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Gesetz und Frau

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»Das scheint allerdings weit hergeholt, Mr. Dexter,« sagte ich.

»Es ist auch weit hergeholt,« gab er zu. »Ich stellte ja auch nur die Möglichkeit hin. Wenn Sie aber meine Ansicht verwerfen, was gedenken Sie nun zu thun? Wenn weder Mrs. Beanly noch ihr Mädchen die That begangen haben, wer beging sie denn? Sie ist unschuldig, und ihr Gatte ist unschuldig Auf welche neue Person wollen Sie denn nun Ihren Verdacht lenken? Soll ich sie vielleicht vergiftet haben?« rief er mit flammenden Augen und gellender Stimme. »Haben Sie, oder hat irgend ein Anderer mich im Verdacht? Ich liebte sie; ich betete sie an; ich habe seit ihrem Tode sie betrauert. Ich will Ihnen ein Geheimniß mittheilen – sagen Sie es aber nicht Ihrem Mann, es möchte unsere Freundschaft zerstören – ich wollte sie heirathen, ehe Eustace sie kennen lernte; aber sie schlug mich aus. Fragen Sie Dr. Jerôme, wie ich gelitten, als ich ihren Tod erfuhr. Als ich mich unbemerkt glaubte, kroch ich in ihr Zimmer und nahm den letzten Abschied von den kalten Ueberresten des Engels, den ich geliebt. Ich weinte an ihrem Sterbebett, ich küßte sie zum ersten und letzten Mal. Ich stahl eine Locke von ihrem Haar und habe sie seitdem geküßt jeden Tag, jede Nacht. O Gott! Ich sehe das Sterbezimmer wieder! Das todte Antlitz steht mir vor Augen! Da ist es! Da ist es!t«

Nach diesen Worten zerrte er ein kleines Medaillon hervor, das er an einem Bande um den Hals trug, warf es mir zu und brach in einen Strom von Thränen aus.

Ich muß gestehen, daß Mr. Dexter abermals mein Mitleid erregte. Ich stand auf, gab ihm das Medaillon zurück und legte, kaum wissend, was ich that, meine Hand auf des Unglücklichen Schulter.

»Ich bin unfähig, Sie zu beargwöhnen,« sagte ich freundlich. »Sie thun mir leid im Innersten der Seele.«

Er ergriff meine Hand und bedeckte sie mit Küssen. Seine Lippen brannten wie Feuer. Mit einer blitzschnellen Bewegung schlang er seinen Arm um meine Taille. Von Schrecken ergriffen und vergebens mit ihm kämpfend, rief ich nach Hilfe.

Die Thür ging auf, und Benjamin erschien aus der Schwelle.

Dexter ließ mich los.

Ich lief Benjamin entgegen und verhinderte ihn, einzutreten. Zum ersten Mal in meinem ganzen Leben sah ich meinen väterlichen Freund in Zorn. Mit aller meiner Kraft hielt ich ihn in der Thüre zurück.

»Vergreifen Sie Sich nicht an einem Krüppel,« sagte ich. »Lassen Sie seinen Kutscher hereinkommen, damit er ihn hinwegnimmt.«

Mit diesen Worten zog ich Benjamin aus dem Zimmer und verschloß die Thür. Die Haushälterin ging, den Mann von draußen hereinzurufen. Der Mann kam und wir sahen ihn in die Bibliothek treten. Er nahm Dexter auf den Arm, als wenn er ein kleines Kind gewesen wäre.

»Verbirg’ mein Gesicht,« hörte ich Dexter sagen.

Der Mann öffnete seine rauhe Jacke steckte den Kopf seines Herrn unter den linken Aufschlag und trug ihn hinaus.

Siebentes Capitel.
Ariel

Ich verbrachte eine schlaflose Nacht.

Die mir zugefügte Beleidigung war schon demüthigend genug für mich, aber die damit verbundenen Folgen konnten noch verderblicher werden. In der Verbindung mit Mr. Dexter hatte ich die Verwirklichung meines Lebensplanes gesucht; nun erhob sich ein unübersteigliches Hinderniß zwischen mir und ihm. Obgleich durchaus nicht prüde schreckte ich doch vor dem Gedanken zurück, wiederum einem Manne zu nahen, der mich so gröblich beleidigt.

Ich stand spät auf und mühte mich vergebens ab, an Mr. Playmore zu schreiben.

Gegen Mittag, in Benjamin’s Abwesenheit, kündigte mir die Haushälterin einen neuen seltsamen Besuch an.

