sogar zu groß, auch tat sie, der spanischen Mode gehorchend, zu viel Rouge auf ihre Wangen; aber ihre Haut war so weiß und schön, wie man keine andere je sah. Ihre Augen waren von vollendeter Schönheit: daraus leuchteten Sanftmut und Majestät; ihre Augenfarbe, mit grünen Einsprengseln, machte ihren Blick noch lebhafter (...) Ihr Mund war klein und zinnoberrot, ihr Lächeln zauberhaft, und was ihre Lippen vom Hause Habsburg geerbt hatten, war just das, was genügte, sie schöner als viele andere zu machen, die sich einbilden, die vollkom-mensten zu sein. Die Form ihres Gesichts war anmutig und die Stirn edel gezeichnet. Hände und Arme waren von erstaunlicher Schönheit, und ganz Europa hat das Loblied auf sie vernommen: Ihr Schimmer glich, ohne jede Übertreibung, dem des Schnees (...) Jeder, der sie erblickte, wurde von ihrem großen Reiz und ihrer Schönheit verführt, ohne doch Verehrung und Respekt ihr gegenüber zu vergessen.“

Zu dem Stolz auf ihre Herkunft, zu ihrem Glauben, ihrer Tugend und Schönheit gesellte sich bei der jungen Königin eine große Lebenslust. Sie war fröhlich, geistreich und anziehend, liebte Geselligkeit, „erbauliche Konversation“, Vergnügungen, Eleganz und Raffinement und war verrückt nach dem Theater.

Während des langen Leidensweges ihrer Ehe, in der sie die Gefangene einer unerwartet schwierigen Situation war, außer den Briefen des Vaters und des Bruders keinen tröstenden Zuspruch hatte.

Ihr blieb nur die Gesellschaft der wenigen spanischen Dienerinnen blieb, die nicht nach Hause geschickt worden waren, dennoch ließ ihr heiteres Wesen Anna nie im Stich. In ihren französischen Hof-damen, die jung, schön und fröhlich waren wie sie, fand sie Freundinnen und Komplizinnen. Obwohl die Königinmutter, Ludwig XIII. und Richelieu jede einzelne dieser Damen sorgfältig auswählten, ohne Anna je nach ihrer Meinung zu fragen, obwohl jeder aufgetragen wurde, Anna auszuspionieren und zur Ordnung zu rufen, wechselten sie alle früher oder später auf ihre Seite über und wären bereit gewesen, sich für sie umbringen zu lassen. Sie verbündeten sich miteinander, um die Langeweile der endlosen Stunden zwischen den Zeremonien zu bekämpfen, um in gemeinsamen Phantasien den dunklen, trostlosen Sälen des Louvre zu entfliehen, um zusammen zu lachen, zu scherzen und sich über den König und den Kardinal mit ihren machiavellistischen Strategien lustig zu machen. Freilich waren nicht alle vorsichtig genug, und auch Anna neigte dazu, über die Stränge zu schlagen.


Anna mit ihren Söhnen, 1646

1618 übertrug der König der Frau seines Favoriten, der wunderschönen Herzogin von Luynes, das Amt der Oberintendantin für das Haus der Königin. Marie de Rohan-Monbazon war damals achtzehn Jahre alt - im selben Alter wie Anna -, und kaum einer konnte sich ihrem Charme entziehen. Die Frau, die die größte Abenteurerin des Jahrhunderts werden sollte, hatte nichts anderes im Sinn, als sich zu amüsieren, und verbreitete mit ihrer Koketterie, ihrer Intelligenz und ihrem Temperament überall Fröhlichkeit - sie war also genau der Mensch, den die Frau Ludwigs XIII. brauchte, damit ein wenig frische Luft in die bleierne Atmosphäre ihres Daseins drang.

