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Gesetz und Frau

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Siebzehntes Capitel.
Im Licht

Eine kleine Pause war mir ebenso erwünscht wie Mr. Dexter. Ich mußte mich beruhigen für das Kommende sammeln.

Nach einiger Zeit öffnete die Thür sich wieder; die Stimme meines Wirthes rief mich in das innere Zimmer zurück.

»Willkommen!« sagte Miserrimus Dexter. »Ich habe mich jetzt wieder vollkommen erholt.«

Während meiner kurzen Abwesenheit war wiederum eine vollkommene Umgestaltung mit seinem äußeren Menschen vorgegangen. Seine Augen glänzten seine Wangen glühten unter dem Einfluß einer neuen Erregung. Selbst seine Kleidung hatte er einer Veränderung unterworfen. Er trug eine Mütze von weißem Papier; seine Manchetten waren aufgeschlagen, und eine saubere weiße Schürze lag über der Decke seines Stuhles. Er deutete lächelnd und schweigend mit der Grazie eines Tanzmeisters nach einem Sessel, von dem ich Besitz nehmen sollte.

»Ich bin jetzt ein Koch,« sagte er. »Ehe wir unsere schwierige Arbeit wieder aufnehmen, bedürfen wir beide der Erfrischung. Ich habe bereits etwas Wein getrunken; darf ich Ihnen auch ein Glas anbieten?«

Er füllte ein altes venetianisches Glas mit purpurner Flüssigkeit.

»Burgunder,« sagte er. »Der König der Weine. Und dieses ist der König des Burgunders Eles Vougeot. Ich trinke ans Ihren Gesundheit und ihr Glück!«

Er füllte einen zweiten Pokal für sich selbst und leerte ihn bis auf den Grund. Jetzt verstand ich den Glanz seiner Augen und die Röthe seiner Wangen. Ich trank ebenfalls etwas von dem Wein.

Und nun geschah etwas so Komisches und Wunderliches, daß ich es kaum erzählen kann. Er bat mich, ihn zu einem kleinen Nebenverschlage zu folgen, der einen vollständigen Kochapparat nebst Allem, was zu einer Küche gehört, enthielt, und dort bereitete er für sich und mich Trüffeln in Burgunder, während er zugleich Vorlesungen über die mangelnde Kochkunst der Frauen hielt, die nie einem einzigen Gegenstande ihre ungetheilte Aufmerksamkeit schenken könnten.

Ich mußte ihn gewähren lassen. Wie konnte ich anders? Wußte ich doch, daß ich nie etwas Bestimmtes über die Angelegenheit, die mich so vollkommen in Anspruch nahm, erfahren würde, wenn ich seinen Launen und Phantasten nicht freien Spielraum ließe.

Endlich war auch dieses Zwischenspiel vorüber. Ich nahm allen meinen Muth zusammen und fragte plötzlich:

»Mr. Dexter, haben Sie in neuester Zeit nichts von Mrs. Beanly gehört?« .

Die fröhliche Behaglichkeit, der er sich während des eigenthümlichen Mahles überlassen hatte, schwand von Dexters Antlitz und ging aus wie ein verlöschtes Licht.

»Kennen Sie Mrs. Beanly?« fragte er mit verändertem Ton.

»Nur aus der Lesung des Prozesses,« sagte ich.

»Sie müssen doch irgend ein Interesse für sie haben, sonst würden Sie Sich nicht nach ihr erkundigen,« sprach Mr. Dexter weiter. »Ist dies das Interesse eines Freundes oder eines Feindes?«

Ein Blick auf ihn schickte mir abermals eine Warnung, vorsichtig zu sein, ehe es zu spät wäre.

»Wenn ich Ihnen die Frage beantworten soll,« entgegnete ich, »muß ich abermals auf den Prozeß zurückkommen.«

»Nur zu!« sagte er mit einem grimmigen Ausdruck seines Humors. »Ich bin hier Ihrer Barmherzigkeit preisgegeben. Ich bin ein Märtyrer auf dem Holzstoß. Schüren Sie das Feuer!«

»Ich bin nur ein unwissendes Weib,« warf ich ein, »aber es scheint mir doch, als wenn in einem Theile des Prozesses ein vollständiger Irrthum enthalten sei.«

»Ein vollständiger Irrthum?« wiederholte er, indem er die Sache leicht zu nehmen versuchte. Aber ich konnte dennoch bemerken, daß meine Aeußerung auf ihn gewirkt, denn ich sah seine Hand zittern, als er sein Glas zum Munde führte.

