Tasuta

Die Frau in Weiss

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»So lange ich in Ihren Diensten bin, Sir Percival,« sagte ich, »hoffe ich hinlänglich meine Pflicht zu kennen, um mich nicht um Ihre Beweggründe zu bekümmern, Sobald ich aber Ihren Dienst verlassen haben werde, denke ich meine Stellung gut genug zu kennen, um nicht über Dinge zu sprechen, die mich Nichts angehen –«

»Wann wollen Sie fort?« unterbrach er mich ohne alle Ceremonie. »Bilden Sie sich nicht ein, daß mir daran liegt, Sie zu behalten – daß ich mich darum betrübe, wenn Sie das Haus verlassen. Ich bin in dieser Sache von Anfang bis zu Ende vollkommen offen und gerecht. Wann wollen Sie fort?«

»Ich möchte gehen, sobald es Ihnen nur paßte, Sir Percival.«

»Das hat gar nichts damit zu thun. Ich werde morgen früh das Haus ganz und gar verlassen und kann heute Abend mit Ihnen abschließen. Falls Sie auf irgend Jemanden Rücksichten zu nehmen wünschen, so können Sie es lieber für Miß Halcombe thun. Mrs. Rubelle’s Zeit ist heute abgelaufen, und sie hat Ursache, zu wünschen, schon heute Abend in London zu sein. Falls Sie gleich abgehen, so wird kein lebendes Wesen da sein, um nach Miß Halcombe zu sehen.«

Ich hoffe, es ist unnöthig für mich zu sagen, daß es nicht in meiner Natur lag, Lady Glyde und Miß Halcombe in einer Lage zu verlassen, wie die, in der sie sich jetzt befanden. Nachdem ich mir erst entschieden von Sir Percival die Versicherung hatte geben lassen, daß Mrs. Rubelle sofort abreisen werde, falls ich ihre Stelle übernähme, und ferner seine Erlaubniß erhalten, Mr. Dawson zu seiner Patientin zurückzurufen, gab ich bereitwillig meine Zustimmung, in Blackwater Park zu bleiben, bis Miß Halcombe meiner Dienste nicht länger bedürfen würde. Es wurde ausgemacht, daß ich Sir Percival’s Advocaten eine Woche vorher davon benachrichtigte, sobald ich fortzugehen wünsche, und daß derselbe die nothwendigen Anstalten treffen solle, eine Stellvertreterin für mich einzusetzen. Die Sache war mit wenig Worten abgemacht, worauf Sir Percival mir frei ließ zu Mrs. Rubelle zurückzukehren. Diese sonderbare Ausländerin hatte während der ganzen Zeit ruhig auf der Thürschwelle gesessen und gewartet, bis ich sie würde zu Miß Halcombe begleiten können.

Ich war kaum zur Hälfte bis ans Haus gelangt, als Sir Percival, welcher in entgegengesetzter Richtung davon gegangen war, stille stand und mich wieder zurückrief.«

»Weshalb verlassen Sie meinen Dienst?« fragte er. Diese Frage war nach dem, was so eben zwischen uns vorgegangen, so merkwürdig, daß ich kaum wußte, was ich darauf erwidern sollte.

»Denken Sie an Dies: ich weiß es nicht, weshalb Sie fortgehen,« fuhr er fort. »Sie werden aber vermuthlich einen Grund dafür angeben müssen, wenn Sie eine neue Stelle antreten wollen. Was ist Ihr Grund? Das Auseinandergehen der Familie? Ist es das?«

»Ich habe nichts Entschiedenes dagegen, Sir Percival, dies als den Grund –«

»Schon gut! Das ist Alles, was ich wissen wollte. Wenn man sich also bei Ihnen erkundigt, so ist das der Grund, den Sie selbst dafür angegeben haben. Sie gehen ab in Folge des Auseinandergehens der Familie.«

Er wandte sich wieder um, ehe ich noch ein Wort erwidern konnte, und ging mit schnellen Schritten den Anlagen zu. Sein Wesen war ebenso sonderbar, wie seine Reden. Ich gestehe, daß er mich beunruhigte.

Selbst Mrs. Rubelle’s Geduld war erschöpft, als ich mich an der Hausthür zu ihr gesellte.

