Wenn wir 1918 ...

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Waffenstillstand:

Vier Jahre lang wurden täglich Hunderte und Tausende von Menschen geschlachtet. Vier Jahre Dreck, Not, Hunger, Verzweiflung. Vier Jahre Schlamm, Gas, Maschinengewehre, Drahtverhau, Läuse und Ratten. Vier Jahre Fliegerbomben, zerstückelte Menschenleiber, brennende Städte, vernichtete Dörfer, krepierende Pferde. Vier Jahre schwärende Wunden, eitrige leere Augenhöhlen, verspritztes Gehirn, unbegrabene Leichen. Gab es jemals vier Jahre, die so lang waren wie diese? So angefüllt mit Mutterleid und Kindesweh? So durchtränkt mit Blut? Sind jemals solche Ströme von Tränen geflossen? Schrie jemals die entstellte, aufgewühlte Erde so zum Himmel? Gab es jemals Wälder, die so aussahen wie die in der Champagne und in den Argonnen? Gab es jemals so gedrückte, verschmutzte, zerschundene und entmenschte Wesen wie an der Somme, vor Verdun? Schnitten schon einmal die Sägen der Chirurgen so andauernd in Menschenfleisch und Menschenknochen? Haben sich jemals die abgesägten Arme und Beine so zu Bergen gehäuft wie in diesen vier Jahren? Gab es das schon einmal, dass Menschen, vor fünf Minuten noch kerngesund, ihre gaszerfetzte Lunge in Stücken ausspieen? Vier Jahre verschüttete Unterstände, erstickende und verbrennende Menschen, Verwundete zwischen den Drahtverhauen, fünf Meter vom Kameraden entfernt und doch hilflos verdurstend, hungernd, schmerzgepeinigt, von Ratten lebendig angefressen. Vier Jahre gefangene Menschen, hinter Stacheldraht, fern von Weib und Kind, getreten und geprügelt, am Hungertyphus krepierend. Vier Jahre Hunger und Elend in der Heimat, rachitische Kinder, ausgemergelte Frauen in den Gasfabriken und an den Drehbänken. Und wofür das alles, wofür? Soll es umsonst gewesen sein?

Es ist nicht umsonst gewesen, wenn wir jetzt unsere Pflicht tun und die Opfer auf uns nehmen, die der Befreiungskampf der Menschheit von uns verlangt. Niemals gab es so günstige Möglichkeiten für die Erhebung des Proletariats wie jetzt. Sie sind teuer bezahlt worden, diese Möglichkeiten, sehr teuer. Und sie sind vergeblich bezahlt worden, wenn wir sie nicht restlos ausnutzen. Wir haben den Kaufpreis vergeblich bezahlt, 10 Millionen Menschen kamen sinnlos um, wenn wir den Weg jetzt nicht zu Ende gehen. Was ist zu tun? Wir werden versuchen, Frieden mit den Westmächten zu schließen. Wir werden dem französischen Volke beim Wiederaufbau der zerstörten Gebiete helfen. Wir werden vielleicht noch weitere Lasten auf uns nehmen

müssen. Aber wir werden nicht aufhören, unseren französischen und englischen Genossen zuzurufen: Folgt unserm Beispiel!

Wir werden niemals, auch nicht unter dem Druck von Waffengewalt, den Kampf für den Sozialismus aufgeben. Wir werden niemals unser Einverständnis dazu geben, dass Mittel- und Osteuropa zerstückelt und in kleinen Teilen für den Kapitalismus zurückerobert wird. Wir werden niemals den Kampf für den sozialistischen Weltbund aufgeben, und wenn wir uns unter dem Druck der kapitalistischen Armeen bis hinter den Ural zurückziehen müssten. Wir sind bereit, für den Frieden Opfer zu bringen, aber wir sind nicht bereit, der kapitalistischen Profitgier oder unserem Ruhebedürfnis die Zukunft der Menschheit zu opfern. Am Tage des Waffenstillstandes schwören wir den zehn Millionen Toten: „Ihr sollt nicht umsonst gefallen sein. Auf der mit eurem Blut gedüngten Erde soll eine neue, bessere Welt erstehen."

Verordnung

Die neu gebildeten Arbeiterwehren sind aus den Beständen der Militärarsenale sofort mit Waffen und Munition zu versehen. Jeder Anforderung von Ausbildungspersonal muss von den Ersatztruppenteilen sofort entsprochen werden.

