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Gesetz und Frau

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Mir fiel sofort der fehlende Schlüssel in Gleninch ein. Hatte er ebenfalls daran gedacht? Er bereute gewiß das Wort, als es ihm entflohen. Ich gab Benjamin das verabredete Signal. Benjamin senkte den Bleistift auf sein Notizbuch, ohne daß es Jemand bemerken konnte.

Es dauerte lange, ehe Dexter wieder begann. Sein Auge wurde trüber und trüber.

»Wo war ich stehen geblieben?« fragte er endlich.

»Damoride sagte zu Kunigunde, die Thür ist verschlossen, und die Wärterin hat den Schlüssel,« half ich ihm ein.

»Nein!« antwortete er heftig, »Sie haben falsch gehört. Unsinn! Wer hat denn von einem Schlüssel gesprochen?«

»Ich dächte, Sie thaten es, Mr. Dexter.«

»Ich that es niemals! Ich sagte etwas ganz Anderes!«

Ich vermied es, mit ihm zu streiten, und wartete, was nun folgen würde.

Miserrimus saß schweigend, die Hand an seine Stirn gedrückt, augenscheinlich bemüht, seine wandernden Gedanken zu bemeistern und Licht in das Dunkel zu bringen, das ihn umgab.

»Herr!« rief Ariel.

»Wie wird die Geschichte nun weiter?«

Er fuhr wie aus einem Schlaf empor und schüttelte den Kopf, als wenn er einen bösen Druck ans demselben entfernen wollte.

»Nur Geduld!« rief er.

»Die Geschichte geht gleich weiter.«

Halb verzweiflungsvoll nahm er einen Faden wieder auf, unbesorgt darüber, ob es der richtige oder der falsche war.

»Damoride fiel auf ihre Kniee, brach in Thränen aus und sagte —«

Er hielt inne und blickte sich mit starren Augen um.

»Wie nannte ich doch die andere Dame?« fragte er, ohne sich direkt an Jemand zu wenden.

»Sie nannten sie Kunigunde,« sagte ich.

Beim Klange meiner Stimme wandten sich seine Augen nach mir hin, ohne mich anzublicken. Sie schienen vielmehr suchend in die weite Ferne zu starren. Seine Stimme hatte einen ruhigen, ausdruckslosen Ton bekommen. Sollten wir dem Resultate nahe sein?

»Ich nannte sie Kunigunde,« wiederholte er.

»Und wie nannte ich die andere?«

»Damoride,« sagte ich.

Ariel blickte ihn erstaunt an und suchte seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

»Ist das die Geschichte?« fragte sie.

»Das ist die Geschichte,« entgegnete er, noch immer in’s Leere blickend.

»Doch weshalb Kunigunde und Damoride? Herrin und Mädchen ist ja weit leichter zu behalten —«

»Was sagte das Mädchen zu ihrer Herrin?« sagte er, sich mit leisem Schauer in seinem Stuhl wieder aufrichtend. »Was? – Was? Was?«

Plötzlich schienen neue Gedanken über ihn gekommen, und er sprach in schnellen, seltsamen Worten weiter.

»Der Brief,« sagte das Mädchen. »O mein Herz. Jedes Wort ein Dolchstich. Der Brief, der entsetzliche Brief! – —«

Was sollten diese Worte bedeuten? Verwechselte er in seiner Erinnerung die Scenen in Gleninch mit dem Fortgange seiner Geschichte? Begann die entsetzliche Wahrheit siegend durch die Schatten der Heuchelei und sträflichen Verschwiegenheit zu dringen? Ich konnte nicht mehr sprechen. Ein kalter Schrecken zog durch meine Glieder.

Benjamin warf mir einen warnenden Blick zu.

»Sehr hübsche Geschichte,« sagte Ariel. »Fahre fort, Herr.«

Mr. Dexter fuhr fort, als wenn er schliefe mit offenen Augen.