»Endlich!« sagte sie, indem sie mit ihren magern ausländischen Achseln zuckte. Sie ging voran in den bewohnten Theil des Hauses, dann die Treppe hinauf und öffnete mit ihrem Schlüssel die Thür am Ende des Corridors, welcher zu den alten Elisabethischen Zimmern führte – eine Thür, die noch nie geöffnet worden, so lange ich in Blackwater Park gewesen. Die Zimmer selbst waren mir wohl bekannt, da ich sie zu verschiedenen Gelegenheiten von der andern Seite des Hauses aus betreten hatte. Mrs. Rubelle stand an der dritten Thür in der alten Gallerie still, überreichte mir den Schlüssel zu derselben, sowie den Schlüssel zur Verbindungsthür und sagte mir, ich würde Miß Halcombe in diesem Zimmer finden. Ehe ich hineinging, erachtete ich es als zweckmäßig, ihr zu verstehen zu geben, daß man ihrer Aufwartung nicht mehr bedürfe. Demzufolge benachrichtigte ich sie mit wenigen kurzen Worten, daß die Pflege der kranken Dame hinfort gänzlich mir anheimfalle.

»Ich freue mich es zu hören, Madame,« sagte Mrs. Rubelle. »Ich sehne mich sehr danach, zu gehen.«

»Werden Sie heute abreisen?« fragte ich, um meiner Sache gewiß zu sein.

»Jetzt, da Sie die Pflege übernommen haben, Madame, werde ich in einer halben Stunde den Ort verlassen. Sir Percival hat die Güte gehabt, den Wagen und den Gärtner zu meiner Disposition zu stellen, sobald ich ihrer bedürfen würde. Ich werde ihrer in einer halben Stunde bedürfen, um nach der Station zu fahren. Ich habe in Erwartung dessen bereits eingepackt. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, Madame.«

Sie machte einen flinken Knix und ging die Gallerie entlang, wobei sie eine Melodie vor sich hinsummte, zu der sie munter mit ihrem Blumenstrauße den Tact schlug. Ich sage es mit aufrichtiger Dankbarkeit, daß dies das Letzte war, was ich von Mrs. Rubelle sah.

Als ich ins Zimmer trat, fand ich, daß Miß Halcombe schlief. Ich betrachtete sie mit Besorgniß, während sie in dem finstern, hohen, altmodischen Bette dalag. Jedenfalls hatte sich ihr Zustand, dem Aussehen nach zu urtheilen, nicht verschlimmert, seit ich sie zuletzt gesehen, und ich muß zugeben, daß, soviel ich sehen konnte, man sie nicht vernachlässigt hatte. Das Zimmer war traurig, staubig und finster; aber das Fenster (welches auf den einsamen Hof an der Hinterseite des Hauses hinausging) war geöffnet, um die frische Luft einzulassen, und Alles, was geschehen konnte, um die Stube wohnlich zu machen, war gethan worden. Die ganze Grausamkeit des von Sir Percival ausgeübten Betruges war auf die arme Lady Glyde gefallen. Das Einzige, worin er oder Mrs. Rubelle Miß Halcombe schlecht behandelt, war, soviel ich bemerken konnte, der Umstand, daß sie sie versteckt hatten.

Ich schlich mich wieder hinaus, während die kranke Dame noch in sanftem Schlummer lag, um dem Gärtner meine Weisungen in Bezug auf das Wiederholen des Arztes zu geben. Ich bat ihn, nachdem er Mrs. Rubelle werde nach der Station gebracht haben, bei Mr. Dawson vorzufahren und ihn mit meiner Empfehlung zu bitten, zu mir zu kommen. Ich wußte, daß er meinetwegen kommen und bleiben würde, sobald er erfuhr, daß Graf Fosco das Haus verlassen.

Im Verlaufe der Zeit kehrte der Gärtner zurück und sagte, daß er zu Mr. Dawson’s Wohnung gefahren, nachdem er Mrs. Rubelle auf der Station abgesetzt habe. Der Doctor lasse mir sagen, er befinde sich selbst nicht wohl, wolle aber wo möglich am folgenden Morgen zu mir kommen.

Als er seine Botschaft ausgerichtet, war er im Begriffe zu gehen, aber ich hielt ihn zurück, um ihn zu bitten, nach dem Dunkelwerden wieder zu kommen und die Nacht in einem der leeren Schlafzimmer zu wachen, damit ich ihn rufen könne, falls irgend Etwas vorfallen sollte. Er begriff vollkommen, wie ungern ich die ganze Nacht allein in diesem einsamsten Theile des verlassenen Hauses zubringen würde, und willigte bereitwillig ein, zwischen acht und neun Uhr wiederzukommen. Er kam pünktlich, und ich hatte alle Ursache, mir zu der Vorsicht Glück zu wünschen, die mich ihn hatte bestellen lassen. Noch vor Mitternacht brach Sir Percival’s seltsame Wuth auf die heftigste und beunruhigendste Weise aus, und wäre nicht der Gärtner da gewesen, um ihn zu besänftigen, fürchte ich mich, zu denken, was hätte geschehen können.

