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Gesetz und Frau

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Dreizehntes Capitel.
Noch mehr Ueberraschungen

Noch an demselben Abend überbrachte mir ein Schreiber den Kostenanschlag für die Reise des Agenten und einen flüchtigen Bericht über den Besuch bei Mr. Dexter.

Es hatte sich durchaus in seinem Zustande nichts verändert. Der Bruder war mit einem Arzte eingetroffen, welcher den Irrsinnigen in seine Obhut nehmen sollte. Der neue Arzt wollte sich jedes Urtheils enthalten, bis er den Kranken längere Zeit genau beobachtet. Es war bestimmt worden, daß Miserrimus Dexter, sobald die Vorbereitungen getroffen sein würden, in die Anstalt aufgenommen werden sollte, deren Besitzer und Vorsteher der neue Arzt war. Die einzige Schwierigkeit, welche zu überwinden war, bestand in einer Verfügung über das unglückliche Geschöpf, welches seinen Herrn nie verlassen. Ariel hatte weder Freunde noch Geld. Aber es gelang Mr. Playmore und mir, theils durch eigene Betheiligung theils durch Subscription die Mittel aufzubringen welche es Ariel möglich machten, in der Nähe Dexters zu bleiben und täglich einige Stunden unmittelbar in seiner Nähe zubringen und ihn bedienen zu können.

Am andern Tage erhielt ich von meiner Schwiegermutter einen Brief aus Spanien.

Zu meiner unnennbaren Freude las ich folgende Zeilen:

»Machen Sie Sich, meine theuerste Va-

»leria, auf eine herrliche Ueberraschung gefaßt.

»Eustace hat mein in ihn gesetztes Vertrauen

»gerechtfertigt. Wenn er nach England zu-

»rückkehrt, wird er sein geliebtes Weib auf-

»suchen.

»Dieser Entschluß ist nicht etwa durch meine

»Beeinflussung hervorgerufen worden Es ist

»der ganz natürliche Ausdruck seiner Dank-

»barkeit und Liebe. Die ersten Worte nach

»seiner Genesung waren: »Glauben Sie, daß

»mir Valeria vergeben werde, wenn ich wie-

»der zu ihr komme?« Die Antwort darauf

»müssen wir Ihnen natürlich überlassen und

»zwar, wenn Sie uns lieben, mit wendender

»Post.

»Nachdem ich Ihnen nun die erste freudige

»Nachricht mitgetheilt, will ich meinen Brief

»doch noch einige Tage zurückhalten im Fall,

»was ich jedoch nicht hoffe, er seine Entschließung ändern sollte.

»Drei Tage sind nun seitdem vergangen

»und es ist keine Veränderung eingetreten

»Er denkt einzig und allein an die Wieder-

»vereinigung mit seiner Frau. Ich muß Sie

»aber noch auf etwas Anderes aufmerksam

»machen, da Eustace’s Seele keine Umwan-

»delung erlitten hat.

»Obgleich Leiden und Zeit ihn in vieler

»Beziehung geändert haben, denkt er doch noch

»immer mit demselben Schrecken an Ihre Idee,

»ihn noch einmal mit einer Ausrührung seines

»Prozesses in Verbindung zu bringen. Das

»ist der große Kummer, der seine Seele be-

»drückt. Ich hielt es für meine Pflicht, be-

»ruhigend auf ihn zu wirken Ich habe ihm

»gesagt, er solle sich vorläufig die Sache aus

»dem Kopf schlagen es würde Valeria schließ-

»lich nichts Anderes übrig bleiben, als die

»Idee aufzugeben da die sich ihr entgegen

»stellenden Hindernisse bis zur Unübersteiglich-

»keit angewachsen wären Mit diesen Worten

»sprach ich ja auch nur meine eigene Ansicht

»aus, die Sie selber so oft von mir hörten.

»Hoffentlich höre ich in Ihrem nächsten Briefe,

»daß unsere beiderseitigen Wünsche in Er-

»füllung gegangen Sollten wir uns getäuscht

»haben, dann mögen Sie auch die Folgen

»verantworten. Sie könnten es dahin brin-

»gen, seine Liebe und Dankbarkeit zu verlieren

»und ihn niemals wiederzusehen Wenn Sie

»mir antworten, legen Sie einige wenige

»Zeilen für Eustace bei.