»Diesmal ist es eine Frau oder etwas Aenliches,« sagte sie in vertraulichem Tone. »Ein großes, starkes, blödsinnig aussehendes Geschöpf mit einem Männerhut und einem Stock in der Hand. Sie sagt, sie hätte einen Brief für Sie, den sie nur persönlich übergeben dürfte.«

Indem ich das Original dieses Bildes sofort erkannte setzte ich die Haushalterin höchlichst in Erstaunen, als ich ihr den Befehl gab, das Wesen sofort eintreten zu lassen.

Ariel erschien, schweigsam wie immer, aber ich bemerkte eine Veränderung die mich in Erstaunen setzte. Ihre blödsinnigen Augen waren roth und mit Blut unterlaufen, als wenn sie viele Thränen vergossen.

»Ich höre, daß Sie mir etwas bringen,« sagte ich. »Wollen Sie Sich nicht setzen?«

Ohne zu antworten und ohne einen Stuhl zu nehmen, händigte mir Ariel den Brief ein. Ich erkannte Mr. Dexters Handschrift und las Folgendes:

»Versuchen Sie, mit einem Elenden Mit-

»leid zu haben, der den Wahnsinn eines

»Augenblicks bitter bereut Wurm Sie mich

»sehen könnten, würden Sie selber sagen,

»daß meine Strafe hart genug. Ich be-

»schwöre Sie, verlassen Sie mich nicht!

»Ich war außer mir, als ich das Gefühl

»nicht mehr zu bemeistern wußte, das Sie

»in mir erweckt. Ich werde es Sie nie

»wieder blicken lassen; es soll als Geheimniß

»nur mir zu Grabe gehen. Wenn Sie Sich

»jemals wieder herablassen sollten mich zu

»sehen, lassen Sie es in Gegenwart einer

»dritten Person geschehen, die Sie beschützen

»kann. Ich muß mich dem unterziehen, denn ich

»habe es nicht anders verdient Ich will ge-

»duldig warten, bis Ihr Unwille gegen mich

»sich wieder beruhigt hat. Sagen Sie zu Ariel:

»ich vergebe ihm, und er soll mich einst auch

»wiedersehen!« Wenn Sie Ariel ohne Ant-

»wort lassen, schicken Sie mich direct in’s

»Irrenhaus.

Miserrimus Dexter.«

Ich blickte Ariel an.

Sie stand mit gesenkten Augen vor mir und hielt mir ihren Stock hin.

»Nehmen Sie den Stock,« sagte sie.

»Was soll ich damit?« entgegnete ich.

»Sie sind böse auf meinen Herrn. Lassen Sie es mich entgelten. Schlagen Sie mich. Mein Rücken ist breit. Schlagen Sie mich, aber seien Sie ihm nicht mehr böse.«

Damit zwang sie mir den Stock in die Hand und drehte mir den Rücken zu. Mir traten Thränen in die Augen. Ich versuchte vergebens, sie zu beruhigen. Sie bat mich fortwährend, sie zu schlagen und ihrem Herrn nicht mehr böse zu sein.

»Wie soll ich das verstehen?« fragte ich.

Sie versuchte, sich deutlicher zu machen, fand aber keine Worte. Endlich nahm sie ihre Zuflucht zu Gesten, wie sie ein Wilder vielleicht zur Schau getragen hätte. Sie kroch an den Kamin und starrte mit entsetztem Blick ins Feuer. Dann drückte sie beide Hände vor ihre Stirn und bewegte sich hin und her.

»So sitzt er und weint um Sie den ganzen Tag- die ganze Nacht!« sprach sie dazu mit ihrer rauhen unheimlichen Stimme. Mir fiel unwillkürlich jener Brief ein, den der Arzt über Dexters Gesundheit geschrieben und welcher augenblicklichen Wahnsinn verkündigte wenn seine Erregtheit den Culminationspunkt erreichen sollte.

»Stehen Sie aus« sagte ich. »Ich vergebe Ihrem Herrn.«

Sie wandte sich um, und wie ein Hund auf Händen und Knieen vor mir auf der Erde, blickte sie mich mit fast rührender Dankbarkeit an.

»Sagen Sie es ebenso, wie es im Briefe steht,« flehte sie.

Ich suchte die Stelle in dem Briefe und wiederholte nun wörtlich: »Ich vergebe ihm und er soll mich einst auch wiedersehen.«

Mit einem Satz sprang sie vom Boden empor.

»So war es richtig!« rief sie.

