Monstermauern, Mumien und Mysterien Band 5

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5. Ein riesiger »Krieger« entpuppt sich als riesige Göttin

Angefangen hat es am 27. Juli 1978 in Chicago. Damals hielt ich im Rahmen der 5. Weltkonferenz der »A.A.S.« (»Ancient Astronaut Society«) einen Vortrag mit dem Titel »Rock drawings of Val Camonica« (»Felszeichnungen von Val Camonica«). Ich zeigte Dutzende von Felszeichnungen, die meiner Meinung nach fremdartige Wesen in Raumanzügen darstellen. Ein Teilnehmer drückte mir ein abgegriffenes Foto in die Hand. Es zeigte ein seltsames Gesicht, oval mit Augenbrauen, Augen, Nase und einem angedeuteten Mund. »Das ist ein riesenhafter Astronaut, vielleicht über einhundert Meter hoch… irgendwo in England! Man hat vor Jahrtausenden diese Riesenzeichnung geschaffen, zur Erinnerung an außerirdische Besucher!«

Vergleichbar sei das gigantische Kunstwerk mit dem »Weißen Pferd« von Uffington. Es ist eine uralte, in England weit verbreitete Technik. Man trug gezielt Gras und Erdreich bis auf den darunter liegenden Kalkstein ab, so dass ein Bild entstand, so als habe man es mit weißer Farbe aufgetragen. »Weiße Pferde« gab es vermutlich zu Hunderten in England. Über die Bedeutung dieser weißen Pferde wird seit Jahrhunderten diskutiert. Im Volksglauben Englands gilt das weiße Pferd, das auftaucht und wieder verschwindet als »Manifestation der Anderswelt«, des Jenseits.

Seit 1978 habe ich immer wieder nach dieser seltsamen Darstellung eines riesenhaften Astronauten in England geforscht, leider ohne Ergebnis. Dann erfuhr ich von Mythen, die von Kriegern berichteten, die den Himmel erobern wollten. Bei meiner intensiven Recherche in Sachen »Astronautengötter« kam mir eine weitere lokale Überlieferung zu Ohren. Man habe vor langer, langer Zeit bei »Fleam Dyke« alias »Mutlow Hill« bei Fulbourn, Cambridgeshire, England, ein »goldenes Fahrzeug«, vielleicht eine Art Streitwagen vergraben. Beim Studium von Kartenmaterial entdeckte ganz in der Nähe des mysteriösen »Mutlow Hill« eine kleine Hügelgruppe mit dem seltsamen Namen »Gogmagog«.

Gog, so schreibt der Prophet Hesekiel im »Alten Testament« (1), war ein Stammesfürst im Lande Magog. Gog soll sich mit den Mächten der Finsternis gut ausgekannt haben, war vielleicht so etwas wie ein Schwarzmagier. In der nach Johannes benannten »Apokalypse« (2) heißt es, dass der Satan selbst am Ende der Zeit die Völker Gog und Magog verführen und zum Kampf gegen seine Feinde versammeln wird.

Warum wurden Hügel in England »Gogmagog« genannt? Sollte es in jenen Gefilden so etwas wie einen heidnischen Kult gegeben haben? Vergeblich habe ich bei »Fleam Dyke« – alias »Mutlow Hill« – nach Hinweisen auf Gog und Magog gesucht. Erst im Raum Plymouth wurde ich fündig. Dort gab es einst Riesenbilder, vergleichbar mit dem Giganten von Cerne Abbas, die diese Bezeichnung verdient haben. Sie stellten Gog und Magog als Riesen dar! Noch im 17. Jahrhundert sollen sie zu sehen gewesen sein. Sie wurden lange Zeit – so berichtet C.W. Bracken (3) in seinem Standardwerk über die Geschichte von Plymouth – in regelmäßigen Abständen gereinigt und so erhalten. King Charles II (*1630; †1685) ließ eine gewaltige Zitadelle als Verteidigungsanlage zur See hin bauen. Dem massiven Bollwerk fielen die beiden Riesen Gog und Magog zum Opfer. Sie wurden zerstört.

Wann und warum die beiden Riesen an der Küste von Plymouth geschaffen worden sind? Wir wissen es nicht. Angeblich hielten beide in ihren hoch gestreckten Armen Keulen wie ihr – zum Glück noch erhaltener – Kollege Riese von Cerne Abbas. Sollten sie schon frühe Seefahrer abschrecken? Waren es gigantische Symbole, vielleicht eines Fruchtbarkeitskults?