»Ich bezweifele nicht, daß meines Gatten erste Frau ihn wirklich ersucht habe, das Arsenik zu kaufen,« fuhr ich fort.

»Ich bezweifele nicht, daß sie es als Mittel gegen ihren schlechten Teint gebraucht habe. Was ich jedoch nicht glaube, ist, daß sie an einer aus Versehen genommenen zu starken Dosis des Giftes starb.«

Er setzte sein Glas so heftig auf einen Nebentisch, daß der größere Theil des Weines überfloß. Für einen Augenblick begegneten seine Augen den Meinigen; dann sah er zu Boden.

»Wie glauben Sie denn, daß sie starb?« fragte er so leise, daß ich ihn kaum versichert konnte.«

»Durch die Hand eines Vergifters,« antwortete ich.

Er machte eine Bewegung, als wenn er aus dem Stuhl springen wollte, sank dann aber aus Mangel an Kraft zurück.

»Meinen Gatten meine ich nicht,« beeilte ich mich hinzuzufügen. »Sie wissen ja, daß ich von seiner Unschuld überzeugt bin.«

Ich sah ihn zittern. Er mußte sich mit beiden Händen an den Stuhl halten.

»Wer vergiftete sie denn?« fragte er in seinem Stuhl zurückgelehnt.

In diesem kritischen Moment verließ mich mein Muth. Ich fürchtete mich, ihm zu sagen wen ich beargwöhnte.

»Wissen Sie es nicht?« fragte ich.

Es entstand eine Pause. Plötzlich fuhr er in seinem Stuhl empor. Seine Augen bekamen ihren alten Glanz, die Röthe kehrte auf seine Wangen zurück. Hatte er über das Interesse nachgedacht, das ich für Mrs. Beanly hegte? Und hatte er gerathen? Er hatte es!

»Antworten Sie auf Ihr Ehrenwort,« rief er. »Versuchen Sie nicht, mich zu hintergehen!«

Meinen Sie ein Weib?«

»Ja.«

»Welches ist der erste Buchstabe ihres Namens?«

»B.«

»Beanly?«

»Beanly!«

Er hielt beide Hände empor und brach in ein convulsivisches Lachen aus.

»Ich habe lange genug gelebt,« rief er wild. »Endlich habe ich doch Jemand entdeckt, der ebenso klar in der Sache sieht, wie ich. Sie grausame Mrs. Valeria! Weshalb haben Sie das nicht gleich gesagt?«

»Wie!« äußerte ich, auf seine Erregung eingehend. »Ihre Ideen sind also auch meine Ideen? Wäre es möglich, daß Sie ebenfalls Mrs. Beanly beargwöhnen?«

»Beargwöhnen?« wiederholte er mit Verachtung. »Da bleibt ja nicht ein Schatten von Zweifel übrig. Mrs. Beanly hat Mrs. Macallan vergiftet.«

Dritter Theil

Erstes Capitel.
Die Anklage der Mrs. Beanly

Ich sprang auf meine Füße und blickte Dexter an. Ich war zu erregt, um sprechen zu können. Meine äußersten Erwartungen waren nicht auf diesen Ton der Ueberzeugung vorbereitet gewesen, in dem er gesprochen hatte.

»Setzen Sie Sich wieder,« sagte er ruhig. »Worüber denn erschrecken? In diesem Zimmer kann uns Niemand hören.«

»Haben Sie denn keinem Anderen gesagt, was Sie mir soeben mittheilten?« fragte ich nach einer längeren Pause.

»Niemals. Weil Niemand sie beargwöhnte.«

»Selbst nicht die Richter?«

»Selbst nicht die Richter. Es besteht weiter kein legales Zeugniß gegen Mrs. Beanly.«

»Wenn Sie Richter gewesen wären, würden Sie wohl die Schuldige überführt haben?«

Er lachte über die Idee.