»So will ich es meinem Herrn wiedersagen.«

Ich bot ihr zu essen und zu trinken an, aber es war, als wenn ich zu einem der Stühle gesprochen hätte. Sie nahm ihren Stock vom Boden auf und ließ einen wilden Frendenschrei ertönen.

»Nun hat sie es richtig gesagt!« rief sie mit ihrer heiseren Stimme. »Das wird meines armen Herrn Kopf kühlen! Hurrah!«

Dann stürzte sie wie ein wildes, aus dem Käfig gelassenes Thier hinaus.

Als ich wieder allein war, dachte ich über eine Frage nach, die schon klügere Köpfe beschäftigt hatte, als der meine es war. Konnte ein Mann, welcher so hoffnungslos elend war, Jemand eine so rührende Ergebenheit einflößen, wie Dexter sie diesem Wesen eingehaucht, welches ihn am vergangenen Abend so liebevoll auf seinen Armen fortgetragen? Wer kann das entscheiden? Der größte Schurke auf Erden findet immer noch einen Freund – in einem Weibe – oder in einem Hunde.

Ich setzte mich wieder an das Pult und machte einen erneuerten Versuch, an Mr. Playmore zu schreiben. Indem ich mir alle Einzelheiten meiner Begegnung mit Miserrimus Dexter zurückrief, weilte mein Gedächtnis mit besonderem Interesse auf dem seltsamen Gefühlsausdruck, welchen das Geständniß seiner Liebe zu der verstorbenen Mrs. Macallan zur Folge hatte. Die entsetzliche Scene im Krankenzimmer wollte nicht aus meiner Erinnerung weichen, namentlich da ich in jüngster Zeit das Sterbezimmer selbst in Augenschein genommen. Ich kannte die ganze Lokalität, als wenn ich sie selber bewohnt.

Als mein Träumen bei dem Corridor weilte, hielt ich plötzlich inne, und meine Gedanken schlugen eine andere Richtung ein.

«Welche neue Ideen-Verbindung als die mit der Person Dexters konnte ich beim Anblick des Corridors bekommen? War etwas, das ich bei meiner Anwesenheit in Gleninch gesehen? Nein. War es etwas, das ich gelesen? Ich nahm den gedruckten Prozeß wieder zur Hand. Ich schlug die Zeugen-Aussage der Wärterin auf und kam bei Durchlesung derselben zu folgenden Zeilen:

»Vor Schlafengehen ging ich die Treppe

»hinunter, um die Ueberreste der verstor-

»benen Lady für den Sarg vorzubereiten.

»Das Zimmer, in welchem sie lag, war

»verschlossen; ebenso waren es die Thüren

»welche nach Mrs. Macallans Zimmer und

»die, welche nach dem Corridor führen.

»Die Schlüssel waren von Mr. Gale fort-

»genommen worden Zwei Diener standen

»vor dem Schlafzimmer, um Wache zu

»halten, sie sollten Morgens 4 Uhr abge-

 

»löst werden, das war Alles, was sie mir

»zu sagen hatten.«

Dergestalt war meine verlorene Ideenverbindung mit dem Corridor. Dieses Umstandes hatte ich mich erinnern sollen, als Dexter mir von seinem Besuche bei der Leiche erzählte. Wie war er in das Schlafzimmer gekommen, obgleich die Thüren zu demselben verschlossen waren und die Schlüssel in Mr. Gales Tasche steckten? Nur von einer der verschlossenen Thüren hatte Mr. Gale nicht den Schlüssel, und dies war die Verbindungsthür zwischen der Bibliothek und dein Schlafgemach. Von dieser Thür fehlte der Schlüssel. War er gestohlen worden? Und war Dexter der Dieb? Er konnte auch an den Dienern vorüber gegangen sein, im Fall sie eingeschlafen waren. Aber auf welchem anderen Wege konnte er in das Schlafgemach gelangen, als durch die verschlossene Thür zur Bibliothek. Er mußte also den Schlüssel gehabt haben. Und er mußte ihn schon Wochen vor Mrs. Macallans Tode in Verborgenheit gehalten haben. Als am 7. des Monats die Wärterin zum ersten Mal nach Gleninch kam, hatte sie, ebenfalls den Schlüssel bereits vermißt, wie sie später in ihrer Zeugenaussage darthat.

