Wenn wir 1918 ...

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Ebenso wird unser rechter nördlicher Flügel in Schweden und Norwegen mit Hochdruck verstärkt, denn dort stehen wir dem einzigen Gegner gegenüber, der noch völlig intakt und nur wenig demoralisiert ist. Die Amerikaner haben gewusst, was sie taten, als sie alle ihre Kräfte aus der Westfrontherauszogen und in Bordeaux und in Jütland—Schleswig konzentrierten. Ihre Flotte hat nur bei der englischen Landung in Wilhelmshaven Verluste gehabt. Sonst ist diese Flotte trotz allen Vorstellungen der Engländer nicht eingesetzt worden. England, das einst weltbeherrschende England, muss den Schutz seiner Handelsschiffe in der Welt und sogar im Atlantik den Amerikanern anvertrauen. Wenn England nicht sofort aufhört, seine Kräfte in einem aussichtslosen Kampf zu vernichten, ist es — selbst wenn die niedergeschlagene Aufstands- und Dienstverweigerungsbewegung nicht wieder aufleben sollte — mit England zu Ende. Von den Landarmeen sind die Italiener am meisten demoralisiert. Sie sind zwar dauernd im Vormarsch, erkaufen ihre Fortschritte aber mit außerordentlich schweren Verlusten. Trotzdem werden wir Wien, besonders infolge der katastrophalen Lebensmittelknappheit, nicht halten können. Die Vorbereitungen zur Räumung sind im Gange. Auch die Linie Weser—Werra—Böhmerwald müssen wir aufgeben. Zwar konnten wir dem Gegner, der infolge des Bruches der Schweizer Neutralität und unseres raschen Zurückweichens nach Norden und Westen im Böhmerwald zum Angriff einsetzte, schwere Verluste zufügen. Hier wurden zum ersten Mal rote tschechische Truppen eingesetzt. Sie schlugen sich bewunderungswürdig. Aber im Rücken sind wir zu schwach. Ein großer Teil der Bevölkerung sieht in den Franzosen die nationalen Befreier. Bei unserer ersten Niederlage würde der weiße Aufstand in Prag, das von zuverlässigen Truppen fast entblößt ist, erneut aufflammen. Wir können Tschechien nicht halten. Aber der Rückzug auf die östliche Hauptverteidigungslinie geht systematisch, unter Mitnahme allen beweglichen Kriegsmaterials, vor sich. Die Gefahr im Rücken ist für uns in dem Augenblick behoben, in dem wir die neue Hauptverteidigungslinie einnehmen, an deren Ausbau Tag und Nacht gearbeitet wird. Die kapitalistischen Heere haben dann eine ganze Reihe von sehr gefährlichen Aufstandsherden im Rücken, wir dagegen nur noch drei Städte, in denen uns ein Aufstand gefährlich werden könnte: Warschau, Budapest und Bukarest. An diesen drei Stellen konzentrieren wir neu gebildete und in der Ausbildung befindliche Truppen, die bei ihrem Abrücken immer wieder durch neue rote Formationen ersetzt werden und in Verbindung mit den bewaffneten Arbeiterwehren zweifellos imstande sind, jeden weißen Aufstand im Keime zu ersticken.

Kennzeichnend für die jetzige Lage ist folgendes. Erstens: Es gibt auf der ganzen Welt keine neutralen Staaten mehr. Die Neutralität wurde nur so lange aufrechterhalten, als noch kapitalistische Staaten mit anderen kapitalistischen Staaten kämpften. Sie wurde entweder freiwillig oder unter einem gelinden Druck leicht aufgegeben in dem Augenblick, in dem es klar wurde, dass der Kapitalismus mit dem Sozialismus kämpft.

Zweitens: Auf die Soldaten in den kapitalistischen Armeen ist nur noch Verlass, wenn sie in größeren Verbänden in den Formen des imperialistischen Krieges kämpfen. Je kleiner aber die Verbände, je deutlicher im Einzelfalle der Charakter des internationalen Bürgerkrieges hervortritt, um so stärker wird die Neigung der in den kapitalistischen Armeen kämpfenden Soldaten, überzulaufen oder auf unserer Seite weiterzukämpfen. Wenn wir 1000 Gefangene machen, so bedeutet das fast immer, dass wir viele Hunderte neue Kämpfer gewonnen haben. Wenn aber die Gegner 1000 Gefangene machen, so haben sie bestenfalls zehn Offiziere neu für ihre Kampftruppen gewonnen. Besonders an der maritimen Front hat sich das gezeigt. Unsere roten Seestreitkräfte haben im allgemeinen nicht gerade glücklich operiert. Doch überall, wo unsere Mannschaften, ob siegreich oder geschlagen, landeten, entfesselten sie die Revolution. Wo dagegen kleinere Teile der kapitalistischen Flottenbesatzungen landeten und sich selbst überlassen waren, verfielen sie der Revolution.

