Quentin Durward

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Der junge Mann warf nochmals einen scharfen und forschenden Blick auf den Redner, und auf dessen schweigsamen Begleiter, wie wenn er auch noch im Zweifel stehe, ob sie ihrerseits auch das Vertrauen, was sie verlangten, verdienten, und das Resultat seiner Betrachtung war dieß: –

Der älteste und ausgezeichnetere dieser beider Männer glich in Kleidung und äußerm Ansehen einem Kaufmann oder Krämer jener Zeit. Wamms, Beinkleider und Mantel waren von der nämlichen dunkeln Farbe, doch so abgetragen, daß der scharfsehende junge Schotte begriff, der Mann sei entweder sehr reich, oder sehr arm; wahrscheinlich das erstere. Seine Kleidung war übrigens eng und kurz, was damals nicht für anständig bei dem Adel, auch nicht einmal unter dem höhern Bürgerstande galt, wo man meist weite Röcke zu tragen pflegte, die bis auf die Mitte des Beines herunterhingen.

Der Ausdruck im Gesicht dieses Mannes war zum Theil anziehend, zum Theil abstoßend. Seine harten Züge, eingefallenen Wangen und hohlen Augen hatten trotzdem den Ausdruck von Schlauheit und einer Laune, die ganz mit dem Charakter des jungen Abenteurers harmonirte. Aber die nämlichen gesunkenen Augen, die unter dem Schatten dichter schwarzer Augenbrauen hervorsahen, hatten auch etwas Gebieterisches und Zweideutiges. Vielleicht wurde diese Wirkung noch durch eine niedrige Pelzmütze verstärkt, die tief in die Stirn gedrückt war, und so den Schatten verstärkte, unter welchem die Augen hervorblitzten; doch so viel ist gewiß, der junge Fremde fand einige Schwierigkeit, diese Blicke mit dem Unscheinbaren seines Aeußern in anderer Hinsicht in Einklang zu bringen. Seine Mütze besonders, an welcher alle nur einigermaßen bedeutende Leute Gold- oder Silberverzierung zeigten, war bloß mit einem schlechten Bilde der Jungfrau aus Blei geziert, wie es die ärmern Pilger von Loretto bringen.

Sein Begleiter war ein starkgebauter Mann von mittler Größe, über zehn Jahr jünger als sein Gefährte, mit einem immer zu Boden schauenden Gesicht, und einem nichts Gutes weissagenden Lächeln, wenn er ja einmal diesem Antriebe nachgab, was übrigens nie geschah, außer als Antwort auf gewisse geheime Zeichen, die zwischen ihm und dem ältern Fremden gewechselt zu werden schienen. Dieser Mann war mit einem Schwert und einem Dolch bewaffnet; und der junge Schotte bemerkte, daß er unter seinem einfachen Kleide einen Jazeran oder ein bewegliches Panzerhemd von Metallringen trug, welches, weil es oft auch diejenigen führten, die, selbst bei friedlichem Gewerbe, zu jener gefahrreichen Zeit häufig auf der Landstraße verkehrten, den jungen Mann in seiner Vermuthung bestärkte, daß der Eigenthümer desselben ein Fleischer, Viehhändler, oder etwas dergleichen sein müsse.

Der junge Fremde, in einem Blick das Resultat der Beobachtung zusammenfassend, dessen Darstellung uns einige Zeit kostete, antwortete nach einer momentanen Pause: »ich weiß nicht, mit wem ich zu sprechen die Ehre habe,« (zugleich machte er eine leichte Verbeugung,) »doch gilt das mir gleich, der ich ein junger Schottländer bin, und hieher komme, um mein Glück in Frankreich, oder sonst irgendwo, nach der Sitte meiner Landsleute zu suchen.«

» Pasques-dieu! und das ist eine wackre Sitte,« sagte der ältere Fremde. »Ihr scheint ein stattlicher junger Bursch und gerade im rechten Alter, um Euer Glück sowohl bei Männern als bei Frauen zu machen. Was sagt Ihr dazu? Ich bin ein Kaufmann und brauche einen Burschen als Gehilfen bei meinem Handel – aber wahrscheinlich seid Ihr zu sehr Gentleman, um Euch zu solch einem handwerksmäßigen Geschäft herzugeben?«

»Werther Herr,« sagte der Jüngling, »wenn Ihr Euer Anerbieten ernstlich meint – woran ich freilich zweifle – so bin ich Euch Dank dafür schuldig und danke Euch allerdings; nur fürchte ich, ich würde für Euren Dienst ganz untauglich sein.«

