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Die Frau in Weiss

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»Ich habe gehört,« sagte sie, »und ich glaube, daß die tiefste und wahrste Zuneigung diejenige ist, welche eine Frau für einen Mann hegen sollte. Als ich mich Ihnen versprach, hatte ich eine solche Zuneigung zu vergeben, wenn ich es konnte, und sie blieb Ihnen zu gewinnen, falls es Ihnen gelingen sollte. Wollen Sie mir vergeben und Nachsicht mit mir haben, Sir Percival, wenn ich Ihnen sage, daß dies nicht länger der Fall ist?«

Ihre Augen füllten sich und einige wenige Thränen rannen langsam über ihre Wangen, als sie schwieg und seiner Antwort harrte. Er sprach kein Wort. Zu Anfange ihrer Erwiderung hatte er die Hand, auf welche er den Kopf stützte, so gelegt, daß sie uns sein Gesicht verbarg. Ich sah Nichts, als den oberen Theil seiner Gestalt am Tische. Die Finger der Hand, welche seinen Kopf stützte, faßten tief in sein Haar, aber es war kein Zittern bemerkbar an ihnen. Es war da Nichts, durchaus gar Nichts, das uns das Geheimniß seiner Gedanken in diesem Augenblicke hätte verrathen können – in diesem Augenblicke, welcher die Krisis seines Lebens und des ihrigen bildete. Ich war entschlossen, ihn um Laura’s Willen zu einer Erklärung zu zwingen.

»Sir Percival!« rief ich mit Strenge, »haben Sie gar Nichts zu sagen, wenn meine Schwester so Viel gesagt hat? Mehr, meiner Ansicht nach,« fügte ich hinzu, indem meine unglückselige Heftigkeit sich wieder meiner bemeisterte, »als irgend ein Mann in Ihrer Lage das Recht hat, von ihr zu hören.«

Diese letzte unüberlegte Rede öffnete ihm einen Weg, auf dem er mir ausweichen konnte falls er es wünschte, und er zog augenblicklich Vortheil daraus.

»Verzeihen Sie, Miß Halcombe,« sagte er, noch immer sein Gesicht mit der Hand bedeckend – »verzeihen Sie mir, wenn ich Sie daran erinnere, daß ich ein solches Recht durchaus nicht beansprucht habe.«

Die paar einfachen Worte, die ihn auf den Gegenstand zurückgeführt hätten, von dem er abgewichen, waren gerade auf meiner Zunge, als Laura mich wieder am Sprechen verhinderte, indem sie selbst das Wort ergriff.

»Ich hoffe, daß ich mein peinliches Bekenntniß nicht vergebens gemacht habe,« sagte sie. »Ich hoffe, daß es mir Ihr volles Vertrauen für Das erworben, was ich noch zu sagen habe?«

»Ich bitte Sie, dessen versichert zu sein.«

Er sprach diese kurze Antwort mit Wärme, wobei er seine Hand auf den Tisch sinken ließ und sich uns wieder zuwandte. Welche äußere Veränderung vorher auch mit ihm vorgegangen sein mochte, jetzt war sie verschwunden. Sein Gesicht war begierig und erwartungsvoll– es drückte nichts Anderes, als die gespannteste Erwartung auf ihre nächsten Worte aus.

»Ich hoffe, Sie verstehen, daß ich nicht aus irgend einem selbstsüchtigen Beweggrunde gesprochen habe,« sagte sie; »falls Sie mich nach Dem, was Sie soeben gehört haben, verlassen, Sir Percival, so wird das nicht meine Vermählung mit irgend einem anderen Manne zur Folge haben. Sie gestatten mir dadurch nur, mein Lebelang unverheirathet zu bleiben. Meine Schuld gegen Sie hat ihren Anfang und ihr Ende in meinen Gedanken gefunden. Sie kann niemals weiter gehen. Es ist kein Wort« – sie zögerte, zweifelhaft über den Ausdruck, den sie gebrauchen sollte, in einer kurzen Verwirrung, die etwas unaussprechlich Trauriges und Schmerzliches hatte. »Es ist kein Wort von mir und Demjenigen, dessen ich jetzt zum ersten und letzten Male in Ihrer Gegenwart erwähne, über unsere gegenseitigen Gefühle gewechselt worden, noch wird dies je der Fall sein, es ist nicht wahrscheinlich, daß wir einander je im Leben wieder begegnen werden. Ich bitte Sie ernstlich, es mir zu ersparen, noch mehr darüber zu sagen, und mir auf mein Wort in dem zu glauben, was ich Ihnen gesagt habe. Es ist die Wahrheit, Sir Percival, die Wahrheit, zu der ich meinen versprochenen Gemahl berechtigt halte, welche Opfer meiner Gefühle dies auch bedingen möge. Ich baue auf seine Großmuth, die mir vergeben, und auf seine Ehre, die mein Geheimniß bewahren wird.«

»Das Vertrauen soll mir in beiden Beziehungen heilig sein,« sagte er.