Drittens: Die revolutionäre Bewegung in England, Frankreich und Italien wächst ständig. Die Führer der sozialistischen Opposition dieser Länder haben sich in einer Geheimkonferenz mit der Lage befasst und beschlossen, alle revolutionären Maßnahmen anzuwenden, wenn die Kriegshandlungen gegen die Revolution nicht sofort eingestellt werden. In England ist diese Bewegung am weitesten fortgeschritten. Die Londoner Arbeiter hatten bereits bei Bekannt werden der eisten Nachrichten über die deutsche Revolution den Abbruch des Krieges verlangt. Die Empörung über die pazifistischen Führer und die Neigung zum Aufstand ist seitdem ständig gestiegen. Die Hafen- und Dockarbeiter stehen seit drei Tagen im Streik. Die Grubenarbeiter verlassen seit heute ihre Arbeitsstellen. In Italien sind spontane Streiks ausgebrochen. Die Mailänder Arbeiter haben beschlossen, die Betriebe zu besetzen, wenn die italienische Armee nicht sofort aus der Kampffront zurückgezogen wird. In Frankreich gärt es ebenfalls. In Paris, Lyon, im zerstörten nordfranzösischen Industriegebiet, im Pas de Calais, in den Nordseehäfen und in den Waffenfabriken von Schneider-Creuzot stehen politische Streiks bevor. Es läge jetzt sowohl in unserm als auch im Interesse der französischen, englischen und italienischen Genossen, dass wir den Kampf fortsetzen, ohne nochmals ein Waffenstillstandsangebot zu machen. Die Genossen aus diesen drei Ländern drängen jedoch darauf, dass wir noch einmal einen Versuch zur friedlichen Beendigung des Kampfes machen. Im Namen des B. d. S. R. S. und der sozialistischen Parteien von Frankreich, England und Italien werden wir der Entente ein gemeinsam verfasstes Ultimatum von 48 stündiger Frist stellen.

Wir fordern darin sofortige Räumung aller Gebiete des B.d.S.R.S. in drei Etappen. Anerkennung des B. d. S.R. S. und völlige Integrität des ehemaligen Gebietes aller angeschlossenen Staaten mit den später aufgezählten Ausnahmen. In allen europäischen Ententestaaten und in allen Kolonien ist innerhalb von zwei Monaten eine Abstimmung darüber vorzunehmen, ob die Bevölkerung sich dem B. d. S. R. S. anschließen oder ob sie das kapitalistische System beibehalten will. Elsass-Lothringen, Südtirol und Nordschleswig stimmen zunächst nicht mit ab. Wenn die Bevölkerung Italiens, Frankreichs oder Dänemarks sich nicht für Anschluss an den B. d. S. R. S. entschließt, ist innerhalb eines weiteren Monats eine Volksabstimmung in diesen Gebieten unter beiderseitiger Kontrolle vorzunehmen. Für den Fall, dass die Volksabstimmung in den Ententestaaten negativ ausfällt, fordern wir Amnestie für alle so genannten Antikriegs- und Revolutionsverbrecher. Wir erklären uns nochmals zum Wiederaufbau der zerstörten Gebiete bereit, aber nur unter der Bedingung, dass dieser Aufbau unter unserer Leitung erfolgt, unter Ausschaltung aller Unternehmergewinne.