Als die Königin 1622 endlich schwanger wurde, machte die Nachricht sie nicht weniger glücklich als ihren Mann. Doch eines Abends, Anna kehrte gerade zusammen mit der Herzogin von Luynes und einer anderen Ehrendame in ihre Gemächer zurück, ließ sie sich vom fröhlichen Übermut ihrer Gefährtinnen mitreißen. Die drei hakten sich unter und stürmten im Laufschritt durch den großen, im Halbdunkel liegenden Thronsaal, die Königin stürzte und verlor das Kind. Unmissverständlich offenbarte Ludwigs Reaktion, wie erbarmungslos er sein konnte:

Nicht nur zeigte er kein Verständnis für den Schmerz seiner Frau, er bestrafte sie auch, indem er ihre beiden Vertrauten entließ; und von dem Moment an hegte er einen unauslöschlichen Groll gegen seine Frau.

Statt endgültig zu resignieren und sich strengsten Gehorsam aufzuerlegen, beharrte Anna auf ihrer Lust nach gelegentlicher Ablenkung. Zu weit verhängnisvolleren Leichtfertigkeiten sollte sie fünf Jahre später das Eintreffen des Herzogs von Buckingham in Paris verleiten. Und dieses Mal war die Verantwortung der Herzens-freundin unleugbar. Marie de Rohan war nach ihrer Entfernung vom Hof hocherhobenen Hauptes und in einer unanfechtbaren Position zurückgekehrt, denn nach dem Tod des Konnetabel de Luynes hatte sie Claude de Lorraine geheiratet, den Herzog von Chevreuse, einen der einflussreichsten Männer Frankreichs.

Versuchen wir einen Moment lang, jene Version dieser berühmten Geschichte zu vergessen, die Alexandre Dumas in seinen Drei Musketieren geboten hat, und halten uns an die Aussagen der Zeitgenossen. Und wieder einmal werden wir feststellen müssen, wie stark die weibliche Auffassung von „ehrlicher Galanterie“ im Licht der Fakten von der männlichen abweicht.

Als der Herzog von Buckingham im Mai 1625 mit der Aufgabe nach Paris kam, Henriette Maria, die jüngste Tochter von Heinrich IV. und Maria de' Medici, nach England zu holen, die soeben per Prokura mit dem Prinzen von Wales - dem zukünftigen englischen König Karl I. - verheiratet worden war, war ihm sein Ruf längst vorausgeeilt. Der Favorit Jakobs I., kaum älter als dreißig, von schlankem Wuchs mit kräftigen Schultern, ebenmäßigen Zügen und wunderschönen schwarzen Augen, stand damals auf dem Gipfel seiner Macht und seines Ruhmes, und die sexuelle Anziehung, die er auf seinen König ausübte, hinderte ihn nicht daran, Frauen zu lieben und als unwiderstehlicher Verführer zu gelten.


Herzog von Buckingham

„Er war Wohlgestalt, mit einem schönen Gesicht; er hatte eine großherzige Seele, war erhaben, freisinnig und der Günstling eines großen Königs. Wollte er sich schmücken, konnte er über sämtliche Schätze und alle Juwelen der englischen Krone verfügen.

Man darf sich nicht wundern, dass er angesichts all seiner schönen Vorzüge kühne Gedanken hegte, dass er edle, aber gefährliche Wünsche hatte.“ So sollte die gestrenge Madame de Motteville in ihren Memoiren jene Geschichte einleiten, die den makellosen Ruf ihrer Königin gefährdet hatte, denn - wenigstens das musste sie an-erkennen - „der Herzog von Buckingham war der einzige, der die Verwegenheit besaß, ihr Herz zu erstürmen“.

 

Der Herzog hatte nur wenige Tage Zeit, um sein Vorhaben auszuführen, nämlich die Königin zu folgendem Eingeständnis zu bewegen: „Wenn je eine honnete femme jemand anders als den eigenen Ehemann lieben konnte, wäre er der einzige gewesen, der ihr hätte gefallen können.“ Freilich hatte sich die Freundin der Königin, Madame de Chevreuse, zuvor schon in jeder Weise bemüht, ihm den Weg zu ebnen.