Zu welchem Schluß führten diese Betrachtungen und Entdeckungen? Sollte Miserrimus Dexter in einem Augenblick nicht zu beherrschender Aufregung mir den Schlüssel des Geheimnisses in die Hand gegeben haben, welcher auf diese Weise identisch wurde mit dem fehlenden Schlüssel der Verbindungsthür? Ich kehrte zum dritten Mal an mein Pult zurück. Der Einzige, welcher vielleicht eine Antwort auf diese Frage finden konnte, war Mr. Playmore. Ich schrieb ihm einen ausführlichen Bericht über alles Geschehene, ich bat ihn um Verzeihung wegen der undankbaren Aufnahme seines mir so gütig ertheilten Rathes und gab ihm das heilige Versprechen, nichts zu unternehmen, ohne vorher seine Ansicht gehört zu haben.

Da es ein schöner Tag war, und ich mich nach frischer Luft sehnte, beschloß ich, den Brief selbst ans die Post zu tragen.

Als ich zu der Villa zurückkehrte, theilte die Haushälterin mir mit, daß meine Schwiegermutter gekommen sei und mich erwarte.

Achtes Capitel.
Am Bett

Ehe meine Schwiegermutter ein Wort gesprochen hatte, las ich schlechte Nachrichten auf ihrem Antlitz.«

»Eustace?« sagte ich.

Sie antwortete mir mit einem Blick.

»Lassen Sie mich sogleich Alles wissen!« rief ich.

Mrs. Macallan erhob die Hand und zeigte, eine telegraphische Depesche, welche sie bisher unter ihrem Mantel verborgen.

»Nehmen Sie Ihren Muth zusammen und lesen Sie das,« sagte sie.

Ich las das Telegramm. Es war von dem Oberarzt eines Feld-Hospitals abgesandt und zwar aus einem Dorfe im nördlichen Spanien:

»Mr. Eustace in einem Scharmützel durch

»einen Schuß schwer verwundet Bis jetzt

»nicht in Gefahr. Aller Sorgfalt anver-

»traut. Warten Sie ein zweites Tele-

»gramm ab.«

Ich wandte mein Antlitz, um den Schmerz zu verbergen, der sich auf ihm ausdrücken mußte. Jetzt fühlte ich erst, wie innig ich ihn liebte!

Meine Schwiegermutter schlang den Arm um mich und küßte meine Stirn. Sie fühlte wohl, daß sie in diesem Augenblick nicht zu mir sprechen durfte.

Ich raffte meinen ganzen Muth zusammen und zeigte auf die letzte Stelle des Telegramms.

»Gedenken Sie zu warten?« fragte ich.

»Nicht einen Tag!« antwortete sie. »Ich gehe sofort auf dass auswärtige Amt wegen eines Passes und der nöthigen Empfehlungsbriefe. Mit dem Nachtzuge fahre ich nach Calais«

»Sie wollen reisen?« sagte ich. »Sie allein? Bringen Sie mir meinen Paß auch gleich mit; um 7 Uhr heute Abend werde ich bei Ihnen sein.«

Sie suchte mich von meinem Entschlusse abzubringen; aber schon bei den ersten Worten unterbrach ich sie. »Haben Sie meine Halsstarrigkeit schon wieder vergessen, Mutter? Bitte, eilen Sie, ehe die kostbare Zeit verloren geht!«

Sie gab mit großer Liehenswürdigkeit nach. Dann küßte sie mich und fuhr von dannen.

Meine Reise-Erinnerungen sind wenig klar und unvollkommen. Wir hatten manche Beschwerde zu erdulden, manchen Aufenthalt zu ertragen, der unsere Geduld auf harte Proben stellte. Ich erinnere mich, Freunde gefunden zu haben, welche uns in einem kritischen Moment unserer Reise beschützten. Eine lange Reihe von Männern tritt vor mein geistiges Auge, wild aussehende Gestalten, die ebenso grausam gegen Pferde als höflich gegen Damen waren. Am lebhaftesten steht aber in meiner Erinnerung ein elendes Schlafzimmer in einem elenden Dorfwirthshause, in welchem wir unsern Eustace fanden, zwischen Leben und Tod schwankend und gefühllos für die ganze kleine Welt um ihn her.

Es war durchaus nichts Romantisches, das meines Gatten Leben in Gefahr gebracht.

Um einen armen Verwundeten vom Schlachtfelde zu holen, hatte er sich dem Gefecht zu nahe gewagt und dabei den Schuß bekommen. Seine Brüder vom Feld-Hospital hatten ihn mit Gefahr ihres Lebens zurückgetragen.

