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Gesetz und Frau

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Achter Kapitel.
Ich sehe meinen Weg

Der Morgen des nächsten Tages dämmerte bereits, als ich die Lectüre des Processes beendete.

Ich war durchaus nicht von Müdigkeit überwältigt und fühlte nicht das geringste Bedürfniß zum Schlafen. Mir war zu Muthe, als wenn ich geruht hätte und eben erwacht wäre, ein anderes Weib mit einer neuen Seele.

Jetzt konnte ich wenigstens verstehen, weshalb Eustace mich verlassen. Für einen Mann von so zarten Gemüth würde es ja ein Märtyrerthum gewesen sein, seinem Weibe ins Auge zu blicken nachdem es gelesen, was aller Welt von ihm berichtet war. Ich fühlte das in meinem tiefsten Herzen. Ich vergab ihm, daß er von mir gegangen und hoffte auf seine baldige Wiederkehr.

Ein kleiner Umstand lastete mir aber, trotz meiner Philosophie, auf der Seele. Liebte Eustace noch im Stillen Mrs. Beanly? oder war jene Leidenschaft bereits in ihm erloschen! Zu welcher Art von Schönheit mochte die Dame wohl gehören?

Das Fenster meines Zimmers blickte nach Osten. Ich zog das Rouleau auf und sah die Sonne strahlend am Horizont emporsteigen. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen auszugehen und die frische Morgenluft zu athmen. Ich setzte den Hut auf, schlang den Shawl um die Schultern und nahm den Bericht des Processes unter den Arm. Eine Minute später befand ich mich in Benjamins kleinem Garten.

Getröstet und gestärkt durch die Einsamkeit und die erquickende Luft, fand ich Muth genug der ernsten Frage über meine Zukunft entgegenzutreten.

Ich hatte den Proceß gelesen. Ich hatte es mir zur heiligen Lebensaufgabe gemacht, die Unschuld meines Gatten an den Tag zu bringen. Wie sollte ich einsames, verlassenes Weib meine Ausgabe beginnen?

Der kühnste Anfang war jedenfalls der beste. Mein erster Gedanke war an Miserrimus Dexter. Wie er auch meine Handlungsweise beurtheilen mochte; jedenfalls mußte das Experiment gemacht werden. Ich hatte Vertrauen zu dem verwachsenen Mann mit dem seltsamen Namen. Wenn er mich fragen würde: »Was gedenken Sie zu thun?« oder: »Wie kann ich Ihnen dabei behilflich sein?« Konnte ich ihm ans diese beiden Fragen antworten? Gewiß! Mr. Dexter war der einzige Mensch, dem ich die geheimen Gedanken hätte anvertrauen mögen die sich, während der Lectüre des Processes, in meiner Seele gebildet.

Ich vermochte es nicht, den gefaßten Verdacht länger zurückzudrängen. Der Lord-Anwalt hatte mir den ersten Anstoß dazu gegeben, in dem er durch seine Reden meinen Gatten in das allerungünstigste Licht stellte. Daß Mrs. Macallan aus Versehen, sich selber vergiftet habe, glaubte ich nicht, sondern ich war ganz entschieden der Ansicht, daß sie im Besitz des Giftes gewesen sei, um es als Remedium gegen ihren schlechten Teint zu gebrauchen. Eine andere Person mußte ihr nachher das Gift in todtbringender Dosis beigebracht haben; da diese andere Person aber nicht mein Gatte sein konnte; wer war es sonst? – Mein Verdacht fiel sofort auf ein Weib, und der Name dieses Weibes war Mrs. Beanly.

Blicken wir einmal zurück auf jenen Brief, der nur mit »Helena« unterzeichnet und an Mr. Macallan adressirt war. Kein vernünftiger Leser wird daran zweifeln daß Mrs. Beanly jenes Schreiben verfaßt Gut! In dem Inhalt dieses Schreibens sehe ich deutlich die Absicht der schönen Dame, die sie bei ihrem Besuch in Gleninch hegte.

Wie lauteten die betreffenden Worte?