Das revolutionäre Kriegskomitee

Letzte Telegramme

Halbinsel Krim Umsturz vollzogen. In Odessa Macht an Stadtsowjet übergeben. Französische Flotte im Anmarsch.

Oberster Soldatenrat Südostfront

Weiße Regierung gestürzt. Kiew und Charkow in der Gewalt der Sowjets.

Deutscher Zentralsoldatenrat in der Ukraine

Vorwärts - 16. November 1918

Lenin kommt nach Berlin

Lenin, der große Führer der russischen Revolution, ist vom Deutschen Rat der Volksbeauftragten befragt worden, ob er bereit sei, vorläufig die Leitung der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa zu übernehmen. Heute ist folgendes Antworttelegramm eingelaufen:

Einverstanden. Komme am 28. November. Beruft Vertreter sämtlicher zukünftiger Bundesstaaten und sozialistische Gäste aus anderen Staaten nach Berlin. Nehmt Fühlung mit tschechischen Sozialisten, damit tschechische Legionäre Kampf gegen Revolution einstellen. Heimtransport erfolgt sofort, wenn weiße Führer abgesetzt. Begrüße eure Erfolge. Mit Unterstützung deutscher Truppen halten in Finnland, Litauen, Lettland, Weißrussland, Ukraine und Krim Sowjets Macht überall fest in Händen. In Finnland noch Kämpfe mit Weißgardisten. Bessarabien Räterepublik. Deutsche Soldaten und rote Partisanen bekämpfen erfolgreich rumänische Besatzungstruppen. Einige rumänische Regimenter meuterten. In Bukarest von Sozialisten und deutschen Soldaten Räteregierung proklamiert. Weiße rumänische Regimenter marschieren gegen Bukarest. Rote Offensive an Uralfront und Nordfront (gegen Archangelsk und Murmansk) begonnen. Eilsendet Truppen, Panzerzüge und Flugzeuggeschwader nach Bukarest, Pensa, Kasan und Petrograd. Angriff französischer Landungstruppen auf Odessa abgeschlagen.

Lenin

Vorwärts - 18. November 1918

Offiziersrevolte in Schweden?

Schon seit längerer Zeit waren kapitalistische und militaristische Kreise in Schweden bestrebt, Stimmung für eine Intervention in Finnland zu machen. Nach Niederwerfung der finnischen Revolution durch die kaiserlichen deutschen Truppen gelang es der schwedischen Regierung, diese Bewegung im Zaum zu halten. Nachdem sich nun die deutschen Truppen in Finnland auf die Seite der Revolution gestellt und Mannerheim entscheidend geschlagen haben, gewinnt die interventionistische Bewegung wieder an Boden. Die jetzige Regierung will sich nicht zu diesem Schurkenstreich hergeben. Die Offiziersverschwörer planen deshalb, die Regierung mit Waffengewalt zu stürzen und in Finnland einzuziehen, um gemeinsam mit der weißen Regierung Finnlands die Revolution niederzuwerfen. Die Sozialdemokratische Partei Schwedens hat beschlossen, den Kampf gegen die Interventionisten aufzunehmen und zwei Delegierte zum Alleuropäischen Kongress nach Berlin zu entsenden.

Ultimatum der Westmächte

Vom Interalliierten Hauptquartier ist folgendes Ultimatum eingegangen.

An den Rat der Volksbeauftragten

Es ist bisher kein Schiff der deutschen Flotte abgeliefert worden. Deutsche Truppen beteiligen sich am Kampf gegen die französischen Landungstruppen in Odessa. Deutsche Truppen haben in Polen, im Baltikum, in der Ukraine, in Rumänien und in den unbesetzten Teilen von Bulgarien die Räterepublik ausgerufen. Mitglieder der interalliierten Militärkommission sind bei ihrer Ankunft auf dem Warschauer

Flugplatz von deutschen Soldaten, angeblich im Auftrage des Warschauer Arbeiterrates, verhaftet worden. Das alles verstößt gegen die Waffenstillstandsbedingungen. Wir fordern: Sofortige Ablieferung der deutschen Flotte. Einstellung aller Kampfhandlungen in Russland und in den Randstaaten. Keine Einmischung in die' osteuropäischen Verhältnisse. Unterstellung aller deutschen Osttruppen unter das Kommando der interalliierten Militärkommission. Wenn diese Forderungen nicht innerhalb 24 Stunden erfüllt werden, wird der Kampf gegen die deutsche Westarmee wieder aufgenommen. gez. Foch