Das Wundfieber hatte wie gewöhnlich ein Delirium herbeigeführt. So weit ich seine wenigen und undeutlichen Worte verstehen konnte, beschäftigten sich seine wandernden Gedanken ausschließlich mit seiner Frau. Während der Stunden seines Deliriums, Stunden, welche mit erbarmungsloser Regelmäßigkeit wiederkehrten, trat mein Name oft auf seine fieberhaft bewegten Lippen. Der herrschende Gedanke, welcher seine Träume durchzog, beschäftigte sich mit dem entsetzlichsten Ereigniß seines Lebens und mit dem letzten Gespräch, das er mit mir gehabt. Die Erinnerung, vor der Welt als schuldig dazustehen quälte ihn auf schreckliche Weise. In seinen Fieber-Phantasieen bildete er sich ein, noch unter den alten Einflüssen mit mir zu leben. Er spielte, so zu sagen, die Befürchtungen durch, welche er gehegt, und die ihn veranlaßt hatten, sich von mir zu trennen. Er gab erst seine Rolle und dann die meine. Er reichte mir eine Tasse Thee, und ich sagte, wir hatten gestern einen kleinen Streit, Eustace. Ist sie vergiftet? Er küßte mich als Zeichen der Versöhnung und ich erwiderte lachend: es ist jetzt Morgen, liebes Kind. Soll ich heute Abend um 9 Uhr sterben? Ich lag krank im Bett und er gab mir meine Medizin. Ich blickte ihn argwöhnisch an. Ich sagte ihm: »Du liebst ein anderes Weib. Befindet sich etwas in der Medizin, von dem der Doctor nichts weiß?« Das waren die sich ewig wiederholenden Scenen des Dramas, welches sich in seinem Geiste abspielte. Bei andern Gelegenheiten wanderten seine Gedanken zu meinem verzweifelten Projekt, ihn unschuldig erklären zu lassen. Zuweilen lachte, zuweilen weinte er darüber, manchmal gab er sich aber auch Mühe, mir unvermuthete Hindernisse in den Weg zu legen. Die Personen mit denen ich nach seiner Ansicht in Verbindung getreten, suchte er auf alle mögliche Weise mir abwendig zu machen. »Kümmert Euch nicht darum, wenn sie weint. Es ist nur zu ihrem Guten. Es geschieht nur, um das arme Weib vor Gefahren zu retten, die ihre Seele nicht ahnen kann. Ihr müßt kein Mitleid mit ihr haben, wenn sie sagt, daß es um meinetwillen geschehe. Seht doch! Sie geht dem Verderben entgegen, sie wird sich entwürdigen ohne es zu wissen. Haltet sie auf!«

Obgleich ich ihn in Fieber-Phantasien wußte, kann ich dennoch nicht leugnen, daß mir viele dieser Aeußerungen große Kränkung bereiteten.

Wochen gingen dahin und er schwankte noch immer zwischen Leben und Tod.

Da ich kein Tagebuch führte, vermag ich nicht den Tag anzugeben, an welchem sich sein Zustand zur Besserung neigte. Ich erinnere mich nur, daß es an einem schönen Wintermorgen war, als der Ausspruch des Arztes die schwere Last von unserer Seele nahm. Der Doctor stand gerade an seinem Bett, als der Patient erwachte. Mit einem Blick sagte er mir, daß ich mich schweigsam verhalten und zurücktreten solle. Meine Schwiegermutter that dasselbe, und mit vollem Herzen dankten wir Gott, daß er uns den Sohn und Gatten wiedergegeben.

Noch an demselben Abend sprachen meine Schwiegermutter und ich über die Zukunft.

»Der Arzt sagt mir,« meinte Mrs. Macallan »daß Eustace zu schwach ist, um irgend eine Ueberraschung ertragen zu können. Wir müssen uns also überlegen, ob es rathsam ist oder nicht, ihm mitzutheilen, daß wir ihn gemeinschaftlich gepflegt. Können Sie es über Ihr Herz bringen Valeria, ihn jetzt zu verlassen, da Gott ihn uns wiedergegeben?«

»Wenn ich nur mein eigenes Herz befragte,« antwortete ich, »würde ich ihn niemals mehr verlassen.«

Mrs. Macallan blickte mich erstaunt an.

»Was haben Sie denn sonst noch zu befragen?« Fragte sie.