»Mein armer Eustace! Mein Herz zieht sich schmerzlich zusammen wenn ich daran denke, daß Ihr Leben diesem elenden Weibe gewidmet ist.«

Und dann sagt sie weiter: »Wenn wir Beide Mann und Frau geworden wären wie sollte es meine Lebensaufgabe gewesen sein, dem besten und edelsten der Männer die irdische Glückseligkeit zu bereiten.«

Ist dies nicht die Sprache eines Weibes, die schamlos und fast wahnsinnig in einen Mann verliebt ist, den sie nicht Gatten nennt? Sie ist dermaßen bezaubert von ihm, daß sie den Traum ihres Verhältnisses sogar bis in die andere Welt fortsetzt. In dieser Seelen und Körperbeschaffenheit sieht sich die Dame plötzlich durch den Tod ihres Gatten wieder frei. Ihren Liebkosungen und Zärtlichkeiten sehen sich ebenfalls der drückenden Fessel entledigt. Sobald es irgend der Anstand erlaubt, Besuche zu machen macht sie Besuche und wird im Laufe der Zeit der Gast des Mannes, den sie anbetet. Die Gattin desselben liegt krank im Bett. Der einzige, andere Besuch in Gleninch ist ein Krüppel, der sich nur im Räderstuhl fortbewegen kann. Die Lady hat also das Haus mit dem geliebten Gegenstande fast ganz für sich allein. Es steht nichts zwischen ihr und dem Idol ihrer Seele als eine kranke, häßliche Frau, für die Mr. Macallan nicht einen Funken von Neigung fühlt.

Ist es so vollkommen absurd zu denken daß ein Weib wie dies, von solchen Motiven geleitet und in einer ähnlichen Situation nicht eine so günstig dargebotene Gelegenheit ergreifen sollte, um ein Verbrechen zu begehen?

Was äußerte sie in ihrer eigenen Aussage?

Sie giebt zu mit Mrs. Macallan eine Unterredung gehabt zu haben, in welcher die Letztere sie um cosmetische Mittel zur Verbesserung des Teint befragt. Sollte sich während dieser Unterredung nicht noch mehr ereignet haben? Sollte Mrs. Beanly nicht vielleicht mit Mrs. Macallan ein Experiment gemacht haben das später so unheilvolle Folgen hatte?

Mrs. Beanly erwähnte dessen nicht.

Und was sagte der Gärtner aus?

Er belauschte eine Unterhaltung zwischen Mr. Macallan und Mrs. Beanly, welche wenigstens die Möglichkeit zeigte, daß Letztere einmal die Stelle der gegenwärtigen Gattin ersetzen konnte. Sie bricht das Gespräch darüber als zu gefährlich ab, während der keinen bösen Gedanken hegende Mr. Macallan ruhig arglos weiter geplaudert haben würde.

Was erzählte die Wärterin Mrs. Ormsay?

Am Todestage von Mrs. Macallan wird sie entlassen und hinunter geschickt. Sie verläßt die von ihrem ersten Anfall sich bessernde Kranke, die ihre Zeit mit Schreiben verbringen will. Mrs. Ormsay bleibt wohl eine halbe Stunde unten und wundert sich dann daß die Klingel sie nicht zurückruft. Sie begiebt sich in’s Morgenzimmer, um Mr. Macallan darüber zu befragen. Hier vernimmt sie, daß Mrs. Beanly vermißt wird. Mr. Macallan weiß nicht wo sie ist und fragt Mr. Dexter, ob er sie nicht gesehen habe. – Mr. Dexter verneint es. Wann verschwindet also Mrs. Beanly? Zu derselben Zeit wo Christina Ormsay Mrs. Macallan allein gelassen hat.

Endlich ertönt die Klingel heftig. Die Wärterin kehrt fünf Minuten vor elf in’s Krankenzimmer zurück und findet daß die alten Symptome von heute Morgen im verschlimmerten Maße wieder eingetreten sind. Höchstwahrscheinlicherweise ist also der Kranken während der Abwesenheit der Wärterin und seit dem verschwinden der Mrs. Beanly eine zweite, verstärkte Dosis des Giftes gereicht worden. Als die Wärterin um Hilfe zu suchen auf den Corridor hinausblickt begegnet sie Mrs. Beanly, die grade aus ihrem Zimmer kommt, um sich nach dem Befinden der Kranken zu erkundigen.