Er war während des ganzen Nachmittags und Abends fast mit unstätem, aufgeregtem Wesen im Hause und im Garten umhergewandert, nachdem er, wie mir’s schien, bei seinem einsamen Diner eine übermäßige Menge Wein getrunken. Wie dem indessen sein mag, ich hörte seine Stimme im neuen Flügel des Hauses laut und zornig ausrufen, als ich, gerade ehe ich zu Bett gehen wollte, eine Gang durch die Gallerie machte. Der Gärtner lief augenblicklich zu ihm hinunter, und ich schloß schnell die Verbindungsthür, damit der Lärm nicht bis zu Miß Halcombe dringen und sie wecken möge. Es währte eine gute halbe Stunde, ehe der Gärtner zurückkam. Er meinte, sein Herr sei gänzlich von Sinnen – nicht durch die Aufregung vom Weine, wie ich vermuthet hatte, sondern durch eine Art Furcht oder Geistesangst, die wir uns auf keine Weise erklären konnten. Er hatte Sir Percival in der Flur gefunden, wo er heftig auf und ab ging, indem er mit jedem Anzeichen der leidenschaftlichsten Wuth schwor, er wolle keine Minute länger in einem solchen alten Kerker, wie seinem eigenen Hause bleiben, und zwar die erste Station seiner Reise sofort mitten in der Nacht antreten. Er hatte den Gärtner, als dieser sich ihm genähert, mit Flüchen und Drohungen hinausgetrieben und ihm befohlen, augenblicklich anzuspannen und den Wagen vor die Thüre zu bringen. Eine Viertelstunde später war Sir Percival zu ihm in den Hof gekommen, auf den Wagen gesprungen, und, indem er das Pferd zum Galopp gepeitscht, sei er im Mondenlichte mit kreideweißem Gesichte davongefahren. Der Gärtner hatte dann gehört, wie er dem Parkthorhüter zugeschrien und auf ihn geflucht hatte, weil er nicht schnell genug herausgekommen, um das Thor zu öffnen, und dann, wie die Räder im rasenden Laufe wieder weiter gerollt – worauf Alles still geworden – und weiter wußte er Nichts.

Am folgenden Tage, oder vielleicht ein paar Tage später (ich weiß es nicht mehr genau), hatte der Stallknecht aus dem alten Wirthshause zu Knowlesbury – unserer nächsten Stadt – den Wagen wieder zurückgebracht. Sir Percival hatte dort angehalten und war später mit dem Bahnzuge weiter gereist – wohin, konnte der Mann uns nicht sagen. Ich erhielt nie weder durch ihn selbst, noch sonst irgend Jemanden fernere Nachrichten über Sir Percival Glyde, und ich weiß nicht, ob er in diesem Augenblicke in England ist oder nicht. Er und ich sind einander nicht mehr begegnet, seit jener Nacht, wo er wie ein ausbrechender Uebelthäter aus seinem eigenen Hause entfloh, und es ist mein inbrünstiges Gebet und meine ernstliche Hoffnung, daß wir einander auch nie wieder begegnen mögen.

 

Mein eigener Antheil an dieser traurigen Familiengeschichte naht sich jetzt seinem Ende.

Man hat mir gesagt, daß die Einzelheiten in Bezug auf Miß Halcombe’s Erwachen und auf Das, was sich zwischen uns zutrug, als sie mich an ihrem Bette sitzen fand, für den Zweck meiner gegenwärtigen Aussage nicht von Wichtigkeit sind. Es wird genügen, wenn ich hier erwähne, daß sie selbst sich der Art und Weise unbewußt war, auf welche man sie von dem bewohnten Theile des Hauses nach dem unbewohnten geschafft hatte. Sie mußte zur Zeit in einem tiefen Schlafe gewesen sein, ob derselbe aber ein natürlicher oder künstlich herbeigeführter, war sie nicht im Stande zu sagen. Während meiner Abwesenheit in Torquay und der aller Diener vom Hause (mit Ausnahme von Margaret Porcher, deren fortwährende Beschäftigung in Essen, Trinken und Schlafen bestand) war die heimliche Wegschaffung Miß Halcombe’s von einem Theile des Hauses zum andern natürlich mit Leichtigkeit bewerkstelligt worden. Mrs. Rubelle hatte (wie ich entdeckte, da ich mich im Zimmer umsah) Mundvorräthe und sonstige Erfordernisse, wie die Mittel, um heißes Wasser oder Brühe zu bekommen, ohne genöthigt zu sein, ein Feuer anzuzünden, während der wenigen Tage ihrer Gefangenschaft mit der kranken Dame oben gehabt. Sie hatte sich geweigert, die Fragen zu beantworten, welche Miß Halcombe ihr natürlicherweise vorlegte, doch hatte sie sie in anderer Beziehung weder mit Unfreundlichkeit noch Vernachlässigung behandelt. Die Schande, sich zu einem so abscheulichen Betruge hergegeben zu haben, ist die einzige, welcher ich Mrs. Rubelle mit Gewissenhaftigkeit anklagen kann.