Die Pläne der Alliierten

Über die Schweiz erhielten wir wichtige Nachricht von französischen Genossen. Vom Interalliierten Hauptquartier werden folgende Pläne erwogen. Finnland mit Karelien soll ein selbständiger Staat, oder, wenn Schweden erfolgreich eingreift, zu Schweden geschlagen werden. Lettland und Litauen sollen selbständige Pufferstaaten bilden. Polen soll selbständig werden und an der Weichsel entlang einen Zugang zum Meer erhalten, so dass Ostpreußen durch einen polnischen Korridor vom übrigen Deutschland abgetrennt würde. Die Ukraine soll von Russland abgetrennt und ebenso wie das Kaukasusgebiet ein selbständiger Staat werden. Die von rumänischen Arbeitern und deutschen Soldaten gestürzte und aus Bukarest geflohene rumänische Regierung soll mit Unterstützung der französischen Flotte und einer interalliierten Interventionsarmee den Kampf gegen die rumänische, russische und deutsche Revolution fortsetzen. Zum Dank dafür soll Rumänien folgende Gebiete erhalten: von Russland — ganz Bessarabien, von Bulgarien — die Dobrudscha, von Ungarn — ganz Siebenbürgen und außerdem große Landstrecken mit rein magyarischer Bevölkerung.

Ein teuflischer Plan, begründet mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker. Als ob man die Arbeiter und Bauern in Finnland, im Baltikum, in Polen, Siebenbürgen, Bessarabien und in der Ukraine nach ihrer Meinung gefragt hätte. Die Kapitalisten aus diesen Gebieten vielleicht! Denn es sollen ja kapitalistische Randstaaten werden, beschützt von der Entente. Ein langer Riegel von kapitalistischen Pufferstaaten, vom Eismeer bis ans Kaspische Meer soll zwischen Deutschland und Russland gelegt werden, damit man die sozialistische Revolution zuerst in den Randstaaten, dann in Deutschland und schließlich in der Sowjetunion niederknüppeln kann. Damit wäre wohl den Kapitalisten in Westeuropa und Amerika gedient, aber nicht den werktätigen Klassen in den Randstaaten, denen man die nationale Freiheit verspricht. Das ist eine ganz infame Lüge, diese Parole von der nationalen Freiheit im Zeichen des Kapitalismus. In all diesen geplanten Randstaaten leben große nationale Minderheiten. Sie alle würden, wenn der teuflische Plan der Ententestaaten Wirklichkeit werden sollte, im Namen des Selbstbestimmungsrechts der Völker, von der feudalen und kapitalistischen Herrenschicht der herrschenden Nation vergewaltigt und unterdrückt werden. Nur im Sozialismus, nur im sozialistischen Bundesstaat kann die nationale Unabhängigkeit und kulturelle Freiheit verwirklicht werden. Das hat die Sowjetunion bereits bewiesen: sie hat den fast 200 Nationen, die auf dem Gebiet der Sowjetunion leben und die unter dem Zarismus gewaltsam unterdrückt und russifiziert wurden, völlige nationale und kulturelle Selbständigkeit verliehen. Für Mitteleuropa und den Balkan aber gilt dasselbe wie für Osteuropa und Nordasien. Wir sitzen in einer Zwickmühle. Der Kapitalismus spielt seinen letzten Trumpf aus. Sollen wir das Ultimatum ablehnen und damit Hunderttausende von deutschen Soldaten, die noch auf linksrheinischem Gebiete marschieren, den Kapitalisten des Westens überantworten oder es annehmen

 

und damit unsere Zukunft preisgeben? Sind unsere Arbeitsbrüder in den Randstaaten schon so weit, dass sie den Kampf gegen ihre Unterdrücker auch ohne deutsche Hilfe zu Ende führen können? Können sie sich wenigstens so lange halten, bis die russische rote Armee ihnen zu Hilfe kommt? Eine ungeheure Verantwortung liegt auf den Volksbeauftragten. Wie werden sie sich entscheiden?