Dann schwieg er und sah sie an, als ob er erwarte, mehr zu hören.

»Ich habe Alles gesagt, was ich zu sagen wünschte,« fügte sie ruhig hinzu, – »ich habe mehr denn genug gesagt, um Sie zu rechtfertigen, indem Sie von dem Verlöbnisse zurücktreten.«

»Sie haben mehr denn genug gesagt,« entgegnete er, »um es zum höchsten Ziele meiner Wünsche zu machen, dasselbe vollzogen zu sehen.« Mit diesen Worten erhob er sich von seinem Sitze und that ein paar Schritte nach der Stelle zu, an der sie saß.

Sie zuckte heftig zusammen, und ein schwacher Schrei des Erstaunens entfuhr ihren Lippen. Mit jedem Worte, das sie gesprochen, hatte sie unschuldigerweise ihre Reinheit und Wahrhaftigkeit einem Manne verrathen, der vollkommen den unschätzbaren Werth eines reinen, wahren Weibes verstand. Ihr edles Benehmen war der verborgene Feind all der Hoffnungen gewesen, welche sie darauf gebaut hatte. Ich hatte dies von Anfang an befürchtet. Ich wollte es verhindert haben, wenn sie mir nur die kleinste Gelegenheit dazu gelassen hätte. Ich wartete und lauerte selbst jetzt noch, da das Unglück geschehen war, auf ein Wort von Sir Percival, das mir die Gelegenheit liefern würde, ihm Unrecht zu geben.

»Sie haben es mir überlassen, Sie aufzugeben, Miß Fairlie,« fuhr er fort. »Ich bin nicht herzlos genug, um einem Weibe zu entsagen, in der ich soeben die Edelste ihres Geschlechtes erkannt habe.«

Er sprach mit solcher Wärme, solchem Gefühle, solch leidenschaftlicher Begeisterung und dennoch so vollkommenem Zartgefühle, daß sie aufblickte, leicht erröthete und ihn mit plötzlicher Lebhaftigkeit ansah.

»Nein!« sagte sie fest. »Die Beklagenswertheste ihres Geschlechtes, wenn sie sich selbst geben muß, wo sie nicht ihr Herz geben kann.«

»Ist es nicht möglich, daß sie es noch in Zukunft giebt,« fragte er, »wenn ihres Mannes ganzes Streben dahin geht, es zu verdienen?«

»Niemals!« entgegnete sie. »Wenn Sie darauf bestehen, unser Verlöbniß anzuerkennen, Sir Percival, so mag ich Ihr treues und ergebenes Weib werden – aber Ihr liebendes Weib – falls ich mein eigen Herz kenne – nie!«

Sie sah so unwiderstehlich schön aus, als sie diese muthigen Worte sprach, daß kein Mann von der Welt sein Herz hätte gegen sie stählen können. Ich versuchte mit aller Gewalt, zu fühlen, daß Sir Percival zu tadeln sei, und versuchte dies auszusprechen, aber mein Frauenherz bemitleidete ihn wider Willen.

»Ich nehme Ihr Vertrauen und Ihre Treue dankbar an,« sagte er. »Das Geringste, was Sie mir zu bieten haben, ist mehr für mich, als das Aeußerste, das ich von irgend einem Weibe der Welt erwarten dürfte.«

Ihre linke Hand hielt noch immer die meinige umschlossen, aber ihre Rechte hing achtlos an ihrer Seite herab. Er führte sie sanft an seine Lippen, berührte sie eher damit, als daß er sie küßte, verbeugte sich gegen mich und verließ dann rücksichtsvoll und bescheiden schweigend das Zimmer.

Sie rührte sich nicht, noch sagte sie ein Wort, nachdem er das Zimmer verlassen – sie saß neben mir, kalt und still, die Augen auf den Boden geheftet. Ich sah, daß es hoffnunglos und nutzlos sein werde, zu sprechen und schlang daher nur meinen Arm um sie, um sie fester an mich zu drücken. So saßen wir, wie es schien, eine lange traurige Weile, so lang und so traurig, daß ich unruhig um sie wurde und leise zu ihr sprach, in der Hoffnung, eine Veränderung dadurch in ihr zu bewirken.