»Sehen Sie mich an,« sagte er. »Wie kann ein Mann Jemand überführen, der an seinen Stuhl gefesselt ist? Außerdem lagen noch andere Hindernisse auf meinem Wege. Ich bin ein vorsichtiger Mann, obgleich Sie es nicht bemerkt haben werden. Dennoch konnte ich meinen angemessenen Haß gegen Mrs. Beanly nicht ganz verbergen. Wenn Augen Geheimnisse erzählen können, muß sie in meinen Blicken gelesen haben, daß ich danach hungerte und dürstete, sie am Galgen zu sehen. Mrs. Borgia-Beanly war aber ans ihrer Hut gegen mich. Ich bin nicht im Stande ihre List zu beschreiben. Sie übersteigt das Maß alles Glaubhaften. Wenn Sie noch jemals überführt werden sollte, wird es nicht durch einen Mann geschehen, sondern durch ein Weib, dessen sie sich nicht versah.«

»Sagen Sie doch gleich, durch ein Weib, wie ich es bin,« sagte ich. »Ich bin bereit, den Versuch zu wagen.«

Seine Augen glänzten, seine Zähne wurden unter dem Schnurrbart sichtbar. Er trommelte stolz mit beiden Händen auf die Lehnen seines Stuhles.

»Wollten Sie das wirklich?« fragte er.

»Wenn Sie mir beistehen,« antwortete ich. »Erleuchten Sie mich mit Ihrer moralischen Gewißheit, und Sie werden sehen!«

»Ich will es thun!« sagte er. »Beantworten Sie mir nur vorher noch eine Frage. Wie kamen Sie darauf, sie zu beargwöhnen?«

Ich erzählte ihm, was ich aus dem Prozeß wußte, und legte einen Hanptaccent auf die Situation, wo Mrs. Beanly gerade um die Zeit vermißt wird, in welcher Christina Ormsay Mrs Eustace Macallan allein gelassen hat.

»Sie haben es getroffen!« rief Mr. Dexter. »Sie sind ein wundervolles Weib! Was that sie an jenem Morgen, an welchem Mrs. Eustace Macallan vergiftet wurde, und wo war sie während der Nacht?«