Vorwärts - 19. November 1918

Die Antwort der Volksbeauftragten

Die gestern an das interalliierte Hauptquartier abgesandte Note hat folgenden Wortlaut:

Wir bestreiten die Berechtigung der gestellten Forderungen. Wir wollen aber nicht, dass noch einmal Proletarier auf Proletarier schießen. Wir wollen unsere Leidensgenossen in der englischen, französischen, amerikanischen, belgischen und italienischen Armee nicht vor die Frage stellen, ob sie dem Befehl ihrer Offiziere gehorchend auf ihre deutschen Brüder schießen oder der Stimme ihres Gewissens folgend mit den Soldaten der deutschen Revolution sich verbrüdern sollen. Wir wollen mithelfen am Wiederaufbau der durch den sinnlosen Krieg zerstörten Gebiete und nicht neue Städte und Dörfer in Schutt und Asche verwandeln. Wir appellieren an das Gewissen der Menschheit und beugen uns unter Protest der Gewalt. Um neues Blutvergießen zu vermeiden, sind wir zu folgenden Zugeständnissen bereit:

Die deutschen Osttruppen werden angewiesen, sich an keinem Kampfe gegen Truppen der Alliierten zu beteiligen. Die deutschen Osttruppen werden der interalliierten Befehlsgewalt unterstellt. Diese Anordnung verliert aber sofort ihre Gültigkeit, wenn den deutschen Truppen zugemutet wird, sich an der Bekämpfung der Revolution zu beteiligen.

Die zur Ablieferung bestimmten Schiffe der deutschen Flotte werden in drei Tagen die Anker lichten, vorausgesetzt, dass die Alliierten den Waffenstillstand nicht brechen.

Der Rat der Volksbeauftragten

Vorwärts - 20. November 1918

Genossen! Wahrt revolutionäre Disziplin!

In den letzten Tagen mehren sich die Klagen über Disziplinbrüche in den Ersatztruppenteilen. Es ist verständlich, wenn nach dem Zusammenbruch der alten Ordnung mancher sich nicht gleich völlig der neuen Ordnung einfügen kann. Viele Kameraden, die vier Jahre und noch länger in der Zwangsjacke des Militarismus gesteckt haben, lehnen jetzt überhaupt jeden Zwang ab. Sie können noch nicht unterscheiden zwischen dem Kadavergehorsam in der kaiserlichen Armee und der freiwilligen revolutionären Selbstzucht, die jeder Soldat der roten Armee aufbringen muss, wenn sie ihren Kampf siegreich zu Ende führen will. Glaubt nicht, dass der Kampf schon zu Ende ist! Glaubt nicht, dass die Feinde der Arbeiterschaft, die Feinde der jungen sozialistischen Räterepublik, das Spiel bereits verloren gegeben haben. Wenn sie auch jetzt ruhig sind: sie warten nur auf einen günstigen Augenblick. Wehe uns, wenn es ihnen gelingt, die Macht zurückzuerobern! Wollt ihr, dass die Revolution in einem Meer von Blut und Tränen erstickt wird? Was werdet ihr einmal euren Kindern antworten, wenn durch eure Schuld die Revolution niedergeschlagen worden ist und eure Kinder, die weiter unter dem Joch des Kapitalismus seufzen müssen, euch fragen, weshalb ihr damals in den entscheidenden Stunden nicht eure Pflicht getan habt? Was werdet ihr ihnen entgegnen, wenn sie euch sagen werden: „Ach so, ihr Feiglinge, ihr konntet auf Befehl des Kaisers vier Jahre lang auf eure Klassengenossen jenseits der Grenze schießen. Ihr konntet kämpfen, hungern und frieren, konntet grausam sein und morden, gegen euer eigenes Interesse, solange euch der Stiefel des Kapitalismus im Nacken saß. Aber ihr konntet nicht die Selbstzucht und nicht den Mut aufbringen, um den revolutionären Kampf mit der nötigen Energie fortzusetzen. Ihr waret nur mutig und gehorsam, solange es um die Interessen eurer Klassengegner ging. Aber ihr wurdet feige und bockbeinig in dem Augenblick, als ihr für euch selbst, für eure Zukunft und für uns, eure Nachkommen, kämpfen solltet. Weil ihr den Zwang für die gute Sache verachtet habt, müssen wir jetzt unser Leben lang die Zwangsjacke des Kapitalismus tragen. Weil ihr müde wart vom kapitalistischen Krieg und kein Gewehr mehr in die Hand nehmen wolltet, müssen wir jetzt unsere Lungen von Gas zerfressen lassen und millionenweise krepieren. Schöne Väter seid ihr, schöne Helden, schöne Sozialisten! Schämt euch!!!"

Wollt ihr, Kameraden und Genossen, einmal so erbärmlich vor euren Kindern dastehen?