»Wie!« rief der Aeltere; »gewiß verstehst du den Bogen besser zu spannen, als einen Waarenballen zu schnüren: kannst das Schwert besser handhaben, als die Feder – nicht?«

»Herr,« antwortete der Jüngling, »ich bin ein Braeman, und daher auch, wie wir sagen, ein Bogenmann. Doch bin ich auch in einem Kloster gewesen, wo mich die guten Väter lesen und schreiben, ja sogar rechnen lehrten.« –

» Pasques-dieu! das ist ganz herrlich!« sagte der Kaufmann. »Bei unsrer Frau von Embrun, du bist ein Wunderkind, Mensch!«

»Spart Euren Scherz, lieber Herr!« sagte der Jünglinge welcher mit dem scherzhaften Wesen seiner neuen Bekanntschaft nicht sehr zufrieden war. »Ich muß gehen, um mich zu trocknen, statt länger hier zu stehen, und Fragen zu beantworten.«

Der Kaufmann lachte nur noch lauter als er sprach, und antwortete: » Pasques-dieu! das Sprichwort hat Recht: Fier comme un Ecossois! aber komm nur junger Mann, du bist aus einem Lande, welches ich achte, denn ich habe zu seiner Zeit auch schon in Schottland Handel getrieben; ein guter ehrlicher Menschenschlag ist dort; willst du nun mit uns in's Dorf kommen, so sollst du ein Glas Branntwein und ein warmes Frühstück haben, um dein Untertauchen gut zu machen. Doch tete-bleu! was thut Ihr mit dem Jagdhandschuh an Eurer Hand? Wißt Ihr nicht, daß das Jagen in den königlichen Gehegen nicht gestattet ist?«

»Dieß lehrte mich schon,« antwortete der Jüngling, »ein schurkischer Förster des Herzogs von Burgund. Ich ließ nur meinen Falken fliegen, den ich mit aus Schottland gebracht hatte und mit dem ich Ehre einzulegen hoffte, und zwar auf einen Reiher in der Nähe von Péronne, und der schurkische Schelm schoß mir meinen Vogel mit einem Pfeile herunter.«

»Und was thatest du?« sagte der Kaufmann.

»Ich prügelte ihn,« sagte der Jüngling, seinen Stab schwingend, »beinahe zu Tode, wie nur ein Christenmensch den andern prügeln mag – sein Blut wollt' ich nicht auf mein Gewissen laden.«

»Weißt du auch,« sagte der Bürger, daß der Herzog von Burgund, wenn du in seine Hände gefallen wärst, dich hätte aufhängen lassen, wie eine Haselnuß?«

»Ja, es ist mir gesagt worden, er sei damit eben so schnell bei der Hand, wie der König von Frankreich. Aber da mir dieser Fall nahe bei Péronne begegnete, so machte ich einen Sprung über die Gränze und lachte ihn aus. Wäre er nicht so eilig gewesen, so hätte ich vielleich Dienste bei ihm genommen.«

»Er wird schwerlich einen solchen Paladin vermissen, wie Ihr seid, wenn der Waffenstillstand aufhören sollte;« sagte der Kaufmann, und warf dabei einen Blick auf seinen eigenen Gefährten, den dieser mit seinem niederwärts blickenden Lächeln erwiderte, welches über sein Gesicht glänzte, wie ein vorübergehendes Meteor den Winterhimmel erhellt.

Der junge Schotte aber drückte plötzlich seine Mütze auf das rechte Auge herab, wie einer der es übel nimmt, daß er belächelt wird, und sagte mit festem Ton: »Meine Herrn, und vorzüglich Ihr, Sir, der ältere, der wohl auch der Verständigste sein sollte, Ihr werdet doch hoffentlich keinen vernünftigen Grund, über mich zu scherzen, finden. Den Ton Eurer Unterhaltung liebe ich überhaupt nicht. Ich nehme wohl einen Scherz von Jedermann an, und einen Tadel deßgleichen von einem, der älter ist als ich, und ich danke Euch dafür, Sir, wenn ich mir bewußt bin, ihn verdient zu haben; aber es ist mir unerträglich, mich wie ein Kind behandelt zu sehen, da ich, Gott sei Dank! Manns genug bin, Euch beiden die Stirne zu bieten, wenn Ihr mich noch ferner reizt.«