»Die Herrin sagte zu der Magd: »Zeige ihm den Brief. Du mußt es thun.« – »Nein, ich muß es nicht thun.« Ich zeige ihn ihm nicht. Unsinn! Laß ihn leiden. Möge das Schlimmste zum Schlimmsten kommen.« – Die Herrin sagte,« fuhr er fort, indem er mit der Hand eine Bewegung machte, als wenn er eine unklare Vision verscheuchen wollte. »Wer sprach zuletzt? Natürlich das Mädchen: ,Ihr Schurken Fort von dem Tisch. Da liegt das Tagebuch Nummer neun, Calderhaws. Frage nach Dandie. Ihr sollt das Tagebuch nicht haben. Das Tagebuch wird ihn an den Galgen bringen. Ich will ihn aber nicht hängen sehen. Wie könnt Ihr es wagen, meinen Stuhl anzurühren? Mein Stuhl ist ich. Daß Niemand mich anrührt!«

Die letzten Worte übergossen mich wie mit hellem Licht. Ich hatte sie im Prozeß gelesen Mr. Dexter hatte sie gesprochen als er die Beamten verhindern wollte, sich der Papiere meines Mannes zu bemächtigen. Seine Gedanken waren jetzt beim Geheimniß von Gleninch. Ariel fühlte kein Mitleid mit ihrem Herrn. Ariel wollte die Geschichte zu Ende hören.

»Fahre fort, Herr. Was sagte dann die Herrin nun zu der Magd?«

Dexter fuhr immer schneller, immer irrer und wirrer fort.

»Die Herrin sagte zu der Magd:,was soll's mit dem Brief? Kein Feuer im Kamin? Keine Streichhölzer da? Das ganze Haus in Unordnung? Die Diener alle fort? Zerreiße ihn! Unnützes Papier! Wirf es weg. So, nun ist es fort. O, Sarah! Sarah! Sarah! Fort für immer.«

»O, Sarahs Sarah! Sarah! Fort für immer!« wiederholte Ariel. »Erzähle uns, Herr, wer Sarah war!«

Mr. Dexter begann wieder mit dem alten melancholischen Refrain:

»Die Herrin sagte zu der Magd —«

Hier unterbrach er sich schon wieder, richtete sich in seinem Stuhl empor, erhob beide Hände über den Kopf und brach in ein krampfhaftes Gelächter aus. Dann sank er in den Stuhl zurück und das schrille entsetzliche Lachen erstarb in leisen tiefen Seufzern. Das Antlitz hob sich zur Decke empor. Die Augen schienen fast erblindet, die Lippen verzerrten sich zu einem häßlichen Grinsen. Endlich die Nemesis! Die Nacht war gekommen!

Als der erste Schreck vorüber war, belebte mich wiederum nur das Gefühl des Mitleids für den gerichteten Elenden. Ich stand unwillkürlich auf. Augenblicklich an nichts Anderes denkend, als an den hilflosen Unglücklichen, eilte ich zu ihm, um ihm Beistand zu leisten, als ich mich heftig zurückgezogen fühlte.

,Sind Sie denn blind? Sehen Sie dort hin!«

Ariel war mir zuvor gekommen und hatte hilfreich einen Arm um ihren Herrn geschlungen. Mit der freien Hand schwang sie eine Ofengabel, die sie schnell ergriffen. Ihre Augen funkelten wie die eines wilden Thieres.

»Das ist Ihr Werk!« schrie sie mich wüthend an. »Keinen Schritt näher, oder ich schlage Ihnen das Gehirn aus!«

Benjamin ergriff mich bei der Hand und führte mich zur Thür. Ich sah Ariels Wuth abnehmen, als wir uns entfernten. Sie warf die Ofengabel hin, lehnte den Kopf an Dexters Brust und schluchzte bitterlich. »O Herr, Herr! Nun sollen sie Dir nichts mehr thun. Blicke doch auf! Lache mich doch an, wie Du es früher gethan.«

Ich befand mich jetzt schon im anderen Zimmer, dann hörte ich noch einen wilden Entsetzensschrei des unglücklichen Geschöpfes, und die schwere Thüre sank hinter uns zu. Hilflos und weinend wie ein Kind schmiegte ich mich an meinen alten Freund.

Benjamin verschloß die Thür.

»Weinen Sie nicht,« sagte er ruhig, »sondern danken Sie Gott, daß Sie glücklich aus jenem Zimmer sind.«

Er zog den Schlüssel ab und führte mich durch das Haus in den Garten.«

Der Gärtner, den wir unten trafen eilte zum Doctor. Wir warteten denselben ab und er versprach, mir möglichst bald Nachricht über den Kranken zu senden.