Etwas später begleitet Mrs. Beanly Mr. Macallan zum Besuch seiner Frau. Die Sterbende wirft einen seltsamen Blick auf die Beiden und fordert sie auf, das Zimmer zu verlassen Mr. Macallan betrachtete diese Aeußerung als eine Folge körperlichen Leidens und wartet im Zimmer, um der Wärterin zu sagen daß nach dem Arzt geschickt sei. Und was thut Mrs. Beanly? Sie verläßt bei dem Blick der Mrs. Macallan in panischem Schrecken das Zimmer. Selbst Mrs. Beanly scheint ein Gewissen zu haben.

Findet nach solchen Vorgängen der Verdacht noch keine Berechtigung?

Mir ist die Schlußfolgerung ganz klar.

Die zweite Dosis Arsenik ward von Mrs. Beanly’s Hand gegeben. Dies zugestanden muß sie ihr auch die erste Dosis gereicht haben. Auf welche Art konnte sie dies bewerkstelligen? Gehen wir auf die Zeugenaussage zurück. Die Wärterin giebt an, daß sie von Morgens zwei bis sechs Uhr im festen Schlaf lag. Sie spricht ebenfalls von einer verschlossenen Verbindungsthür, deren Schlüssel, man wußte nicht von wem, entfernt worden. Er mußte also gestohlen sein. Weshalb nicht von Mrs. Beanly?

Weiter!

Miserrimus Dexter hatte beim Kreuzverhör indirect zugestanden daß er seine eigenen Ideen über Mrs. Macallan’s Tod habe. Gleichzeitig hatte er von Mrs. Beanly in einem Tone gesprochen der deutlich genug verrieth, daß er ihr nicht freundlich gesinnt war. Hatte er ebenfalls Verdacht gegen sie? – Die Frage mußte ihm vorgelegt werden ehe irgend etwas Anderes geschah. Wenn er ebenso über sie dachte, wie ich es that, war mir mein Weg klar vorgezeichnet. Ich mußte sorgfältig meine Identität verbergen und mich Mrs. Beanly als harmlose Fremde vorstellen.

Die erste Schwierigkeit bei meinem Unternehmen war die, zu Miserrimus Dexter zu gelangen.

Der beruhigende Einfluß der frischen Luft hatte mich müder gemacht als die nächtliche Lectüre es gethan. Als ich beim offenen Fenster vorüberging, blickte mich mein Bett einladend an.

Nach fünf Minuten folgte ich der Einladung und sagte für kurze Zeit meinem Kummer und meinen Sorgen Lebewohl. Kaum hatte ich mich niedergelegt als ich fest entschlummerte.

Ein bescheidenes Klopfen an der Thür er weckte mich.

»Liebes Kind!« hörte ich draußen Benjamins Stimme sprechen. »Wenn Sie noch länger schlafen werden Sie verhungern. Es ist ein Uhr durch, und ein Freund von Ihnen wird mit uns frühstücken.«

Ein Freund von mir? Wer konnte das sein?

– Mein Gatte war weit weg, und Onkel Starkweather hatte mich aufgegeben.

»Wer ist es?« rief ich von meinem Bett aus, durch die geschlossene Thüre.

»Major Fitz-David!« antwortete Benjamin.

Ich sprang aus dem Bett. Grade der Mann dessen ich bedurfte, wartete auf mich. Major Fitz-David kannte alle Welt. Eng befreundet mit meinem Gatten würde er mir gewiß etwas von dessen altem Freunde Miserrimus Dexter sagen können.

Ich machte sorgfältige Toilette und ließ das Frühstück warten. Kein lebendes Weib würde anders gehandelt haben, wenn sie vom Major Fitz-David eine Gunst zu erbitten gehabt hätte.