Der älteste Mann schien fast vor Lachen über das Benehmen des Burschen ersticken zu wollen – seines Gefährten Hand faßte leise nach dem Schwertgriff; dies bemerkte der Jüngling und gab ihm einen Schlag über die Hand, der ihn unfähig machte, zuzugreifen; dadurch wurde die Lust des ältern Begleiters nur noch erhöht. »Halt, halt!« rief er, »mein wackrer Schotte! um deines eignen Vaterlandes willen! Und Ihr, Gevatter, laßt Euren drohenden Blick weg! Pasques-dieu! Wir wollen ordentlich und billig handeln! Wir wollen das Naßwerden gegen den Schlag auf die Hand setzen, der mit so viel Grazie und Behendigkeit geführt ward. Und hört Ihr, mein junger Freund,« sagte er mit düsterm Ernst zu dem Jünglinge, wodurch dieser trotz alles Widerstrebens doch bezähmt ward, – »keine Gewaltthätigkeit weiter! Bei mir ist sie nicht gut angewandt, und wie Ihr seht, hat mein Gevatter genug daran. Laßt mich Euren Namen wissen.«

»Auf höfliche Frage kann ich höflich antworten,« sagte der Jüngling, »und Eurem Alter will ich den geziemenden Respekt nicht weigern, wenn Ihr meine Geduld durch Neckerei nicht reizt. Seit ich hier in Frankreich und Flandern bin, nennen mich die Leute, nach ihrer Art, den Schuft mit der Sammettasche, weil ich diesen Falkenbeutel an der Seite trage. Mein wahrer Name daheim ist Quentin Durward

»Durward!« sagte der Frager; »ist es ein edler Name?«

»Seit fünfzehn Ahnen ist er in unserer Familie,« sagte der junge Mann; »und daher kommt eben mein Widerwille gegen jedes andre Geschäft als das der Waffen.«

»Ein ächter Schotte! Viel Blut und Stolz, und bedeutender Mangel an Dukaten, darauf wett' ich. – Gut, Gevatter,« sagte er zum Gefährten, »geh voraus, und laß uns ein Frühstück besorgen, an jener Maulbeerpflanzung; der junge Mann hier wird ihm gewiß ebensoviel Ehre widerfahren lassen, als eine verhungerte Maus dem Käse einer guten Hausfrau. Und was den Böhmen betrifft – so höre wohl« –

Sein Gefährte antwortete mit einem düstern, doch bedeutenden Lächeln, und schritt dann auf einen runden Platz hin, während der ältere Mann sein Gespräch mit dem jungen Durward fortsetzte: »Ihr und ich wollen zusammengehen, auf unserm Wege durch den Wald können wir zugleich in St. Hubert's Kapelle eine Messe hören, denn es ist nicht gut an unser Fleischliches zu denken, so lange dem Geistlichen nicht genügt ward.«

Durward hatte als guter Katholik nichts dagegen einzuwenden, wenn er auch jedenfalls wünschte, erst seine Kleider zu trocknen und sich zu erquicken. Indeß verlor man den Gefährten mit zu Boden gesenktem Blicke bald aus den Augen, setzte jedoch selber den nämlichen Weg fort, den jener eingeschlagen hatte, bis man auf diesem zu einem Wald mit hohen Bäumen, untermischt mit Dickicht und Gebüsch, gelangte, der von langen Alleen durchschnitten war, durch welche man in der Ferne kleine Heerden von Wild mit einer Sicherheit umherwandeln sah, welche bewies, daß sie sich eines vollkommenen Schutzes bewußt waren.

 

»Ihr fragtet mich, ob ich ein guter Bogenschütze wäre,« sagte der junge Schotte; »gebt mir einen Bogen und einige Pfeile, und Ihr sollt den Augenblick ein Stück Wildpret haben.«

» Pasques-dieu! mein junger Freund!« sagte sein Begleiter, »nehmt Euch davor in Acht; mein Gevatter dort hat ein besonderes Auge auf das Wild, es steht unter seiner Aufsicht und er ist ein strenger Wildhüter.«

»Er hat aber mehr das Ansehen eines Fleischers, als eines heitern Forstmanns,« antwortete Durward; »ich kann mir nicht denken, daß sein hündisch gesenkter Blick einem Menschen gehören kann, der sich auf das edle Waidwerk versteht.«

»Ja, junger Freund,« antwortete der Begleiter, »auf den ersten Anblick sieht mein Gevatter allerdings etwas häßlich aus, aber wenn man erst näher mit ihm bekannt ist, so kann man sich nie über ihn beklagen.«

