Tasuta

Antonia

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Zu jener Zeit entschloß ich mich, mein Kind, wie Samue1 in alter Zeit, dem Dienste des Himmels und mich der Reformation unserer in den Staub gezogenen Religion zu weihen. Wie ich Dir schon erzählt habe, verließ ich meine Wohnstätte und veränderte meinen Namen, – erinnere Dich, daß Du mich von nun an nur Numerian nennen darfst – damit von meinem frühern Selbst keine Ueberbleibsel mehr vorhanden seien, damit mich von meinen frühern Genossen keiner je wieder entdecken und verlocken könne. Mit unablässiger Sorgfalt habe ich meine Tochter vor der Befleckung der Welt geschützt. Sie ist im Hause ihres Vaters bewacht und gehütet worden, wie. ein kostbares Juwel in der Hand eines Geizigen. Ihre Bestimmung ist es, die Bekümmerten zu trösten, die Kranken zu pflegen, den Unglücklichen beizustehem wenn ich ihr Lehrer, dem Lande die Herrschaft seines alten Glaubens und die Leitung seines fehlerlosen Evangeliums zurückgegeben habe. Wir Beide besitzen weder eine Neigung, noch eine Hoffnung, die uns an die Dinge dieser Erde binden kann. Unserer Beider Herzen blicken nach dem Himmel, unsere Hoffnungen sind nur nach Oben gerichtet.«

»Setzest Du nicht Deine Erwartungen zu fest auf Dein Kind? Erinnere Dich, wie die römischen Adeligen meine frühere Haushaltung vernichtet haben, und zittere für die Deine.«

»Für meine Tochter fürchte ich nichts. In meiner Abwesenheit behütet sie Einer, der das Gelübde gethan hat, mich in meinen Arbeiten für die Kirche zu unterstüßen. Es ist jetzt beinahe ein Jahr her, seit ich Ulpius getroffen, und seit jener Zeit hat er sich meinem Dienste geweiht und über mein Kind gewacht.«

»Wer ist der Ulpius, daß Du solches Vertrauen in ihn setztest?«

»Er ist ein Mann von demselben Alter wie ich. Ich fand ihn, gleich mir, von den Unglücksfällen seines frühern Lebens niedergebeugt und, wie einst auch ich, den Blendwerken der heidnischen Götter ergeben. Er war trostlos, leidend, einsam und ich hatte in seinem Unglück Mitleid für ihn. Ich bewies ihm, daß die Religion, zu welcher er sich noch bekannte, wegen ihrer Frevel aus dem Lande verbannt, daß die, welche ihr folgte, durch die Menschen verderbt worden war, und daß er nur einen Glauben wählen konnte, wenn er zum Heile gelangen wollte – den Glauben der ersten Kirche. Er hörte mich an und bekehrte sich. Seit jenem Augenblicke hat er mir geduldig gedient und bereitwillig beigestanden. Unter dem Dache, wo ich die Wenigen versammle, welche bis jetzt dem wahren Glauben ergeben sind, ist er der Erste, welcher kommt, und der Letzte, der da geht. Seinen Lippen ist noch kein Wort des Zornes entschlüpft, in seinen Augen noch kein Blick des Unmuthes erschienen. Wenn auch bekümmert, ist er doch sanft, wenn auch leidend, doch fleißig. Ich habe ihm Alles, was ich besitze, anvertraut und freue mich meiner Leichtgläubigkeit. Ulpius ist Unbestechlich!«

»Und Deine Tochter? – wird Ulpius von ihr eben so verehrt, wie Du ihn achtest?«

»Sie weiß, daß es ihre Pflicht ist, zu lieben, wen ich liebe, und zu vermeiden, wen ich vermeide. Kannst Du Dir vorstellen, daß eine christliche Jungfrau Gefühle besitzt, die gegen die Wünsche ihres Vaters laufen? Komm in mein Haus, urtheile mit eignen Augen über meine Tochter und meinen Genossen. Du, dem sein Unglück keine Heimath gelassen hat, sollst, wenn Du willst, bei mir eine finden. Komm also und arbeite mit mir an meinem großen Unternehmen. Du wirst Deinen Geist von der Betrachtung Deiner Schmerzen abziehen und durch Deine Hingebung die Gunst des Höchsten verdienen.«