 

Neuntes Capitel.
Der Major macht Schwierigkeiten

Als ich die Thür des Eßzimmers öffnete, eilte mir der Major entgegen. Er trug wieder sein gewinnendes Lächeln zur Schau und küßte mir galant die Hand. Es war mir förmlich angenehm, dem modernen Don Juan zu begegnen.

»Ich brauche Sie nicht nach Ihrer Gesundheit zu fragen,« sagte der alte Herr; »Ihren Augen antworten mir, bevor ich um Auskunft gebeten. In Ihrem Alter ist ein langer Schlaf der beste Verjüngungstrank. Nur recht lange im Bett das ist das einfache Geheimniß, ein hohes Alter zu erreichen.«

»Ich bin nicht so lange im Bett gewesen, als Sie zu glauben scheinen. Ich habe die ganze Nacht über ein Buch gelesen.«

Major Fitz-David zog erstaunt die Augen brauen in die Höhe.

»Wie nennt sich das glückliche Buch, das Ihr Interesse in so hohem Grade in Anspruch nahm?«

»Der Prozeß meines Mannes, wegen Vergiftung seiner ersten Frau,« antwortete ich.

Das Lächeln des Majors erstarb auf seinen Zügen und er trat unwillkürlich einen Schritt zurück.

»Erwähnen Sie nicht dieses entsetzlichen Buches!« rief er aus. »Sprechen Sie nicht von diesem entsetzlichen Gegenstande. Was haben Anmuth und Schönheit mit Prozessen und Vergiftungen zu thun? Weshalb entwürdigen Sie Ihre schönen Lippen, indem Sie von solchen Dingen reden? Weshalb die Liebesgötter verscheuchen, welche aus Ihrem Lächeln blicken? Vergönnen Sie einem alten Knaben sich von der Sonne Ihres Lächelns erwärmen zu lassen. Uebrigens ist das Frühstück fertig. Frühstücken wir also und seien wir lustig.«

Er führte mich zu Tische und füllte mir Teller und Glas, als wenn er sich dem wichtigsten Geschäft der Welt hingebe.

»Major Fitz-David bringt Ihnen einige Neuigkeiten,« eröffnete Benjamin die Unterhaltung. »Ihren Schwiegermutter Mrs. Macallan ist heute hierher gekommen um Sie zu besuchen.«

»Meine Schwiegermutter? Hat sie etwas von meinem Gatten gehört?« fragte ich schnell.

»Ich glaube, daß sie von ihm gehört hat ebenso von Ihrem Onkel, dem Prediger,« sagte der Major. »Unser vortrefflicher Starkweather hat ihr geschrieben und dieser Brief ist die Veranlassung ihres Herkommens. Ich traf die alte Dame gestern in Gesellschaft und bot alles auf, um etwas von ihr heraus zu bekommen aber vergebens. Freilich muß ich zu meiner Schande gestehen daß ich mit alten Damen nicht umzugehen weiß. Nehmen Sie also den Willen für die That meine süße Freundin.« —

Diese Worte boten mir die Gelegenheit nach der ich trachtete.

»Ihr gütiges Entgegenkommen ermuthigt mich, Ihnen eine Frage vorzulegen und nach deren Beantwortung um eine fernere Gunst zu bitten.«

Major Fitz-David nahm das Weinglas von den Lippen und blickte mich mit athemlosem Interesse an.

»Befehlen Sie über mich, meine theure Lady. Ich bin ganz der Ihre,« sagte der galante alte Herr. »Welche Frage wünschen Sie mir vorzulegen?«

»Kennen Sie Miserrimus Dexter?«

»Gott im Himmel!« rief der Major; »das , ist allerdings eine unerwartete Frage. Gewiß kenne ich ihn. Was wollen Sie von ihm?«

»Vorläufig möchte ich Sie nur um eine Karte bitten, die mich bei dem genannten Herrn einführt.«

Der Major erbleichte unter seiner Schminke, und die kleinen grauen Augen blickten mich mit unverhehlbarem Schrecken an.