Quentin Durward fand etwas Eigenes und unangenehm Bedeutsames in dem Tone, womit diese Worte ausgesprochen wurden, und als er nun plötzlich den Redenden anblickte, glaubte er in dem Gesicht, in dem leichten Lächeln, das seine Oberlippe umzog, und in dem damit verbundenen Blicke seines durchdringenden düstern Auges, Etwas zu entdecken, was seine unangenehme Ueberraschung zu rechtfertigen schien. »Ich habe oft von Räubern gehört,« dachte er bei sich, »und von listigen Spitzbuben und Kehlabschneidern – Wie, wenn jener Kerl ein Mörder, und dieser alte Schuft sein Helfershelfer wäre? Ich will auf meiner Hut sein; sie werden bei mir nichts als derbe schottische Hiebe holen.«

Während er so im Stillen dachte, kamen sie an eine freie Stelle, wo die hohen Bäume weniger dicht standen, und wo der Fußboden von Buschholz und Dickicht befreit, mit einem Grasteppich vom sanftesten und frischesten Grün überkleidet war, welches, vor den sengenden Sonnenstrahlen geschirmt, hier viel schöner zu gedeihen schien, als man es sonst in Frankreich zu sehen pflegt. Die Bäume, die an dieser abgeschiedenen Stelle meist aus Buchen und Ulmen von ungeheurer Größe bestanden, erhoben sich gleich großen Laubhügeln in die Luft. Mitten unter diesen prächtigen Söhnen der Erde streckte sich auch, an der offensten Stelle der Waldlichtung, eine kleine Kapelle empor, in deren Nähe ein Bächlein dahinrieselte. Ihre Bauart war von der rohesten und einfachsten Art, und daneben befand sich eine niedere Wohnung zur Aufnahme des Eremiten oder einsamen Priesters, der dort weilte, um regelmäßig die Pflichten des Altars zu versehen. In einer kleinen Nische über dem bogenförmigen Eingang stand ein steinernes Bild des Sankt Hubertus, mit dem Jagdhorn, das ihm um den Hals hing, und ein Rudel Windhunde zu seinen Füßen. Die Lage der Kapelle mitten in einem Jagdgehege, das so reichlich mit Wild versehen war, machte die Widmung derselben für den heiligen Jäger besonders passend.

Gegen dieses kleine geweihte Gebäude lenkte der alte Mann seine Schritte, ihm folgte der junge Durward nach, und als sie sich näherten, erschien der Priester, mit der Amtstracht angethan und eben im Begriff sich aus seiner Behausung nach der Kapelle, wahrscheinlich der heiligen Amtsverrichtung wegen, zu begeben. Durward verbeugte sich ehrerbietig vor dem Priester, wie es die Achtung, die seinem heiligen Amte gebührte, wohl erforderte, während sein Begleiter mit scheinbar noch tieferer Ehrfurcht auf ein Knie niedersank, um den Segen des heiligen Mannes zu empfangen, und ihm dann in das Heiligthum folgte, mit einem Schritt, und auf solche Art, die die innigste Zerknirschung und Demuth anzudeuten schien.

Das Innere der Kapelle war auf eine Weise geschmückt, die mit der Beschäftigung des Schutzheiligen, so lange er auf Erden geweilt hatte, übereinkam. Die reichsten Felle von Thieren, welche in den verschiedenen Ländern der Erde Gegenstände der Jagd sind, vertraten die Stelle von Teppichen um den Altar und an andern Orten, und die charakteristischen Verzierungen von Hörnern, Bogen, Köchern und andern Emblemen der Jagd, befanden sich rings an den Wänden, untermengt mit Köpfen von Hirschen, Wölfen und andern wilden Thieren. Alles trug hier einen dem Waldleben entsprechenden Charakter, und selbst die Messe bewies durch ihre bedeutende Abkürzung, daß sie von der Art war, welche man eine Jagdmesse nennt, weil man sich ihrer vor Edeln und Mächtigen bediente, die, wenn sie der kirchlichen Feier beiwohnten, gewöhnlich ungeduldig des Beginns ihres Lieblingsvergnügens harrten.

Dennoch schien während der kurzen Ceremonie Durward's Begleiter die strengste und genaueste Aufmerksamkeit zu beweisen; während Durward, gar nicht mit so religiösen Gedanken beschäftigt, es sich kaum verzeihen konnte, daß er bei sich selbst gegen den Charakter eines so frommen und demüthigen Mannes so entehrenden Argwohn genährt habe. Denn weit entfernt, ihn noch für den Gefährten und Helfershelfer eines Räubers zu halten, konnte er sich kaum enthalten, ihn für eine fast heilige Person anzusehen.