»Den Tags unserer Abreise von hier bin

»ich noch nicht im Stande bestimmen zu

»können. Eustace erholt sich sehr langsam und

»hat noch nicht das Bett verlassen dürfen.

»Wenn es so weit ist, wird die Rückreise eine

»sehr lange sein müssen. Vor 6 Wochen ist

»an einen Aufbruch nicht zu denken.

Aufrichtig
die Ihre
Catharine Macallan.«

Als ich den Brief auf den Tisch legte, fand ich nur einen Wermuthstropfen indem Becher meiner Freude. Der von uns nach New-York gesandte Bote schwamm bereits auf dem Atlantischen Ocean.

Was war zu thun?

Ich zögerte. Es war ja auch noch keine Veranlassung, meinen Entschluß zu beschleunigen. Ich hatte noch den ganzen Tag vor mir.

Ich ging ins Freie und überlegte mir die Sache ernstlich.

Wieder nach Hause gekommen setzte ich am Kamin meine Betrachtungen fort. Es lag ja fern von mir, meinen Gatten bei seiner Rückkehr in irgend einer Weise kränken oder beleidigen zu wollen. Auf der andern Seite aber war es doch auch nicht von mir zu verlangen, daß ich mein großes Unternehmen in einem Augenblick aufgeben sollte, wo selbst der kluge und vorsichtige Mr. Playmore demselben ein günstiges Resultat prophezeit und mir seinen Beistand versprochen hatte. Es war schwer, zwischen diesen beiden grausamen Alternativen zu wählen. Schließlich kehrte ich Beiden den Rücken und entschloß mich, die Mittelstraße zu gehen. Ich nahm mir vor, meiner Schwiegermutter und meinem Gatten vorläufig ihren Willen zu thun und dann abzuwarten, ob mich mein guter Stern nicht zum günstigen Resultat führen würde.

Der Rath, den ich mir gegeben war entschieden ein unwürdiger, aber ich konnte in meiner damaligen Lage nicht anders handeln. Ich schrieb an meine Schwiegermutter, daß Miserrimus Dexter in eine Anstalt gebracht worden sei, und überließ es ihr, sich selbst ihre Schlüsse daraus zu ziehen.

Meinem Gatten schrieb ich ebenfalls die Wahrheit. Ich sagte ihm, daß ich ihm von ganzem Herzen vergäbe und ihn mit offenen Armen empfangen wollte, wenn er wieder zu mir käme.

Als ich meine beiden unwürdigen Briefe expedirt hatte, verging ich vor Sehnsucht nach Veränderung. Ehe nicht 8 bis 9 Tage vergangen waren konnten wir auf kein Telegramm aus New-York hoffen. Für diese Zeit sagte ich meinem alten Freunde Benjamin Lebewohl, und machte mich auf den Weg nach dem Norden zu meinem Onkel, dem Prediger. Meine Reise nach Spanien um Eustace zu pflegen hatte mich mit meinen würdigen Verwandten wieder ausgesöhnt, und ich hatte versprochen ihr Gast sein zu wollen, sobald meine Zeit mir erlauben würde, mich von London zu entfernen.

Ich verlebte dort oben eine glückliche Zeit. Ich suchte mir alle die lieben Orte wieder auf, an denen ich mit Eustace gewesen, wo ich ihn kennen gelernt, wo ich ihn zuerst geküßt, wo ich Abschied von ihm genommen. Welche Welt von Ereignissen lag zwischen jenem Einst und diesem Jetzt!

Nachdem ich 14 Tage bei meinem Onkel und bei meiner Tante gewesen bekam ich einen Brief von Mr. Playmore, der mich gröblich enttäuschte. Ein Telegramm unseres Boten hatte gemeldet, daß die Verwalterstochter New-York verlassen habe und daß man bis jetzt noch vergebens nach einer Spur von ihr suche.