»Nein, Numerian, ich will unabhängig bleiben, selbst von meinen Freunden. Weder Rom noch Italien sind für mich Rastorte. Ich gehe nach einem andern Lande, um unter einem andern Volke zu leben, bis die Waffen eines Eroberers in allen Ländern des Reiches dem Guten Freiheit und dem Rechtschaffenen Schutz verliehen haben werden.«

»Probus, ich flehe Dich an, bleibe!«

»Nein! mein Entschluß ist gefaßt; lebe wohl, Numerian!«

Und der Landmann eilte schnell hinweg, als fürchte er, daß seine Entschlossenheit gegen die Ueberredungen seines Freundes nicht länger Stand halten würde.

Auf einige Minuten stand Numerian unbeweglich da und blickte verlangend nach der Gegend, in welcher sich sein Gefährte entfernt hatte. Anfänglich milderte ein Ausdruck des Kummers und Mitleids die Strenge, welche das Kennzeichen seiner Züge, wenn sich dieselben in Ruhe befanden, zu sein schien, bald aber war es, als ob diese milderen, zarteren Gefühle eben so plötzlich aus seinem Herzen verschwunden wären, als sie in demselben aufgestiegen waren. Sein. Gesicht nahm wieder seine gewohnte Härte an und er murmelte, während er sich unter die der Basilica zueilende Menge mischte, vor sich hin:

»Er möge unbedauert scheiden, er hat sich dem Dienste seines Schöpfers versagt; er darf nicht mehr mein Freund sein!«