Mit fünfundzwanzig Jahren begnügte Marie sich nicht mehr mit unschuldigen Spielchen und scheute nicht einmal davor zurück, ihren Ehemann offen zu betrügen. „Sie liebte wahllos, einfach nur, weil sie jemanden lieben musste“, schrieb der Kardinal von Retz über sie, und „niemals zeigte eine Frau mehr Verachtung für Gewissens-skrupel, denn sie sah es als ihre einzige Pflicht an, dem Geliebten zu gefallen“. Und da der Zufall es wollte, dass ihr damaliger Liebhaber Lord Holland war, der Botschafter Englands, versprachen sich die beiden, „um ihre Leidenschaft zu ehren“, dafür zu sorgen, dass „eine nützliche und auch galante Verbindung zwischen der Königin und dem Herzog von Buckingham“ entstand.

Als der Gesandte des Königs von England mitten in den Hochzeitsfeierlichkeiten im Louvre auftauchte und bei seinem Gang durch die Menge eine Spur aus Diamanten hinter sich ließ, die nach und nach von seinem Festgewand zu Boden fielen und für die Hofdamen bestimmt waren, wusste Anna von Österreich bereits alles über ihn. Und sie wusste, dass er sie liebte, seit er sie bei einem inoffiziellen Besuch in Paris heimlich bewundert hatte, während sie, die Schönste der Schönen, auf einem Hofball tanzte.

Ohne etwas von der Intrige zu ahnen, die man hinter ihrem Rücken spann, empfing die Königin Buckingham als den idealen Kavalier in ihren Diensten. Die Königin, berichtet La Rochefoucauld, „erschien ihm noch liebenswerter, als er sich vorzustellen vermocht hatte, während sie in ihm den Mann sah, der in höchstem Grade würdig war, sie zu lieben.

Ihre erste offizielle Audienz nutzten die beiden, um von Dingen zu sprechen, die sie lebhafter interessierten als die Angelegenheiten der beiden Königreiche, sie ließen sich also gänzlich von den Antrieben ihrer Leidenschaft beherrschen.“

Begünstigt von der Abwesenheit Ludwigs XIII., den eine Krankheit in seinen Gemächern festhielt, und unterstützt von ihrer Komplizin Madame de Chevreuse, hatten Anna und Buckingham neun Tage lang Gelegenheit, sich unter den neugierigen Blicken des ganzen Hofes miteinander zu vergnügen; danach brach der Herzog mit Henriette Maria nach England auf.


Madame de Chevreuse

Das Protokoll verlangte, dass Mutter und Schwiegertochter die junge Braut bis zu dem Schiff geleiteten, das sie nach England bringen sollte; doch der König, dem wahrscheinlich zugetragen worden war, wie stürmisch Buckingham seiner Frau den Hof gemacht hatte, verfügte, dass die beiden Geleitzüge unterschiedliche Wege nehmen und sich erst in Amiens, der letzten Etappe auf französischem Territorium, wieder vereinen sollten, um dort neun Tage zusammen zu verleben. In der festlich geschmückten kleinen Stadt wagte der Herzog das Unvorstellbare, ohne sich um den Ruf der geliebten Frau zu kümmern. Am Abend des 15. Juni eilte er zu der Königin, die gerade in Gesellschaft ihres Gefolges im Garten des Hauses spazieren ging, in dem sie logierte, und versuchte, sie zu besitzen. Zeitgenössische Memoiren bieten uns fünf verschiedene Versionen des Ereignisses zur Auswahl an. Madame de Motteville zufolge wollte es der Zufall, dass Buckingham einen Augenblick lang ausgerechnet dort mit der Königin allein war, wo die Allee durch eine Palisade vor Blicken geschützt war. „Überrascht, sich plötzlich allein wiederzufinden, und offensichtlich belästigt durch das ungezügelte, leidenschaftliche Drängen des Herzogs“, stieß Anna „einen Schrei aus, und nachdem sie ihren Großstallmeister herbeigerufen hatte, tadelte sie ihn, weil er sich entfernt hatte“. (In der Version von La Rochefoucauld dagegen weilte die Königin nach ihrem abendlichen Spaziergang allein in einem Pavillon, als Buckingham sich ihr näherte und „versuchte, die günstige Gelegenheit zu nutzen, wobei er einen so großen Mangel an Respekt bewies, dass die Königin gezwungen war, ihre Da-men zu Hilfe zu rufen, wiewohl es ihr nicht gelang, den Zustand der Verwirrung und Unordnung, in dem sie sich befand, gänzlich zu verbergen“.