Bei »Fleam Dyke« alias »Mutlow Hill« (Fulbourn, Cambridgeshire, England) gab es meinen Recherchen nach ebenfalls einen Kalkriesen. Heute lockt ein nobler Golfkurs Sportbegeisterte an, früher war es ein magisch-mystischer Riese. Der Name »Gogmagog«-Hügel taucht erstmals anno 1574 in einer schriftlichen Urkunde auf. Den »Gogmagog« Riesen mag es schon früher gegeben haben. William Cole, angesehener Antiquar in der Universitätsstadt Cambridge, berichtet, man habe ihm in Kindertagen um 1724 immer wieder den Riesen von Gogmagog gezeigt. Damals muss das überdimensionale Scharrbild eine Art örtliche Touristenattraktion gewesen sein.

Im Jahr 1605 erschien in Frankfurt ein bemerkenswertes Buch aus der Feder von Bischof Joseph Hall, gefolgt von einer Ausgabe in englischer Sprache über den »Gogmagog«-Riesen. Der sei von »unglaublicher Größe« gewesen. Anno 1640 ging der Historiker John Layer, Cambridge, auf den Riesen ein. Seiner Überzeugung nach verdanken die »Gogmagog«-Hügel dem Kreise-Giganten ihren Namen.

Bis heute ist unklar, wer wann und warum das Riesenbildnis erschaffen hat und wann es wieder unter Erdreich und Gras verschwand. 1954 nahm sich eine schillernde Persönlichkeit des Rätsels von »Gogmagog« an: Thomas Charles Lethbridge (*1901; †1971), der auch Archäologe war. Nachdem Lethbridge unterschiedliche Beschreibungen aus unterschiedlichen Zeiten sorgsam studiert hatte, begann er mit Engelsgeduld zu »sondieren«. Mit metallenen Stangen wurde im Erdreich herumgestochert, wurde lockereres Auffüllmaterial entdeckt.

Zur Erinnerung: Auch der »Gogmagog«-Riese entstand dadurch, dass seine Konturen von Gras und Erdreich befreit wurden, bis der weiße Kalkstein durchkam. Die Linien, mit denen das große Bild »gezeichnet« worden waren, bestanden aus Gräben bis zum hellen Kalkstein. Irgendwann wurden diese Gräben vielleicht bewusst wieder aufgefüllt. Vielleicht haben auch Wind und Wetter die Gräben zum Verschwinden gebracht. Das Material in den Gräben ist weicher als das umgebende Erdreich. Wenn man nun mit viel Geduld möglichst viele Löcher ins Erdreich piekt, kann man erkennen, wo einst die Gräben verliefen… die Linien der Riesenzeichnung vom Riesen!

Thomas Charles Lethbridge staunte nicht schlecht, als er zunächst auf das ovale Gesicht seines Riesen stieß. Mund und Augenbrauen waren klar auszumachen, die Augen wirkten starr, verliehen dem Gesicht etwas Maskenhaftes. Verblüfft war Lethbridge, als bei seinen Metallsondierungen etwas ganz anderes herauskam als er erwartet hatte, nämlich kein männlicher Riese wie der von Cerne Abbas, sondern offensichtlich ein weibliches Wessen mit klar erkennbarem Busen. Lethbridge stocherte und suchte weiter, das rekonstruierte Bild wurde immer größer. Lethbridge fertigte eine maßstabsgetreue Zeichnung seines Fundes an und konsultierte Sir Thomas Kendrick vom »British Museum«, London. Kendrick gratulierte zur Entdeckung, meinte Teile der Darstellungen eines Pferdes ausmachen zu können. Cyril Fox, angesehener Kenner keltischer Kunst, studierte die zeichnerische Rekonstruktion und telegrafierte seine Interpretation. Demnach wurde einst die keltische Pferde-Göttin Epona mit zwei Pferden dargestellt.


Die Wandlebury-Göttin –

Göttin, nicht Riese


Das seltsame Gesicht der riesigen Göttin

Und ich staunte nicht schlecht, als ich das ovale Gesicht in einer zeichnerischen Rekonstruktion sah. Die Göttin mit dem ovalen Gesicht kannte ich doch. Jahrzehnte zuvor, am 27. Juli 1978, hatte man mir in Chicago ein Foto gezeigt. Nur war der vermeintliche »Außerirdische« eine Göttin, vermutlich Epona. Sie hieß Diana bei Römern, Epona bei den Kelten und war für Pferde und den Mond zuständig, als »Erd-Mutter« und »Mondgöttin«. Ein Epona-Relief wurde bei Ausgrabungen im Limeskastell Kapersburg gefunden. Es befindet sich im Wetterau-Museum in Friedberg. Da kann durchaus die gleiche Göttin dargestellt worden sein wie in den Gefilden von »Gogmagog«.