»Ich habe das Glück unserer Zukunft zu bedenken Mutter. Ich kann viel erdulden aber ich kann es Nicht über mein Herz bringen, ihn noch einmal mich verlassen zu sehen.«

»Sie thun ihm Unrecht, Valeria wenn Sie ihm zutrauen, daß er Sie noch einmal verlassen könnte.«

»Meine liebe Mrs. Macallan haben Sie denn schon wieder vergessen, was wir gehört, als wir an seinem Krankenbett saßen?«

»Das waren Fieber-Phantasien. Es ist hart, ihn dafür verantwortlich zu machen.«

»Es ist noch härter,« sagte ich, »seiner Mutter zu widerstehen, wenn sie die Partei ihres Sohnes nimmt. Ich mache Eustace nicht für das verantwortlich, was er im Fieber gesagt. Die wildesten Worte die von seinen Lippen gefallen glichen denen auf ein Haar, die er in den Tagen voller Kraft zu mir gesprochen. Welche Hoffnung habe ich, daß seine Ansicht sich geändert habe? Trennung und Krankheit konnten dies nicht zu Wege bringen. In voller Gesundheit und in der Phantasie des Fiebers hegte er denselben schrecklichen Zweifel gegen mich. Ich sehe nur einen Weg, ihn mir wieder zu gewinnen. Ich muß den Grund, weshalb er mich verlassen, mit der Wurzel ausrotten. Es ist nutzlos, ihn zu versichern, daß ich ihn für unschuldig halte. Ich muß ihm zeigen, daß dieser Glaube nicht länger nothwendig sei, indem ich die ganze Welt von seiner Unschuld überzeuge.«

»Valeria! Valeria! Sie verschwenden Zeit und Worte. Sie haben das Experiment versucht und ebenso gut eingesehen wie ich, daß kein günstiges Resultat damit zu erzielen ist. Gesetzt, Sie kehrten aus reinem Mitleid für einen Elenden, halb Wahnsinnigen, zu Mr. Dexter zurück, welcher Sie bereits insultirt, so kann diese Rückkehr nur in meiner oder in der Gesellschaft einer anderen älteren Person geschehen. Sie können nur so lange bei ihm bleiben, bis er Ihnen eine neue Komödie vorgespielt, die Sie mit mehr oder weniger Gefallen angeschaut haben. Damit ist dann Alles geschehen. Gesetzt auch, Dexter sei noch im Stande, Ihnen behilflich zu sein, wie können Sie Sich dieser Hilfe anders bedienen, als daß Sie familiär mit ihm werden und ihn zu Ihrem Vertrauten machen. Antworten Sie mir aufrichtig. Können Sie das thun, nachdem Sie solchen Auftritt in Benjamins Hause erlebt?«

Ich hatte keinen Grund, meine Schwiegermutter zu tadeln, und ich stimmte deshalb auch mit ihrer Ansicht überein, daß ich mit Miserrimus Dexter niemals wieder auf einen vertrauten Fuß kommen dürfe.

Mrs. Macallan verfolgte mitleideslos den Vortheil, den sie über mich gewonnen.

»Sehr gut,« sagte sie, »da Ihnen diese Quelle nun Verstopft ist, was gedenken Sie ferner zu thun?«

Ich fühlte mich augenblicklich außer Stande, diese Frage zu beantworten.

Mrs. Macallan führte ihren letzten Streich auf mich, welcher ihren Sieg vollendete.

»Mein armer Eustace ist schwach und angegriffen,« sagte sie, »aber er ist nicht undankbar. Mein Kind, Sie haben ihm Böses mit Gutem vergolten, Sie haben den Beweis geliefert, wie treu und innig Sie ihn lieben. Vertrauen Sie mir und vertrauen Sie ihm. Er wird Ihnen nicht widerstehen können. Lassen Sie ihn das treue Antlitz sehen, das er in seinen Träumen geschaut, und er wird aufs Neue der Ihre sein fürs ganze Leben.«

Sie stand auf und berührte meine Stirn mit ihren Lippen, ihre Stimme war zu Tönen der Zärtlichkeit herabgesunken, wie ich sie nie von ihr gehört.

»Sagen Sie ja, Valeria,« flüsterte sie, »und seien Sie ihm und mir theurer denn je!« Ich war besiegt, meine Energie verloren. Von Mr. Playmore war kein Brief angelangt, der mich hätte aufrichten und mir rathen können.

Ich hatte so lange und so vergebens widerstanden, ich hatte so viel gelitten, war so großem Ungemach, so harten Enttäuschungen begegnet, und er – befand sich in dem Nebenzimmer noch todesschwach und langsam zum Leben zurückkehrend. Wie konnte ich widerstehen. Indem ich die Bitte meiner Schwiegermutter erfüllt, hatte ich meinem Ehrgeiz, meiner großen und schönen Hoffnung für die Zukunft Lebewohl gesagt.

Fahr wohl also, schöner und herrlicher Kampf. Willkommen dumpfe Resignation, der ich jetzt mit großen Schritten wieder entgegen gehe!