Nach Ansicht des treuen Kammerdieners La Porte, der später von Ludwig XIII. bestraft wurde, weil er seine Herrin allein gelassen hatte, war der Herzog in seiner Kühnheit so weit gegangen, die Königin „liebkosen“ zu wollen, wohingegen der respektlose Tallemant des Reaux behauptet, der Galan habe „die Königin zu Boden geworfen und ihr mit seinen hohen, bestickten Schaftstiefeln die Haut an den Oberschenkeln aufgeschürft, jedoch vergebens“. Immerhin stimmen alle Zeugnisse in einem wesentlichen Punkt mit Madame de Motteville überein: Da sie um Hilfe rief, hatte die Königin ihre Unschuld schützen wollen, auch auf die Gefahr hin, zum Gespött der Leute zu werden und sich die Missbilligung des Königs zuzuziehen. Doch der Zwischenfall war zu aufsehenerregend gewesen, um in Vergessenheit zu geraten, und in der Absicht, weiteren Skandalen vorzubeugen, verlegte die Königinmutter die Abreise ihrer Tochter nach England auf einen früheren Termin.

Als der Moment der Trennung von Anna kam, konnte Buckingham seine Tränen nicht zurückhalten. Schon in Montreuilsur-Mer angekommen, beschloss er, nach Amiens zurückzukehren, um sich ein letztes Mal von der Königin zu verabschieden. Ohne an die Gefahren zu denken, denen er die Königin durch sein Verhalten aussetzte, drang Buckingham in ihr Zimmer ein, warf sich tränenüberströmt und vor Liebe wie von Sinnen vor dem Bett, in dem sie nach einem soeben erhaltenen Aderlass lag, auf die Knie und bedeckte das Laken mit Küssen. Überrascht und peinlich berührt, blieb Anna

stumm, während ihre Gesellschaftsdame den Herzog streng zurechtwies, bis dieser sich zurückzog. Am nächsten Tag reiste Buckingham nach einem kurzen, protokollarischen Abschied nach England ab. Der Herzog sollte Anna nie wiedersehen.

Seine zahlreichen Versuche, nach Frankreich zurückzukehren, scheiterten am entschiedenen Einspruch Ludwigs XIII., doch das hinderte ihn nicht, Anna weiterhin zu kompromittieren, indem er seine Leidenschaft zu ihr offen bekannte und sich wie ein Romanheld gebärdete.

Bei seiner Rückkehr nach London bemerkte er, dass seine ehemalige Geliebte, Lady Carlisle - die Milady bei Dumas -, die sich als internationale Spionin betätigte wie Madame de Chevreuse, ihm beim Tanzen zwei der diamantenbesetzten Spangen entwendet hatte, die Anna von Österreich ihm geschenkt hatte.Und die ihr wiederum von ihrem Ehemann geschenkt worden waren!

Da Lady Carlisle die Spangen als Beweis für Annas Verfehlung an Ludwig XIII. und Richelieu schicken wollte, gab Buckingham den Befehl, zwei Tage lange alle englischen Häfen zu schließen, und ließ Anna eine von seinem Juwelier in Rekordzeit angefertigte, exakte Kopie der gestohlenen Spangen zusenden. La Rochefoucauld ist der einzige, der diese Episode erwähnt, aber er könnte die Information von Madame de Chevreuse erhalten haben, mit der er angeblich eine Affäre begonnen hatte. Sicher ist, dass in dem Verzeichnis ihrer Schmuckstücke, das beim Tod Annas von Osterreich angelegt wurde, sechs mit Diamanten besetzte Spangen im Gesamtwert von 7000 Livre auftauchten.