Der Klang meiner Stimme schien sie zum Bewußtsein zurückzurufen. Sie zog sich plötzlich von mir zurück und stand auf.

»Ich muß mich drein ergeben, Marianne, so gut ich kann,« sagte sie. »Mein neues Leben hat seine schweren Pflichten, und eine derselben beginnt heute.«

Während sie sprach, trat sie an den kleinen Tisch am Fenster, auf dem ihre Zeichenmaterialien lagen, sammelte sie sorgsam und legte sie in eine Schublade ihres Schränkchens. Sie verschloß es und brachte mir den Schlüssel.

»Ich muß von Allem scheiden, das mich an ihn erinnert,« sagte sie. Verwahre den Schlüssel, wo Du willst, ich werde ihn nie wieder gebrauchen.«

Ehe ich noch ein Wort sagen konnte, hatte sie sich zu ihrem Bücherschranke gewandt und das Album herausgenommen, welches Walter Hartright’s Zeichnungen enthielt. Sie stand einen Augenblick und hielt das kleine Heft liebend in beiden Händen, dann erhob sie es und küßte es.

»O Laura! Laura!« sagte ich, nicht erzürnt, nicht vorwurfsvoll – nur mit Kummer in der Stimme und Kummer im Herzen.

»Es ist das letzte Mal, Marianne,« sagte sie mit flehendem Tone; »ich nehme ja auf immer Abschied davon.«

Sie legte das Buch auf den Tisch und nahm den Kamm heraus, der ihr Haar festhielt, welches dann in seiner unvergleichlichen Pracht über ihre Schultern und bis weit unter ihre Taille um sie her wallte. Sie trennte eine lange, dünne Locke von den übrigen, schnitt sie ab und befestigte sie sorgfältig auf dem ersten leeren Blatte des Albums. Dann schloß sie eilig das Heft und legte es in meine Hände.

»Du schreibst an ihn, und er an Dich,« sagte sie. »So lange ich lebe, sage ihm immer, wenn er nach mir fragt, daß ich wohl, und nie, daß ich unglücklich bin. Betrübe ihn nicht, Marianne – wenn Du mich lieb hast, betrübe ihn nicht. Wenn ich sterbe, so versprich mir, daß Du ihm dies kleine Buch mit seinen Zeichnungen und meinem Haare geben willst. Es kann nicht Unrecht sein, wenn ich gestorben bin, ihm zu sagen, daß ich es mit eigner Hand hineingethan. Und sage ihm, o Marianne, sage ihm dann für mich, was ich selbst ihm niemals sagen kann – sage, daß ich ihn liebte!«

Sie schlang ihren Arm um meinen Nacken und flüsterte mir diese letzten Worte mit einer leidenschaftlichen Wonne ins Ohr, die zu hören mir fast das Herz gebrochen hätte. All der lange Zwang, den sie sich auferlegt hatte, wich unter diesem ersten und letzten Ausbruche der Liebe. Sie riß sich mit krampfhafter Heftigkeit von mir los und warf sich in einem Anfalle von Weinen und Schluchzen, der ihren ganzen Körper erschütterte, auf’s Sopha.

 

Ich suchte vergebens; sie zu beruhigen und mit ihr zu reden – sie konnte weder sich fassen, noch mit sich reden lassen. Es war dies für uns Beide das traurige, plötzliche Ende dieses denkwürdigen Tages. Als der Anfall vorüber, war sie zu erschöpft, um zu sprechen. Gegen Nachmittag schlummerte sie ein und ich legte das Album fort, damit sie es nicht mehr sehen möge, wenn sie erwachte.

Mein Gesicht war ruhig, was immer mein Herz sein mochte, als sie die Augen wieder öffnete und mich anschaute. Wir sprachen nicht weiter von der betrübenden Unterredung von heute Morgen. Weder Sir Percival, noch Walter Hartright wurden den ganzen Tag über wieder von uns Beiden genannt.

Den 9. November.

Da ich sie heute Morgen etwas beruhigter und gefaßter fand, nahm ich den peinlichen Gegenstand von gestern in der Absicht wieder auf, sie zu bitten, mich deutlicher und entschiedener über diese beklagenswerthe Heirath mit Sir Percival und Mr. Fairlie sprechen zu lassen, als sie selbst dies mit dem Einen oder dem Andern thun konnte. Sie unterbrach mich sanft aber fest mitten in meinen Vorstellungen.