Wenn diese Bedingungen nicht angenommen werden, wird in allen Ententestaaten und in den besetzten Gebieten der Generalstreik proklamiert. Die Genossen aus den Ententestaaten wollen es zunächst bei dieser Maßnahme bewenden lassen. Wir haben versucht, sie davon zu überzeugen, dass ein Generalstreik nur dann einen Sinn hat, wenn der Wille zum bewaffneten Aufstand und zur Ausrufung der Räterepublik dahinter steht. Sie sind aber überzeugt davon, dass unser Friedensangebot wesentlich zur Befreiung der westeuropäischen Arbeiter und Soldaten von demokratischen Illusionen beitragen und die agitatorische Plattform zur Liquidierung der Reformisten und Pazifisten, zur Entfesselung des Generalstreiks und des Aufstandes schaffen wird. Genossen! Die Stunde der Entscheidung, die Stunde unseres Endsieges naht. Ich halte es für ausgeschlossen., dass die Ententeregierungen auf unser Angebot eingehen. Sie werden nicht klüger sein als die deutschen Imperialisten. Sie sehen hypnotisiert auf die Landkarte, sie glauben, besetztes Gebiet sei erobertes Gebiet. Sie können und werden es sich nicht eingestehen, dass in ganz Europa, in ihren eignen Kasernen und Fabriken sich bereits die Rote Armee Europas formiert. Genossen! Unser Friedensangebot darf die Kampfbereitschaft an keinem Punkte unsrer Fronten beeinträchtigen : Ich schlage vor, unser Friedensangebot sofort durch Funkspruch und Flieger in ganz Europa bekannt zu geben und im übrigen dem Internationalen Revolutionären Kriegsrat volle Handlungsfreiheit zu lassen." Die Vorschläge des Genossen Lenin werden angenommen.

Vorwärts - 18. Dezember 1918

Berlin wird geräumt

Wir kommen wieder!

Noch einmal erscheint der „Vorwärts" in Berlin legal. Einmal öfter, als wir gedacht hatten. Die Nachricht von den erfolgreichen Kämpfen im Raume Wittenberge — Salzwedel—Stendal ließ schon die Hoffnung in uns wach werden, dass wir nicht zu räumen brauchten. Aber der Internationale Revolutionäre Kriegsrat ist unerbittlich. Der I. R. K. macht folgendes bekannt:

Der Vormarsch der Ententetruppen ging vor allem in Richtung auf Berlin und Hamburg besonders schnell vor sich. Der Vormarsch auf Berlin scheint aus Prestigegründen geradezu übereilt worden zu sein. Vielleicht hat man im Interalliierten Hauptquartier auch geglaubt, dass unsere Widerstandskraft und Aktionsfähigkeit so gering sei, dass ein kräftiger Nachstoß unseren geordneten Rückzug in eine wilde Flucht verwandeln könnte. Nur so ist die Sorglosigkeit zu erklären, mit welcher der Eibübergang westlich Berlin vollzogen wurde, bevor Magdeburg besetzt war. Wir haben vor Magdeburg erst im letzten Augenblick, als der Gegner schon an kampflose Übergabe glaubte, den Kampf aufgenommen und Magdeburg noch zehn Stunden lang gehalten. Diese Zeit genügte, um den doppelseitigen Flankenvorstoß im nördlichen Elbebogen zu decken. Alle Ententetruppen, die auf der Strecke Wittenberge—Tangermünde bereits die Elbe überschritten hatten, sind gefangen genommen worden. Von den auf dem linken Eibufer stehenden Truppen wurden etwa 80 000 durch unsere Umzingelungsaktion abgeschnitten und ohne große Gegenwehr gefangen genommen. Die Saale-Linie ist von uns nach Eintreffen der gegnerischen schweren Artillerie aufgegeben worden. Südlich Harburg haben wir dem Gegner in einer ausgebauten Stellung im Ostebogen und in der Lüneburger Heide einige Tage hartnäckigen Widerstand geleistet und schwere Verluste zugefügt. Im Schutze der Nacht wurde dann auch diese Stellung geräumt. Der Gegner rückte zögernd nach und konnte nach zwei Tagen die Städtegruppe Harburg—Altona—Hamburg— Wandsbek kampflos besetzen.

 

Alle Angriffe der englisch-amerikanischen Nordarmeen auf die Kanallinie sind bisher abgeschlagen worden. Nördlich des Kanals haben wir uns auf die Linie Eckernförde—Wittensee—Rendsburg zurückgezogen. Die Kanallinie westlich Albersdorf ist heute nacht von uns aufgegeben worden. Die Landung starker russischer und deutscher Truppen in Südschweden, Seeland, Laaland und Langeland wird fortgesetzt. Seeland ist fast ganz in unserer Hand. Auf Fünen machen wir Fortschritte, obwohl wir im Großen Belt das maritime Übergewicht noch nicht erlangen konnten. In China, Persien und Syrien dringen die roten Truppen weiter vor. Die Seeschlacht vor Kreta ist zu unseren Gunsten entschieden. Kreta wurde von roten Landungstruppen besetzt. Ein Teil der Ententeflotte ist zu uns übergegangen. Der Rest entzog sich der völligen Vernichtung durch den Rückzug auf Ägypten. Die französische Mittelmeerflotte kämpft jetzt größtenteils auf unserer Seite. Die Matrosen der Schiffe, die noch im kapitalistischen Lager kämpfen, haben sich geweigert, auf ihre roten Landsleute zu schießen. In der französischen Flotte herrscht starke Erbitterung gegen die englische Oberleitung, die vor den Dardanellen und vor Kreta die eigenen Schiffe schonte und die französischen und italienischen Schiffe rücksichtslos einsetzte.