Doch das Maß der Unbesonnenheit Buckinghams war noch nicht voll, denn er trieb seine Regierung sogar zu einer glücklosen Militäraktion gegen Frankreich. Die englische Flotte sollte den aufständischen französischen Protestanten, die in La Rochelle belagert wurden, zu Hilfe kommen. Und damit auch ja alle den wahren Grund erfuhren, der ihn zu dieser Expedition bewogen hatte, verwandelte er den Salon seines Admiralsschiffes in eine Art Votivkapelle, wo Annas Porträt auf einem von unzähligen Kerzen beleuchteten Altar stand. Natürlich wusste der Herzog, dass seine Indiskre-tion verhängnisvolle Konsequenzen für die geliebte Frau haben konnte, doch Eitelkeit war bei ihm stärker als jedes andere Gefühl. Was nützte es ihm, der wunderbarsten aller Königinnen zu dienen, wenn er sich dessen nicht rühmen konnte?

Obwohl sie nicht schuldig war - „zumindest nicht vom Gürtel an abwärts“, wie man bei Hofe flüsterte -, musste sich Anna dennoch vorwerfen lassen, dass sie mehrmals leichtsinnig gehandelt und die einer französischen Königin auferlegte Zurückhaltung nicht gewahrt hatte. Damit verlor sie endgültig die Achtung ihres rachsüchtigen Ehemanns, der seiner Würde als König alles andere zu opfern pflegte und bei dem „nur die Eifersucht an einen Verliebten erinnerte“.

Obwohl von Ludwig XIII. mit eisiger Distanz behandelt, ihrer vertrauten Gesellschafterinnen beraubt, überwacht wie eine Spionin, von Richelieu bedrängt und ständig mit Verstoßung bedroht, da sie dem König noch immer keinen Erben hatte schenken können, beging Anna von Österreich weiterhin eine Unvorsichtigkeit nach der anderen.

So ließ sie sich mehr oder weniger offen in verschiedene Komplotte gegen den Kardinalminister verwickeln, die alle unweigerlich zum Scheitern verurteilt waren. Doch die bei weitem härteste Prüfung musste die Königin 1637 überstehen - und dieses Mal war ihre Schuld schlechterdings nicht zu leugnen.

Der einzige Trost, den Anna noch besaß, war die briefliche Verbindung mit ihrer Familie, die nicht einmal dann abbrach, als Frankreich und Spanien im Mai 1635 offiziell in den Krieg traten. Da dieser Krieg von dem Minister gewollt war, den sie hasste, und es sich um einen Krieg handelte, der die katholische Welt spaltete, zö-gerte die Königin nicht, den Spaniern nützliche Informationen zukommen zu lassen. Anna wusste, dass sie überwacht wurde, und sandte die Briefe daher nach Val-de-Gräce, in das Kloster, das sie 1621 gegründet hatte und wohin sie sich gewöhnlich zum Gebet zurückzog. Die Schreiben wurden dann an den getreuen La Porte weitergeleitet, der sie mit unsichtbarer Tinte in Geheimschrift transkribierte und mittels zuverlässiger Gehilfen an ihre Adressaten schickte. Trotz all dieser Vorsichtsmaßnahmen entdeckten Richelieus Spione den Briefwechsel schon bald und fingen mehr als einen Brief ab, doch der Kardinal entschloss sich erst im August 1637, die Falle zuschnappen zu lassen.

La Porte wollte gerade den Louvre verlassen, in der Tasche einen Brief für Madame de Chevreuse - die damals auf Befehl des Königs in ihre Heimatregion verbannt worden war -, als er verhaftet und in die Bastille gebracht wurde, wo er man ihn scharfen Verhören unterwarf und ihm die grausamste Folter androhte. Bei der Durchsuchung seiner Gemächer war nicht mehr ans Licht gekommen als einige Briefe von Madame de Chevreuse. Die Schergen hatten weder den Schlüssel zur Geheimschrift noch das Siegel der Königin gefunden, da beides in einem Hohlraum in der Wand versteckt war. Auch die Nachforschungen in Val-de-Gräce waren ergebnislos geblieben, denn dort hatte man das eiserne Schweigen der Klosterfrauen nicht brechen können. Aber all das konnte La Porte nicht wissen.