Lethbridge sondierte und sondierte. Schließlich glaubte er drei Darstellungen unterschiedlicher Art ausfindig gemacht zu haben, auf einer Fläche von etwa einhundert Metern Länge und dreißig Metern Höhe: In der Mitte Erdmutter Epona, rechts daneben eine Art Streitwagen mit einem martialischen Krieger, der ein mächtiges Schwert schwingt. Links neben Epona wurde ein Wesen von bizarren Formen verewigt. Seine geschwungenen Linien könnten weite Kleidung, einen wehenden Umhang darstellen. Bei diesem Wesen handelt es sich angeblich um einen Sonnengott, um den Partner der Mond- und Muttergöttin. Lethbridge, dessen Entdeckung bis heute von der Wissenschaft nicht anerkannt wird, hält es für möglich, dass die drei Elemente des riesigen Bildes zu unterschiedlichen Epochen entstanden.

Ich frage mich: Wurde der emsige Forscher Lethbridge Opfer seiner eigenen Fantasie? »Entdeckte« er nur, was er finden wollte? Rekonstruierte er lediglich seine eigenen Vorstellungen? Das trifft nicht zu. Hat er doch einen kriegerischen Riesen, vermutlich mit Keule und großem Penis erwartet… und eine Göttin mit üppigen Brüsten gefunden.

Fußnoten:

1) Hesekiel Kapitel 38 und 39

2) Kapitel 20, Vers 8

3) C.W. Bracken: »A History of Plymouth and her Neighbours« Plymouth 1931, S. 4

6. »Peitschenmann«, »Gans« und »Monster«

Monstermauern gibt es überall auf der Welt, in Ägypten, dem Land der Pyramiden, in Peru, dem Land der Inka und selbst auf der Osterinsel, dem Eiland mit den Riesenstatuen. Wir staunen über die Geheimnisse unseres Planeten. Wir kennen aber nur einen Bruchteil der Hinterlassenschaften unserer Vorfahren. Von den sieben Weltwundern ist nur eines erhalten geblieben, die Pyramiden auf dem Plateau von Gizeh. Alle anderen sind spurlos verschwunden. Manches ruht im Verborgenen. So entdeckt man auch heute noch auf der Osterinsel Statuen, die auf dem Rücken liegend ganz von Erdreich bedeckt waren. Vereinzelt starrt dort ein steinernes Gesicht aus dem Boden gen Himmel.

 

Wurden Osterinselkolosse liegend begraben? Oder hat sich die Natur die Steinmonumente im Verlauf der Jahrhunderte langsam wieder einverleibt? Wie viele solcher Riesenstatuen wohl noch entdeckt werden? Die verschütteten Statuen genießen ein Privileg! Während ihre sichtbaren Kollegen den zerstörerischen Elementen von Natur und Umwelt ausgesetzt sind, bleiben die unterirdischen Statuen besser erhalten. Sie sind vor negativen Einflüssen geschützt.

Mysteriöser als Mauern aus tonnenschweren, millimetergenau bearbeiteten Steinkolossen sind für mich verborgene »Bilder«. Einige warten zum Beispiel in England unter der Erdoberfläche darauf, entdeckt und verstanden zu werden. Aber wird man je ihre Botschaft verstehen? Ich habe meine Zweifel. Wir verstehen religiöse Kunstwerke in christlichen Kirchen nur, weil wir die Geschichten, die sie uns erzählen wollen, bereits kennen. Wären uns die Geschichten aus dem Neuen Testament unbekannt, dann würden wir religiöse Gemälde und Plastiken in Kirchen, Domen und Kathedralen nicht einordnen können.

Man muss davon ausgehen, dass es an Englands Küste, aber auch an Berghängen im Inland großformatige »Bilder« gegeben hat… von Riesen, von Tieren (wie Pferden) und von Monstern. Die meisten von diesen geheimnisvollen Kunstwerken sind womöglich schon vor Jahrhunderten wieder verschwunden.

Noch heute gibt es im ländlichen Bereich mündlich überlieferte Hinweise auf verschwundene Riesenpferde, die irgendwann nicht mehr gepflegt und rasch überdeckt und überwuchert wurden. Örtliche Priester wetterten gegen die Zeugnisse alter heidnischer Kulte, folgsame Kirchgänger schütteten zu, was als unchristliches Teufelswerk angesehen wurde. Vereinzelt versuchen Wissenschaftler, oft von den lieben Kollegen verspottet, die Bildnisse zumindest auf dem Papier zu rekonstruieren. Samuel Gerald Wildman zum Beispiel entwickelte eine originelle Methode nach den verschollenen Darstellungen zu suchen. Der begeisterte Heimatforscher war kein Archäologe, sondern Biologielehrer an einer »Grammar School« (Gymnasium).