Man verlangt keine Einzelheiten von mir (und es ist dies eine große Erleichterung für mich) über die Wirkung der Nachricht von Lady Glyde’s Abreise auf Miß Halcombe, oder der weit traurigeren Nachrichten, welche wir nur zu bald darauf in Blackwater Park erhielten. Ich bereitete sie in beiden Fällen so zart und sorgfältig wie möglich darauf vor, indem ich nur in dem letzteren den Rath des Arztes als Leitung hatte, da Mr. Dawson während mehrerer Tage zu unwohl gewesen, um zu kommen, als ich zu ihm geschickt. Es war eine traurige Zeit; eine Zeit, an die zu denken und von der zu schreiben mich noch jetzt betrübt. Die kostbaren Segnungen religiösen Trostes, durch welche ich Miß Halcombe aufzurichten suchte, wollten lange nicht bis in ihr Herz eindringen; aber ich hoffe und glaube, daß sie endlich doch Platz darin gefunden. Ich verließ sie nicht, bis sie völlig wiederhergestellt war. Der Zug, mit dem ich jenes unglückselige Haus verließ, war derselbe, der auch sie fortführte. Wir trennten uns mit sehr traurigen Gefühlen in London. Ich ging zu einer Verwandten in Islington, und Miß Halcombe reiste nach Cumberland zu Mr. Fairlie.

Ich habe nur noch wenige Zeilen hinzuzufügen, ehe ich diese schmerzliche Aussage beende. Ich werde zu denselben durch ein Gefühl der Pflicht bestimmt.

Ich wünsche hiermit meine eigene feste Ueberzeugung auszusprechen, daß in den soeben von mir mitgetheilten Ereignissen durchaus kein Tadel irgend einer Art auf den Grafen Fosco fällt. Man sagt mir, daß ein furchtbarer Verdacht gehegt und über Sr. Gnaden Betragen sehr ernste Betrachtungen angestellt werden. Doch bleibt mein Glaube an des Grafen Unschuld völlig unerschüttert. Falls er sich mit Sir Percival vereinigte, um mich nach Torquay zu schicken, so that er Dies in einem Irrthume befangen, für den er als Ausländer und Fremder nicht getadelt werden kann. Falls er dazu beitrug, daß Mrs. Rubelle nach Blackwater Park kam, so war es sein Unglück und nicht seine Schuld, wenn diese Ausländerin schlecht genug war, sich an einem Betruge zu betheiligen, den der Herr des Hauses erdachte und ausführte. Ich protestire im Interesse der Moralität dagegen, daß leichtfertigerweise und unverdientermaßen das Verhalten des Grafen Fosco in Frage gezogen werde.

Zweitens wünsche ich, mein aufrichtiges Bedauern darüber auszusprechen, daß ich nicht im Stande bin, mich genau des Datums zu erinnern, an welchem Lady Glyde Blackwater Park verließ, um nach London zu reisen. Ich höre, daß die genaue Angabe des Tages, an welchem diese beklagenswerthe Reise unternommen wurde, von der größten Wichtigkeit ist, und habe mein Gedächtniß deshalb auf das Gewissenhafteste angestrengt; aber leider war meine Bemühung eine vergebliche. Ich kann mich nur noch entsinnen, daß es gegen Ende Juli war. Jeder weiß, wie schwer es ist, nach Verlauf einiger Zeit ein Datum bestimmt anzugeben, falls dasselbe nicht zur Zeit notirt worden. Diese Schwierigkeit ist in meinem Falle noch bedeutend durch die beunruhigenden und verwirrenden Ereignisse vergrößert, welche um die Zeit von Lady Glyde’s Abreise stattfanden. Ich wünsche von ganzem Herzen, ich hätte es mir damals notirt, oder daß meine Erinnerung an das Datum noch so lebhaft wäre wie meine Erinnerung an das Gesicht der armen Dame, als es mich zum letzten Male kummervoll durch’s Wagenfenster anblickte.