Obwohl er außerordentlich mutig und entschlossen war, allen Einschüchterungen zu widerstehen, fürchtete er, dass seine Strategie, bis zum letzten Moment zu leugnen, einen Widerspruch zu dem bilden könnte, was die Königin selbst möglicherweise gestand.

Tatsächlich war auch gegen Anna von Österreich Anklage erhoben worden, und sie hatte selbstgewiss gewirkt, bis man ihr die Kopie eines Briefes zeigte, den sie an ihren Onkel, den Kardinal-Infanten, geschrieben hatte. Von dem Moment an war sie zu einer Reihe von Eingeständnissen gezwungen. Doch wie sollte man La Porte, der unerreichbar in einer streng bewachten Zelle saß, wissen lassen, was er sagen musste, um seine Herrin nicht Lügen zu strafen und sie endgültig ins Verderben zu stürzen? Da kam den Freunden Annas von Österreich die Phantasie zu Hilfe. Anhand der Memoires von La Porte können wir den Ablauf des unglaublichen Abenteuers re-konstruieren, bei dem die Königin sich geradezu in eine Romanheldin verwandelte.

Als Kammerzofe verkleidet, erschien die schöne Marie d'Hautefort, die den Verführungskünsten Ludwigs XIII. die Freundschaft mit der Königin vorgezogen hatte, vor der Bastille und bat darum, mit dem Kommandanten de Jars sprechen zu dürfen, der wegen einer Verschwörung gegen Richelieu im Gefängnis gelandet war. Nach-dem Marie ihm die Lage geschildert hatte, erklärte der Kommandant sich bereit, für die Königin zu sterben. Er bohrte ein Loch in den Boden seiner Zelle und ließ ein Billett in die darunterliegende Zelle hinab, das deren Insasse auf die gleiche Weise an La Porte weiterreichte, der in einer Zelle im unteren Stockwerk eingeschlossen war. Und so spielte Annas Diener, über alles belehrt, was er sagen durfte, seine Rolle perfekt. Zunächst wartete er ab, um keinen Verdacht zu erregen, dann gestand er nur das, was seine Inquisitoren ohnehin schon wussten.

 

Trotz dieses Aufgebots an Großherzigkeit und Mut war Anna gezwungen, auf, gelinde gesagt, demütigende Weise zu kapitulieren. Sie wurde wie eine Verbrecherin verhört und dazu getrieben, einen Meineid zu schwören. Der Kanzlist Seguier, behauptet La Porte, wagte sogar, sie anzufassen, um zu überprüfen, ob sie in ihrem Korsett verräterische Dokumente versteckt hatte. Ludwig verlangte als Gegenleistung für seine Vergebung ein schriftliches Schuldgeständnis, das mit dem Versprechen schloss, „nie wieder in dergleichen Fehler zu verfallen und fortan mit dem König zu leben (...) wie eine Frau, die keine anderen Interessen hat als diejenigen Seiner Person und des Staates“. Außerdem musste sie sich verpflichten, die Verhaltensregeln, die Ludwig XIII. schriftlich für sie niedergelegt hatte, „peinlich genau zu befolgen“.