»Ich ließ den gestrigen Tag entscheiden,« sagte sie, »und er hat entschieden. Es ist zu spät, um wieder umzukehren.«

Sir Percival sprach diesen Nachmittag voll Gefühl und ohne Rückhalt mit mir über das, was sich in Laura’s Zimmer zugetragen. Er versicherte mich, daß das beispiellose Vertrauen, welches sie in ihn gesetzt, eine so entsprechende Ueberzeugung von ihrer Unschuld und Reinheit in seinem Herzen erweckt, daß er weder in ihrer Gegenwart, noch, nachdem er sie verlassen, auch nur einen Augenblick sich einer unwürdigen Eifersucht schuldig gemacht habe. So sehr er auch die unglückliche Neigung beklagen müsse, welche dem Fortschritte Einhalt gethan, den er anders vielleicht in ihrer Achtung hätte machen können, eben so fest sei er auch wieder überzeugt, daß dieselbe in der Vergangenheit uneingestanden geblieben, und unter allen Verhältnißwechseln, die möglicherweise zu erwarten ständen, auch für die Zukunft uneingestanden bleiben werde. Dies sei seine feste Ueberzeugung, und der größte Beweis, den er davon geben könne, liege in der Versicherung, welche er hiermit ausspreche, daß er weder in Bezug auf den Zeitpunkt des Entstehens dieser Neigung, noch in Bezug auf den Gegenstand derselben irgend wie Neugierde fühle. Das unbedingte Vertrauen, das er in Miß Fairlie setze, lasse ihn sich mit dem begnügen, was ihr gut dünkte, ihm mitzutheilen, und er sei vollkommen unschuldig an selbst dem heimlichsten Wunsche, mehr zu erfahren.

Er wartete, nachdem er dies gesagt, und sah mich an. Ich war mir meines ungerechten Vorurtheils und eines unwürdigen Verdachtes, daß er wohl gar darauf spekulire, daß ich aus eignem Antriebe gerade jene Fragen beantworten werde, über die er sich den Anschein so vollkommener Gleichgültigkeit gegeben, so bewußt – daß ich aller ferneren Erwähnung dieses Gegenstandes wie mit Verwirrung auswich. Zugleich aber war ich entschlossen, jede, auch die kleinste Gelegenheit zu einem Versuche zu benutzen, Laura’s Sache zu führen; und ich gestand ihm geradezu, daß ich bedauere, daß seine Großmuth ihn nicht noch einen Schritt weiter geführt und bewogen habe, ganz von dem Verlöbnisse zurückzutreten.

Aber auch hier entwaffnete er mich dadurch, daß er sich nicht zu vertheidigen suchte. Er bitte mich nur, den Unterschied zu bedenken, der darin liege, daß er Miß Fairlie gestatte, ihn aufzugeben, was eine Sache bloßer Unterwerfung sei, und darin, daß er sich zwinge, Miß Fairlie aufzugeben, wodurch man mit andern Worten, von ihm verlange, Selbstmord an seinen eignen Hoffnungen zu begehen. Ihr Betragen am gestrigen Tage habe die unveränderliche Liebe und Bewunderung, die er seit zwei langen Jahren für sie gehegt, so befestigt, daß ein thätiger Kampf von seiner Seite gegen diese Gefühle hinfort nicht mehr in seiner Macht sei. Ich möge ihn für schwach, selbstsüchtig und gefühllos gegen gerade dasjenige Weib halten, das er anbete, und er müsse meine Meinung, so gut es ihm möglich sei, ertragen; doch bitte er mich zu gleicher Zeit, zu erwägen, ob die Zukunft eines unverheiratheten Weibes, das unter einer unglücklichen Neigung hinsiechte, eine frohere Aussicht biete, als die einer Frau, deren Mann schon den Boden, den ihre Füße betreten, anbetete. In letzterem Falle sei noch Etwas von der Zeit zu hoffen, wie geringe diese Hoffnung auch sei – im ersteren, wie sie selbst gesagt, gab es gar keine mehr für sie.

Ich antwortete ihm, mehr, weil ich eine Frauenzunge habe, als weil ich irgend etwas Ueberzeugendes zu sagen hatte. Es war nur zu klar, daß Laura’s Verfahren von gestern ihm einen Vortheil offen gelassen, falls er ihn benutzen wollte, und daß er ihn in der That benutzte. Ich fühlte dies damals und fühle es noch in diesem Augenblicke, wo ich auf meinem Zimmer diese Zeilen schreibe. Die einzige Hoffnung, die mir noch bleibt, ist die, daß seine Beweggründe wirklich, wie er es betheuert, aus der unwiderstehlichen Stärke seiner Zuneigung zu Laura entspringen.