In diesen Worten lag der Schlüssel zu dem Charakter, des Mannes. Seine Existenz war nur eine lange Aufopferung, eine Scene unerschrockener Selbstentäußerung. Wiewohl er in den kurzen Andeutungen über die Ereignisse seines Lebens, die er seinem Freunde gegeben, den Umfang seiner Irrthümer übertrieben hatte, war er doch keineswegs gerecht gegen die Gluth seiner Buße gewesen, einer Buße, die die gewöhnlichen Grenzen der Reue überschritt und in Verzweiflung begann, nur um mit Fanatismus zu enden. Seine Flucht aus dem väterlichen Hause – in deren Gründe wir jetzt nicht einzugehen beabsichtigen – und sein langes, darauf folgendes Leben der Gewaltthätigkeit und Ausschweifung machte seine von Natur starken Leidenschaften ungeeignet, sich selbst dem leisesten Zwange zu unterwerfen. Ihrem ersten Antriebe gehorsam, schloß er in seinen reiferen Jahren eine Ehe mit einem der glühenden Bewunderung, welche es eingeflößt hatte, gänzlich unwerthen Weibe. Als er sich von demselben betrogen und entehrt sah, fibrirte der Schlag eines solchen Unglücks durch sein ganzes Wesen, – erdrückte alle seine Kräfte – streckte ihn auf einen Stoß mit Herz und Geist zu Boden. Die in seiner Zeit des Glückes mit moralischer Straflosigkeit begangenen Irrthümer seiner Jugend, wirkten in seinem Unglück mit einem für seinen künftigen Frieden verderblichen Einsiusse auf ihn zurück. Seine Reue wurde von Trostlosigkeit verdunkelt, seine Entschlüsse durch keine Hoffnung erhellt. Er wendete sich der Religion zu, wie der Selbstmörder dem Messer – in Verzweiflung. Alle Aufmunterungen, welche er in den Lehren der Priester oder den Gebräuchen der Kirche erblickte, verdammte er als die trügerischen Verblendungen menschlicher Unvollkommenheit und Anmaßung Er ging in der Geschichte seiner Religion von einer Periode zur andern zurück und suchte nach Strenge, wie andere Menschen nach Erbarmen, bis er bei dem Christenthum der ersten Tage der Kirche stehen blieb. In der stoischen Praxis und unfruchtbaren Theorie der alten Gläubigen fand er ein mit seinen neuen Ueberzeugungen übereinstimmendes System. Tag um Tag suchte er begierig unter den von den strengsten der ersten Kirchenväter hinterlassenen Schriften, bis ihn das stete Brüten über ihren starren, strengen Lehren endlich auf den Glauben führte, daß selbst das Vorhandensein der geselligen Gefühle in seinem Innern eine Sünde sei. Er erinnerte sich, daß ihn diese Gefühle in seiner Jugend irre geleitet hatten, und glaubte, daß seine Seligkeit in Gefahr und seine Reue unaufrichtig sei, so lange noch eines davon sein Mannesalter beeinflußte. Durch seinen thätigen Geist angespornt, der düstern Ruhe zu entsagen, welche er sich gern auferlegt haben würde,und einen Zweck im Leben zu erlangen, dem er sein Herz wie einer Leidenschaft weihen könne, wählte er die Reformation der entwürdigten Kirche als die edelste und reinste Beschäftigung, die er unternehmen konnte. Sobald er einmal diesen Plan gefaßt hatte, gehörte es sowohl zu seinem Temperamente, wie zu seinen Grundsätzen, sich rückhaltslos der Beförderung desselben hinzugeben. Jede Neigung, wie unschuldig sie auch an sich sein mochte, die sich, ohne mit seinem Hauptzwecke in Verbindung zu stehen, in seinem Innern erhob, verdammte er als Ueberbleisel seiner frühern Natur und unterdrückte sie – mit welchen Schmerzen, vermag Niemand zu sagen – als Verrätherin der Möglichkeit eines moralischen Rückfalls. Obgleich er nur ein Laie war, nahm er doch keinen Augenblick Anstand, sich ein Gebäude zu verschaffen, welches er als Kirche gebrauchen konnte und Anhänger zu suchen, um sie als Gemeinde zu belehren. Bei jedem Scheine von Fortschritt, welchen er im Laufe seiner gefahrvollen Arbeiten zu entdecken glaubte, fühlte er ein geheimes phantastisches Entzücken, welches ihn für den Augenblick über alle irdische Sympathieen und Rücksichten erhob. Er hoffte, wenn Andere verzweifelt sein würden, er arbeitete, wenn Andere schwach geworden wären. Der Enthusiasmus für seine Sache stieg auf eine solche Höhe, daß er sein weltliches Wahrnehmungsvermögen abstumpfte, ihn für Beleidigung unempfindlich, gegen Betrug vertheidigungslos und gegen Gefahr gefühllos machte, wenn sie ihm bei der Verfolgung seiner Pläne begegneten. Er schulte sich so weit, daß er seine Tochter nur noch als ein Muster zum Beweise der Möglichkeit, Andere zur Beförderung seines großen Planes zu erziehen, betrachtete. Er erblickte in seinem Vermögen und Einflusse nur das Mittel zur Erreichung eines einzigen Zweckes, kurz er hatte seinem Unternehmen, wie er auch gegen Probus sagte, »sein Leben, sein Kind, seine Kräfte und Habe« geweiht. [Wenn der Leser die Möglichkeit des Versuchs einer Reformation der römischen Kirche im fünften Jahrhundert bezweifeln sollte, so möge er Gibbons Verfall und Sturz des römischen Reichs Kap. 28. Anmerkung 174 und die Controversen zwischen Hieronymus und Vigilantius, »dem Protestanten seiner Zeit,« zu Rathe ziehen.]

Wir versparen die Besprechung aller weiteren Eigenthümlichkeiten in Numerian’s Charakter bis auf eine künftige Gelegenheit, und folgen ihm jetzt durch die Menge bis zum Eingange der Basiliea, wobei wir fortfahren, ihn hier und auderswärts mit dem Namen zu bezeichnen, welchen er bei seiner Bekehrung angenommen hatte, und unter welchem er sich bei seiner Zusammenkunft mit dem flüchtigen Landmann anzureden ausgebeten hatte.