»Sie wollen Miserrimus Dexter kennen lernen?« wiederholte er, wie ein Mann der an seinen eigenen Sinnen zweifelt. »Mr. Benjamin sollte ich Zuviel von Ihrem vortrefflichen Wein getrunken haben? Bin ich das Opfer einer Täuschung, oder hat mich Ihre schöne Freundin wirklich gebeten sie bei Miserrimus Dexter ein zuführen?«

»Das Letztere glaube ich allerdings,« sagte Benjamin mich ebenfalls erstaunt anblickend.

»Und was ist in meiner Frage so befremdliches?« sagte ich.

»Der Mann ist wahnsinnig!« rief der Major. »Ist ganz England hätten Sie keinen ungeeigneteren Mann zur Vorstellung bei einer jungen Dame finden können als Mr. Dexter. Haben Sie von seiner entsetzlichen Verkrüppelung gehört?«

»Ich habe davon gehört und es schreckt mich nicht ab.«

»Schreckt Sie nicht ab? Meine theure Lady, des Mannes Geist ist ebenso verkrüppelt wie sein Körper.

Er ist ein Gemisch von einem Tiger und einem Affen. In einem Augenblick erschreckt er sie zum Tode, und im anderen reizt er sie zum lauten Lachen. Ich will damit nicht sagen daß er nicht auch gute Eigenschaften besitze und daß er Gewaltthaten begangen oder wissentlich Jemand beleidigt habe. Vor allen Dingen aber ist er verrückt. Können Sie mir die Frage verzeihen was Sie von Mr. Dexter wollen?«

»Ich will ihn zu Rathe ziehen wegen meines Mannes Prozeß.«

Major Fitz-David stöhnte und suchte für einen Augenblick Trost in seinem Weinglase.

»Wieder jene entsetzliche Geschichte!« rief er aus. »Weshalb denn immer und ewig dabei verharren ?«

»Ich muß bei dem verharren was zu meiner einzigen Beschäftigung zu meiner einzigen Lebenshoffnung geworden ist,« sagte ich.

»Ich bin der Ansicht, daß Mr. Dexter mir helfen könne, den Flecken vom Character meines Mannes zu waschen mit welchem der schottische Gerichtshof ihn gebrandmarkt hat. Möge er nun Tiger oder Affe sein ich wage es dennoch bei ihm einzudringen. Deshalb bitte ich noch einmal um Ihre Empfehlungskarte.«

Der Major blickte kläglich aus Mr. Benjamin und schüttelte den Kopf, und Mr. Benjamin blickte kläglich auf den Major und schüttelte auch den Kopf.

»Wenn sie darauf besteht kann ich nicht die Verantwortlichkeit übernehmen die Dame allein zu Mr. Dexter zu schicken,« sagte der Major.

»Soll ich sie begleiten Sir?« fragte Benjamin.

Der Major überlegte einen Augenblick und wandte sich dann schnell zu mir.

»Meine reizende Freundin,« sagte er zu mir, »lassen Sie uns die Sache zu einem Vergleich kommen, was sagen Sie zu einem kleinen Diner?«

»Ein kleines Diner?« wiederholte ich, ohne ihn zu verstehen.

»Ganz recht ein kleines Diner,« sagte der Major noch einmal. »Ja meinem Hause. Sie bestehen darauf, bei Dexter eingeführt zu werden und ich kann nicht darin willigen Sie mit ihm allein zu lassen. Der einzige Punkt in dem wir zusammen kommen können ist die Vereinigung beider Parteien zu einem kleinen Diner unter dem Schutze meines Daches. Wir können noch einige andere Schönheiten dazu bitten Madame Mirliflore ist in London. Sie wird Ihnen sehr gefallen. Und wen sonst noch? Lady Clarinda? Ebenfalls ein reizendes Weib! Mr. Benjamin, Sie sollen neben ihr sitzen. Einen größeren Beweis meiner Hochachtung kann ich Ihnen nicht geben. Wollen wir meine kleine Primadonna nach dem Essen singen lassen? Ich denke. Sie ist so schön. Sie wird die Häßlichkeit des Mr. Dexter verdunkeln helfen. Die Sache ist also abgemacht. Wollen wir sagen heut über 8 Tage?« fragte der Major sein Taschenbuch hervorziehend.