Auf dem Heimwege zeigte mir Mr. Benjamin sein Notizbuch.

»Was soll denn nun mit dem Geschreibsel werden? « fragte er erstaunt.

»Haben Sie denn Alles niedergeschrieben?«

»Gewiß. Sie haben mir ja nicht das Signal zum Aufhören gegeben. Ich habe jedes Wort aufgeschrieben. Soll ich es aus dem Wagenfenster werfen?«

»Geben Sie es mir.«

»Was wollen Sie damit thun?«

»Ich weiß es noch nicht. Ich will Mr. Playmore fragen.«

Zwölftes Capitel.
Mr. Playmore in einer anderen Gestalt

Noch mit der Abendpost ließ ich einen Brief an Mr. Playmore abgehen, welcher das Geschehene erzählte, und sobald wie möglich um seinen Rath bat.

Die Notizen in Benjamins Buch waren theilweise stenographirt und hatten in dieser Form keinen Nutzen für mich. Auf meine Bitte machte er zwei Abschriften davon. Die eine schickte ich Mr. Playmore, die andere legte ich auf meinen Nachttisch, als ich zu Bett ging.

Wieder und wieder während der langen schlaflosen Nacht las ich die letzten Worte von Mr. Dexter. War es möglich, dieselben für mich zu benutzen? Nachdem ich mich stundenlang abgemüht, das Problem zu lösen, warf ich das fatale Papier in halber Verzweiflung fort. Meine Hoffnungen waren wieder in den Wind gestreut, wahrscheinlich würde Mr. Dexter nicht wieder zu klaren Sinnen kommen. Die Aussage des Arztes, die mir Mr. Playmore über ihn mitgetheilt, klangen immer wieder in meinen Ohren. »Wenn die Katastrophe eingetreten, und das Gleichgewicht einmal verloren ist, wird es verloren sein für das ganze Leben.«

Am nächsten Morgen brachte mir der Gärtner den versprochenen Brief vom Doctor.

Miserrimus Dexter und Ariel waren noch in demselben Zimmer, in dem wir sie verlassen. Sie wurden von zuverlässigen Leuten bewacht, bis ein Bruder Dexters eingetroffen sein würde, den man bereits telegraphisch benachrichtigt hatte, und der dann die ferneren Entscheidungen treffen sollte. Es war unmöglich gewesen, die treue Ariel von ihrem Herrn zu trennen. Der Doctors und der Gärtner, beides starke Männer, hatten sich vergebens bemüht, Ariel hinauszuschaffen. Als die alte Dienerin endlich die Erlaubniß erhielt, bleiben zu dürfen, wurde sie wieder still und legte sich wie ein Hund zu des Herrn Füßen.

Der Bericht über Miserrimus Dexters Zustand klang noch trauriger.

»Mein Patient ist vollkommen unzurechnungsfähig,« lauteten des Doctors Worte, welche der mündliche Bericht des Gärtners bestätigte. Vier Stunden lang blieb Dexter in vollständiger Lethargie auf seinem Stuhl. Gegen seine sonstige Gewohnheit hatte er mit thierischer Gier seine Mahlzeit verzehrt. Auf andere Dinge war sein Interesse nicht zu lenken. »Diesen Morgen,« sagte der Gärtner beim Abschied, »schien es uns, als wenn er ein wenig erwacht sei. Er machte eigenthümliche Zeichen mit seinen Händen, die weder der Doctor noch ich verstehen konnte. Ariel aber verstand sie. Sie holte ihm seine Harfe und legte ihm die Hände auf die Seiten. Er vermochte nicht zu spielen. Aber er versuchte es dennoch, indem er fortwährend vor sich hinmurmelte. – Er bekommt seinen Verstand niemals wieder. Das beste für ihn wäre, wenn ihn unser Herrgott zu sich nähme. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen Madame.«

 

Er verließ mich mit Thränen in den Augen und ich blickte ihm ebenfalls mit Thränen in den Augen nach.