Ehe ich mein Tagebuch für heute Abend schließe, muß ich berichten, daß ich heute in des armen Hartright’s Interesse an zwei alte Bekannte meiner Mutter in London schrieb, Beide Männer in hoher Stellung und denen viel Einfluß zu Gebote steht. Wenn sie irgend Etwas für ihn thun können, so bin ich überzeugt, daß sie mir’s nicht verweigern werden. Laura ausgenommen, war ich nie so besorgt, um irgend Jemanden, als ich es jetzt um Walter bin. Alles, was sich zugetragen, seitdem er uns verlassen, hat meine große Achtung und Theilnahme für ihn nur noch vergrößert. Ich hoffe, daß ich recht thue, indem ich ihm Beschäftigung im Auslande zu verschaffen suche, ich hoffe ernstlich und von ganzem Herzen, daß es gut enden möge.

Den 10. November.

Sir Percival hatte eine Unterredung mit Mr. Fairlie, und ich wurde dazu geladen.

Ich fand Mr. Fairlie’s Gemüth außerordentlich erleichtert durch die Aussicht, daß das »Familienärgerniß« (wie er die Vermählung seiner Nichte zu benennen beliebt) endlich beigelegt werden soll. Bis dahin fühlte ich mich nicht berufen, ihm irgend Etwas von meiner Ansicht zu sagen; als er aber auf seine allerwiderwärtigste, schmachtende Manier zunächst uns vorschlug, jetzt auch, Sir Percival’s Wünschen gemäß, den Zeitpunkt der Heirath zu bestimmen, verschaffte ich mir den Genuß, Mr. Fairlie’s Nerven mit einem so kräftigen Proteste, daß man Laura nimmer drängen dürfe, zu bestürmen, wie ich ihn nur durch Worte ausdrücken konnte. Sir Percival versicherte mich augenblicklich, daß er die Richtigkeit meines Einwurfes fühle, und bat mich zu glauben, daß der Vorschlag nicht auf sein Ersuchen gemacht worden. Mr. Fairlie lehnte sich in seinen Sessel zurück, schloß seine Augen, erklärte, daß wir Beide der menschlichen Natur Ehre machten, und wiederholte seinen Vorschlag dann so trocken, als ob weder Sir Percival, noch ich ein Wort dagegen gesagt hätten. Die Sache endete damit, daß ich es platterdings ausschlug, der Sache gegen Laura zu erwähnen, falls sie nicht von selbst davon anfinge; und nach dieser Erklärung verließ ich sofort das Zimmer. Sir Percival sah ernstlich verlegen und betrübt aus. Mr. Fairlie streckte seine trägen Beine auf seinem Sammetschemel aus und sagte: »Diese liebe Marianne! wie sehr ich Dich um Dein derbes Nervensystem beneide: Bitte, schlage die Thür nicht zu!«

Als ich nach Laura’s Zimmer ging, hörte ich, daß sie nach mir gefragt, und Mrs. Vesey ihr gesagt hatte, ich sei bei Mr. Fairlie. Sie frug mich sogleich, was man von mir gewollt habe, und ich erzählte ihr Alles, was sich zugetragen, ohne den Versuch zu machen, ihr meinen Verdruß darüber zu verbergen. Ihre Antwort erstaunte und betrübte mich unaussprechlich; es war die allerletzte Entgegnung, die ich von ihr erwartet hätte.

»Mein Onkel hat recht,« sagte sie; »ich habe Dir und meiner ganzen Umgebung bereits Kummer und Sorge genug verursacht. Laß mich nicht noch mehr verursachen, Marianne – laß Sir Percival entscheiden.«

Ich machte ihr warme Gegenvorstellungen, aber sie ließ sich durch Nichts, das ich sagen konnte, erschüttern.

»Man hält mich an mein Versprechen,« sagte sie, »ich bin mit meinem alten Leben fertig. Der schlimme Tag ist nicht weniger sicher in Aussicht für mich, weil ich ihn aufschiebe. Nein, Marianne! Ich wiederhole es, mein Onkel hat Recht. Ich habe Euch Allen Betrübniß und Sorge genug verursacht, und ich will Euch nicht noch mehr Betrübniß und Sorge machen.«

Sie pflegte die Fügsamkeit selbst zu sein, und war jetzt so unbeugsam in ihrer Ergebung – ich möchte fast sagen in ihrer Verzweiflung. So innig ich sie liebe, hätte es mich doch weniger geschmerzt, wenn ich sie heftig bewegt gesehen; diese Kälte und Fühllosigkeit war ihrem natürlichen Charakter so entsetzlich zuwider.

Den 11. November.

Sir Percival that beim Frühstücken einige Fragen über Laura an mich, die mir nichts weiter übrig ließen, als ihm mitzutheilen, was sie gesagt hatte.