 

Wiewohl sich unser Enthusiast im Beginn seines Ganges nach der Kirche unter den hintersten Mitgliedern der auf dieselbe zueilenden Menge befunden hatte, gelang es ihm doch, bald seine trägen und schwatzhaften Nachbarn so gänzlich zu überflügeln, daß er nach geringem Verzug die Stufen des geweihten Gebäudes erreichte. Hier mußte er mit vielen Anderen anhalten, bis sich die der Basilika Nächsten durch die hohen Thore. derselben gedrängt hatten. An einer solchen Stelle konnte seine auffallende Gestalt der Beobachtung nicht entgehen, und er wurde schweigend von vielen Umstehenden erkannt, von denen ihn die Einen mit Verwunderung, die Andern mit Widerwillen anblickten. Er wurde jedoch von Keinem angeredet. Alle fühlten die Notwendigkeit, einen Mann zu scheuen, der durch seine kühne, tägliche Auseinandersetzung der Mißbräuche der Kirche seine Freiheit und selbst sein Leben gefährdet«

Unter denjenigen, welche Numerian umgaben, befanden sich jedoch Zwei, die sich nicht damit begnügten, nachlässig jeden Verkehr mit dem unerschrockenen, verdächtigen Reformator zu vermeiden. Diese beiden Männer gehörten zur niedrigsten Klasse der Geistlichkeit und schienen damit beschäftigt zu sein, vorsichtig die Handlungen der Individuen um sie her zu beobachten und deren Gespräche zu belauschen. Sobald sie Numerian erblickten, entfernten sie sich so weit, daß sie seiner Beobachtung entgingen, zugleich aber eine solche Stellung einnahmen, daß sie den Gegenstand ihres offenbaren Mißtrauens im Auge behalten konnten.

»Schau, Osius,« sagte der Eine, »der Mann ist wieder hier.«

»Und ohne Zweifel in derselben Absicht, welche, ihn gestern hierhergebracht hat,« antwortete Jener. »Du wirst sehen, daß er wieder in die Kirche tritt, den Gottesdienst anhört, sich nach seiner kleinen Kapelle auf dem Monte Pincio begibt und dort die von unsern Brüdern gepredigten Lehren vor seinen zerlumpten Anhängern angreift, wie er es, wie wir wissen, vergangene Nacht gethan hat und wie er es wahrscheinlich fortwährend thun wird, bis die Behörden es für angemessen halten, das Zeichen zu seiner Einsperrung zu geben.«

»Es wundert mich nur, daß man ihm so lange gestattet hat, in seiner Widersetzlichkeit gegen die Kirche fortzufahren, wie es geschehen ist. Haben wir nicht in seinen Schriften allein schon Zeugniß genug, um ihn der Ketzerei zu überweisen? Die Nachlässigkeit des Bischofs in einer solchen Sache ist wahrhaft unerklärlich.«

»Du mußt bedenken, daß, da Numerian kein Priester ist, die Sorglosigkeit wegen unserer Interessen eher den Senat, als den Bischof trifft. Alle Zeit, die der Adel sich von seinen Ausschweifungen abmüßigen kann, ist bis vor Kurzem auf Diskussionen über das Benehmen des Kaisers, als er sich nach Ravenna zurückzog, verwendet worden und wird jetzt der Nachforschung über den Grund des Gerüchtes wegen der Gothen geweiht werden. Was kümmert sich übrigens der Senat, selbst wenn er Zeit dazu hätte, um theologische Streitigkeiten? Er kennt diesen Numerian nur als einen römischen Bürger, einen Mann von einigem Einflusse und Vermögen, und daher als politisch wichtige Person unter der Bevölkerung. Außerdem würde es gerade in diesem Augenblicke deine leichte Aufgabe von uns sein, die von unsern Angreifer vorgebrachten Lehren zu bekämpfen, denn der Bursche versteht mit beunruhigender Leichtigkeit das, was er sagt, aus der Bibel zu unterstützen.«

»Glaube mir, daß in dieser Sache die einzige Art, uns Gerechtigkeit zu verschaffen, die sein wird, ihn der Verleumdung gegen die höchsten Würdenträger der Kirche zu überweisen.«

»Der uns vor Kurzem zu Theil gewordene Befehl, seinen Bewegungen nachzuspüren und seine Reden zu belauschen, läßt mich glauben, daß unsere Vorgesetzten Deiner Ansicht sind.«