»Ich kann Ihnen sagen, wo sie nicht war. Sie war nicht in ihrem Zimmer.«

»Nicht in ihrem Zimmer?« wiederholte ich. »Sind Sie dessen ganz gewiß?«

»Wenn ich von Mrs. Beanly spreche, bin ich jedes Wortes gewiß. Beherzigen Sie das, und nun hören Sie zu. Dies ist ein Drama, und ich excellire in der dramatischen Erzählung. Sie werden Sich selbst davon überzeugen. Datum, der 20 October. Scene, der Korridor, genannt »der Korridor der Gäste,« in Gleninch. Auf einer Seite eine Reihe Fenster auf den Garten blickend. Auf der anderen Seite eine Reihe von vier Schlafzimmern, mit daran stoßenden Ankleide-Kabinets. Erstes Schlafzimmer (von der Treppe anfangend) von Mrs. Beanly bewohnt. Zweites Schlafzimmer leer. Drittes Schlafzimmer von Miserrimus Dexter bewohnt. Viertes Schlafzimmer leer. Das ist die Bühne. Nun kommt die Zeit: 11 Uhr Abends. Mr. Dexter liegt in seinem Schlafzimmer und liest. Mr. Eustace Macallan tritt zu ihm ein und redet ihn folgendermaßen an: »Mein lieber Junge, sei heute recht still und fahre nicht so viel mit Deinem Stuhl spazieren.« Dexter fragt: »Weshalb?« Eustace antwortet: »Mrs. Beanly hat mit einigen Freundinnen in Edinburgh dinirt und ist sehr angegriffen zurückgekommen. Sie hat sich auf ihr Zimmer begeben, um zu ruhen.« Dexter thut noch eine Frage: »Wie sieht denn Mrs. Beanly aus, wenn sie sehr angegriffen ist? So schön wie immer?« Antwort: »Ich weiß es nicht, ich habe sie nicht gesehen; sie ging auf ihr Zimmer, ohne mit Jemand gesprochen zu haben.« Dritte Frage des Mr. Dexter: »Wenn sie zu Niemand gesprochen hat, wie kannst Du wissen, daß sie sehr angegriffen war?« Eustace giebt mir ein Stückchen Papier und antworten »Sei doch nicht närrisch! Ich fand dieses auf dem Flurtisch. Und nun verhalte Dich ruhig und schlafe wohl!« Eustace geht. Dexter nimmt das Papier und liest folgendes mit Bleistift Geschriebene: »Eben zurückgekehrt. Vergehen Sie mir, daß ich zu Bett gehe, ohne Ihnen Gute Nacht gesagt zu haben. Ich bin todtmüde. Helena.« Dexter, von Natur argwöhnisch, beargwöhnt Mrs. Beanly. Die Gründe gehören nicht hierher. Er überlegt sich die Sache folgendermaßen: Ein todtmüdes Weib würde sich nicht die Mühe gegeben haben, noch mehrere Zeilen zu schreiben, sondern sie hätte den weit bequemeren Weg gewählt, an die Thüre zu klopfen und mündlich Gute Nacht zu sagen. Dahinter muß etwas stecken. Gut. Dexter denkt eine Nacht über den Vorfall nach. Mitten in seinen Betrachtungen öffnet er seine Thür, rollt sich leise sich den Corridor, schließt die beiden Thüren der leeren Zimmer auf und kehrt mit den Schlüsseln in der Tasche in sein eigenes Gemach zurück. »Nun!« sagt Dexter zu sich selbst, »jetzt habe ich die Sache. Wenn ich mitten in der Nacht leise eine Thüre öffnen höre, dann ist es natürlich die Thüre der Mrs. Beanly.« Nachdem er also gedacht, schließt er U seine eigene Thür, welche ihm eine kleine Spalte bietet, um hindurch sehen zu können. Das thut er denn auch, nachdem er sein Licht gelöscht. Der Corridor ist der einzige Ort, den er zu sehen wünscht. Das wird durch eine Lampe erleichtert, welche dort die ganze Nacht brennt. Es schlägt Zwölf. Die Hausthür wird geschlossen und Nichts geschieht schlägt halb Eins; noch Alles still. Das Haus ist ruhig wie das Grab. Ein Uhr, Zwei Uhr, dasselbe Schweigen. Halb Drei; – endlich geschieht etwas. Dexter hört ganz nahebei auf dem Corridor ein Geräusch. Es ist der Ton einer sich leise öffnenden Thür, und diese Thüre kann nur die der Mrs. Beanly sein. Dexter läßt sich von seinem Stuhl auf die Hände nieder, legt sich platt auf die Erde und horcht. Er hört die Thüre wieder schließen und sieht etwas Schwarzes sich an ihm vorbei bewegen. Er drückt seine eigene Thür, die er nur herangezogen, auf, steckt den Kopf leise hinaus und wirft einen Blick auf den Corridor, wo Niemand ihn vermuthet. Und was sieht er? Mrs. Beanly! Dort geht sie mit dem langen braunen Mantel um die Schultern, welchen sie zu tragen pflegt, wenn sie ausfährt. Im nächsten Augenblick verschwindet sie wieder hinter dem vierten Schlafzimmer und biegt scharf um eine Ecke nach dem sogenannten südlichen Corridor hin. Welche Zimmer liegen an dem südlichen Corridor? Es sind deren drei. Das erste, ein kleines Studierzimmer, das bereits in der Zeugenaussage der Wärterin erwähnt wurde. Zweites Zimmer, Mrs. Macallans Schlafgemach. Drittes Zimmer, das Schlafgemach ihres Gatten. Was hat die todtmüde Mrs Beanly um halb drei des Morgens in diesem Theile des Hauses zu thun? Dexter, um dies zu erfahren, setzt seine Entdeckungsreise fort. Er kriecht ihr auf den Händen leise nach.«

 

»Bitte, fahren Sie fort,« sagte ich, als Mr. Dexter eine Pause machte.