Der Beginn des Generalstreiks in den Ententestaaten ist um drei Tage verschoben worden. Die Interalliierten Regierungen haben sich im letzten Augenblick zu Verhandlungen bereit erklärt. Die gefangen gesetzten Führer wurden freigelassen und die vor den Kriegsgerichten schwebenden Verfahren vorläufig niedergeschlagen.

In Mailand haben die Arbeiter die Fabriken besetzt. Unter den italienischen Truppen sind Gehorsamsverweigerungen an der Tagesordnung. Die Differenzen sind aber vorerst gütlich beigelegt worden, da die italienische Heeresleitung versprochen hat, keine Angriffe gegen die neue rote Hauptverteidigungslinie zu unternehmen, wenn Wien kampflos übergeben wird.

Letzte Nachrichten und Telegramme

Die Aufstandsbewegung in Irland wächst. Ganz Südirland ist in der Gewalt der Aufständischen. In Chikago ist ein Arbeiteraufstand niedergeschlagen worden. Unsere Truppen auf Fünen haben im Kampf gegen überlegene amerikanische Kräfte eine Niederlage erlitten. Die ersten italienischen Truppen sind vor Wien erschienen. Starke rote Truppenabteilungen marschieren in Griechenland ein, da Griechenland trotz mehrfacher Aufforderung die aus Bulgarien und Serbien geflüchteten Ententetruppen nicht entwaffnet hat. Das Oberkommando der roten Balkanarmee, das über starke Formationen verfügt, bereitet den Nordvormarsch vor, will aber erst die rückwärtige Gefahr in Griechenland liquidieren, was angesichts der roten Überlegenheit nur wenige Tage in Anspruch nehmen dürfte. In Saloniki, das bald von der regulären roten Balkanarmee besetzt werden wird, tobt zur Zeit ein heftiger Kampf zwischen aufständischen Arbeitern, roten englischen, französischen, griechischen und italienischen Truppen einerseits und den Resten der königlich griechischen und Ententearmeen anderseits. Nach einem Telegramm aus Dresden sind Halle, Leipzig und Zwickau kampflos von den Franzosen besetzt worden. Starke Kolonnen von Autos, Panzerautos, Tanks und Kavallerieabteilungen rücken in Eilmärschen ostwärts vor und stehen vor Chemnitz. Starke rote Abteilungen sind in Gefahr, abgeschnitten zu werden. Ein Kampf soll nach den Anweisungen des I. R. K. unter allen Umständen vermieden werden. Die aktiven Abteilungen der sächsischen Arbeiterwehren, die sich auf die Oder—Neiße-Linie zurückziehen sollten, werden in ihren Heimatorten demobilisiert. Alle Arbeiterräte in Sachsen sind angewiesen worden, die ostwärts marschierenden roten Truppen, soweit sie nicht mit schnellen Beförderungsmitteln ausgerüstet sind, anzuhalten, zu demobilisieren und soweit wie möglich mit Zivilkleidung zu versehen.

Berliner Genossen!

Der Vorwärts" hört mit dem heutigen Tage auf, legal in Berlin zu erscheinen. Die offizielle Redaktion ist ab morgen in Warschau. Alle wichtigen Nachrichten werden durch drahtlosen Funkspruch der illegalen Redaktion in Berlin übermittelt. Unterstützt unsere illegalen Organisationen und den illegalen Zeitungsvertrieb! Haltet euch bereit für die Stunde der Entscheidung! Leistet den militärischen Machthabern der Entente nicht die kleinste Hilfe! Versucht, mit den englischen und französischen Kameraden ins Gespräch zu kommen. Besorgt euch alle den revolutionären Sprachführer, der bei allen Betriebsräten und revolutionären Vertrauensleuten zu haben ist. Verbreitet die in englischer und französischer Sprache geschriebenen Flugblätter und klebt die fremdsprachigen Aufrufe an alle Mauern, Zäune, Kasernen, Wohnhäuser, Litfasssäulen und öffentlichen Gebäude. Unterstützt die englischen und französischen Genossen, die sich mit uns verbrüdern wollen und die Absicht haben, zu desertieren. Gebt ihnen Zivilkleidung oder alte deutsche Uniformen und versteckt sie. Reiht sie ein in die Kampffront, wenn die Stunde des bewaffneten Aufstandes gekommen ist!