Doch nicht nur die bezwungene Königin war von nun an die Gefangene ihres Mannes, auch Ludwig selbst befand sich in einer ausweglosen Situation. Objektiv hatte er Grund genug, sich von einer Frau, die ihm feindlich gesinnt war und ihm nicht einmal einen Erben hatte schenken können, beleidigt und verraten zu fühlen. Zu keinem anderen Zeitpunkt muss er so intensiv über die Möglichkeit nachgedacht haben, sie zu verstoßen, wie nach der Entdeckung ihrer heimlichen Korrespondenz zum Schaden des Staates. Doch er war zu fromm, um eine Lösung zu wählen, die ihn zu einem Kom-promiss mit seinem Gewissen gezwungen hätte, also fand er sich damit ab, sein trauriges Eheleben fortzusetzen, sorgte jedoch dafür, dass seine Frau sich ihm nicht mehr widersetzen und keinen Schaden durch Verschwörungen mehr anrichten konnte. Anna ihrerseits hatte sich schon verloren geglaubt, und diese bittere Versöhnung übertraf ihre kühnsten Hoffnungen. Wie hätte sie sich auch vorstellen können, dass ihr Leben sich schon wenige Monate später tief-greifend verändern würde? Zu Beginn des Jahres 1638 entdeckte die inzwischen fast vierzigjährige Königin, dass sie in anderen Um-ständen war, und nach einer Schwangerschaft ohne Zwischenfälle gebar sie am 5. Dezember im Schloss Saint-Germain-en-Laye einen Sohn, dem der Name Louis-Dieudonne gegeben wurde.

Seit sie Spanien dreiundzwanzig Jahre zuvor verlassen hatte, war Anna von Österreich nicht mehr so glücklich gewesen. Dieser unverhoffte Sohn war nicht nur ihre Rettung, sondern entschädigte sie auch für all ihr Leiden, denn er füllte mit seiner Gegenwart die emotionale Leere, die sie umgab. In einer Epoche, in der die Mut-terliebe noch kein Gefühl eigenen Rechts war, da sie vom Interesse am Fortbestand der Familie kaum unterschieden wurde, entdeckte Anna, welche Freude es war, dieses Geschöpf, das Gott ihr nach so vielen Gebeten endlich geschenkt hatte, über alles zu lieben. Mit der Geburt Philipps, des Herzogs von Anjou, zwei Jahre später war ihr Glück vollkommen, doch ihre große Zuneigung zu dem Zweitgeborenen sollte niemals der Verehrung gleichkommen, die sie für den Dauphin empfand.

Die Geburt der Söhne konnte das Misstrauen des Königs gegenüber seiner Frau nicht abschwächen, doch das Verhalten der Königin änderte sich durch dieses Ereignis grundlegend.

Da man ihr weiterhin kalt und mit Argwohn begegnete, sie von den Regierungsgeschäften fernhielt, ja sie nicht einmal bei der Erziehung der Prinzen um Rat fragte, so dass sie in der Angst lebte, man könne sie von den Kindern trennen, war sie nachgiebig, vorsichtig und misstrauisch geworden und hielt sich strikt aus den neuen Verschwörungen gegen Richelieu heraus. Im Gegenteil, sie zeigte sich höchst ehrerbietig gegenüber dem Kardinalminister und bat ihn sogar, sich bei ihrem Gemahl für sie zu verwenden. Freilich verfolgte Anna mit diesem Verhalten nicht nur eine defensive Strategie, sie dachte auch an die Zukunft. Alles deutete darauf hin, dass sowohl Ludwig XIII. als auch Richelieu - die beide schwerkrank waren - nicht mehr lange leben würden, und eine Regentschaft schien unvermeidlich. Es galt jedoch abzuwarten, wer von beiden als erster gehen würde.

Es war Richelieu, der im Dezember 1642 starb, nachdem er die letzte der vielen Verschwörungen gegen seine Person blutig erstickt und auch den König, einen ihrer heimlichen Helfershelfer, bestraft hatte, indem er ihn zwang, seinen letzten Günstling, Monsieur le Grand, den schönen Marquis de Cinq-Mars, aufs Schafott zu schicken. Dem Beichtvater, der den auf dem Sterbebett liegenden Richelieu aufforderte, seinen Feinden zu vergeben, entgegnete er, seine einzigen Feinde seien die Feinde des Staates. Er starb, von allen gehasst, beginnend mit dem König, dem er so lange gedient hatte, doch er starb in der stolzen Gewissheit, dem Vorsatz treu geblieben zu sein, den er zwanzig Jahre zuvor ausgesprochen hatte, als er sein Ministeramt antrat: „Die Partei der Hugenotten schlagen, den Hochmut der Großen beschämen, alle Untertanen zwingen, ihren Pflichten nachzukommen, und den ausländischen Nationen Re-spekt vor dem Namen des Königs auferlegen.“ An dieses Regierungsprogramm ihres ärgsten Feindes sollte Anna sich zu gegebener Zeit erinnern und alles daransetzen, es auszuführen.