Nein Brüder, das wollt ihr nicht, das könnt ihr nicht wollen. Deshalb heißt das Gebot der Stunde: „Revolutionäre Selbstzucht".

Vorwärts - 21. November 1918

Friede, Freiheit, Brot - und die Scheidemänner

In mehreren Großstädten tauchten in den letzten Tagen Flugblätter einer illegalen Neugründung auf. Diese Flugblätter waren gezeichnet: „Alte sozialdemokratische Partei. Der Vorsitzende: Philipp Scheidemann." Exzellenz Scheidemann belieben darin, sich in den Mantel der Nächstenliebe zu hüllen. „Wo ist der Friede," fragt er, „wenn ihr durch Fortsetzung eurer utopischen Politik den Einmarsch der Ententetruppen provoziert? Wo ist die Freiheit, wenn ihr die Presse knebelt? Wo bleibt das Brot, wenn ihr durch überstürzte Sozialisierungsmaßnahmen die Privatinitiative lähmt und die Produktion drosselt, wenn ihr der Entente keine Garantien gebt, die sie zur Aufhebung der Blockade bewegen?"

Sieh mal einer an, wie menschenfreundlich Exzellenz plötzlich geworden sind. Aber Sie sollen nicht glauben, dass wir auf Ihr Geschwätz hereinfallen. Die Massen wollten schon lange den Frieden, als Sie noch immer Kriegskredite bewilligten. Warum haben Sie damals nicht Ihre Menschenfreundlichkeit entdeckt? Die Massen schrieen auch damals nach Brot, als Sie mit Ihren Komplizen im Großen Hauptquartier an überladenen Tafeln saßen. Sie wagen es, die Opfer zu bejammern, die noch fallen werden, aber Sie hätten bedenkenlos noch weitere Millionen Menschenleben geopfert, Sie hätten das Volk noch jahrelang hungern lassen, wenn die deutschen Imperialisten den Krieg fortzusetzen vermocht hätten. Dem „Levee en masse" des bankrotten Kaiserreichs hätten Sie begeistert zugestimmt, — die proletarische Massenerhebung zur Verteidigung der internationalen sozialistischen Revolution lehnen Sie entrüstet ab. Ersparen Sie sich jede weitere Mühe, Exzellenz! Ihre Krokodilstränen rühren uns nicht. Folgen Sie Ihrem Freunde Ebert nach Holland!

Wilhelm II. hat sicher noch eine Lakaienstelle für Sie frei. Im roten Deutschland aber sind Sie nicht am Platze. Oder wurden die Flugblätter vielleicht herübergeschmuggelt, sitzen Sie etwa schon drüben? — es wäre Ihnen zu wünschen, denn das Revolutionstribunal macht kurzen Prozess mit Ihresgleichen. Verlassen Sie sich darauf und sagen Sie es Ihren Freunden weiter. Machen Sie sich keine Hoffnung. Die Reformisten haben ein für allemal ausgespielt.

Vorwärts - 22. November 1918

Im Osten wird aufgeräumt - Ganz Südfinnland in Händen der Roten Armee.

Die aus der Front gezogenen deutschen Truppen werden in Wasa, Tammerfors, Helsingfors und Wiborg stationiert. In Warschau haben Weißgardisten am 16. November einen Aufstandsversuch unternommen, an dem sich auch deutsche Offiziere beteiligten. Nach schweren Kämpfen gelang es der roten Arbeiterwehr, die aus deutschen Militärarsenalen mit Waffen versehen worden ist, den Feind aus der Stadt zu verdrängen. Die Weißen haben Verstärkungen aus den Landbezirken erhalten und ziehen sich kämpfend in Richtung Brest-Litowsk zurück. Seite an Seite mit den polnischen Rotgardisten, unter denen sich die Metallarbeiter besonders bewährten, kämpften deutsche Bataillone und das erste rote russische Regiment, das aus Kriegsgefangenen des Lagers Neuhammer formiert wurde und sich jetzt den Weg in die Heimat erkämpft. Die deutschen Truppen sind gestern auf Grund der Vereinbarungen mit dem Interalliierten Hauptquartier aus dem Kampf gezogen worden. Sie wurden abgelöst von einer neugebildeten Formation der Roten Garde und von dem zweiten und dritten russischen Kriegsgefangenenregiment, das erst gestern morgen in Warschau ausgeladen wurde. In Brest-Litowsk ist der weiße Aufstand durch den Verrat deutscher Offiziere geglückt. Der Versuch, die deutschen Soldaten zur Teilnahme am Kampf auf Seiten der Weißen zu bewegen, gelang nur in sehr geringem Umfange. Der größte Teil der deutschen Truppen schlug sich nach Osten durch, wo von Pinsk her die russische rote Armee anrückt. Die Telegraphenstation wurde noch einige Stunden von roten Truppen gegen den Ansturm der Weißgardisten gehalten. Wir bringen nachstehend ein Dokument dieses heldenhaften Verteidigungskampfes:

Das letzte Telegramm aus Brest-Litowsk

„aufstand geglückt, weil Wachsamkeit der deutschen truppen nachließ. schuld ist letzter befehl, der einmischung in innere Verhältnisse verbot. mehrzahl der deutschen offiziere hat sich an Weisung nicht gehalten, sondern sich aktiv am aufstand beteiligt und alle treugebliebenen Offiziere und mannschaften erschossen oder totgeprügelt. nur drei offiziere konnten sich mit roten mannschaften nach osten durchschlagen. soldatenrat will aktiv am kampf um wiedereroberung von brest-litowsk teilnehmen, falls festung nicht vor anrückender roter armee kapituliert. Weißgardisten greifen unser telegraphenamt an, zum drittenmal... wir... vier mann... beteiligen... uns vom Fenster aus ... am kampf, Weißgardisten übersteigen mauer, deutsche offiziere dabei. weiße fahne... Waffenstillstand... parlamentär vorgeschickt... befehl .., waffen niederlegen keine Verhandlungen... bedingungslos niederlage. Übergabe... kameraden kommen aus dem hause, legen waffen nieder... deutscher offizier erschießt parlamentär... Weißgardisten stürzen sich auf gefangene... ermordet ... wir eröffnen wieder kampf vom fenster aus... kamerad kornmann kopfschuss tot... kamerad krause brustschuss... telegraphist müller auch tot... ich meyer... tippe weiter... linke hand taste... rechte revolver... "

Auch Kamerad Meyer wird seine Treue zur Revolution mit dem Tode bezahlt haben. Welcher von den vielen Meyers war das, welcher von den vielen Meyers, die im Osten und Westen, in Kälte und Sonnenbrand für das Kaiserreich gekämpft und gelitten haben? Jetzt sind sie tot, die Kameraden Kornmann und Krause und Meyer und Müller. Ebenso tot wie ihre vielen Namensvettern, deren Knochen vor Ypern, an der Somme, vor Verdun und am Isonzo bleichen.

Ja, jetzt sind sie tot, aber sie fielen nicht mehr für den Kaiser, nicht mehr für den Kapitalismus, sie opferten freiwillig ihr Leben für die Revolution, für die Sache des Volkes. Und vor ihrem Tode haben sie uns einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Sie haben uns die Augen geöffnet. Sie haben uns gezeigt, welches Schicksal uns erwartet, wenn wir auch nur einen Augenblick nachlassen, wenn wir weich werden und auch nur eine Minute lang vergessen, unsere Pflicht zu tun.

Wir danken euch für diesen Dienst, Kamerad Kornmann, Meyer, Müller und Krause. Wir danken euch und werden euch rächen. Eure Mörder werden ihrem wohlverdienten Schicksal nicht entgehen.

Vom Osten und vom Westen her gehen die roten Truppen gegen Brest-Litowsk vor. In Lodz ist der weiße Aufstand mühelos von der roten Arbeiterwehr unterdrückt worden. Die letzten weißen rumänischen Truppen haben sich auf Galatz, Braila und Ismail zurückgezogen. Von Norden her rücken Deutsche, Russen und Rumänen, von Bukarest aus Deutsche und Rumänen gegen sie vor. Bald werden auch diese beiden Punkte, die letzten Hoffnungen der Gegenrevolution, in unserem Besitz sein. Dann ist der Osten frei. Die Landungstruppen der Entente in Odessa wurden ins Meer zurückgeschlagen. Im Norden rückt die russische rote Armee gegen das Eismeer vor. In Sibirien sind Verhandlungen mit den tschechoslowakischen Legionären eingeleitet. Bald wird auch Sibirien frei vom Feinde sein. Bulgarien wurde von Ententetruppen besetzt. Werden auch die Italiener weiter vorrücken? Wiederum ist es den Kapitalisten der Westmächte gelungen, französische und englische Proletarier vorzutreiben zum Kampf gegen ihre Brüder. Wie lange noch?