»Mögen meine Uederzeugungen richtig sein oder nicht, so bin ich doch darüber gewiß, daß die Tage seiner Freiheit gezahlt sind. Erst vor wenigen Stunden sah ich den ersten Assistenten beim Kammerherrn des Bischofs und er sagte mir, daß er durch eine Thürklinke gehört habe —«

»Still! er bewegt sich, er drängt sich vor, um in die Kirche zu gelangen. Du kannst mir, während wir ihm folgen, erzählen, was Du sagen wolltest. Schnell! wir wollen uns unter die Menge mischen.«

Die Beiden, in der Ausübung ihrer widerlichen Pflichten stets enthusiastischen Hirten der christlichen Heerde folgten Numerian mit der größten Vorsicht in das Innere des Tempels.

Wiewohl die Sonne noch einen schwachen rdthen Streifen am westlichen Himmel zurückgelassen hatte und der Mond kaum erst aufgegangen war, brannten doch bereits die von dem Bischofe in seiner Proklamation an das Volk erwähnten zweitausend vierhundert Flammen auf dem großen Kronleuchter. In den Tagen ihrer ernsten und heiligen Schönheit würde würde das Aussehen der Kirche durch diesen künstlichen Glanz schwer gelitten haben, jetzt aber, wo sich der alte Charakter der Basilica völlig verändert, wo sie sich aus einem feierlichen Tempel in einen üppigen Palast verwandelt hatte, gewann sie durch die flimmernde Erleuchtung ungemein. Jeder Zierrath in ihrem langen herrlichen Schiffe glitzerte mit der größten Deutlichkeit in dem sich von der Decke herab ergießenden blendenden Lichte. Die vergoldeten Dachbalken, die glatten eingelegten Marmorsäulen, die schweren Vorhänge der Fenster, die Juwelenbesetzten Leuchter auf den Altären, die Gemälde, Statuen, Broncen und Mosaikarbeiten schimmerten alle in einem für das Auge geradezu berauschenden, üppigen Glanze. An keinem Gegenstande war jetzt eine Spur von Abnutzung oder Verbleichen zu erblicken. Jeder Theil des Schiffes, auf welchen sich das Auge lenkte, erschien in zu schöner fleckenloser Helle, um je von sterblichen Händen berührt worden zu sein. Der bezauberte und verwirrte Blick schweifte über das strahlende Schauspiel, bis er von der ununterbrochenen Schönheit desselben ermüdet, um Ruhe zu suchen, auf den dämmernd erleuchteten Flügeln haftete und mit Entzücken auf den milden Schatten verweilte, die um ihre, fernen Säulen schwebten und den vorübergleitenden Gestalten folgten, die ihre dunkeln Nischen bevölkerten oder an ihren hohen Wänden hingingen.

In dem Augenblicke, wo Numerian die Basilica betrat, war ein Theil des Gottesdienstes zu Ende. Das letzte schwache Echo der Stimmen des Chores zitterte noch in der weihrauchschweren Luft und die ungeheuern Massen der Zuschauer waren noch in ihre verschiedenartigen lauschenden Stellungen gruppirt, als der eifrige Reformator in die Kirche hinauf blicke. Selbst er schien trotz seiner Strenge, auf einen Augenblick durch den unnennbaren Zauber des Schauspiels beschwichtigt zu, werden, bald aber runzelte sich seine Stirn wie über seine unfreiwillige Bewunderung unzufrieden und er seufzte schwer, als er – noch immer von den aufmerksamen Spionen gefolgt – die vergleichsweise Abgeschiedenheit der Flügel aufsuchte.

Während der Zeit zwischen den Abtheilungen des Gottesdienstes beschäftigte sich die Gemeinde damit die Reliquien zu begaffen, welche in einem silbernen Schreine mit kristallenen Thüren auf dem Hochaltare standen, wiewohl es unmöglich war, einen dentlichen Anblick dieser kirchlichen Schätze zu erlangen, nahmen sie dessen ungeachtet die Aufmerksamkeit Aller in Anspruch, bis das Erscheinen eines Priesters auf der Kanzel das Zeichen zum Beginne der Predigt gab und Alle, welche Sitze hatten, ermahnte, sich derselben ohne Säumen zu bedienen.