Während wir sprachen, kam sie selbst zum Frühstück herunter. Sie war in Sir Percival’s Gegenwart ebenso unnatürlich gefaßt, wie sie es in der meinigen gewesen. Nach dem Frühstück hatte er Gelegenheit, ein paar Worte allein in einer Fensternische mit ihr zu sprechen. Sie standen dort nicht länger als zwei oder drei Minuten zusammen, und als sie sich trennten, verließ Laura das Zimmer mit Mrs. Vesey, und Sir Percival kam zu mir. Er sagte, er habe sie inständig gebeten, ihm die Gunst zu erweisen, von ihrem Privilegium Gebrauch zu machen, indem sie den Zeitpunkt für ihre Vermählung nach eignem Gefallen bestimme. In Erwiderung habe sie blos ihre Erkenntlichkeit ausgesprochen und ihn ersucht, seine Wünsche Miß Halcombe mitzutheilen.

Ich bin außer mir. Bei dieser Gelegenheit, wie bei jeder andern hat Sir Percival, ungeachtet alles dessen, was ich sagen oder thun kann, seinen Zweck auf die ehrenvollste Weise erreicht. Seine Wünsche sind dieselben jetzt, die sie waren, als er ankam; und Laura bleibt, nachdem sie sich in das unvermeidliche Opfer der Heirath ergeben, so kalt, hoffnungslos und duldend wie vorher. Indem sie von den kleinen Beschäftigungen und Reliquien schied, die sie an Hartright erinnerten, scheint sie auch von aller Zärtlichkeit und Empfänglichkeit geschieden zu sein. Es ist erst drei Uhr Nachmittags, während ich diese Zeilen schreibe, und schon hat uns Sir Percival in der frohen Eile eines Bräutigams verlassen, um sein Haus in Hampshire zu dem Empfange seiner jungen Frau vorzubereiten. Wenn sich nicht irgend etwas ganz Außerordentliches ereignet, um es zu verhindern, so wird ihre Vermählung genau zu der Zeit stattfinden, wo er es wünschte – vor Ablauf des Jahres. Meine Finger brennen indem ich es schreibe!

Den 12. November.

Eine schlaflose Nacht, aus Unruhe um Laura. Gegen Morgen kam ich zu dem Entschlusse zu versuchen, ob nicht eine Veränderung der–Umgebung günstig auf sie wirken werde. Sie kann doch unmöglich in ihrem jetzigen Zustande erstarrter Unempfindlichkeit bleiben, wenn ich sie von Limmeridge hinwegnehme und mit den lieben Gesichtern alter Bekannten umgebe? Nach einiger Ueberlegung entschied ich mich, an die Arnold’s in Yorkshire zu schreiben. Sie sind einfache, liebevolle, gastfreundliche Leute; und sie hat sie seit ihrer Kindheit gekannt. Als ich den Brief in die Posttasche gesteckt, sagte ich ihr, was ich gethan habe. Es wäre mir eine Beruhigung gewesen, wenn sie den Muth gezeigt hätte, Einwendungen zu machen und sich zu widersetzen. Aber nein, sie sagte blos: »Mit Dir, Marianne, will ich gehen, wohin Du willst. Du wirst gewiß Recht haben. Ich denke wohl, daß die Abwechselung gut für mich sein wird.«

Den 13. November.

Ich habe an Mr. Gilmore geschrieben und ihn benachrichtigt, daß wirklich Aussicht darauf vorhanden, diese elende Heirath vor sich gehen zu sehen, und erwähnte zugleich meiner Absicht, zu versuchen, was eine kleine Abwechselung für Laura zu thun im Stande sei. Ich hatte nicht das Herz dazu, in die Einzelheiten einzugehen. Dazu ist es noch Zeit genug, wenn wir dem Ende des Jahres näher kommen.

Den 14. November.