Aussage der Hester Pinhorn, Köchin im Dienste des Grafen Fosco

(Nach ihrer eigenen Aussage niedergeschrieben.)

Ich bedaure, sagen zu müssen, daß ich nie weder lesen noch schreiben gelernt habe. Ich habe mein Lebelang schwere Arbeit zu thun gehabt und mir stets einen guten Ruf bewahrt. Ich weiß, daß es sündhaft und gottlos ist, Etwas zu sagen, was nicht wahr ist; und ich will mich aufrichtig vorsehen, so Etwas bei dieser Gelegenheit zu thun. Ich will Alles sagen, was ich weiß, und den Herrn, der dies aufschreibt ergebenst gebeten haben, meine Sprache zu berichtigen, während er schreibt, und Entschuldigungen für mich zu machen, da ich Nichts gelernt habe.

Während dieses letzten Sommers war ich zufälligerweise (und ganz ohne meine Schuld) einige Zeit ohne Stelle; dann hörte ich, daß man in Numero 5°, Forest Road, St. John’s Wood, eine Köchin suche. Ich nahm die Stelle auf den Versuch an. Der Name meines Herrn war Fosco. Meine gnädige Frau war eine Engländerin. Er war ein Graf und sie eine Gräfin. Als ich hinkam, hatten sie ein Mädchen, das die Stubenarbeit that. Sie war nicht besonders reinlich oder ordentlich, aber sonst war weiter nichts Böses an ihr. Ich und sie waren die einzige Dienerschaft im Hause.

Ich war noch nicht lange in meiner neuen Stelle gewesen, als das Stubenmädchen zu mir in die Küche kam und mir sagte, es werde Besuch vom Lande erwartet. Dies war die Nichte meiner gnädigen Frau, und es wurde das Schlafzimmer in der ersten Etage für sie hergerichtet. Meine gnädige Frau sagte mir, daß Lady Glyde (so hieß ihre Nichte) eine schwache Gesundheit habe, und daß ich mich im Kochen darnach einrichten möge. Sie sollte am folgenden Tage eintreffen oder vielleicht den Tag darauf oder auch noch später. Es thut mir leid, sagen zu müssen, daß es unnütz ist, mich nach einem Datum oder dergleichen zu fragen. Sonntags ausgenommen, achte ich selten darauf, da ich eine arbeitsame Frau und ohne Gelehrsamkeit bin. Alles was ich weiß, ist, daß es allerdings nicht lange währte, bis Lady Glyde ankam; und zwar verursachte sie Uns gleich bei ihrer Ankunft einen schönen Schrecken! Ich weiß nicht, auf welche Art der Herr sie ins Haus brachte, da ich gerade beschäftigt war. Aber mich dünkt, es war Nachmittags, daß sie ankamen, und das Stubenmädchen öffnete ihnen die Hausthür und führte sie in die Wohnstube. Ehe sie noch lange wieder unten bei mir in der Küche gewesen, hörten wir oben einen Spektakel und ein Wesen und ein tolles Klingeln und die Stimme meiner gnädigen Frau, die um Hülfe schrie.

Wir rannten Beide hinaus, und da sahen wir die Dame auf dem Sopha liegen, mit todtenbleichem Gesichte und geballten Händen und den Kopf auf eine Seite herunter hängend. Sie hatte einen plötzlichen Schrecken gehabt, sagte meine gnädige Frau, und der Herr sagte, es seien Zufälle und Confusionen. Ich lief hinaus, da ich die Nachbarschaft etwas besser kannte, als die Andern, um den nächsten Doctor zu Hülfe zu rufen. Der nächste Doctor war Goodricke und Garth, die zusammen practicirten und, wie ich gehört habe, im ganzen St. John’s Wood einen guten Ruf und eine gute Kundschaft haben.

Mr. Goodricke war zu Hause und kam gleich mit mir.