Was Furcht war, wusste Anna selbst nur zu gut. Bevor sie dem König die beiden Söhne geschenkt hatte, war sie jahrelang ein Nichts gewesen und ohne einen Menschen, dem sie vertrauen konnte. Nicht einmal das Sakrament der Ehe hätte sie davor bewahrt, verstoßen zu werden, wenn ihr Gatte behauptet hätte, sie - nur sie allein - sei für die Kinderlosigkeit der Ehe verantwortlich.

Der Papst in Rom hätte einer Annullierung ohne Zögern zugestimmt, und es wäre gewesen, als hätte es die Verbindung von Ludwig und Anna niemals gegeben. Der König hätte sich erneut vermählt, während Anna froh sein musste, wenn man ihr gestattete, an den Hof ihres Bruders zurückzukehren. Da Spanien aber Feindesland war, hätte sich der französische König ganz sicher vor Geheimnisverrat geschützt und die unbequeme Mitwisserin lieber in ein Kloster abgeschoben, dessen Türen sich nie mehr für sie öffnen würden.

Anna zweifelte nicht daran, dass sie von Spionen umgeben war. Die meisten von ihnen standen im Dienst ihres Gemahls, der Anna mit seinem Argwohn verfolgte und ihr sogar unterstellte, sie plane gemeinsam mit ihrer Freundin, der Herzogin von Chevreuse, seine Ermordung, um sich danach mit seinem eigenen Bruder, Gaston

von Orleans, den Thron zu teilen. Auch einen Verrat zugunsten ihres Bruders traute er ihr zu sowie Kollaboration mit England. Letzteres ließ sich nur mit der Kränkung erklären, die Anna ihrem Gatten in den ersten Jahren ihrer Ehe zugefügt hatte, als sie sich für aller Augen erkennbar in den schönen Briten Buckingham verliebt und damit Schande über die königliche Ehe gebracht hatte. Ihre Kammerfrauen und Diener hielten zu ihr. Das missfiel dem König, und so verschwanden nach und nach Annas Getreue hinter den Gefängnismauern der Bastille.

Das Leben aber hatte Anna eines Besseren belehrt. Manchmal fragte sie sich, ob sie an der Seite eines spanischen Granden, der so dachte und fühlte wie sie, nicht glücklicher geworden wäre und ob ihr schrecklicher Gemahl Ludwig sich nicht vielleicht auch nach einer Frau sehnte, die von den gleichen Traditionen und Anschauungen geprägt war wie er selbst. Einer solchen Gemahlin hätte er vielleicht vertraut. Er hätte keine Feindin in ihr gesehen und keine gefährliche Gefangene.

Nur gegen den Widerstand ihrer Umgebung hielt Anna an den Gewohnheiten ihrer Jugend fest: Sie ging spät zu Bett und schlief dafür fast bis Mittag. Im Sommer bestand sie auf eisgekühlten Getränken und tröstete an trüben Wintertagen ihre hungrige Seele mit Unmengen spanischer Schokolade. Doch die Einsamkeit blieb, und vor allem auch die Unfreiheit. Fast täglich beklagte sich Anna darüber, doch die Antwort darauf war immer gleich: Es gehe allein um die Sicherheit des Dauphins, dessen Leben von vielen Seiten her bedroht sei. Nicht zuletzt durch den Bruder des Königs, Gaston von Orleans, der „Monsieur“ genannt wurde und der es nicht verwandt, dass ihm durch die Geburt der beiden Knaben der Weg zum Thron versperrt war.

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