Seine Methode: Es wurden einst Gräben in das Erdreich bis auf den darunter befindlichen Kalkboden gezogen, um so Bilder von Riesen und Fabelwesen zu schaffen. Viele dieser Gräben wurden zugeschüttet, um die Bilder zum Verschwinden zu bringen. Wenn nun auf derlei Areal Bäume gepflanzt wurden, dann gediehen die Bäume, die in den einstigen Gräben verwurzelt waren, besser. Samuel Gerald Wildman machte sich nun an die Arbeit und vermaß dort, wo seiner Meinung nach Erdbilder schlummerten, die Bäume, hielt Dicke der Stämme und Höhe der Bäume fest. Das übertrug er auf eine Karte… und fand immer wieder rätselhafte Spuren.

Im Bezirk Tysoe, Warwickshire, England, soll es einst die Darstellung eines riesigen roten Pferdes gegeben haben. Nach lokalen Überlieferungen – und da wird seit Generationen einiges erzählt – soll es sich am »Spring Hill« befunden haben. Trotz intensiver Sondierungen fand Samuel Gerald Wildman den gesuchten Vierbeiner leider nicht, wohl aber recht geheimnisvolle andere Darstellungen. Ein Reporter einer kleinen englischen Lokalzeitung zeigte mir Zeichnungen eines merkwürdigen Szenarios, von einer Gruppe von Wesen, die zu Spekulationen anregen. Ja wir müssen sogar mutmaßen, weil die einzelnen Elemente des mysteriösen Ensembles alles andere als eindeutig zu erkennen sind.

Da steht ein muskelbepackter Mensch mit besonders eindrucksvollen Oberarmen, offenbar eine lange Peitsche schwingend. Hände oder Füße kann ich keine erkennen. Das Bild erinnert an moderne Kunst… und soll doch Jahrtausende alt sein.


Der Peitschenmann;

Zeichnung: Langbein

Gehören die anderen drei Wesen dazu, bilden die vier Wesen eine Einheit? Illustrieren sie vielleicht eine Sage, die einst vor Ort sehr bekannt war? Ein vogelartiges Tier (rechts neben dem Peitschenmann) beeindruckt mit punkartiger »Frisur«. Es scheint im Begriff zu sein, nach rechts wegzugehen, dreht den Kopf aber nach links in Richtung Wüterich mit Peitsche. Es blickt – eher interessiert oder neugierig als verängstigt – zum Muskelprotz.


Ein Monster;

Zeichnung: Langbein

Rechts vom Riesenvogel – er hat ähnliche Ausmaße wie der Peitschenmann – windet sich eine Art Reptil. Der Kopf des Tieres läuft spitz wie zu einem Schnabel zu, Vorderbeine sind angedeutet, Hinterbeine fehlen. Soll das eine Echse sein? Oder gar ein Drachen-Wesen aus der alten englischen Mythologie?


Eidechse oder Drache?;

Zeichnung: Langbein

Unter den drei Kreaturen liegt etwas Massiges, ja Monsterhaftes. Es hat einen plumpen Leib, erinnert mich an eine Seekuh. So etwas wie Arme und Beine sind nicht zu erkennen, so etwas wie eine Flosse mag da Richtung »Kopf« angedeutet sein. In seinen Dimensionen ist es fast genauso groß wie die drei anderen Wesen zusammen. Die »Flosse« muss aber nicht unbedingt zum Tier gehören. Sie ist nicht mit dem Leib des Tieres verbunden. Handelt es sich um eine Riesenschlange, die das verewigt wurde?

Die vom Erdreich verschluckten »Riesenzeichnungen« wurden und werden nur von einigen wenigen Forschern gesucht, noch seltener von Archäologen als von Laien. Vereinzelt habe ich auf Reisen vor Ort Wissenschaftler kennengelernt, die sich privat und »off records« durchaus auch spekulativ geäußert haben. Nur offiziell wollten sie keine Stellungnahme abgeben. So erklärte mir ein Gelehrter, bei dem »Peitschenschwinger« könne es sich um den Gott Tiwaz handeln. Tiwaz war ein Himmelsgott, dem der legendäre Fenris-Wolf eine Hand abgebissen hat. Der von allen anderen Göttern gefürchtete Fenris-Wolf bedrohte die Götterwelt. Er galt als faktisch unbesiegbar. Schließlich konnte er nur gefesselt werden, weil Gott Tiw alias Tiwaz alias Tyr eine List mutig in die Tat umsetzte. Es gelang ihm, das mythologische Untier abzulenken und in Sicherheit zu wiegen, indem er ihm seine rechte Hand ins Maul legte. Dazu war kein anderer Gott bereit. So konnte Fenris gebändigt und mit einem Zauberfaden fixiert wurden… vorübergehend allerdings nur!