»Ich bin ebenso geschickt im autobiographischen Styl als im dramatischen,« entgegnete Miserrimus. »Wollen wir einmal der Veränderung halber den autobiographischen versuchen?«

»Wie Sie wollen,« entgegnete ich, »nur fahren Sie fort.«

»Zweiter Theil. Autobiographischer Styl,« kündigte er an. »Ich kroch also auf den Händen den Corridor der Gäste entlang und kam in den südlichen Corridor. An dem kleinen Sudirzimmer hielt ich an. Die Thür stand offen, Niemand darin. Ich begab mich an die zweite, Thür, welche zu Mrs. Macallans Schlafzimmer führt. Verschlossen! Ich sah durch das Schlüsselloch. War da etwas auf der anderen Seite vorgegangen? Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, daß ich nichts sehen konnte, als absolute Finsterniß. Ich horchte. Nichts zu hören! Absolute Finsterniß, absolutes Schweigen in Mrs. Macallans Schlafkammer. Ich kroch weiter zu ihres Gatten Schlafzimmer. Ich hatte die allerschlechteste Meinung von Mrs. Beanly, ich würde nicht im Mindesten erstaunt darüber gewesen sein, hätte ich sie in Eustaces Schlafzimmer entdeckt. Ich sah durch das Schlüsselloch. Hier war der Schlüssel entweder abgezogen oder günstig für mich gedreht. Eustaces Bett stand der Thür gegenüber. Keine Entdeckung. Ich sah ihn, und zwar ganz allein, im unschuldigen Schlaf. Ich dachte ein wenig nach. Die Hintertreppe war am Ende des Corridors auf der anderen Seite. Ich glitt die Stufen hinab und blickte mich, bei dem Schein der Nachtlampe, vorsichtig auf dem unteren Flur um. Die Thüren waren Alle fest verschlossen, und die Schlüssel steckten, zu meiner Disposition, von außen in den Schlössern. Die Hausthür verschlossen und verriegelt. Die Thüre zum Gesindezimmer verschlossen und verriegelt. Ich kroch in mein eigenes Zimmer zurück. Wo konnte sie sein? Jedenfalls doch irgendwo im Hause. Aber wo? Sie konnte sich nur in Mrs. Macallans Zimmer befinden, dem einzigen, das sich meiner Untersuchung entzogen hatte. Hierzu füge man den Umstand, daß der Schlüssel zum Studirzimmer, welches mit dem Schlafgemach der Mrs. Macallan in Verbindung stand, nach der Zeugenaussage der Wärterin fehlte, und außerdem sei nicht vergessen, daß es Mrs. Beanlys sehnlichster Wunsch war, Eustace Macallans glückliche Frau zu werden. Diese Dinge erwägend und auf fernere Ereignisse wartend saß ich wieder auf meinem Stuhl in meinem Zimmer. Gegen 4 Uhr Morgens schlief ich, trotz meiner Versuche, mich wach zu erhalten, ein. Aber nicht für lange. Ich schreckte aus dem kurzen Schlummer empor und sah nach der Uhr. 25 Minuten nach 4. War sie während meines Schlafes in ihr Zimmer zurückgekehrt? Ich kroch an ihre Thür und horchte. Kein Laut. Ich öffnete die Thür. Das Zimmer war leer. Ich kehrte in mein eigenes Zimmer zurück, um zu wachen und zu warten. Es ward mir schwer die Augen offen zu halten. Ich öffnete das Fenster, um die frische Luft einströmen zu lassen. Es begann ein harter Kampf zwischen der erschöpften Natur und meinem Willen. Die erschöpfte Natur gewann die Oberhand. Ich schlief abermals ein. Diesmal war es 8 Uhr Morgens, als ich erwachte. Ich hörte weibliche Stimmen unter meinem offenen Fenster. Ich sah vorsichtig hinaus Mrs. Beanly und ihr Mädchen in vertraulicher Unterhaltung. Mrs Beanly und ihr Mädchen blickten sich argwöhnisch um, ob sie auch nicht belauscht würden. »Sehen Sie Sich vor, Madame,« hörte ich das Mädchen sagen, »das scheußliche Ungethüm ist schlau wie ein Fuchs.« Mrs. Beanly antwortete: »Geh’ Du zuerst und blicke vorsichtig um Dich, ich werde Dir folgen und aufpassen, daß uns Niemand folgt.« Mit diesen Worten verschwanden beide um die Ecke des Hauses. Fünf Minuten weiter hörte ich Mrs. Beanlys Thür leise öffnen und wieder schließen. Drei Stunden später begegnete ihr die Wärterin auf dem Flur, ganz unschuldig nach Mrs. Macallans Befinden fragend. Was denken Sie hiervon? Was konnten Mrs. Beanly und ihr Mädchen sich zu sagen haben, das sie im Innern des Hauses nicht auszusprechen wagten? Was sagen Sie zu meinen Entdeckungen an dem nämlichen Morgen, da Mrs. Macallan von Mörderhand vergiftet wurde? Leitet sich nun Ihr Verdacht auf eine bestimmte Person? Und ist der wahnsinnige Mr. Dexter Ihnen ein wenig nützlich gewesen?«