Es währte eine Weile, bis er sich ihr nützlich machen konnte. Die arme, unglückliche Dame fiel immer aus einer Ohnmacht in die andere – und ging so zukehr, daß sie ganz erschöpft und so machtlos wurde, wie ein neugeborenes Kind. Dann legten wir sie ins Bett. Mr. Goodricke ging nach Hause, um Medicin zu holen und kam in weniger als einer Viertelstunde wieder zurück. Außer der Medicin brachte er noch ein Stückchen hohlen Mahagoniholzes mit, das wie eine Trompete geformt war, und nachdem er eine kleine Weile gewartet, hielt er es mit einem Ende auf das Herz der Dame und mit dem andern an sein Ohr, worauf er dann aufmerksam zu horchen schien. Als er damit fertig, sagte er zu meiner gnädigen Frau, die auch im Zimmer war: »Dies ist ein sehr schlimmer Fall« sagte er, »ich empfehle Ihnen, sogleich an Lady Glyde’s Angehörigen zu schreiben.« Da sagt meine gnädige Frau zu ihm, »Ist es ein Herzleiden?« und er antwortete: »Ja, und von der gefährlichsten Art.« Er erklärte ihr genau, worin die Krankheit bestünde, was ich aber nicht verstehen konnte, da ich ja nicht gelehrt bin. So viel aber weiß ich, daß er nämlich damit schloß: er fürchte; weder er noch sonst ein Doctor werde im Stande sein, ihr zu helfen.

Meine gnädige Frau fand sich ruhiger in diese schlimme Nachricht, als der Herr. Er war ein dicker, großer, sonderbarer ältlicher Mann, der sich Vögel und weiße Mäuse hielt und mit ihnen schwatzte, als ob sie Christenkinder gewesen wären. Er schien furchtbar ergriffen. »Ach! die arme Lady Glyde! Die arme, liebe Lady Glyde!« schrie er immer los, indem er in der Stube umher marschirte und seine fetten Hände rang und sich mehr wie ein Comödiant als wie ein Gentleman geberdete. Für eine Frage, die meine gnädige Frau über die Aussicht auf Genesung der armen Dame an den Doctor richtete, that er wenigstens fünfzig. Er wurde uns Allen förmlich lästig – und als er sich endlich zufrieden gab, ging er in den kleinen Hintergarten hinaus, wo er lumpige kleine Blumensträuße pflückte und mich dann bat, sie hinauf zu tragen und das Krankenzimmer damit aufzuputzen. Als ob das helfen konnte! Ich denke mir, er muß zu Zeiten ein Bischen närrisch im Kopfe gewesen sein. Aber er war kein schlechter Herr: er besaß eine ungeheuer höfliche Zunge und hatte ein lustiges, unbefangenes, schmeichelndes Wesen. Er gefiel mir viel besser, als meine gnädige Frau. Wenn es je eine harte Person gegeben hat, so war sie es.

Gegen Nachtzeit erholte sich die Dame ein wenig. Sie mußte vorher so angegriffen gewesen sein, durch die Confusionen, daß sie weder Hand noch Fuß bewegte, noch zu irgend Jemandem ein Wort sprach. Sie rührte sich jetzt im Bette und blickte verwirrt im Zimmer umher und nach uns hin. Sie mußte, als sie noch gesund war, eine hübsche Dame gewesen sein, mit blondem Haar und blauen Augen und so weiter. Sie hatte eine sehr unruhige Nacht, wenigstens sagte dies die gnädige Frau, welche die Nacht allein bei ihr wachte. Ich ging blos einmal hinein, ehe ich zu Bette ging, um zu fragen, ob ich noch Etwas thun könne, und hörte, daß sie auf unruhige, verwirrte Weise mit sich selber sprach. Sie schien so gern mit Jemand sprechen zu wollen, der irgendwo fern von ihr war. Das erstemal konnte ich den Namen nicht verstehen, und als sie ihn zum zweitenmale aussprach, klopfte gerade der Herr wie gewöhnlich den Mund voll Fragen und in der Hand einen seiner bettelhaften Blumensträuße, an die Thür.

Als ich am folgenden Morgen hineinging, war die Dame abermals völlig erschöpft und lag in einer Art matten Schlafes da. Mr. Goodricke brachte seinen Compagnon, Mr. Garth, mit, um sich mit ihm zu berathen. Sie sagten, wir dürften sie auf keinen Fall aus ihrer Ruhe stören. Ich hörte sie am andern Ende des Zimmers eine Menge Fragen an meine gnädige Frau thun: welcher Art früher der Gesundheitszustand der Dame, wer ihr Arzt gewesen, und ob sie je lange an gestörter Gemüthsruhe gelitten. Ich erinnere mich, daß meine gnädige Frau »Ja« zu der letzten Frage sagte; worauf Mr.·Goodricke Mr. Garth und Mr. Garth Mr. Goodricke ansah und Beide den Kopf schüttelten. Sie schienen der Ansicht, daß die Gemüthsunruhe mit dem Unheil im Herzen der Dame zu thun haben müsse. Sie war dem Ansehen nach nur ein sehr schwaches Wesen, die arme Dame! und konnte, wie mir schien, nie besonders kräftig gewesen sein.