Am Ende aller Zeiten wird der große apokalyptische Weltenbrand das Schicksal der Götter besiegeln. Dann wird, so lautet der Mythos, Fenris freikommen und Gott Odin verschlingen. Zur Strafe aber wird ihn der Sohn Odins – Vidar – erschlagen.

Aus dem »Tiwaz«-Tag wurde im Englischen »Tuesday«, Dienstag. Im ersten Jahrhundert nach Christus tauchen die Angeln in römischen Urkunden auf. Um das Jahr 600 sollen sie Teile Englands kolonisiert und besiedelt haben. Sie kommen als Schöpfer von Riesenbildern infrage. Die Datierung der mysteriösen Kunstwerke ist bestenfalls vage. Stammen sie aus vorchristlichen Zeiten? Wurden sie kurz nach der Zeitenwende geschaffen oder erst einige Jahrhunderte später?

Riesenpferde, die kalkhell gen Himmel strahlten, mögen Teile eines Fruchtbarkeitsritus gewesen sein. Die Götter hoch oben im Himmel sollten sie sehen. Vielleicht befürchtete man, nicht laut genug beten zu können, so dass die Götter auch alles verstehen konnten, in fernen himmlischen Gefilden. Um die Distanz zu überbrücken, schickte man »optische« Gebete an mächtige Himmelsgötter. Die Himmlischen sollten üppige Ernten auf den Feldern und reichlich Nachwuchs bei Tier und Mensch gewähren.

Der Peitschenschwinger könnte also ein mächtiger Himmelsgott sein, der seine Vormachtstellung zum Ausdruck bringt. Das im Vordergrund liegende Tier könnte tot sein, dem Kadaver entsteigt der darüberstehende Vogel… die Seele des toten Tieres. Und die Seele untersteht dem kraftstrotzenden Himmelsgott. Oder es handelt sich bei dem nicht identifizierbaren Tier um ein Opfer für den Gott Tiwaz, der die Seele entgegennimmt und beherrscht? Das ist eine Möglichkeit der Interpretation. Eine andere: Neben dem Gott »Tiwaz«, dem Himmelsgott, steht die Gans als Repräsentantin für die Himmelsgöttin.

Unklar ist, welche Rolle das Tier rechts neben dem »Vogel« spielt. In den Zeichnungen, die ich einsehen konnte, erinnerte es an ein Reptil, an eine Schlange.

In der Unterwelt unter dem Dom zu Bremen fotografierte ich einen Fenriswolf, der gegen eine Schlange kämpft. Sollte es sich bei der Darstellung am »Spring-Hill« um eine mythologische Schlange handeln? Vielleicht könnten wir etwas mehr verstehen, wenn das Ensemble vom »Spring-Hill« sorgsam ausgegraben würde. Dann wären vielleicht mehr Details der Darstellungen zu erkennen. Bis dahin müssen wir uns auf die zeichnerischen Rekonstruktionen von Samuel Gerald Wildman (1) verlassen.

Vergeblich habe ich nach Luftaufnahmen gesucht, die angeblich vor 50 Jahren vom »Spring-Hill« gemacht wurden. Angeblich sollen die Fotos im Archiv der »Birmingham Post« aufbewahrt worden sein, waren aber nicht auffindbar…Auf diesen Fotos, meinen Unterlagen nach im Dezember 1965 aufgenommen, soll der »Peitschenmann« klar zu erkennen sein. Der Koloss hat eine Höhe von über fünfzig Metern!