Seid bereit! Wir kommen wieder!

Warschau - Vorwärts - 21. Dez. 1918

Siegestaumel und weißer Terror

Die Entente hat unser Friedensangebot unbeantwortet gelassen und setzt den Kampf fort. Ihre Truppen marschieren überall in Eilmärschen ostwärts. Die Gefangennahme der roten Truppen auf Fünen, die kampflose Einnahme von Hamburg, Berlin, Meißen, Dresden, Prag und Wien hat in den kapitalistischen Hauptstädten einen Siegestaumel hervorgerufen, der leider nicht nur auf bürgerliche und kleinbürgerliche Kreise beschränkt geblieben ist. Besonders in Paris scheint die Einnahme von Berlin furchtbare Verwüstungen in den Gehirnen angerichtet und übertriebene Hoffnungen wachgerufen zu haben. Die sozialistischen Zeitungen in ganz Frankreich sind wieder verboten und beschlagnahmt worden. Die Leitung der sozialistischen Partei und der Confederation generale du Travail, die sich am gestrigen Abend im Vertrauen auf die Versprechungen der Regierung zu einer Sitzung zusammengefunden hatte, ist vollzählig verhaftet worden. Ein Unterschied zwischen Reformisten und Oppositionellen wird nicht mehr gemacht. Hunderte von revolutionären Arbeitern sind in den letzten Tagen erschossen worden, Tausende verhaftet. In der ganzen Nacht tobte kapitalistischer Mob durch die Straßen und vernichtete alles Eigentum der Arbeiterorganisationen, veranstaltete wüste Pogrome in den Arbeitervierteln und übte Lynchjustiz an revolutionären Arbeitern und ihren Familien. Während in England und Italien die Parole zum Generalstreik nach den vorliegenden Meldungen fast überall befolgt wurde, scheint sie in Paris versagt zu haben. In mehr als der Hälfte aller Betriebe soll, nach einem Funkspruch der Interalliierten, heute morgen die Arbeit wieder bedingungslos aufgenommen worden sein. In Marseille dagegen sollen die Arbeiter die Rätediktatur errichtet haben; in Lyon wird erbittert gekämpft. In Norditalien und Spanien herrscht offener Aufruhr. In Genua und sogar in Barcelona ist die Räterepublik ausgerufen worden. Die spanische Regierung hat die gemeinsame Aufforderung der Sozialisten, Syndikalisten und Anarchisten, den Kampf in Marokko und im Rif abzubrechen, mit dem weißen Terror beantwortet. Im Osten steht es überall gut. In Nordchina rücken die roten Flugzeuggeschwader und die Eisenbahntruppen auf Peking vor. In Hankau, Nanking und Schanghai sind revolutionäre Arbeiterräte gebildet worden. Im Süden verbreitet sich die revolutionäre Bewegung von Kanton aus. In Bombay und Kalkutta wurde der Generalstreik proklamiert. Im französischen Annam sind Aufstände ausgebrochen. Größere Abteilungen der Fremdenlegion haben sich mit den Aufständischen verbrüdert. Auf Borneo, Celebes und Java sind Kämpfe mit den holländischen Regierungstruppen im Gange. Auf den Philippinen ist ein Aufstand von den amerikanischen Regierungstruppen niedergeschlagen worden. Ein chinesisches Schiff, das den Philippinos von Kanton aus zu Hilfe eilen wollte, ist von den Engländern in Grund gebohrt worden. Sun Yat-sen hat ganz China aufgerufen, den Kampf gegen die Imperialisten aufzunehmen. Damit ist das Schicksal der Imperialisten in China entschieden. Man sollte annehmen, dass diese Ereignisse den Imperialisten zu denken geben und sie zur Aufgabe des aussichtslosen Kampfes bewegen müssten. Wenn die europäisch-asiatische Revolution den Aufstand der unterdrückten Farbigen auslöst, so ist das etwas ganz anderes, als wenn dieser Versuch vorher von dem imperialistischen Deutschland gemacht wurde. Das ist es, was die Kapitalisten übersehen haben, als sie sich entschlossen, den Kampf gegen die Revolution sofort und mit allen Mitteln aufzunehmen. Sie lassen sich von den Erfolgen in Palästina und in Arabien blenden. Dort hat das englische Gold noch einmal seine Wirkung getan. Es wird das letzte Mal gewesen sein!