Etwas später an demselben Morgen, erholte sich die Dame plötzlich und war dem Anscheine nach viel wohler. Ich wurde nicht wieder zu ihr hineingelassen – noch das Stubenmädchen – damit sie nicht, wie sie sagten, durch fremde Gesichter beunruhigt würde. Was ich von ihrem Befinden erfuhr, hörte ich von meinem Herrn. Er war in wunderbar vergnügter Laune über diese Veränderung und sah vom Garten aus mit seinem großen weißen Hut mit umgekrämpten Rande – er wollte gerade ausgehen – durch’s Küchenfenster hinein. »Meine gute Frau Köchin,« sagte er, »Lady Glyde befindet sich wohler. Ich fühle mich jetzt etwas ruhiger und will einen schönen sonnigen kleinen Sommerspaziergang machen, um meine großen Glieder etwas zu strecken. Soll ich Etwas für Sie bestellen, soll ich für Sie zu Markte gehen, Frau Köchin? Was machen Sie da? Eine schöne Fruchtpastete zum Diner? Machen Sie nur recht viel Kruste, gute Frau, recht viel kruspelige Kruste, die so schön im Munde schmilzt und krümelt.« Das war so seine Art. Er war über Sechzig und liebte Zuckerbäckerei, denk’ sich Einer!

 

Der Doctor kam Nachmittags wieder und sah selbst, daß die Dame wohler aufgewacht war. Er verbot uns mit ihr zu sprechen, oder sie zu uns sprechen zu lassen, falls sie sich dazu aufgelegt zeigen sollte, weil sie möglichst ruhig bleiben und möglichst viel schlafen müsse. Sie schien übrigens nie besonders zum Sprechen geneigt wenn ich sie sah, ausgenommen in der Nacht, wo ich aber nicht verstehen konnte was sie sagte, – sie schien zu sehr erschöpft, um deutlich zu sprechen. Mr. Goodricke war lange nicht so beruhigt ihretwegen, als mein Herr. Er sagte Nichts, als er herunter kam, außer daß er gegen fünf Uhr wieder vorkommen werde. Ungefähr um die Zeit (ehe mein Herr noch wieder nach Hause gekommen war), wurde heftig in der Schlafstube geklingelt; meine gnädige Frau kam auf den Vorsaal herausgelaufen und rief mir zu, schnell zu Mr. Goodricke zu laufen und ihm zu sagen, daß die Dame ohnmächtig geworden sei.

Ich hatte kaum meinen Hut aufgesetzt und mein Tuch umgebunden, als der Doctor glücklicherweise schon, wie er versprochen hatte, selbst ankam.

Ich öffnete ihm die Hausthür und begleitete ihn die Treppe hinauf. »Lady Glyde schien sich ganz wie gewöhnlich zu befinden,« sagte die gnädige Frau zu ihm an der Thür; »sie wachte und blickte auf eine sonderbare verwirrte Weise um sich, als ich sie plötzlich Etwas wie eine Art kleinen Schrei ausstoßen hörte, worauf sie augenblicklich ohnmächtig wurde.« Der Doctor trat ans Bett und beugte sich zu der kranken Dame herab. Er wurde plötzlich sehr ernst aussehen, als er sie anblickte, und legte seine Hand auf ihr Herz.

Die gnädige Frau sah ihm gespannt ins Gesicht. »Doch nicht todt?!« sagte sie flüsternd, und indem sie vom Kopf bis zu Füßen an zu zittern fing.

»Ja,« sagte der Doctor sehr ernst und ruhig. »Todt. Ich fürchtete schon gestern, als ich ihr Herz untersuchte, daß es sehr plötzlich kommen würde.« Die gnädige Frau trat, während er sprach, vom Bette zurück und zitterte immer mehr. »Todt!« flüsterte sie vor sich hin, »todt! so plötzlich! so bald schon todt! Was wird der Graf sagen!« Mr. Goodricke rieth ihr, hinunter zu gehen und sich zu fassen zu suchen.

»Sie haben die ganze Nacht gewacht,« sagte er, »und Ihre Nerven sind angegriffen. Diese Frau,« sagte er, womit er mich meinte, »diese Frau kann in der Stube bleiben, bis es mir möglich sein wird, den nothwendigen Beistand zu schicken.« Meine gnädige Frau that, was er ihr sagte.

»Ich muß den Grafen darauf vorbereiten,« sagte sie, »ich muß den Grafen mit großer Vorsicht darauf vorbereiten.«

Und mit den Worten verließ sie uns, noch immer am ganzen Körper zitternd.