Ich war zu heftig erregt, um antworten zu können. Endlich war mir der Weg zur Feststellung von meines Gatten Unschuld gebahnt.

»Wo ist sie?« rief ich. »Und wo ist die Dienerin, die ihre Vertraute war?«

»Das weiß ich nicht« sagte Mr. Dexter.

»Wo kann ich mich erkundigen?«

Er dachte ein wenig nach.

»Es giebt einen Mann, der Ihnen das sagen, oder der Sie wenigstens auf die Spur bringen könnte,« antwortete er.

»Wo ist er? Wie heißt er?«

»Er ist ein Freund von Eustace. Major Fitz-David.«

»Ich kenne ihn. Ich esse nächste Woche bei ihm. Sie sind auch eingeladen.«

Miserrimus Dexter lachte verächtlich.

Major Fitz-David mag den Damen genügen,« sagte er, »die Ladies betrachten ihn als eine Art großen Schooßhund. Ich dinire nicht mit Schooßhunden. Ich habe abgelehnt Sie müssen hingehen. Er, oder eine von den Damen möchte Ihnen von Nutzen sein. Wer sind die anderen Gäste?«

»Eine französische Dame, deren Name ich vergessen habe, und Lady Clarinda.«

»Schön! Sie ist eine Freundin von Mrs. Beanly. Sie wird ihren Aufenthalt kennen. So wie Sie ihn wissen, kommen Sie zu mir. Vergewissern Sie Sich auch, wo das Mädchen ist. Wenn die plaudert haben, wir Mrs. Beanly in der Falle. Und wir vernichten sie!« sagte er, mit der Hand wie ein Blitz durch die Luft fahrend. »Doch beinahe hätte ich bei dem Mädchen die Hauptsache vergessen; haben Sie Geld?«

»Viel Geld!«

»Dann ist das Mädchen unser!« rief er freudig.

»Noch eine andere Frage. Wie denken Sie über Ihren Namen? Wenn Sie in Ihrer wahren Gestalt zu Mrs. Beanly kommen, so werden Sie empfangen werden, wie eine verhaßte Nebenbuhlerin, die sie verdrängt.«

Meine lange zurückgehaltene Eifersucht auf Mrs Beanly schlug jetzt in hellen Flammen empor. Ich konnte nicht länger widerstehen; ich müßte ihn fragen, ob mein Gatte sie geliebt.

»Sagen Sie mir die Wahrheit« rief ich.

»Liebte Eustace —?«

Dexter brach in ein malitiöses Lachen aus.

»Ja,« sagte er, »Eustace liebte sie wirklich. Darüber kann kein Zweifel obwalten. Sie hatte, jeden Grund zu glauben, daß sie nach Mrs. Macallans Tode deren Stelle einnehmen werde. Der Prozeß macht aber aus Eustace einen anderen Menschen. Mrs. Beanly war Zeugin seiner öffentlichen Entwürdigung gewesen. Das verhinderte ihn, sie zu heirathen. Er brach mit ihr für immer, wahrscheinlich aus demselben Grunde, der ihn veranlaßte sich von Ihnen zu trennen. Sie wollten die Wahrheit wissen. Ich habe sie Ihnen gesagt. Sie haben Ursachen, gegen Mrs. Beanly vorsichtig nicht eifersüchtig zu sein. Nahen Sie Sich ihr also unter falschem Namen.«

»Ich werde mich bei dem Diner Mrs. Woodville nennen, das ist der Name, unter dem Eustace mich geheirathet.«

»Sehr gut!« rief er.