Als die Messe geendigt war, gingen sie zusammen von der Kapelle, und der ältere sagte zu seinem jüngern Kameraden: »Wir haben hier nicht mehr weit bis zum Dorf – Ihr könnt nunmehr guten Gewissens Euer Frühstück halten – folgt mir.«

Sich rechts wendend und einen Pfad einschlagend, der allmählig aufwärts zu steigen schien, empfahl er seinem Begleiter, den Pfad ja nicht zu verlassen, sondern sich im Gegentheil immer so viel als möglich in der Mitte zu halten. Durward konnte nicht umhin, nach der Ursache dieser Vorsichtsmaßregel zu fragen.

»Ihr seid nun in der Nähe des Hofes, junger Mann,« antwortete sein Führer; »und, Pasques-dieu! es ist ein Unterschied, ob Ihr in dieser Region oder an Euren Heidehügeln wandelt. Jede Elle dieses Bodens, mit Ausnahme des Pfades, auf dem wir hier gehen, ist gefahrvoll und fast ungangbar gemacht worden, und zwar durch Schlingen und Fußangeln, mit Sichelklingen versehen, die dem unvorsichtigen Wanderer die Beine so flink abschneiden können, wie eine Gartenscheere die Auswüchse einer Hecke wegschneidet; auch Eisen sind da, die den Fuß Euch durchstechen würden, und Gruben, tief genug, um Euch für immer zu begraben; denn Ihr seid nun in den Umgebungen des königlichen Schlosses, dessen Fronte wir sogleich erblicken werden.«

»Wär' ich der König von Frankreich,« sagte der junge Mann, »ich würde mir nicht so viel Mühe mit Schlingen und Fußangeln machen, sondern ich würde statt dessen so gut zu regieren suchen, daß Niemand wagen sollte, meiner Wohnung mit schlechtem Vorsatze zu nahen; und was die anlangt, die friedlich und arglos hieher kämen, ei, je mehr deren kämen, desto besser sollte mir's dünken.«

Sein Begleiter schaute sich mit unruhigem Blicke um und sagte: »Still, still, Sir Schelm mit der Sammettasche! Ich vergaß Euch zu sagen, daß eine der größten Gefahren in diesen Gehegen die ist, daß selbst die Blätter aus den Bäumen wie eben so viel Ohren sind, die alles, was hier gesprochen wird, zu des Königs eigenem Cabinet tragen.«

»Das kümmert mich wenig,« antwortete Quentin Durward; »ich trage eine schottische Zunge im Munde, kühn genug, meine Meinung dem König Ludwig, Gott segne ihn, in's Gesicht zu sagen, – und, was die Ohren betrifft, von denen Ihr sprecht, wenn ich diese an einem menschlichen Kopfe sitzen sähe, so wollt' ich sie wohl mit meinem Waidmesser abschneiden.«

Drittes Kapitel.
Das Schloß.

Inmitten ragt ein mächtiger Bau; es weisen

Zurück die starken Pforten dort, von Eisen,

Wer einzudringen wagt; stark und erhaben

Hebt sich die Wand, und tief senkt sich der Graben.

Von träger Fluth ist rings das Schloß umgeben.

Hoch oben glänzend sieht des Wächters Thurm man schweben.

Ungenannter.

Während Durward und sein neuer Bekannter so miteinander sprachen, trat ihnen endlich die ganze Fronte des Schlosses Plessis les Tours vor's Auge, welches sich sogar in jenen gefahrvollen Zeiten, wo sich die Großen genöthigt sahen, an stark befestigten Orten zu wohnen, durch die außerordentliche und ängstliche Sorgfalt auszeichnete, mit der es bewacht und geschützt ward.

Von dem Rande des Waldes, wo der junge Durward mit seinem Begleiter stehen blieb, um diese königliche Residenz in Augenschein zu nehmen, erstreckte oder erhob sich vielmehr, wenn auch nur ganz allmählig, ein offener Platz, frei von allen Bäumen oder Gebüschen, eine einzige riesenhafte und halb verwitterte Eiche ausgenommen. Man hatte diesen Raum, nach den Regeln der Befestigungskunst aller Zeiten, deßhalb frei gelassen, daß sich der Feind nicht mit einigem Schutze oder unbemerkt von den Befestigungswerken denselben nahen könne, jenseit deren sich das Schloß selbst erhob.