Literaturhinweis:

(1) Siehe auch Wildman, Samuel Gerald: »The Black Horsemen and King Arthur«, London 1971

7. »Alles vorbei, tom Roden ….«

Die Kapitelüberschrift »Alles vorbei tom Roden« habe ich in Anlehnung an den heute noch bekannten Folksong »Alles vorbei Tom Dooley« formuliert. Im Jahr 1958 wurde er in der Fassung des »Kingston Trio« zum Hit. »Alles vorbei tom Roden«: Das Kloster »tom Roden« ist so etwas für ein Symbol für Spuren aus uralten Zeiten, die im Verlauf der Jahrhunderte verschwunden sind und nur zufällig wiederentdeckt wurden. Was mag noch im Erdreich, quasi unter unseren Füßen, schlummern? »Alles vorbei tom Roden« steht auch für Geheimnisse und Rätsel der Vergangenheit, die nach wie vor darauf warten, wieder ausgegraben zu werden, so wie die Reste eines alten Klosters, nur einen Steinwurf vom einstigen Kloster Corvey entfernt. Entdeckungen sind jederzeit und überall möglich. So stieß man am Staffelberg im schönen Oberfranken auf unterirdische Spuren eines mächtigen Tores. Es wurde von den Kelten vor rund zwei Jahrtausenden als Teil einer riesigen Festungsanlage gebaut, die vollkommen von der Erdoberfläche verschwunden ist. Im Sommer 2018 machten sich Archäologen ans Werk und führten wissenschaftliche Ausgrabungen durch. Sobald die Arbeiten abgeschlossen sind, soll das Tor im Maßstab 1 zu 1 originalgetreu rekonstruiert werden.

Es ist Sommerzeit. Die Post streikt, Berge von Briefen und Paketen stapeln sich in Verteilzentren! Von Tag zu Tag, so scheint mir, schwinden die Sympathien für die Gewerkschaft ver.di. Aber Busse fahren zum Glück. Nach nicht ganz einer Stunde Fahrzeit, einmal Umsteigen inklusive, bin ich am Bahnhof von Höxter an der Weser angekommen. Nach einigen regnerisch-kühlen Tagen ist es jetzt sommerlich heiß. Natürlich liegt das jetzt an der globalen Erderwärmung. Ein Passant mit einer Jacke, die an die Kluft der Briefzusteller erinnert, eilt Richtung Innenstadt. Wütend beschimpft ihn ein älterer Herr als »Streikbrecher«. Eine Frau fordert den verblüfft Dreinblickenden auf, »endlich wieder Briefe auszutragen«. Schließlich begreift er, bleibt stehen und ruft: »Ich bin doch gar kein Postler!«

Ich frage einen Busfahrer, wie ich wohl vom Bahnhof zur Klosterruine »tom Roden« komme. Der Mann ist sehr hilfsbereit. Er zeigt mir einen Bus, der mich direkt zum »Kloster Corvey« bringt. Freundlich belehrt er mich: »Das frühere Kloster Corvey ist aber heute Schloss Corvey! Kloster Corvey gibt es, strenggenommen, gar nicht mehr. Eine Ruine ist das aber nicht. So eine Klosterruine gibt es gar nicht!« Kollegen des Busfahrers schütteln nur die Köpfe, verweisen mich an den Taxistand. Man rät mir zum Taxi. »Vom Kloster Corvey kommen Sie nicht weiter, jedenfalls nicht mit dem Bus! Und zu Fuß… bei der Hitze…«

Am Taxistand hat noch nie jemand von einer »Klosterruine ›tom Roden‹« gehört. Dabei trennen laut meinen Unterlagen nur wenige hundert Meter das »Schloss Corvey« von der ominösen »Klosterruine tom Roden«. Eine freundliche Taxifahrerin ist offensichtlich auch an meinem Ziel interessiert. Also fahren wir erst einmal zum »Schloss Corvey«… und entdecken nach einigem Suchen tatsächlich ein nicht übermäßig großes Hinweisschild »Klosterruine«.

 

Ich suche per iPad in der Welt des Internet nach »Klosterruine tom Roden« und finde eine Adresse: »Zur Lüre - 37671 Höxter«. »Zur Lüre« ist meiner tüchtigen Taxifahrerin wohlbekannt. Nur von einer »Klosterruine« daselbst weiß sie nichts. Wir erreichen »Zur Lüre« schon nach wenigen Minuten, landen in einem weniger idyllischen als prosaisch-praktischen Industriegebiet. In einer Werkstatt erkundigen wir uns… man weist uns den Weg. Wir sind schon fast am Ziel. Das letzte Stück Wegs ist eine schmale staubige Straße, deutlich besser als so mancher Feldweg in den Hochanden Perus oder Südindiens.