Eine ausführliche Analyse der bei diesem Anlasse gehaltenen Predigt würde die Zeit des Lesers, ohne besondern moralischen oder literarischen Vortheil, in Anspruch nehmen. Es genüge, wenn wir, ehe wir zu wichtigern Dingen übergeben, sagen, daß die Predigt ungeheuer lang war, daß sie mit theatralischer Heftigkeit der Geberden in düster einförmigem Tone gehalten wurde und ihr Gegenstand, – das Märtyrerthum des heiligen Lukas, zu einer Grundlage diente, aus welcher der eifernde Prediger das imposante Gebäude einer Philippika gegen die Arianer errichtete. Er begann damit, daß er es für einigermaßen möglich hielt, daß es zu St. Lucas Zeiten Arianer gegeben habe, sprach – über seine Annahme raisonnirend, als ob es eine Gewißheit gewesen wäre – seine feste Ueberzeugung aus, daß die Mörder des Evangelisten Arianer gewesen seien, und schloß, indem er die unglückseligen Arianer an’s Ende stellte, damit, daß er der Reihe nach alle Nationen, Religionen, Sekten und Individuen, die nicht bereit seien, die Unfehlbarkeit des römischen Bischofs und die Authentieität der Reliquiensammlung in der St. Peters-Basilica anzuerkennen, zur unbedingten Verdammniß verurtheilte.

Wir schreiten durch die Reihen der Zuhörer dieser Predigt hin, von denen die Einen beschäftigt waren, die Lichter auf dem Kronleuchter zu zählen, um überzeugt zu sein, daß sie der Bischof um keine einzige von den zweitausend vierhundert Flammen betrogen habe, während Andere sich flüsternd unterhielten und kleine Schachteln mit Süßigkeiten öffnen – und führen den Leser wieder aus der Kirche.

Die Versammlung war jetzt bedeutend dünner geworden, die von den hohen Säulenhallen aus den Boden geworfenen Schatten hatten sich noch mehr verdunkelt und vergrößert und an vielen von den abgelegeneren Stellen des Platzes war kaum ein menschliches Wesen mehr zu erblicken. An einer von diesen äußersten Stellen, wo die Säulen auf der Straße endigten, und die Finsterniß am dichtesten war, stand ein einsamer alter Mann, der sich vorsichtig in der Dunkelheit versteckt hielt und aufmerksam nach dem unmittelbar vor ihm liegenden Wege hinaus schaute.

Er hatte erst kurze Zeit gewartet, als ein hübscher Wagen, vor welchem einer Leibwache von schön gekleideten Sklaven herging, wenige Schritte von seinem Verstecke entfernt anhielt und die Stimme der darin befindlichen Person hörbar die folgenden Werte sprach:

»Nein, nein, fahre zu – es ist später, als ich dachte. Wenn ich Verweile, um die Illumination der Basilica zusehen, so werde ich nicht zeitig genug zurückkehren können, um meine Gäste zum heutigen Banket zu empfangen. Ueberdies hat sich dieses unschätzbare Kätzchen von der bei den alten Egyptern am höchsten geehrten Art bereits erkältet und ich möchte um alle Welt nicht das gefühlvolle Thierchen länger als nöthig der Nachtluft aussetzen. Fahre zu, guter Carrio, fahre zu.«

Der alte Mann wartete kaum auf die Beendigung dieser Worte, ehe er zu dem Wagen heranlief, wo ihm augenblicklich zwei Köpfe begegneten, der des Senators Vetranio und der eines glänzendschwarzen Kätzchens mit einem Rubinenhalsband, welches halb in die weiten Gewänder seines Herrn gehüllt war. Ehe der erstaunte Edelmann auch nur ein Wort sprechen konnte, flüsterte ihm der Greis in leiser, beflügelter Rede zu.