Eine Stunde später erhielt ich ein Telegramm von Mr. Playmore, folgenden Inhalts:

»Komme mit dem Nachtzuge nach London. Erwarten Sie mich morgen zum Frühstück.«

Mr. Playmore folgte dem Telegramm beinahe auf dem Fuße. Schon seine ersten Worte erfreueten mich:

»Ich kann nicht leugnen« sagte er, »daß wir noch einige schaurige Hindernisse zu überwinden haben. Ich würde auch nicht vor Beendigung meiner eigenen Geschäfte hierhergekommen sein wenn nicht Mr. Benjamins Notizen einen großen Eindruck auf mich gemacht hätten. Sie haben Ihren ersten Erfolg errungen und deshalb biete ich Ihnen rückhaltlos meine Hilfe an. Jener Elende hat im halben Delirium gethan und gesagt, was, wenn er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen nie über seine Lippen gekommen wäre. Er hat uns den ersten Schimmer der Wahrheit durchblicken lassen. Ihre Idee von ihm war die richtige. Seine Erinnerung hatte am wenigsten gelitten und hielt bis zum letzten Augenblicke Stand.«

»Legen Sie denn eine besondere Wichtigkeit auf den Brief?« fragte ich. »Was mich betrifft, befinde ich mich völlig im Unklaren über denselben.«

»So ist es mit mir ebenfalls,« antwortete er offen. »Der Brief ist eines jener Hindernisse, von denen ich sprach. Die verstorbene Mrs. Macallan muß mit demselben in irgend einer Verbindung gestanden haben oder Dexter hätte nicht von einem Dolche im Herzen gesprochen; Dexter würde nimmer ihren Namen mit den Worten in Verbindung gebracht haben, welche das Oeffnen und spätere Fortwerfen des Briefes beschreiben. Ich glaube mit einiger Sicherheit zu diesem Resultat gelangt zu sein, aber weiter vermag mein Blick noch nicht zu dringen. Wer den Brief geschrieben und was darinnen stand, – ist mir so unbekannt wie Ihnen. Wenn wir diese letzte Entdeckung machen wollen wird uns nichts Anderes übrig bleiben, als unsere ersten Anfragen dreitausend Meilen weit zu schicken. Mit einem Wort, wir müssen uns nach Amerika wenden.«

Dieser Ausspruch setzte mich in das größte Erstaunen.

»Es kommt natürlich auf Sie an, ob Sie die Kosten daran wenden wollen, einen zuverlässigen Menschen nach Amerika zu senden. Den Mann würde ich schon ausfindig machen, und die Kosten schätze ich —«

»Die Kosten sind gänzlich Nebensache,« unterbrach ich ihn, die Geduld verlierend. »Bei Weitem die Hauptsache ist, daß Sie mir mittheilen was Sie entdeckt haben«

Er lächelte. »Sie fragen nicht nach den Kosten« sagte er wohlgefällig zu sich selbst. »Wie das einem Weibe gleich sieht.«

Ich trommelte bereits mit den Fingern auf der Tischplatte und bat ihn noch einmal, mir seine Erfahrungen mitzutheilen.

Er nahm die Kopie aus Benjamins Notizbuche zwischen andern Papieren hervor und deutete auf die Worte, »was ist’s mit dem Briefe? Verbrennt ihn Kein Feuer im Kamin. Keine Streichhölzer. Die Diener alle fort.«

»Verstehen Sie denn wirklich diese Worte?« fragte ich.