Meine Schwiegermutter und ich schliefen zusammen in einem Kämmerlein unter dem Dach. Die Nacht, welche unserer Unterredung gefolgt, war bitter und kalt. Uns fror in den Betten, trotz der übergedeckten Plaids und Kleidungsstücke. Meine Schwiegermutter schlief, ich konnte aber keine Ruhe finden. Der Gedanke, wie mein Gatte mich empfangen würde, die Ungewißheit meiner nächsten Zukunft ließen keinen erquickenden Schlummer in meine Augen kommen.

 

In diesem qualvollen Zustande mochten einige Stunden vergangen sein, als ein seltsames Gefühl über mich kam, das mich staunen machte und erschreckte. Athemlos und mit klopfendem Herzen fuhr ich im Bett empor. Die Bewegung erweckte Mr. Macallan. »Sind Sie krank?« fragte sie. »Was fehlt Ihnen?« Ich erzählte ihr, so gut ich es vermochte. Sie schien mich zu verstehen, ehe ich zu Ende war. Sie nahm mich zärtlich in ihre Arme und drückte mich an ihr Herz. »Mein armes unschuldiges Kind,« sagte sie, »ist es möglich, daß Sie das noch nicht wissen?« Dann flüsterte sie einige Worte in mein Ohr.

Nimmer werde ich den Aufruhr der Gefühle vergessen, welche diese geflüsterten Worte hervorriefen, ein seltsames Gemisch von Furcht und Freude, von Kummer und Trost, von Stolz und Demuth, welches meine ganze Seele erfüllte und von diesem Moment an ein neues Wesen aus mir machte. Wenn Gott mir noch einige Monate Leben gab, sollte ich der heiligsten aller menschlichen Freuden theilhaftig werden, der entzückenden Freude, Mutter zu sein.

Ich weiß nicht, wie der Rest der Nacht verlief. Als ich am andern Morgen erwachte, kleidete ich mich schnell an und ging in die frische Luft hinaus, um ein wenig mit mir allein zu sein. Ich habe gesagt, daß ich mich wie ein neues Wesen fühlte. Der Morgen fand mich mit einem neuen Entschluß, mit einem neuen Muthe beseelt. Wenn ich jetzt an die Zukunft dachte, hatte ich nicht mehr allein für meinen Mann zu sorgen. Sein guter Name gehörte nicht mehr ihm und mir. Er sollte auch bald die kostbarste Erbschaft werden, die er seinem Kinde hinterlassen konnte. Was hatte ich gethan, während mir dieses Ereigniß noch unbekannt war? Ich hatte der Hoffnung entsagt, seinen Namen von dem Flecken zu reinigen, der noch immer auf ihm haftete, wenn er auch in den Augen des Gesetzes noch so klein sein mochte. Unser Kind konnte einst gehässige Zungen hören: »Dein Vater stand einst wegen Giftmordes vor Gericht und wurde nicht freigesprochen.« Das durfte unter keinen Umständen geschehen. Ich mußte noch einmal einen Versuch wagen, einen klareren Blick in Dexters Gewissen zu thun.

Ich ging nach dem Hause zurück und schüttete meiner Schwiegermutter mein ganzes Herz aus, indem ich ihr den veränderten Entschluß mittheilte, welcher diesen Morgen über mich gekommen.

Sie war mehr denn enttäuscht, sie war beinahe böse auf mich. Das Glück, welches nun bald eintreten würde, sollte ein neues Band zwischen meinem Gatten und mir werden. Wenn ich Eustace unter diesen Umständen verließe, würde ich herzlos und thöricht zu gleicher Zeit handeln. Bis ans Ende meines Lebens würde ich es bereuen, die goldene Gelegenheit fortgeworfen zu haben, die einzig und allein im Stande wäre, unsere Wege für die Zukunft zu ebnen. Diesmal kostete es mich einen harten Kampf; aber ich hielt fest an meinem Entschluß. Die Ehre des Vaters, die Erbschaft des Kindes, erhielten meinen Willen aufrecht. Meine angeborene Halsstarrigkeit trug den Sieg über alle Vernunftgründe davon. Manchmal blickte ich auch ins Krankenzimmer, und das Bild des schlafenden Eustace verlieh mir neue Kraft.

Ich machte Mrs. Macallan nur eine Concession, ich willigte ein mit meiner Rückreise nach England noch zwei Tage zu warten.

Es war gut, daß ich also gethan. Andern zweiten Tage übergab mir der Director des Feldhospitals einen Brief von Mr. Playmore. Wenn ich noch in Zweifel über meinen Entschluß gewesen wäre, würde der vortreffliche Mann denselben gelöst haben.