Ich willigte, obgleich nicht gerne, in den Vergleich. Mit einem Empfehlungsbrief hätte ich Mr. Dexter noch heute Nachmittag sehen können. So mußte ich noch acht Tage warten. Doch was half es? Wenn der Major einmal seinen Eigensinn aufsetzte, wie ich, dann konnte noch weit mehr verloren werden.

»Also Punkt acht Mr. Benjamin,« wiederholte der Major. »Schreiben Sie es ebenfalls in Ihr Buch.«

Benjamin gehorchte, indem er mir einen Blick zuwarf, den ich recht gut verstand. Mein alter Freund hatte keine große Lust mit einem Herrn zu diniren der halb Tiger und halb Affe war, und der Vorzug neben Lady Clarinda zu sitzen, schreckte ihn mehr ab, als er ihn entzückte. Mein bittender Gegenblick stimmte ihn zu meinen Gunsten und er notirte die Stunde in seinem Buche. Der Major sah auf seine Uhr und er hob sich schnell.

»Es ist später, als ich dachte,« sagte er. »Ich habe mich mit einer Freundin verabredet. Ein ganz reizendes Geschöpf! Sie thut mir die Ehre an, mich um mein Urtheil über alte Stickereien zu befragen. Ich verstehe etwas von alten Stickereien. Ich studire Alles, was mich Ihrem bezauberndem Geschlechte nützlich machen kann.«

Er nahm meine Hand und betrachtete sie mit kritischen Blicken.

»Eure reizende Hand,« sagte er. »Verargen Sie es mir nicht wenn ich sie küsse. Schöne Hände gehören zu meinen kleinen Schwächen. Vergehen Sie mir also. Ich verspreche Ihnen zu bereuen und zu büßen.«

»In Ihrem Alter, Major, sollten Sie nicht so viel Zeit zu verlieren haben,« sagte eine fremde Stimme hinter uns.

Wir alle drei blickten uns nach der Thüre um. Da stand meines Mannes Mutter mit einem satyrischen Lächeln auf den edlen Zügen.

Der alte Soldat war schnell mit der Antwort fertig.

»Das Wort Alter ist ein relativer Ausdruck, Mrs. Macallan« sagte er. »Es giebt Leute, die nie jung gewesen sind und wieder Andere, die nie alt werden. Ich gehöre zu den letzteren. Auf Wiedersehen!«

Mit dieser Antwort warf der unverbesserliche Major uns eine Kußhand zu und verließ das Zimmer.

Benjamin öffnete die Thür zu seiner kleinen Bibliothek und bat Mrs. Macallan und mich einzutreten.

Zehntes Capitel.
Meine Schwiegermutter setzt mich in Erstaunen

Ich setzte mich auf einen Stuhl in respectvoller Entfernung von Mrs. Macallan welche auf dem Sopha Platz genommen hatte. Die alte Dame lächelte und winkte mich an ihre Seite. Als Feindin war sie sicherlich nicht zu mir gekommen. Es kam nun darauf an, zu er fahren in wie fern sie meine Freundin sein wollte.

»Ich habe einen Brief von Ihrem Onkel, dem Prediger, erhalten,« begann sie. »Er forderte mich auf, Sie zu besuchen und ich schätze mich glücklich, seinem Verlangen nachkommen zu können. Unter anderen Umständen würde ich mich schwerlich in Ihre Nähe gewagt haben. Mein Sohn hat so schlecht und unentschuldbar gegen Sie gehandelt daß ich als seine Mutter mich beinahe schäme, Ihnen in’s Auge zu blicken. Ihr Onkel erzählte mir, was Sie nach der harten Prüfung und nachdem Sie mein Sohn verlassen, zu thun beabsichtigten. Der gute Prediger bittet mich, meinen ganzen Einfluß auf Sie anzuwenden damit Sie von Ihren gefaßten Ideen abstehen und in’s Vaterhaus zurückkehren. Ich stimme durchaus nicht mit der Ansicht Ihres Onkels überein. So wild und kühn Ihre Pläne auch sein mögen so außerordentlich wenig Erfolg ich mir von ihnen verspreche, so bewundere ich doch Ihren Muth, Ihre Treue und Ihren unerschütterlichen Glauben an meinen unglücklichen Sohn, nachdem er sich so unverzeihlich gegen Sie benommen. Geben Sie mir einen Kuß, liebes Kind. Sie verdienen die Gattin eines Helden zu sein und haben den schwächsten Mann unter der Sonne geheirathet. Gott vergebe mir, daß ich so von meinem eigenen Sohne spreche.