»Ich bin Ulpius, Entlaß Deine Diener – ich habe Dir etwas Wichtiges zu sagen.«

»Da, mein wackerer Ulpius, Du hast die höchst unglückliche Eigenschaft, Mittheilungen mit dem Wesen eines Meuchelmörders. zu mchen! Aber ich muß Deine unangenehme Weise aus Rücksicht auf Deinen Eifer entschuldigen. Vortrefflicher Carrio, wenn Dir an meiner Zufriedenheit etwas gelegen ist, so entferne Deine Gefährten und Dich außer Hörweite.«

Der Freigelassene leistete dem Befehle seines Herrn augenblicklichen Gehorsam. Jetzt begann folgendes von dem sonderbaren Alten eingeleitetes Gespräch.

»Erinnerst Du Dich Deines Versprechens?«

»Ja.««

»Bist Du auf Deine Ehre als Edelmann und Senator bereit, es zu halten, wenn es nöthig sein wird?«

»Ja.«

»Dann triff mich mit der Morgendämmerung an der Privatthür Deines Palastgartens und ich werde Dich in Antonina’s Schlafgemach führen.«

»Die Zeit sagt mir zu, warum aber mit der Morgendämmerung?«

»Weil der Christennarr bis Mitternacht eine Vigilie hatte»wird, der das Mädchen aller Wahrscheinlichkeit nach beiwohnt. Ich wollte Dir es in Deinem Palaste sagen, hörte aber dort, daß Du nach Aricia gegangen seist und über die Basilica zurückkehren würdest. Ich habe mich daher in den Hinterhalt gelegt, um Dich so aufzufangen.«

»Du eifriger Ulpius!«

»Behalte Dein Versprechen im Gedächtniß.«

Vetranio lehnte sich vor, um zu antworten, aber Ulpius war verschwunden.

Als der Senator wieder weiter zu fahren befahl, blickte er aus dem Fenster des Wagens, als erwarte er, daß sein seltsamer Anhänger. sich noch in der Nähe desselben aufhalten würde. Er bemerkte jedoch nur einen ihm unbekannten Mann, der von zwei andern gefolgt, schnell an ihm vorüberging. Es war Numerian mit den beiden Spionen.

»Endlich nähern sich meine Pläne der Ausführung!« rief Vetranio vor sich hin, als er und sein Kätzchen im Wagen abfuhren. »Es ist ein Glück, daß ich heute daran gedacht habe, mir Juliens Villa zu verschaffen, da ich sie jetzt sicherlich morgen brauchen werde. Beim Jupiter, welche Menge von Gefahren, Widersprüchen und Räthseln diese Geschichte umgeben! Wenn ich bedenke, daß ich, der ich aus meine Philosophie stolz war, Ravenna verlassen, eine Privatvilla geliehen, mich mit einem ungebildeten Plebejer verbündet habe und Alles nur um des Mädchens willen, das bereits meine Erwartungen getäuscht hat, indem es mich zum Musiklehrer erlangte, ohne mich als Liebhaber anzunehmen, so bin ich, wahrhaftig über meine Schwäche erstaunt. Man muß jedoch gestehen, daß das Aussehen, welches mein Abenteuer seit einiger Zeit angenommen hat, demselben an sich schon einiges Interesse verleiht. Das bloße Vergnügen, in die Hausgeheimnisse dieses Numerian zu dringen, ist keineswegs der geringste von den zahlreichen Reizen meines Planes. Wie hat er seinen Einfluß auf das Mädchen erworben? Warum hält er es in so strenger Abgeschiedenheit? Wer ist das alte halbrasende, unceremoniöse Menschenungeheuer, das sich Ulpius nennt, jede Belohnung seiner Schurkerei ausschlägt, über die Rückkehr zu der alten Götterreligion faselt und über das Versprechen jubelt, welches er mir als einem guten Heiden entrissen hat, die erste Wiederherstellung des alten Götterdienstes, die in Rom versucht werden würde, zu unterstützen? – Wo kommt er her? Warum bekennt er sich äußerlich zum Christenthume? Was hat ihn in Numerian’s Dienst gebracht? – Beim Gürtel der Venus, Alles, was mit dem Mädchen zusammenhängt, ist eben so unbegreiflich wie sie selbst. Aber Geduld – Geduld! Nur noch wenige Stunden und diese Geheimnisse werden sich enthüllen. Unterdessen wollen wir an mein Gastmahl und seine Schutzgottheit, die Nachtigallensauce, denken.«