Es befanden sich da drei äußere Mauern, die von Zwischenraum zu Zwischenraum auf jeder Ecke mit Basteien und Thürmen versehen waren; die zweite Umschließung war höher als die erste, und konnte diese, im Fall daß sie der Feind genommen hätte, noch beherrschen; und auf gleiche Weise wurde sie selbst wieder von der dritten und innersten Mauer beherrscht. Rings um die Mauer lief, wie der Franzose seinen jungen Gefährten berichtete, (denn da sie niedriger standen als die Grundmauer des Walls, konnten sie es nicht sehen,) ein Graben, der etwa zwanzig Fuß tief sein mochte, den ein Kanal aus dem Flusse Cher, oder vielmehr aus einem Arme desselben, mit Wasser versah. Vor der zweiten Einschließung befand sich, wie er sagte, ein anderer Graben, und ein dritter, gleich jenem von ungewöhnlicher Breite, floß zwischen der zweiten und innersten Einschließung hin. Der Rand, sowohl der äußere als innere dieses dreifachen Grabens, war stark mit eisernen Pallisaden besetzt, welche die Stelle der sogenannten chevaux-de-frise der neuern Fortification vertraten; die Spitze jedes dieser Pfähle theilte sich in viele scharfe Enden, die jeden Versuch, darüber zu klimmen, zu einer Handlung der Selbstvernichtung zu machen schienen.

Innerhalb der innersten Einschließung erhob sich das Schloß selbst, Bauwerke aus verschiedenen Zeiträumen enthaltend, untereinander zusammengehäuft und vereinigt mit dem alten mürrischblickenden Gefängnißgebäude, welches eigentlich das älteste von allen war, und sich erhob, wie ein schwarzer äthiopischer Riese, wobei der Mangel an allen Fenstern, die breiter gewesen wären als Schießscharten, die man unregelmäßig zur Vertheidigung angebracht hatte, dem Auge des Beschauers das unangenehme Gefühl erregte, welches uns beim Anblicke eines blinden Menschen befällt. Die andern Gebäude schienen kaum besser für Bequemlichkeit eingerichtet zu sein, denn ihre Fenster öffneten sich auf einen innern umschlossenen Hofraum, so daß die ganze äußere Fronte mehr wie ein Gefängniß als wie ein Palast aussah. Der jetzt regierende König hatte diese Wirkung noch erhöht, denn da er wünschte, daß diese Zusätze, die er selbst zu den Fortificationen machte, ein Ansehen haben sollten, welches sie nicht leicht von den ursprünglichen Gebäuden unterscheiden ließe, (denn, gleich vielen eifersüchtigen Personen wollte er nicht, daß man seinen Verdacht bemerke,) waren dazu die dunkelfarbigsten Steine angewandt und so mit dem Mörtel verrieben worden, daß das ganze Schloß das gleichförmige Ansehen eines hohen und rohen Alterthums hatte.

Dieser furchtbare Ort hatte nur einen Eingang, wenigstens sahe Durward an der geräumigen Nordseite keinen, außer wo, in der Mitte der ersten und äußern Umgebung, zwei hohe, feste Thürme emporragten, die gewöhnlichen Vertheidigungen eines Thores; und er konnte das Zubehör desselben, Fallgatter und Zugbrücke bemerken, wovon das erstere niedergelassen, die letztere aber aufgezogen war. Aehnliche Eingangsthüren waren auch an der zweiten und dritten Einschließung sichtbar, aber nicht in derselben Linie mit denen der äußersten Umschließung, denn der Weg ging nicht gerade durch alle drei Mauern, sondern der Eintretende mußte etwa dreißig Ellen zwischen der ersten und zweiten Mauer hingehen, ausgesetzt, wenn er in feindlicher Absicht kam, den Geschoßen von beiden; war er alsdann auch durch die zweite Mauer gekommen, so mußte er eine zweite Abweichung von der direkten Linie machen, um zum Thore der dritten und innersten Mauer zu gelangen; so daß also, ehe der äußere Hof zu erreichen war, welcher der Fronte des Gebäudes entlang lief, zwei enge und gefährliche Defileen zu durchschreiten waren, unter dem Seitenfeuer der Artillerie, und drei Thore, die nach der Art des Zeitalters auf's stärkste befestigt waren, nach einander genommen werden mußten.