Ganz Mazedonien ist jetzt fest in unserer Hand. Damit ist der letzte kapitalistische Widerstand im Osten gebrochen. Jetzt beginnt der Kampf um Mitteleuropa. Die rote Balkanarmee hat den Vormarsch nach Norden angetreten. Die italienischen Angriffe auf die Donau- und Marchlinie sind überall mit schweren Verlusten abgeschlagen worden. Östlich Wien haben ganze italienische Truppenteile gemeutert, weil sie entgegen dem Versprechen der italienischen Heeresleitung nun doch die rote Hauptverteidigungslinie angreifen sollten.

In Böhmen sind die in Eilmärschen vorrückenden Auto-und Tankkolonnen der Entente nördlich Trautenau, nördlich Hohenelbe und westlich Gablonz auf starken Widerstand gestoßen.

Nördlich des Isergebirges ist den Ententetruppen durch ihr überraschend schnelles Vorrücken in Sachsen der Einbruch in unsere Hauptverteidigungslinie gelungen. Sie haben sich durch Überrumplung sogar die Eisenbahn nutzbar machen können und sind mit Panzerzügen und starken Truppentransporten bis Greifenberg vorgestoßen. Dieser Durchbruch unserer Linien hat zwei Ursachen. Die ersten Kolonnen der aus dem Osten heranrückenden roten russischen Armee sind erst heute an der Oderlinie angekommen. Die Neißelinie war beinahe unbesetzt, da fast alle regulären und irregulären roten Truppen in Sachsen demobilisiert worden sind.

In Südholstein haben die nordwärts vorrückenden Ententetruppen eine schwere Niederlage erlitten. Das Gros der Ententetruppen war nach Herstellung der Verbindung mit den englisch-amerikanischen Nordarmeen von Hamburg aus ostwärts abmarschiert. In Richtung auf Neumünster wurden nur zwei Divisionen in Marsch gesetzt. Diese Säuberungsaktion brach aber kläglich zusammen. Die Ententetruppen wurden fast restlos vernichtet und gefangen genommen.

Der Versuch, unsere von überlegenen amerikanischen Kräften angegriffenen Truppen auf Fünen nach Seeland zurückzuziehen, ist leider missglückt. Dagegen ist es im Schutze der Nacht gelungen, einen Teil der Besatzung auf Arö, Langeland und Laaland zurückzunehmen. Bei einem Gefecht am Großen Belt sind zum ersten Mal größere unhavarierte Schiffseinheiten der englischen Flotte zu uns übergegangen.

In Berlin ist unter dem Schutze der Entente eine weiße Regierung gebildet worden. Alle öffentlichen Gebäude und Kasernen sind mit weißen deutschen Truppen und Offiziersbataillonen besetzt. Die französische Heeresleitung, die sich das militärische Schauspiel des Einzuges der siegreichen Truppen nicht nehmen lassen wollte, hat sich im Schloss festgesetzt und den größten Teil der Truppen ostwärts weiter marschieren lassen. Der französische Poilu aber hat in der Linie Straußberg—Fürstenwalde erkennen müssen, dass die Zeit der kampflosen Siege vorbei ist. Nur drei französische Divisionen sind in Berlin einquartiert. Im übrigen hoffen die Franzosen, dass sie sich auf die weißen deutschen Bundesgenossen verlassen können. Lassen wir ihnen diesen Glauben!

Der deutsche Arbeiter weiß, was er zu tun hat!!

Warschau/Berlin - Vorwärts - 24. Dez. 1918

Generalstreik überall!

Parole: Im alten Jahr kein Hammerschlag, Kämpft für den roten Neujahrstag!

In der ganzen westlichen Welt ruht die Arbeit. Die Räder stehen still. Die Essen verlöschen. Hochöfen werden ausgeblasen. Die Gruben sind verlassen. Kein Handschlag mehr soll für den Kapitalismus geleistet werden, die Arbeit wird erst wieder aufgenommen, wenn das Proletariat wieder im Besitz der Macht ist.