»Wenn ich aus meine eigene Erfahrung zurückblicke, ja.«

»Können Sie mir das Verständniß nicht ebenfalls beibringen?«

»Nichts leichter als das. In diesen unverständlich scheinenden Sentenzen hat Dexters Erinnerung in sehr correcter Weise gewisse Facta recapitulirt. Ich habe nur nöthig, Ihnen die Facta mitzutheilen; dann werden Sie eben so klug sein, als ich es bin. Zur Zeit des Prozesses erschreckte und betrübte mich Ihr Gatte, indem er darauf bestand, daß das ganze Gesinde in Gleninch sofort entlassen werde. Ich erhielt den Auftrag, ihnen einen Vierteljahrslohn vorauszuzahlen und ihnen vortreffliche Zeugnisse zu geben unter der Bedingung, daß sie das Haus binnen einer Stunde verlassen haben mußten. Eustace’s Motiv hierfür war ganz dasselbe, welches ihn bei der Handlungsweise gegen Sie leitete. Wenn ich jemals nach Gleninch zurückkehre, sagte er, kann ich mich mit den Flecken auf meiner Ehre nicht jenen treuen Dienern entgegenstellen. Es war unmöglich, ihn von diesem Entschluß abzubringen. Nach Ablauf einer Stunde hatten sämmtliche Diener das Haus verlassen. Die Personen welche mit der Bewachung von Haus und Garten betraut wurden, und welche an den Grenzen des Parkes wohnten waren ein Ehepaar und deren Tochter. Am letzten Tage des Prozesses trug ich der Tochter auf, die Zimmer zu reinigen und zu lüften. Es war ein gutes Mädchen aber sie hatte weder Uebung noch Erfahrung wollte ihr durchaus nicht in den Kopf, wie man das Schlafzimmer heizte und Streichhölzer in die leeren Büchsen stellte. Jene zufälligen Worte von Dexter wollten ohne Zweifel die Beschaffenheit seines Zimmers beschreiben als er mit Eustace und dessen Mutter von Edinburgh nach Gleninch zurückkehrte. Daß er jenen geheimnißvollen Brief in seinem Schlafzimmer zerriß und daß er, indem er keine Gelegenheit fand, ihn zu verbrennen die Fragmente in den leeren Kamin oder in den Papierkorb warf, dürfte der vernünftigste Schluß sein den wir aus dem bisher in Erfahrung gebrachten ziehen können. Auf jeden Fall hatte er wohl nicht lange Zeit gehabt, darüber nachzudenken. An jenem Tage geschah Alles in der größten Eile. Eustace und seine Mutter, von Dexter begleitet, verließen England noch an dem nämlichen Abend. Ich selbst verschloß das Haus und übergab die Schlüssel dem Verwalter, dessen Familie es oblag, das Haus in wohnlichem Zustande zu erhalten. Nachdem ich Ihren Brief bekommen fuhr ich sofort nach Gleninch, um die Verwalterfrau in Bezug auf die Schlafzimmer und speziell um das von Dexter bewohnt gewesene zu befragen. Sie erinnerte sich der Zeit, da das Haus verschlossen wurde und brachte diese Reminiscenz mit einem Unwohlsein in Verbindung, welches sie ans Bett gefesselt hatte. Sie hatte mindestens eine Woche, nachdem Gleninch der Fürsorge ihrer Familie übergeben die Schwelle ihres kleinen Zimmers nicht überschritten. Die ganze Arbeit des Lüftens und Reinigens war während ihrer Krankheit der Tochter anheimgefallen. Diese ganz allein mußte jeden Papierschnitzel bemerkt haben, welcher in Mr. Dexters Zimmer herumgelegen hatte. Das kann ich beschwören daß jetzt auch nicht das Geringste in jenem Zimmer zu finden ist. Wo fand das Mädchen also die Fragmente jenes Briefes? Und was machte sie damit? Das sind Fragen die wir 3000 Meilen weit zur Beantwortung nach Amerika schicken müssen, denn ich habe in Erfahrung gebracht, daß sich die Verwalterstochter seit einem Jahre verheirathet hat und mit ihrem Gatten in New-York aufhält. Nun liegt die Entscheidung in Ihrer Hand. Lassen Sie Sich nicht durch falsche Vorspiegelungen von mir mißleiten. Selbst wenn sich diese Frau erinnert, was sie mit den zerrissenen Papierstückchen angefangen, dürfte es doch nach der langen Zeit sehr schwierig sein, dieselben wieder aufzufinden. Lassen Sie Sich Zeit, ehe Sie Sich entscheiden. Nun Adieu, ich habe noch in der Stadt zu thun.«

»Senden Sie Ihren Vertrauensmann mit dem nächsten Dampfer nach New-York,« rief ich ihm nach, »das ist meine Entscheidung.«

»Wissen Sie auch, was das kosten wird?« rief er, sein Notizbuch hervorstehend.

Ich schrieb ihm einen Blanco-Wechsel und schob ihm denselben über den Tisch.