 

Aus einem Lande kommend, welches durch äußern Krieg so wie durch innere Fehden verwüstet war – einem Lande überdies, dessen unebene bergige Oberfläche, reich an Abgründen und Sturzbächen, so mancherlei Gelegenheit zur Befestigung darbietet, war der junge Durward zwar genügend bekannt mit den verschiedenen Erfindungen, wodurch die Menschen in jener finstern, ernsten Zeit ihre Wohnungen zu schützen suchten; aber dennoch gestand er offen seinem Begleiter, er habe nicht gedacht, daß die Kunst fähig sei, so viel zur Vertheidigung zu thun, wo die Natur so wenig gethan hätte. Denn die Situation, wie wir bereits andeuteten, war nur der Gipfel einer sanften Anhöhe, die sich von dem Ort aus erhob, wo sie standen.

Um sein Erstaunen zu erhöhen, sagte sein Begleiter, daß die Umgebungen des Schlosses, mit alleiniger Ausnahme des gewundenen Pfades, auf welchem man sicher dem Eingange nahen könne, gleich dem Gehölz, durch welches sie gekommen waren, mit aller Art von versteckten Fallgruben, Schlingen und Fußangeln erfüllt wären, um den Unglücklichen zu fangen, der es wagen sollte, ohne Führer hieher zu gehen; daß auf den Mauern gewisse eiserne Behältnisse angebracht waren, Schwalbennester genannt, von wo die Schildwachen, welche dort regelmäßig postirt wurden, sich ohne alle Gefahr einen Jeden zum Ziele nehmen konnte, der es wagte, ohne das besondere Zeichen oder für jeden Tag bestimmte Losungswort, hereindringen zu wollen; und daß die Bogenschützen der königlichen Leibwache diesen Dienst Tag und Nacht zu versehen pflegten, wofür sie hohe Löhnung, reiche Kleidung, und viel Ehre und Vortheil aus den Händen des Königs Ludwig empfingen. »Und nun sagt mir, junger Mann,« fuhr er fort, »habt Ihr je ein so starkes Schloß gesehn, und glaubt Ihr, daß es Männer gibt, die kühn genug wären, es zu stürmen?«

Der junge Mann schaute lange und fest auf das Schloß, dessen Anblick ihn so sehr interessirte, daß er, im Eifer seine jugendliche Neugier zu befriedigen, die Nässe seiner Kleidung vergessen hatte. Sein Auge glänzte und das Blut stieg ihm in die Wangen, wie einem kühnen Manne, der über einer ehrenvollen That sinnt, als er erwiderte: »Es ist ein starkes Schloß, und stark bewacht; doch für tapfere Männer ist nichts unmöglich.«

»Und gibt es dergleichen in Eurer Heimath, die so etwas unternehmen könnten?« sagte der Aeltere, etwas verächtlich.

»Ich will das nicht behaupten,« antwortete der Jüngling; »aber tausende sind dort, die in einer guten Sache eine kühne That versuchen würden.«

»Hm!« sagte der ältere, »vielleicht seid Ihr selber solch ein Tapferer?«

»Ich würde sündigen, wenn ich prahlen wollte, wo keine Gefahr ist,« antwortete der junge Durward; »aber mein Vater hat eine so kühne That vollbracht, und ich denke, ich bin kein Bastard.«

»Wohl,« sagte sein Gefährte lächelnd, »Ihr würdet Eures Gleichen und all' Eure Verwandten bei dem Versuche finden; denn die schottischen Bogenschützen von König Ludwigs Leibwache stehen Schildwache auf jenen Mauern – dreihundert Herren vom besten Blut Eures Vaterlandes.«

»Und wäre ich König Ludwig,« gab der Jüngling zur Antwort, »ich würde meine Sicherheit der Treue der dreihundert schottischen Edeln anvertrauen, meine Mauern niederreißen, um den Morastgraben auszufüllen, meine Pairs und Paladine berufen, und leben, wie mir's behagte, unter Lanzenbrechen in stattlichen Turniren, des Tages bankettiren mit den Edeln, des Nachts tanzen mit den Damen, und vor dem Feinde nicht mehr Furcht, als vor einer Fliege haben.«

Sein Gefährte lächelte wieder, und dem Schlosse den Rücken wendend, dem, wie er bemerkte, sie sich ein wenig zu sehr genähert hatten, führte er ihn wieder in den Wald auf einen breiteren und betreteneren Pfad, als sie ihn bis jetzt gegangen waren. »Dieser,« sagte er, »führt uns zu dem Dorfe Plessis, wie es heißt, wo Ihr, als Fremder, billige und anständige Bequemlichkeit finden werdet. Etwa zwei Meilen entfernt liegt die schöne Stadt Tours, welche dieser schönen und reichen Grafschaft den Namen gibt, aber das Dorf Plessis oder Plessis am Park, wie man es zuweilen wegen der Nachbarschaft der königlichen Residenz und des umgebenden Jagdgeheges nennt, wird Euch nähere und bequemere Bewirthung gewähren.«