 

Vorwärts - 23. November 1918

Der Waffenstillstand gekündigt!

Der Waffenstillstand ist gekündigt worden. Das ist die Kriegserklärung der kapitalistischen Weststaaten an die internationale sozialistische Revolution. Begründet wird dieser Schritt mit der noch nicht vollzogenen Ablieferung der deutschen Kriegsschiffe und Unterseeboote sowie mit der Mitwirkung deutscher Truppen bei der Einnahme von Brest-Litowsk und bei der Umzingelung und Gefangennahme der Reste der königlich rumänischen Armee bei Galatz und Braila. Außerdem sollen deutsche Truppen bei den Kämpfen in Budapest nach Ausrufung der ungarischen Räterepublik auf Seiten der Revolutionäre mitgewirkt haben.

Die Kündigung des Waffenstillstandes erfolgte mit 48 stündiger Frist. Die Entente hat sich also formell an die Bestimmungen des Waffenstillstands-Abkommens gehalten, in Wirklichkeit aber die Kriegshandlungen schon in der letzten Nacht wieder aufgenommen. Ein deutsches Regiment, das sich noch auf belgischem Boden befand, ist von französischen Truppen umzingelt und gefangen genommen worden, obwohl das Gebiet, auf dem es sich befand, erst am 24. November geräumt werden sollte. Im Skagerrak sind schon am 22. November 2 deutsche U-Boote, die von großer Fahrt zurückkamen, von englischen Kriegsschiffen in Grund gebohrt worden, weil die Besatzung sich weigerte, einen englischen Hafen anzulaufen.

Der Zentralrat der Nord- und Ostseeflotte hat daraufhin beschlossen, die Flotte sofort nach dem Osten in Fahrt zu setzen, wo sie sich mit der roten Baltischen Flotte vereinigen soll. Die Ostseeflotte hat bereits gestern nachmittag Kiel verlassen. Der gestern früh von Wilhelmshaven ausgelaufenen Nordseeflotte ist es gelungen, die Eibmündung zu erreichen. In der Helgoländer Bucht versucht eine englisch-französische Flotte, den deutschen Minengürtel, der ständig verstärkt wird, zu durchbrechen. Das vor acht Tagen begonnene Minensuchen ist eingestellt worden. Aus der Erwägung heraus, dass in absehbarer Zeit doch keine deutsche Flotte in der Nordsee operieren wird, hat der rote Matrosenrat der Nordseeflotte beschlossen, alle vorhandenen Minenvorräte in der Elb- und Wesermündung auszustreuen. In der Ostsee, am Südausgang des Sundes und des Belts, sollen dagegen nur an bestimmten Punkten verankerte Minen gelegt werden.

Der Zentralsoldatenrat der Westfront und das rote Oberkommando der Westarmee haben folgende Befehle erhalten:

„Sollte das Feuer von gegnerischer Seite eröffnet werden, so ist es auf keinen Fall zu erwidern. Die freiwillige Ablieferung von Kriegs- und Beförderungsmaterial ist sofort einzustellen. Den Truppenteilen werden ausreichende Geldmittel zur Verfügung gestellt, um alle Beförderungsmittel, Pferde und Wagen, Last- und Personenautos auf deutschem Gebiet für den Rücktransport von Truppen, Lebensmitteln und Kriegsmaterial aufzukaufen. Wenn Verkauf verweigert wird: requirieren! Es ist sofort eine Aufnahme-Stellung zum Schutz des Rheinüberganges vorzubereiten. Alle Truppen sollen versuchen, in Eilmärschen sich vom Gegner zu lösen und die Aufnahmestellung zu erreichen. Da die Rheinbrücken für den beschleunigten Rückzug der Truppen und die Rettung des erfassbaren Materials nicht ausreichen, werden sämtliche Kähne auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen mit dem heutigen Tage requiriert und sind mit Bemannung sofort zur Verfügung zu stellen. Auf der Strecke von Mannheim bis Bonn sind, soweit möglich, sofort weitere Pontonbrücken unter Verwendung von requirierten Rheinkähnen und mit Hilfe der Arbeiterschaft zu bauen. Die Arbeiterräte im Ruhrgebiet sowie in Mainz und Mühlheim haben beschlossen, sofort alle Kähne zu entladen und für den Transport zur Verfügung zu stellen. Fußtruppen sind möglichst in Kähnen überzusetzen. Die Brücken sind für den Übergang von Fahrzeugen und Pferden freizuhalten."