 

Die Revolution schreitet überall siegreich vorwärts: Ganz Katalonien ist in der Hand der Aufständischen, die Verbindung mit Südfrankreich ist hergestellt. In Madrid behaupten sich noch die Kapitalisten. Ein Arbeiteraufstand in Bordeaux wurde von amerikanischen Truppen niedergeschlagen. In Paris sind die Kämpfe noch unentschieden. Dagegen ist ganz Irland in den Händen der Aufständischen. In Liverpool, Manchester, Sheffield, Hull, Birmingham und Cardiff ist die Räterepublik ausgerufen worden. Die meisten südenglischen Häfen sind in der Gewalt der Aufständischen. London, dessen Arbeiterschaft sich bisher auf schärfste Durchführung des Generalstreiks beschränkt hat, ist überall von Revolutionsherden umgeben. Unterdessen setzen die kapitalistischen Heere in Mitteleuropa ihren Todeskampf fort. Hunderttausende von englischen, französischen und italienischen Kameraden sind bereits zu uns herübergekommen und kämpfen zum größten Teil auf unserer Seite. Millionen aber kämpfen noch in den kapitalistischen Armeen. Dennoch kann es keinen Zweifel mehr geben, dass dieser Kampf bald, sehr bald mit dem Siege der Revolution enden wird. Unsere Westfront wird von Tag zu Tag stärker, die der Gegner bröckelt immer mehr ab. In großen Teilen Deutschlands und Frankreichs fängt die Revolte damit an, dass die Eisenbahnschienen aufgerissen werden. Die rückwärtigen Verbindungen der Ententetruppen sind dadurch an vielen Stellen unterbrochen. Im Ruhrgebiet, in Mitteldeutschland und in Sachsen ist der rote Aufstand fast überall geglückt. Die Besatzungstruppen sind entweder überwältigt worden oder haben sich den Aufständischen angeschlossen. Die Rheinübergänge bei Köln, Mülheim, Mainz und Mannheim—Ludwigshafen sind fest in der Hand der aufständischen Deutschen und Franzosen. Auch das Gebiet um Frankfurt am Main ist fest in unserer Hand. Am besten steht es in und um Wien, am allerschlechtesten in Berlin. Nachdem eine französische Division meuterte, haben die Franzosen fast alle ihre Truppen aus Berlin herausgezogen und die Stadt der Blutherrschaft der weißen deutschen Banden überlassen. Es rächt sich jetzt, dass wir die besten und aktivsten Abteilungen der roten Arbeiterwehr aus Berlin herausgezogen haben und an der militärischen Kriegsfront kämpfen lassen, wo sie nicht halb so viel leisten können wie im Bürgerkrieg. Wie ganz anders sieht es dagegen in Sachsen aus, wo fast alle roten Abteilungen infolge des schnellen Vorrückens der Franzosen im Lande geblieben sind!

Das Zentrum und der Süden und Westen Berlins sind fest in der Hand der Weißen. In Neukölln sind alle Versuche zum Bau von Barrikaden durch ein starkes Aufgebot von Panzerwagen im Keime erstickt worden. Im Osten ist zwar die große Frankfurter Allee und das Ausfallstor nach dem Osten noch fest in der Hand der Weißen. In den Nebenstraßen aber wachsen überall ebenso wie im Norden Barrikaden aus dem Boden.