»Ich danke Euch, lieber Herr, für Eure Belehrung,« sagte der Schotte, »aber ich werde hier nicht lange weilen; wenn ich einen Bissen zu essen und einen etwas bessern Trunk als Wasser erhalte, so sind meine Bedürfnisse in Plessis, mag sie der Park oder der Fischteich liefern, reichlich befriedigt.«

»Ei,« antwortete sein Gefährte, »ich dachte, Ihr wolltet hier etwa einen Freund besuchen.«

»Ich habe einen hier, meiner Mutter Bruder ist es,« antwortete Durward; »ein recht stattlicher Mann, eh' er den Bezirk von Angus verließ, wie je einer Holzschuh über die Heide trug.«

»Wie nennt er sich?« fragte der ältere; »wir wollen doch nach ihm fragen. Denn es ist nicht räthlich für Euch, nach dem Schlosse zu gehen, wo man Euch für einen Spion halten könnte.«

»Nun, bei meines Vaters Hand!« rief der Jüngling; »mich für einen Spion halten! – Beim Himmel, der soll mein kaltes Eisen kosten, der mir eine solche Schmach zufügt! Was meines Oheims Namen betrifft, den kann ich Jedermann sagen – Lesly heißt er. Lesly – ein ehrenwerther und edler Name.«

»Gewiß, ich zweifle nicht,« sagte der alte Mann; »aber es gibt drei dieses Namens in der schottischen Leibwache.«

»Meines Oheims Name ist Ludwig Lesly,« sagte der junge Mann.

»Von den drei Lesly's,« sagte der Kaufmann, »nennen sich zwei Ludwig.«

»Sie nannten meinen Verwandten Ludwig mit der Narbe,« sagte Quentin. – »Unsere Familiennamen sind so gemeinsam in einem schottischen Hause, daß, wo keine Landbesitzung vorhanden ist, wir stets einen Zunamen geben.«

»Einen nom de guerre, meint Ihr wahrscheinlich,« antwortete der Gefährte; »und den Mann, von dem Ihr sprecht, nennen wir, glaub ich, Le Balafré, von der Narbe in seinem Gesicht – ein stattlicher Mann und wackerer Krieger. Ich wünsche, Euch zu einer Unterredung mit ihm helfen zu können, denn er gehört zu einem Corps von Herren, deren Pflichten streng sind, und die nicht oft aus der Garnison kommen, außer unmittelbar im Dienste bei des Königs Person. – Und nun, junger Mann, beantwortet mir eine Frage! Ich will wetten, Ihr wünscht mit Eurem Oheim Dienst in der schottischen Leibwache zu nehmen. Es ist ein großes Vorhaben, zumal da Ihr noch sehr jung seid; und einige Jahre Erfahrung ist vonnöthen für den hohen Posten, nach dem Ihr strebt.«

»Vielleicht hab' ich an so etwas gedacht,« sagte Durward leicht hin; »wenn ich es aber that, so ist der Einfall wieder hin.«

»Wie so? junger Mann!« sagte der Franzose, etwas ernst; »sprecht Ihr so von einem Posten, um dessen Erlangung die Edelsten Eurer Landsleute wetteifern?«

»Ich wünsche ihnen Glück dazu,« sagte Quentin sehr gelassen. – »Um offen zu sprechen, muß ich Euch sagen, der Dienst des Königs von Frankreich wäre mir schon gelegen, aber, trotz Eurer feinen Kleidung und guten Nahrung, lobe ich mir doch die freie Luft, statt dort in einem Käfig oder Schwalbenneste zu stecken, wie Ihr Eure vergitterten Pfefferbüchsen nennt. Ueberdies,« fügte er mit leiserer Stimme hinzu, »um aufrichtig zu sein, liebe ich das Schloß nicht, wenn der tückische Baum ( covin-tree,) der große Baum vor der Fronte eines schottischen Schlosses ward bisweilen so genannt. Es ist schwierig, den Grund dafür zu finden; doch bis zu dieser Entfernung vom Schloß empfing der Laird seine Gäste von Stande und begleitete sie auch bis dorthin beim Abschiede. solche Eicheln trägt, wie ich dort sehe.«

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