»Ihr Herr ist Ausländer,« sagte Mr. Goodricke, als die gnädige Frau hinausgegangen war. »Versteht er etwas vom Registriren des Todesfalles?«

»Das kann ich nicht sagen, Sir,« erwiderte ich, »aber vermuthlich nicht.«

Der Doctor überlegte einen Augenblick, und dann sagte er: »Ich thue dergleichen sonst nicht, aber in diesem Falle mag es den Familien möglicherweise Unannehmlichkeiten ersparen, wenn ich den Tod dieser Dame selbst registrire. Ich werde in einer halben Stunde am Districts-Bureau vorbeigehen und kann es dann leicht besorgen. Sagen Sie, wenn Sie so gut sein wollen, daß ich es übernommen habe.«

»Ja, Sir,« sagte ich, »und zwar mit vielem Danke für Ihre Güte, daß Sie daran gedacht haben.«

»Sie haben Nichts dagegen, hier zu bleiben, bis ich Ihnen die geeignete Person dazu herschicken kann?« sagte er.

»Nein, Sir,« sagte ich, »ich will so lange bei der armen Dame bleiben. Es konnte wohl weiter Nichts gethan werden, Sir, als gethan worden ist?«

»Nein,« sagte er, »Nichts. Sie muß schon lange, ehe ich sie sah, bedeutend gelitten haben; ihr Zustand war bereits hoffnungslos, als ich herzugerufen wurde.«

»Ach ja, du lieber Himmel!« sagte ich, »früher oder später kommt es ja mit uns Allen dahin, nicht wahr, Sir?«

Er gab hierauf keine Antwort und schien überhaupt nicht zum Sprechen ausgelegt. Er sagte »Guten Tag,« und ging.

Ich blieb dann bis zu dem Augenblicke, wo Mr. Goodricke, wie er versprochen hatte, Jemand schickte, am Bette sitzen. Die Frau, welche er schickte, hieß Jane Gould. Sie schien mir eine respectable Frau zu sein. Sie machte weiter keine Bemerkung, außer daß sie sagte, sie verstehe, was sie zu thun habe, und sie habe schon viele Todte eingelegt.

Wie mein Herr die Nachricht ertrug, als er zuerst von dem Tode der Dame hörte, ist mehr, als ich sagen kann, denn ich war nicht gegenwärtig. Als ich ihn aber wiedersah, hatte er wirklich ein furchtbar ergriffenes Aussehen. Er saß ruhig in einem Winkel, seine fetten Hände hingen auf seine dicken Kniee herab, sein Kopf tief auf der Brust und seine Augen stierten ins Leere. Er schien nicht so sehr betrübt über das, was sich zugetragen, als erschrocken und verblüfft.

Meine gnädige Frau besorgte Alles, was zur Beerdigung nothwendig war. Es muß eine Masse Geld gekostet haben; der Sarg besonders war prachtvoll anzusehen. Der Gemahl der todten Dame war, wie wir hörten, fort in der Fremde. Aber meine gnädige Frau, die ja ihre Tante war, kam mit ihren Angehörigen auf dem Lande (in Cumberland glaube ich) überein, daß sie dort mit ihrer Mutter in einem Grabe beerdigt werde.

Ich wiederhole nochmals, daß das Begräbniß auf das Anständigste hergestellt wurde, und mein Herr reiste nach Cumberland, um selbst als Leidtragender dabei zu sein. Er sah prächtig aus in seiner tiefen Trauer, mit seinem großen feierlichen Gesichte, seinem langsamen Gange und breiten Creppbande, das muß wahr sein!

Zum Schlusse muß ich als Antwort auf mir vorgelegte Fragen hinzufügen:

1) Daß weder ich noch das Stubenmädchen je gesehen haben, daß mein Herr selbst Lady Glyde Medicin gegeben hätten.

2) Daß er meines Wissens nie allein bei Lady Glyde im Zimmer war.

3) Daß ich nicht im Stande bin, zu sagen, was der Dame, wie meine gnädige Frau mir gesagt, bei ihrer Ankunft im Hause den plötzlichen Schrecken verursacht hatte. Weder mir noch dem Stubenmädchen ist die Ursache hiervon je erklärt worden.

Obige Angaben sind mir vorgelesen worden. Ich habe nichts weiter hinzuzufügen oder davon zurückzunehmen. Ich bekräftige als christliche Frau mit meinem Eide, daß dies die Wahrheit ist.

(Unterzeichnet)

Hester Pinhorn + ihr Zeichen