»Füllen Sie die Summe aus,« sagte ich, »und ums Himmels Willen lassen Sie uns zurück nach Dexter. Hören Sie zu,« sagte ich, Benjamins Notizen lesend.

»Was meinte Dexter, wenn er sagte, Nummer 9 Calderhaws. Nach Dandie fragen. Sie sollen das Tagebuch nicht haben. Das Tagebuch wird ihn an den Galgen bringen! – Wie erfuhr Dexter, was in meines Gatten Tagebuche stand, und was meinte er mit den übrigen Redensarten. Sind das auch Facta?«

»Allerdings!« antwortete Mr. Playmore. »Calderhaws müssen Sie wissen, ist einer der übelberüchtigsten Districte in Edinburgh. Einer meiner vertrautesten Schreiber unternahm es, nach Dandie in Nummer 9 zu fragen. Es war eine kitzliche Aufgabe, und der Mann nahm wohlweislich Jemand mit sich, der in der Nachbarschaft bekannt war. Nummer 9 erwies sich als ein Verkaufsladen von Lumpen und altem Eisen, und Dandie stand im Argwohn, gestohlene Sachen an sich zu bringen. Dank dem Einfluß seines Begleiters und einer Banknote, die Sie mir gelegentlich wiedergeben können, « löste mein Schreiber diesem Menschen die Zunge. Das kurze Resultat war folgendes: Ungefähr 14 Tage vor dem Tode der Mrs. Macallan hatte Dandie nach Wachsmodellen 2 Schlüssel gemacht, welche ein neuer Kunde bei ihm bestellt. Das Geheimnißvolle der Sache und das seltsame Benehmen des mit derselben betrauten Agenten erregte Dandie's Mißtrauen. Bevor er die Schlüssel ablieferte, hatte er die Entdeckung gemacht, daß sein neuer Kunde Miserrimus Dexter sei. Fügen Sie Dexters unbegreifliche Kenntniß des Tagebuchs Ihres Gatten zu dieser Information hinzu, so erhalten Sie als Product, daß die Wachsmodelle, welche an Dandie geschickt wurden, von den Schlüsseln des Tagebuchs und der Schieblade, in welcher es enthalten, genommen waren. Ich habe meine eigenen Ideen hierüber, auf die ich aber augenblicklich noch nicht näher eingehen will. Ich wiederhole Ihnen nur, daß Dexter für den Tod der Mrs. Macallan verantwortlich zu machen ist, in welcher Weise, wird Ihnen vielleicht gelingen, herauszubekommen. Nachdem die Angelegenheit soweit gediehen, halte ich es jetzt allerdings für Ihre Pflicht, sowohl gegen die Gerechtigkeit als gegen Ihren Gatten, Alles zu thun, um der Wahrheit auf den Grund zu kommen. Was die Schwierigkeiten anbetrifft, die sich Ihnen entgegenstellen, so werden Sie dieselben durch Geduld, Entschlossenheit und Sparsamkeit überwinden.«

Mit starker Betonung des letzten Wortes wollte sich Mr. Playmore abermals entfernen.

»Noch ein Wort,« sagte ich. »Haben Sie so viel Zeit, Mr. Dexter zu sehen, ehe Sie nach Edinburgh zurückkehren? Nach des Gärtners Aussagen muß sein Bruder jetzt schon bei ihm sein. Ich würde gern erfahren, wie es dort steht.«

»Der Besuch bei Dexter bildet einen Theil meines Reisezweckes,« sagte Mr. Playmore. »Auf seine Wiedergenesung setze ich keine Hoffnung, aber ich möchte mich vergewissern, ob sein Bruder sich seiner annehmen kann und will. So weit es uns angeht, hat der Unglückliche seine letzten Worte gesprochen.«

Er öffnete die Thür, hielt inne und kam noch einmal zurück.

»Was die amerikanische Sendung anbetrifft,« sagte er, »so würde ich Sie bitten, die Summe in Ihrem Blanco-Wechsel selbst, und zwar in Zahlen und Worten, auszufüllen Ich kann mich dazu in keiner Weise verstehen. Also noch einmal, guten Morgen, Mrs. Macallan.«

Mit einer tiefen Verbeugung legte er den Blume-Wechsel auf den Tisch und verließ mich.