Drei Briefe für mich. Der erste von den Arnold’s voller Freude über die Aussicht, Laura und mich bei sich zu sehen. Der zweite von einem der Herren, an die ich in Walter Hartright’s Interesse schrieb und der mich benachrichtigt, daß er das Glück gehabt, eine Gelegenheit zu finden, mein Anliegen zu erfüllen. Der dritte von Walter selbst; er dankt mir, der arme Junge, in den wärmsten Ausdrücken dafür, daß ich ihm Gelegenheit verschafft, seine Heimath, sein Vaterland und alle seine Lieben zu verlassen. Es scheint, daß eine Privatexpedition von Liverpool absegeln soll, um in den verfallenen Städten von Centralamerika Nachgrabungen zu veranstalten. Der Zeichner, der bereits angestellt war, um sie zu begleiten, hat im letzten Augenblicke den Muth verloren und sich zurückgezogen, und Walter soll an seiner Stelle eintreten. Er ist, von dem Zeitpunkte an, wo sie in Honduras landen, auf sechs Monate fest angestellt und dann, falls die Nachgrabungen erfolgreich und die Mittel ausreichend sind, noch auf ein Jahr. Sein Brief schließt mit dem Versprechen, mir eine Abschiedszeile zu schreiben, wenn Alle an Bord gegangen sind und der Lootse sie verläßtIch kann nur hoffen und beten, daß er und ich in dieser Sache gehandelt haben, wie es am besten war. Es scheint ein so ernster Schritt für ihn zu sein, daß der bloße Gedanke daran mich schon erschreckt. Und doch, wie kann ich erwarten oder wünschen, daß er, in seiner unglücklichen Lage, zu Hause bliebe?

 
Den 15. November.

Der Wagen ist vor der Thür. Laura und ich reisen heute zu den Arnold’s ab.

– – – – – – – – – – –
Polesdean Lodge in Yorkshire.
Den 23. November.

Eine Woche unter diesen neuen Umgebungen und freundlichen Leuten hat ihr gut gethan, obgleich nicht in den Grade, wie ich es gehofft hatte. Ich habe beschlossen, unsern Besuch noch wenigstens um eine Woche auszudehnen. Es ist unnöthig, früher nach Limmeridge zurückzukehren, als bis eine entschiedene Nothwendigkeit für unsere Rückkehr eintritt.

Den 24. November.

Traurige Nachrichten mit der heutigen Post. Die Expedition nach Centralamerika segelte am Einundzwanzigsten ab. Wir sind von einem wahren Manne geschieden, haben einen treuen Freund verloren. Walter Hartright hat England verlassen.

Den 25. November.

Gestern traurige, heute schlimme Nachrichten. Sir Percival Glyde hat an Mr. Fairlie geschrieben, und Mr. Fairlie hat an Laura und mich geschrieben, um uns augenblicklich nach Limmeridge zurückzurufen.

Was kann dies bedeuten? Ist der Tag der Vermählung in unsrer Abwesenheit bestimmt worden?

Limmeridge House.
Den 27. November.

Meine schlimmen Ahnungen sind eingetroffen. Die Heirath ist auf den dreiundzwanzigsten December festgesetzt·

Am Tage nach unserer Abreise nach Polesdean Lodge, erhielt Mr. Fairlie, wie es scheint, einen Brief von Sir Percival, worin dieser ihm mittheilte, daß die nothwendigen Verbesserungen und Veränderungen in seinem Hause in Hampshire in ihrer Ausführung weit längere Zeit in Anspruch nehmen würden, »als er erwartet habe.« Die gehörigen Ueberschläge sollten ihm in kürzester Frist zugestellt werden, und es werde seine Anordnungen mit den Arbeitern sehr unterstützen, wenn er genau von dem Zeitpunkte unterrichtet werden könnte, an welchem die Hochzeit stattfinden dürfe. Er werde dann im Stande sein, alle seine Zeitberechnungen zu machen und zugleich seinen Freunden, die er eingeladen, ihn im Winter zu besuchen, und die natürlich nicht kommen konnten, so lange das Haus in den Händen der Arbeiter sei, die nöthigen Entschuldigungen zu schreiben.

Auf diesen Brief hatte Mr. Fairlie geantwortet, indem er Sir Percival bat, selbst einen Tag für die Hochzeit vorzuschlagen, der dann Miß Fairlie’s Billigung überlassen werden könne, welche zu erhalten ihr Vormund sein Möglichstes zu thun versprach. Sir Percival antwortete mit umgehender Post und schlug (in Uebereinstimmung mit seinen schon zu Anfang ausgesprochenen Absichten und Wünschen) die letzte Woche im December vor – etwa den dreiundzwanzigsten oder vierundzwanzigsten, oder irgend einen andern Tag, den die Dame und ihr Vormund vorziehen möchten. Da die Dame nicht zur Hand war, um ihren eigenen Wunsch auszusprechen, hatte ihr Vormund in ihrer Abwesenheit den erstgenannten Tag gewählt – den dreiundzwanzigsten December – und uns in Folge dessen nach Limmeridge zurückberufen.