Die Maria-Magdalena-Kirche stand im Zentrum von tom Roden

Endlich bin ich am Ziel… Mauerwerk… Brunnen… ein Altar… eine Hecke. »Meine« Taxifahrerin verspricht, mich um 14 Uhr wieder abzuholen. Das »Areal« der Klosterruine ist überschaubar. In einiger Distanz ist ein schmuckes Kirchlein zu erkennen… Ich vermute, es handelt sich um die Pfarrkirche »St. Johannes Baptist« von Lüchtringen. Ich aber konzentriere mich auf die »Klosterruine tom Roden«.


Einer der Brunnen von tom Roden

Der Name »tom Roden« lässt darauf schließen, dass Land gerodet werden musste, um das Kloster zu bauen. Wann aber wurde »tom Roden« gegründet? Wir wissen es nicht genau. Die bislang älteste Urkunde, die einen Hinweis auf das Kloster enthält, stammt aus dem Jahr 1184. »tom Roden« fungiert in dem Dokument natürlich unter dem lateinischen Namen »ad Novale«. Ausdrücklich wird auf die Kirche »ecclesia S. Mariae Magdalenae« hingewiesen, deren Grundriss heute noch sehr gut zu erkennen ist. 1244 wird »Dethmar von tom Roden« als Propst des Klosters erwähnt. Damals mag »tom Roden« bereits Teil eines Pilgerwegs gewesen sein. Am 22. Juli 1284 jedenfalls feierten die Kanoniker von Nienkerken das Fest der Maria Magdalena in »tom Roden«. Die Kirche »Nienkerken«, hochdeutsch »Neukirchen«, war 863 in der Nähe von Höxter vom Kloster Corvey aus gebaut worden. Ob damals schon »tom Roden« existierte? Unbestreitbar ist, dass das Kloster Corvey lange vor dem »tom Roden« entstand. Der Propst von »tom Roden« gehörte immer auch dem Konvent von Corvey an, wurde aus den Reihen der Mönche von Corvey gewählt und war dem Abt von Corvey gegenüber zum Gehorsam verpflichtet.

Im Frühjahr 1975 wurden in der Corveyer Abteikirche archäologische Ausgrabungen durchgeführt. Nun waren beim Pflügen im Bereich »zur Lüre« Mauerreste zutage getreten. Davon hörten die Wissenschaftler, die in der Abteikirche in Höxter intensiv nach ältesten Spuren suchten. Sie schickten einige Grabungshelfer, ausgestattet mit Hacken, los, die dann tatsächlich eine sensationelle Entdeckung machten… Nur wenige Zentimeter unter der Erdoberfläche schlummerten zum Teil recht gut erhaltene Fundamente des verschwundenen Klosters von »tom Roden«…. mitten unter einem Getreidefeld.

Im Sommer 1976 wurde gezielt und intensiv gegraben. Unter Steinschutt stieß man auf Fundamente eines langgestreckten Gebäudes mit »mehrfacher Raumunterteilung«. 1977 kam es zu einer zweiten, noch intensiveren Grabungskampagne. Das zu untersuchende Areal war recht groß, so dass ein Bagger zum Einsatz kam. Nach und nach wurde klar, dass man den gut erhaltenen Grundriss einer vollständigen Klosteranlage entdeckt hatte, keine tausend Meter von Kloster Corvey entfernt.

Mich interessiert besonders die Kirche, die der Maria Magdalena geweiht war. 1977 hat man den Grundriss des Gotteshauses mit großer Sorgfalt herausgearbeitet. Das Gebäude muss recht eindrucksvoll gewesen sein: eine dreischiffige Basilika von 34 Metern Länge und 12,60 Metern Breite.

Bevor ich mit dem intensiven Fotografieren beginne, schreite ich das Areal ab. Ich stehe vor dem steinernen Halbrund der Apsis im Osten. Ich blicke gen Westen. Eine Schranke trennte einst das Gotteshaus in den Gemeinderaum und den Mönchschor. Vor der Schranke zum Gemeinderaum stand einst ein Altar, dessen Fundament zum Teil noch freigelegt werden konnte.

Im Gemeinderaum gab es – anders als heute – keine Sitzbänke für die Gottesdienstbesucher. Steinerne Bankette entlang der Außenwände, so entnehme ich den Ausgrabungsberichten, dienten als Sitzgelegenheiten.


Der Grundriss des Klosters tom Roden

1327 kam es zu heftigen Kämpfen zwischen Höxter und Corvey. Auszubaden hatte den Konflikt vor allem »tom Roden«. Es wurde zerstört… und wieder aufgebaut. Belegt ist urkundlich, dass anno 1422 der Kirche »Maria Magdalena« von »tom Roden« einen neuen Altar erhielt, zu Ehren der »Maria Solitaria«, der »Maria in der Einsamkeit«. 1456 wiederum wurde »tom Roden« geplündert.