»Ich wünschte, ich könnte dabei sein, wenn Lady Clarinda Sie Mrs. Beanly vorstellt. Bedenken Sie die Situation. Drei Frauen! Die eine verbirgt ein frevelhaftes Geheimniß in ihrem Herzen die Zweite weiß darum, und die Dritte will es an den Tag bringen. Welch schöner Novellenstoff! Ich bin im Fieber, wenn ich daran denke. Aber fürchten Sie Sich nicht!« rief er, mit dem wilden Aufleuchten seiner Augen »Mein Gehirn beginnt schon wieder zu sieden. Ich muß zu körperlicher Uebung meine Zuflucht nehmen. Ich muß mir ein Ventil öffnen, sonst explodire ich vor Ihren Augen.«

Der alte Wahnsinn hatte ihn wieder ergriffen. Ich ging in’s Vorzimmer, um mir nöthigenfalls den Rückzug zu sichern; dann blickte ich nach ihm hin.

Er flog wieder, halb Mensch halb Stuhl wie ein Wirbelwind im Zimmer umher. Selbst die Heftigkeit dieser Bewegung schien ihm diesmal nicht genug. Er sprang aus dem Stuhl auf seine Hände und blickte um sich wie ein riesenhafter Frosch. Nach dem anderen Ende des Zimmers hüpfend, warf er unterwegs alle Stühle um, dann stieß er einen Triumphschrei aus und sprang auf seinen Händen über die umgeworfenen Stühle.

»Nicht wahr, für einen Menschen ohne Beine bin ich geschickt genug, Mrs Valeria?« sagte er. »Lassen Sie uns noch eine Flasche Burgunder trinken, auf daß Mrs. Beanly an den Galgen komme!«

»Sie vergessen« sagte ich, »daß ich sofort zum Major muß. Wenn ich ihn nicht bei Zeiten warne, möchte er zu Lady Clarinda meines wirklichen Namens Erwähnung thun.«

Schnelle, gewaltsame Ideen waren es gerade, welche von Dexter geliebt wurden. Er blies wüthend in das kleine Instrument welches Ariel rufen sollte und tanzte dann in vollem Entzücken auf seinen Händen umher.

»Ariel soll Ihnen ein Cab besorgen!« rief er. »Fahren Sie im Galopp zum Major. Sie dürfen keinen Augenblick mehr verlieren. O, was für ein Tag ist dies gewesen. Welche Wohlthat war es mir, mein Geheimniß in Ihre Brust gegossen zu haben. Ich ersticke beinahe vor Glückseligkeit!«

Während er sprach, überschritt ich die Schwelle. Als ich durch das Vorzimmer ging, veränderte er sich abermals. Ich hörte sein gellendes Geschrei, ich hörte das dumpfe Geräusch seines Hüpfens auf den Dielen. Unten auf dem Flur fand ich Ariel bereits vor.

Als ich mich ihr näherte war ich im Begriff, mir die Handschuhe anzuziehen. Sie verhinderte mich daran, indem sie meinen rechten Arm faßte und meine Hand gegen ihr Gesicht erhob. Wollte sie sie küssen, oder sie beißen? Keines von Beiden Sie beroch dieselbe wie ein Hund und ließ sie dann mit heiserem Lachen wieder fallen. »Sie riechen nicht nach seinen Parfüms,« sagte sie. »Sie haben seinen Bart nicht berührt. Jetzt glaube ich Ihnen. Ein Cab gefällig?«

 

»Dank’ Ihnen. Ich werde gehen, bis ich einem Cab begegne.«

Ariel hielt mich noch durch eine Bewegung zurück.

»Es ist mir doch lieb, daß ich Sie nicht in den Canal geworfen habe,« sagte sie.

Dann gab mir das weibliche Ungethüm einen freundlichen Klaps auf die Schulter, der mich beinahe umgeworfen hätte, und öffnete mir die Gartenthüre.

Dann hörte ich noch eine Weile ihr heiseres Lachen. Mein guter Stern war aber entschieden im Steigen. An ein und demselben Tage hatte ich Ariels Vertrauen und das ihres Herrn erworben.