Diese Beurtheilung meines Gatten selbst von seiner Mutter, konnte ich nicht ertragen. »Ich fühle mich aufrichtig erhoben durch Ihre gute Meinung von mir,« sagte ich. »Aber ich kann nicht mit Ihrer Ansicht übereinstimmen daß Eustace der schwächste Mann unter der Sonne sein solle.«

»Sie machen es wie alle guten Ehefrauen indem Sie den geliebten Mann zum Helden er heben obgleich er es nicht verdient. Ich kenne Eustace besser als Sie. Er besitzt eine Menge guter Eigenschaften. Von dem Augenblick an aber, wo er Ihres Onkels Haus betrat ist sein Betragen nicht zu rechtfertigen. Was glauben Sie, daß er nun jetzt wieder gethan? Er ist einer barmherzigen Brüderschaft beigetreten und mit einem rothen Kreuz auf dem Arm, in den Krieg nach Spanien gezogen anstatt seiner Frau zu Füßen zu fallen und sie zu bitten daß sie ihm vergeben möge.«

Diese Nachrichten erschreckten und betrübten mich. Also nicht allein Trennung von ihm ich mußte ihn jetzt noch in Gefahr wissen.

»Was ich am meisten an meinem Sohn beklage,« fuhr die grausame alte Frau fort »ist, daß er Sie so gänzlich mißverstehen konnte. Weshalb konnte er Sie nicht durchschauen wie ich es schon nach so kurzer Bekanntschaft mit Ihnen thue. Anstatt sich unter falschem Namen Ihrer Liebe zu versichern mußte er Ihnen von vorneherein die volle Wahrheit gestehen. Er hat nicht einen Blutstropfen von mir, sondern ist feig und schwach in allen seinen Handlungen, und leider Gottes dabei auch unvernünftig und eigensinnig. Das ist die reine Wahrheit. Werden Sie mir nicht böse darüber. Ich liebe ihn wie Sie ihn lieben. Ich erkenne seine Verdienste an. Eines der hervorragendsten ist das, ein muthiges und treues Weib geheirathet zu haben, so lieb zu ihm, daß seine eigene Mutter es nicht wagen darf, die Fehler ihres Sohnes aufzudecken Mein gutes Kind, ich liebe Sie dafür, daß Sie mich hassen.«

»Ich hasse Sie durchaus nicht verehrte Frau! Ich sollte nur meinen daß Sie eine Verwechselung machen zwischen einem feinfühlenden und einem schwachen Mann.«

»Lassen Sie uns zu einem andern Thema kommen liebes Kind.«

 

»Und welches wäre dies, Madame?«

»Wenn Sie mich Madame nennen werde ich es Ihnen nicht sagen. Nennen Sie mich Mutter«

»Und welches wäre dies, Mutter?«

»Daß Sie gesonnen sind, sich selbst in einen Gerichtshof zu verwandeln um die Welt zu zwingen ein anderes Urtheil über Ihren Mann zu sprechen. Sind Sie dies noch Willens?«

»Ich bin es.«

»Sie wissen, wie sehr ich Ihren Muth bewundere,« entgegnete die alte Frau. »Ich kann Sie aber nicht gegen Unmöglichkeiten ankämpfen sehen ich kann nicht zugeben daß Sie Ihren Ruf und Ihr Glück aufs Spiel setzen ohne Ihnen wenigstens eine wohlmeinende Warnung zugerufen zu haben. Geben Sie Ihr Vor haben auf.«

»Ich fühle mich Ihnen tief verpflichtet für das Interesse, das Sie an mir nehmen; aber, ob Recht ob Unrecht ob leicht oder gefahrvoll, werde ich meinen Plan dennoch verfolgen!«

»O Jugend! O Jugend!« sagte meine Schwiegermutter seufzend. »Und was gedenken Sie nun zunächst zu beginnen?«

In diesem Augenblick schoß mir ein Gedanke durch den Kopf. Sie konnte mich bei Miserrimus Dexter einführen, sie mußte ihn ja kennen als einen alten Freund ihres Sohnes.