Der letzte Propst von »tom Roden« – Johann von der Lippe – verließ das Kloster 1501. Er zog nach Höxter. Damit war das nahe Ende des Klosters absehbar. Wir wissen, wann es endgültig aufgegeben wurde, nämlich anno 1538. In jenem Jahr verwaiste der sakrale Komplex. Die letzten Mönche packten ihre Habseligkeiten. Natürlich nahmen sie alles von Wert mit. Sie bauten auch den Fußboden aus und schleppten das Material weg, vermutlich nach Höxter.

Damals stürzte wohl auch die Decke der Kirche ein, warum auch immer. Mag sein, dass sie durch Blitzschlag in Brand geriet, mag sein, dass »kriegerische Einwirkung« zur Katastrophe führte. Ohne Dach war die Ruine den Einflüssen von Wind und Wetter ausgesetzt. Die Mauern brachen zusammen, die Trümmer dienten als Steinbruch. So dürfte das einstige stolze Gotteshaus nach und nach bis auf die Grundmauern abgetragen worden sein. Das gilt auch für die zur Kirche der Maria Magdalena gehörenden Klostergebäude.

1618 bis 1648 tobte der »Dreißigjährige Krieg«. Höxter und Corvey benötigten erhebliche Mengen an Baumaterial, um Häuser und das Kloster Corvey wieder neu aufzubauen. Da diente die Ruine von »tom Roden« als »Steinbruch«. Trotzdem soll es gegen Ende des 17. Jahrhunderts »tom Roden« noch als Ruine gegeben haben. Auch die verbleibenden Mauern wurden nach und nach abgetragen. Wo einst das Kloster stand, wurden Felder angelegt. »Tom Roden« geriet in Vergessenheit. Der Standort des einst altehrwürdigen Klosters verschwand unter Äckern.

Zwei Gräber im Gemeinderaum der Kirche wurden bei den Ausgrabungen gefunden. Wurden hier einst die heute nicht mehr bekannten Stifter des Klosters »tom Roden« beigesetzt? Ließen die beiden Unbekannten einst »tom Roden« bauen? Und haben sie den Komplex dem Kloster von Corvey zum Geschenk gemacht? Vielleicht geschah dies nicht ganz uneigennützig? Wurde, als Gegenleistung für die großzügige Gabe, regelmäßig an den Gräbern der beiden Stifter gebetet? Wollten sie auf diese Weise erreichen, dass man ihrer gedachte und durch Fürbitten etwas für ihr ewiges Seelenheil tat? Es mag sogar vertraglich genau vereinbart worden sein, wann und wie oft der Stifter wie gedacht werden musste.

Im zwölften Jahrhundert war die finanzielle Seite von Kloster Corvey nicht gerade eine rosige. Grabungsbefunde deuten aber darauf hin, dass »tom Roden« just in jener Zeit gebaut wurde. Ein Säulenkapitell aus dem zwölften Jahrhundert wurde im Klosterbereich ausgegraben… aus der Entstehungszeit der Anlage? Oder lag die Gründungszeit noch weiter zurück? Seine Glanzzeit erlebte das Kloster vermutlich im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert. Im fünfzehnten Jahrhundert war das Kloster wohl noch bewohnt, das lassen Keramikfunde vermuten, die am Boden von zwei Brunnen geborgen wurden. Zerbrochenes Geschirr wurde ja oft in alten Brunnenschächten entsorgt. Heute werden beide Brunnen von »zivilisierten« Besuchern gern und ausgiebig als große Abfalleimer missbraucht. Unrat wird hineingeworfen, was auch nicht durch Anbringung von eisernen Gittern verhindert werden kann. Diese Missachtung eines altehrwürdigen sakralen Areals wirft ein beschämendes Licht auf heutige Besucher.

Zu Beginn des dritten nachchristlichen Jahrtausends wird gern postuliert, dass der Islam zu Deutschland gehört. Vor allem aber gehört das Christentum zu Deutschland. Unsere Wurzeln sind, auch wenn das manche befremden mag, christlich. Wir sollten wirklich einmal darüber nachdenken, wie wir mit unserem eigenen historischen Erbe umgehen. Ich glaube, da ist ein Umdenken dringend erforderlich! Respekt vor fremden Kulturen sollte eine Selbstverständlichkeit sein und wird auch von Politikern lautstark eingefordert. Respekt vor der eigenen Kultur wird allerdings von manchen Zeitgenossen herablassend belächelt, die so gern das hässliche Wortgebilde »multikulti« im Munde führen.

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