Die Lage an der militärischen Kriegsfront

Alle gegnerischen Angriffe auf die Ostseeinfahrt sind abgeschlagen worden. Drei Schlachtschiffe, ein Panzerkreuzer und zwei kleine Kreuzer neben vielen Hilfsschiffen, Torpedo- und Unterseebooten sind zu uns übergegangen. Die englisch-französische Flotte hat jetzt keine Erfolgsaussichten mehr. Wenn nicht die Amerikaner in letzter Minute dem dringenden Ersuchen der Engländer nachgeben und ihre Flotte rücksichtslos einsetzen, ist das Schicksal der weißen Flotten in den allernächsten Tagen entschieden. Die Amerikaner liegen nach wie vor untätig im Skagerrak und im Kattegatt und beschränken sich auf den Schutz ihrer Landarmeen. In einem Funkspruch an die rote Flottenleitung drohen sie allerdings, ihre Flotte einzusetzen, falls wir Jütland angreifen sollten. Wir haben geantwortet, dass wir uns mit der Säuberung Fünens von englischen Truppen begnügen, wenn die amerikanischen Landtruppen vom Angriff auf Kiel zurückgezogen werden. Eine Antwort ist bisher nicht eingetroffen. Es ist aber im Hinblick auf die Lage anzunehmen, dass die Amerikaner dies inoffizielle Waffenstillstandsangebot annehmen. Durch die Landung starker russischer Truppenmassen in der Hohwachter und Lübecker Bucht und vor allem durch den erfolgreichen Arbeiteraufstand im Hamburger Gebiet ist eine völlig veränderte Lage entstanden. Wir gehen von beiden Seiten zum Angriff über. An der Oderlinie, nördlich Fürstenberg, sind alle gegnerischen Vorstöße abgewiesen worden. Die Zeit der Defensive ist vorbei. Wir nehmen den Entscheidungskampf auf. Unsere Generaloffensive hat auf breiter Front begonnen. Die Gegner, die in der Oberlausitz überraschend durchbrechen konnten, stießen in der Niederlausitz auf starken Widerstand. Starke deutsche und russische Truppenabteilungen aus den Lagern Jüterbog, Kottbus und Neuhammer haben den Kampf aufgenommen und sind zur Offensive übergegangen. Bei Krossen, Neusalz und Glogau gehen ständig starke Abteilungen der russischen roten Armee über die Oder und marschieren in Eilmärschen west- und südwärts. Im Norden ist die Spree erreicht, bei Kottbus und Spremberg wurde sie überschritten. Der gegnerische Widerstand ist sehr schwach. Artilleriekämpfe finden fast überhaupt nicht statt. Die Kavallerie ist wieder eine Hauptwaffe geworden. Sie unterstützt den Angriff der Auto- und Tankkolonnen. Unsere Beute an Tanks und Panzerautomobilen ist groß.

Der Vormarsch nach Süden ist aus der Linie Weißwasser —Weißkeisel—Sorau—Sagan angetreten. Weiter südlich ist es den Franzosen gelungen, unsere schwache Stellung bei Maltsch zu durchbrechen und über Neumarkt bis kurz vor Deutsch-Lissa vorzustoßen. Dort brach der Angriff im Feuer der Breslauer Außenforts zusammen. Der Eckpfeiler unserer Stellung im Isergebirge behauptet sich gegen alle Angriffe. Im Riesengebirge haben wir Spindelmühl aufgegeben und den gegnerischen Vormarsch vor St. Peter und im Elbtale vor der Weißwassermündung aufgehalten. Bei Liebau—Friedland tobt ein heftiger Kampf um die Passstraße. Unsere Front wird ständig durch neue Abteilungen der roten Arbeiterwehr aus dem Waldenburger Bergland und durch rote Truppen vom Truppenübungsplatz Lambsdorf verstärkt.

Eine starke russisch-polnisch-deutsche Armee hat von der Weistritzlinie aus den Nordvormarsch angetreten. Im Adlergebirge wurden alle Angriffe abgeschlagen. Der rechte Flügel der französischen Armee versuchte bei Kudowa vergeblich, in den Glatzer Kessel einzudringen. Die italienische Front zwischen Glatz und Pressburg ist vollkommen in Auflösung begriffen. Brünn ist von roten Truppen besetzt worden. In ganz Mähren rücken die roten Armeen in Eilmärschen nord- und westwärts vor. Große Teile der italienischen Truppen haben sich uns angeschlossen und nehmen am Vormarsch teil.

Die Ereignisse in Wien

Schon vor der Erhebung der Wiener Arbeiter sind Tausende von italienischen Soldaten desertiert und haben sich von den Wiener Arbeitern Zivilkleidung geben lassen. Dann kam die Nachricht von den verlustreichen Kämpfen nördlich Pressburg. Ganze Truppenteile meuterten und kämpften Seite an Seite mit den aufständischen Wiener Arbeitern. Innerhalb von 24 Stunden war ganz Wien in unserer Hand. Anschließend begann unser Vormarsch nach Osten, der mit der Gefangennahme der letzten italienischen Norddonautruppen endete. Die Eisenbahn fährt wieder. In Linz ist die Macht vom Arbeiterrat ohne Kampf wieder übernommen worden. Von Passau aus fahren rote Eisenbahner mit Panzerzügen donauaufwärts. Von Salzburg aus gehen rote Truppenzüge nach Rosenheim ab. Sie sollen den Münchener Arbeitern zu Hilfe eilen.