Vorwärts - 25. November 1918

Krieg der Entente gegen die Revolution!

Belgien, Luxemburg, Nordfrankreich und Elsass-Lothringen sind von den deutschen Truppen geräumt. Nur 24 Stunden lang haben die Alliierten die Fiktion aufrechterhalten, dass sie die Kündigungsfrist einzuhalten bereit seien. Sie hofften, nach Ablauf der 48 Stundenfrist noch zurechtzukommen, um das Gros der deutschen Nordarmee durch einen Süd-Nordvorstoß gegen Aachen und den Maastrichtzipfel abschneiden zu können. Dann merkten sie aber, dass sie sich verrechnet hatten. Vierundzwanzig Stunden vor Ablauf des Waffenstillstandes wurde der Grenzort Malmedy bombardiert und von französischen Truppen gestürmt. Die nördlich Malmedy stehenden Truppen setzten sich zur Wehr, um nicht in Gefangenschaft zu geraten und um den nördlicher marschierenden Truppen den Rücken zu decken. Jetzt ziehen sich unsere Truppen, nachdem die Gefahr, die dem rechten Flügel drohte, abgewendet worden ist, nord- und ostwärts zurück. An der ganzen übrigen Front haben wir das Feuer, das von den Ententetruppen eröffnet wurde, nicht erwidert. Obwohl bei dem scharfen Tempo des Rückzuges an den meisten Stellen fünf bis zehn Kilometer Abstand zwischen den deutschen und Ententetruppen besteht, haben die Ententetruppen das Artilleriefeuer an allen Stellen aufgenommen, wo sie die deutsche Grenze überschritten haben.

Vom Rate der Volksbeauftragten wurde folgender Funkspruch aufgegeben:

An das Interalliierte Hauptquartier

Wir protestieren gegen den Bruch des Waffenstillstandes. Obwohl die deutschen Truppen sich überall kampflos zurückziehen, ist Ihrerseits das Feuer auf der ganzen Front wieder aufgenommen worden.

Wir sind nach wie vor bereit, das ganze linksrheinische Gebiet kampflos zu räumen und ersuchen dringend um Einstellung der Feindseligkeiten.

AUFRUF

an alle Soldaten der französischen, englischen, belgischen, amerikanischen und italienischen Armee.

Das Proletariat in Deutschland und Österreich-Ungarn, in Polen, in der Ukraine und in Rumänien hat seine Ketten abgeworfen. Wir wollen auf den Trümmern des Kapitalismus ein neues sozialistisches Gemeinwesen auf überstaatlicher Grundlage errichten und uns dem Freiheitskampf unserer russischen Brüder anschließen. Der Krieg ist zu Ende. Der deutsche Kaiser, der russische Zar, der Kaiser von Österreich, sie sind nicht mehr. Trotzdem will man euch wieder zum Kampf gegen uns führen. Ihr sollt ein neues Blutvergießen beginnen, obwohl wir uns verpflichtet haben, kampflos das linke Rheinufer zu räumen. Warum hetzt man euch auf uns? Weil unsere Revolution nicht Halt gemacht hat mit der Absetzung der Monarchen, weil wir es nicht genug sein lassen mit der Beendigung des jetzigen Krieges, sondern weil wir auch die Ursache von weiteren Kriegen beseitigen wollen: das fluchwürdige System des Kapitalismus. Das gefällt euren Beherrschern natürlich nicht, denn auch sie sind ja Kapitalisten. Sie ließen ja, wie die unseren, ihren Krieg durch euch führen im Interesse ihres Kapitals. Und dieses Kapital ist in Gefahr, wenn sich nun ganz Mittel- und Osteuropa auf sozialistischer Grundlage einigt. Nicht, dass wir die Absicht hätten, euch anzugreifen. Nein, eure Unterdrücker fürchten, dass ihr, unserm Beispiel folgend, auch daran denken könntet, eure Fesseln abzuwerfen. Deshalb sollt ihr jetzt gegen uns kämpfen. Ihr sollt unsere Revolution niederwerfen, damit ihr nicht auf den Gedanken kommt, euch gegen eure Herrscher zu erheben. Man will uns schlagen und euch damit treffen. Ihr kämpft gegen euch selbst, wenn ihr den Befehlen eurer Generäle weiter Folge leistet.