Nachdem Mr. Fairlie mir diese Einzelheiten gestern in einer Privatunterredung mitgetheilt, schlug er mir auf seine liebenswürdigste Manier vor, die nothwendigen Unterhandlungen schon heute einzuleiten. Da ich fühlte, daß aller Widerstand nutzlos sei, wenn ich nicht erst Laura’s Erlaubniß dazu hatte, so willigte ich ein, mit ihr zu sprechen, erklärte aber zugleich, daß ich mich unter keiner Bedingung verpflichte, ihre Einwilligung zu Sir Percival’s Wünschen zu verlangen. Mr. Fairlie machte mir seine Complimente über mein »vortreffliches Gewissen,« ungefähr wie er mir, falls wir uns auf einem Spaziergange befunden hätten, sein Compliment über meine »vortreffliche Gesundheit« gemacht haben würde, und schien so weit vollkommen befriedigt, daß er wieder eine Familienverantwortlichkeit von seinen Schultern auf die meinigen gewälzt hatte.

Heute Morgen sprach ich meinem Versprechen gemäß zu Laura. Die Fassung – ich möchte fast sagen, die Unempfindlichkeit – die sie mit solcher Entschlossenheit, seit Sir Percival uns verlassen, bewahrt hat, war dem Schlage einer solchen Nachricht nicht gewachsen. Sie erblaßte und zitterte heftig.

»Noch nicht so bald!« flehte sie. »O, Marianne, nicht so bald!«

Der geringste Wink von ihr genügte mir. Ich stand auf, um das Zimmer zu verlassen, und sofort ihre Sache bei Mr. Fairlie zu vertreten.

Gerade, als meine Hand auf der Thürklinke war, ergriff sie mein Kleid und hielt mich fest.

»Laß mich gehen,« sagte ich; »mir brennt die Zunge, Deinem Onkel zu sagen, daß er und Sir Percival nicht in Allem ihren Willen haben können.«

Sie seufzte bitterlich und hielt noch immer mein Kleid fest.

»Nein!« sagte sie mit matter Stimme. »Es ist zu spät, Marianne – zu spät!«

»Nicht eine Minute zu spät,« entgegnete ich. »Die Frage über den Zeitpunkt ist unsere Frage – und glaube mir, Laura, daß ich meinen vollen Frauenvortheil daraus zu ziehen beabsichtige.«

Während ich sprach, machte ich ihre Hand von meinem Kleide los, aber in demselben Augenblicke schlang sie beide Arme um meine Taille und hielt mich so noch wirksamer gefangen, denn zuvor.

»Es wird uns nur noch mehr Sorge und Verwirrung bereiten,« sagte sie. »Es wird Dich mit meinem Onkel veruneinigen, und Sir Percival wieder mit neuen Klagegründen zu uns bringen«

»Desto besser!« rief ich mit Heftigkeit aus. »Wer kümmert sich um seine Klagegründe? Mußt Du Dir das Herz brechen, um sein Gemüth zu beruhigen? Kein Mann unter der Sonne ist solcher Opfer von uns Frauen würdig. Die Männer! Sie sind die Feinde unserer Unschuld und unseres Friedens – sie schleppen uns fort von der Liebe unserer Eltern und der Freundschaft unserer Schwestern – sie fesseln uns an sich mit Leib und Seele, und ketten unsere hülflosen Leben an die ihrigen, wie sie zwei Hunde zusammenkoppeln. Und was giebt uns der Beste dafür wieder? Laß mich los, Laura – es macht mich wahnsinnig, daran zu denken!«

Thränen – erbärmliche, schwache Weiberthränen des Verdrusses und Zornes füllten meine Augen. Sie lächelte traurig und hielt ihr Taschentuch vor mein Gesicht, um für mich meine Schwäche zu verbergen – die Schwäche, von der sie wußte, daß ich sie mehr als jede andere verachte.

»O Marianne!« sagte sie, »Du weinst! Bedenke, was Du sagen würdest, wenn Du an meiner Stelle, und diese Thränen die meinigen wären. All Deine Liebe, Dein Muth und Deine Aufopferung können nicht verhindern, was ja früher oder später doch geschehen muß. Laß meinen Onkel seinen Willen haben. Laß uns keine Sorgen und Herzschmerzen mehr haben, die irgend ein Opfer von mir verhindern kann. Sage, daß Du bei mir leben willst, Marianne, wenn ich verheirathet bin – und sage weiter Nichts«

Aber ich sagte dennoch noch mehr. Ich drängte die verächtlichen Thränen zurück, die mir keine Erleichterung waren, und sie nur betrübten, und redete und bat dann, so ruhig wie es mir nur möglich war. Es nützte Nichts. Sie ließ mich zweimal mein Versprechen, bei ihr zu leben, wenn sie verheirathet sei, wiederholen, und that dann plötzlich eine Frage, die meinem Kummer und meiner Theilnahme für sie eine neue Richtung gab.