»Ich denke Miserrimus Dexter zu consultiren,« antwortete ich kühn.

Mrs. Macallan rückte mit einem lauten Ausruf des Erstaunens von mir fort.

»Sind Sie von Sinnen?« fragte sie.

»Ich habe Grund anzunehmen daß Mr. Dexter’s Rath mir von Nutzen sein könne.«

»Und ich,« entgegnete Mrs. Macallan, »habe Ursache zu glauben daß Sie ebensogut einen Wahnsinnigen befragen können als Mr. Dexter. Erschrecken Sie nicht Kind, ich will damit nicht gesagt haben daß er Sie in irgend einer Weise verletzen könnte, sondern ich meine nur, daß es keinen ungeeigneteren Menschen giebt einer jungen Dame Rath zu ertheilen als Mr. Dexter.«

Seltsam! Dieselbe Warnung, beinahe in denselben Worten wie der Major sie ausgesprochen. Ich schlug sie aber in den Wind, wie die vorige.

»Sie setzen mich in Erstaunen,« sagte ich. »Mr. Dexters Aussage beim Prozeß erschien mir sehr klar und vernünftig.«

»Gewiß!« antwortete Mrs. Macallan. »Die Stenographen drücken die Aussage zusammen ehe sie sie niederschreiben. Wenn Sie gehört hätten was ich gehört habe, würden Sie ihm entweder sehr gezürnt oder sehr über ihn gelacht haben. Der Anfang war sehr vernünftig, im Verlauf aber zeigte sich sofort der Narr. Er wurde mehrere Male zur Ordnung gerufen und wegen Beleidigung des Gerichtshofes sogar mit persönlicher Haft bedroht. Manchmal schien er völlig im Delirium. Mit einem Wort, er ist der unbefähigste Rathgeber, der je gelebt. Ich denke, nun werden Sie mich nicht mehr bitten, Sie bei ihm einzuführen.«

»Nach dem, was Sie mir soeben gesagt, werde ich noch eine Woche warten, bis zu ( Major Fitz-Davids Diner. Er hat versprochen, mir Mr. Dexter bei dieser Gelegenheit vorzustellen.«

»Das sieht dem Major ähnlich!« rief die alte Dame. »Wenn Sie dem Mann vertrauen, thun Sie mir leid. Er ist so glatt wie ein Aal. Dexter verabscheut ihn, mein Kind. Der Major weiß so gut wie ich, daß Mr. Dexter nicht zu seinem Diner kommen wird. Er brauchte nur diese Ausflucht, um nicht offen heraus nein sagen zu müssen, wie ein ehrlicher Mann es gethan haben würde.«

Das waren schlechte Nachrichten, aber sie drückten mich nicht nieder.

»Im schlimmsten Falle kann ich ihm auch schreiben und ihn um eine Unterredung bitten,« sagte ich.

»Und womöglich selber zu ihm gehen?« fragte Mrs. Macallan.

»Gewiß.«

»Und Sie glauben, daß ich das erlauben werde?«

»Wodurch wollten Sie es verhindern ?«

»Indem ich Sie begleite. Ich kann ebenso eigensinnig sein wie Sie. Können Sie die bereits in Vergessenheit gerathene Sache nicht ruhen lassen, anstatt sie wieder aufzurühren? Sie sind eine thörichte junge Person. Dennoch liebe ich Sie und will Sie nicht allein zu Mr. Dexter gehen lassen. Setzen Sie Ihren Hut auf.«

»Jetzt gleich ?« fragte ich.

»Gewiß! Mein Wagen steht vor der Thür. Je schneller es vorüber ist, desto besser.«

In zehn Minuten waren wir auf dem Wege zu Miserrimus Dexter.