Im Folgendem gebe ich einen Auszug aus seinem Briefe:

»Lassen Sie mich Ihnen erzählen,« schrieb

»er, »was ich gethan habe, um die in Ihrem

»Schreiben angedeuteten Schlußfolgerungen

»nach besten Kräften zu bewahrheiten.

»Ich habe einen der Diener aufgefunden,

»welche in jener Nacht den Corridor be-

»wachten, als Eustace's erste Frau verschied.

»Der Mann erinnert sich vollkommen, daß

»Mit Dexter in einer späten Stunde der

»Nacht vor ihm und seinem Kameraden er-

»schienen sei. Dexter sagte zu ihnen, ich darf

»doch wohl in die Bibliothek gehen und ein

»wenig lesen? Ich kann nicht schlafen nach

»dem schrecklichen Ereigniß! Die Leute hatten

»keine Instruction, den Eintritt in die Biblio-

»thek zu verwehren. Sie wußten ja, daß die

»Verbindungsthür mit dem Schlafzimmer ver-

»schlossen war, und daß die Schlüssel zu den

»beiden anderen Thüren sich im Besitz des

»Mr. Gale befanden. Die Diener erlaubten

»also Mr. Dexter, die Bibliothek zu be- »

treten. Er schloß die Thür hinter sich und

»blieb, wie die Diener glaubten, in der

»Bibliothek, und wie wir wissen, im Schlaf-

»zimmer. Jetzt konnte er von der Bibliothek

»in das Schlafzimmer nur mit Hilfe des feh-

»lenden Schlüssels gelangen. Wie lange er ab-

»wesend war, ist nicht mit Genauigkeit zu

»bestimmen. Der Diener erinnert sich nur,

»daß er bleich wie der Tod herauskam und,

»ohne ein Wort zu sagen, in sein Zimmer zu-

»rückkehrte.

»Dies sind Facta! Die aus denselben zu

»ziehenden Schlüsse erscheinen von höchster

»Wichtigkeit und rechtfertigen Alles, was ich

»Ihnen in Edinburgh gesagt.

»Nun zu Ihnen selbst. Sie haben un-

»wissentlich in Mr. Dexter ein Gefühl gegen

»sich wachgerufen, welches leicht zu charac-

»terisiren ist. Es liegt in Ihrer Figur, in

»ihren Bewegungen ein gewisses Etwas; wel-

»ches, auch nach meinem eigenen Urtheil, an

»die verstorbene Mrs. Macallan erinnert.

»Ohne länger bei diesem Gegenstande ver-

»weilen zu wollen, mache ich Sie nur noch

»darauf aufmerksam, daß Dexter in Folge

»Ihres über ihn gewonnenen Einflusses, und

»zwar in Momenten heftiger Erregung, seine

»Gefühle durch die Sprache verräth, ehe der

»Gedanke das Gefährliche seiner Handlungs-

»weise überlegte. ist mehr denn wahr-

»scheinlich, daß er dies wiederholen wird, wenn

»Sie ihm die Gelegenheit dazu geben. Wäh-

»rend Ihres kurzen Aufenthaltes in Edinburgh

»sind Sie entschieden Ihrem Ziel einen Schritt

»näher gerückt. Ich lese aus Ihrem Briefe

»die feste Ueberzeugung, daß Dexter in ge-

»heimer Beziehung zu der Verstorbenen ge-

»standen, und zwar nicht allein zur Zeit Ihres

»Todes, sondern bereits Wochen vorher. Wenn

»es Ihnen gelingen sollte, die Art dieser ge-

»heimen Beziehungen zu entdecken, so haben

»Sie höchst wahrscheinlich auch den Schlüssel

»zu der Unschulds-Erklärung Ihres Gatten

»gefunden. Deshalb kann ich Ihnen als Ihr

»aufrichtiger Freund nur rathen, das Wagniß

»einer neuen Zusammenkunft mit Dexter zu

»bestehen. Eine Verantwortlichkeit kann ich

»allerdings nicht übernehmen, und überlasse

»daher die endgültige Entschließung Ihrer

»eigenen Einsicht. In jedem Fall aber bitte

»ich Sie mir Ihre Entschließung mittheilen zu

»wollen.

Mein Entschluß war gefaßt, ehe ich den Brief zu Ende gelesen. Am nächsten Tage berührte ein französischer Dampfer die spanische Küste. Schnell wie gewöhnlich, ohne Jemand um Rath zu fragen, nahm ich einen Platz auf demselben.