Das waren traurige Nachrichten die dennoch mit Geduld ertragen werden mußten. Auf Mr. Playmores Rath sollte ich im Norden bleiben um nöthigenfalls Edinburgh nahe zu sein. Drei lange, erwartungsvolle Wochen gingen dahin ehe ein neuer Brief eintraf. Diesmal war es unmöglich zu sagen ob die Nachrichten gut oder schlecht waren. Selbst Mr. Playmore schien in Erstaunen versetzt. Die letzten räthselhaften Worte des Telegramms aus Amerika lauteten:

»Durchsuchen Sie den Schutthaufen in Gleninch.«

Vierzehntes Capitel.
Endlich

Der Brief von Mr. Playmore mit dem eingeschlossenen Telegramm war nicht dazu angethan unsere anfänglichen sanguinischen Hoffnungen zu erfüllen.

»Das Telegramm scheint sagen zu wollen,« schrieb er, »daß die Fragmente des zerrissenen Briefes in die Mullschippe des reinigenden Mädchens und von dort auf den Schutthaufen in Gleninch gewandert seien.

»Seitdem dies geschehen vergrößerte sich jener Haufen durch Hinzufügung neuen Staubes, neuer Asche, so daß er nach Ablauf von drei Jahren die jetzigen Dimensionen annahm, welche die kostbaren Papierstückchen wie ein hoher Berg bedeckten. Selbst wenn wir das Glück haben diese Fragmente aufzufinden welche Hoffnung bleibt uns, dieselben noch zusammensetzen und lesen zu können? Es wäre mir angenehm, mit wendender Post zu hören was die Nachricht für einen Eindruck auf Sie gemacht. Wenn es Ihnen möglich wäre, nach Edinburgh zu kommen würden wir viel der kostbaren Zeit sparen. Bitte, überlegen Sie Sich das.«

Ich überlegte es mir sehr ernstlich und schrieb dann an Mr. Playmore, daß ich nicht Herrin meiner Handlungen und daß es daher besser sei, seinen nächsten Brief an Benjamin zu adressiren.

Diesem Schreiben fügte ich noch ein Wort über den zerrissenen Brief hinzu.

In den letzten Jahren von meines Vaters Leben reiste ich mit ihm in Italien. Unter Anderen sah ich im Museum in Neapel die wundervollen Reliquien einer vergangenen Zeit, welche man unter den Ruinen von Pompeji entdeckte. Um Mr. Playmore zu ermuthigen rief ich ihm jenen Ausbruch des feuerspeienden Berges in die Erinnerung zurück, welcher Pompeji für mehr denn sechszehnhundert Jahre mit Lava und Asche bedeckte. Dennoch seien nach Abräumung dieser Decke zahllose Gegenstände, sogar Schriftstücke, vollkommen unversehrt aufgefunden worden. Wenn diese Entdeckungen aber, nach einem Zeitraum von sechszehnhundert Jahren unter einem häuserhohen Lager von Lava und Asche gemacht werden konnten, um wie viel mehr Hoffnung blieb uns, nach einem Zeitraum von 3 bis 4 Jahren unter einer leichteren Decke von Staub und Schutt unsere Brief-Fragmente aufzufinden. Angenommen dies gelänge uns, so war es noch immer sehr fraglich, ob die Schrift auf denselben auch nicht verblaßt und unleserlich geworden wäre. Allerdings lag auch eine Beruhigung darin daß die Anhäufung des Schuttes den zerrissenen Brief vor der Einwirkung des Regens bewahrt hätte. Mit diesen bescheidenen Andeutungen schloß ich meinen Brief.

 

Es verging einige Zeit, ohne daß ich von dem Reisenden hörte. Ich begann mich zu ängstigen und traf über Nacht die Vorbereitungen zu meiner Abreise nach London.

Die Post des nächsten Morgens bestärkte mich in meinem Entschluß; denn sie brachte mir einen Brief von meiner Schwiegermutter mit schlechten Nachrichten Eustace und seine Mutter waren auf ihrer Rückreise bis Paris gekommen als sie von einem neuen Unstern getroffen wurden. Die Anstrengungen der Reise, und die Aufregung, mich bald wieder zu sehen waren für meinen durch lange Krankheit geschwächten Gatten zu viel gewesen. In Paris hatte er einen Rückfall bekommen der ihn an das Bett fesselte. Die Aerzte sprachen diesmal keine Besorgniß für sein Leben aus, ordneten aber für den Patienten eine längere absolute Ruhe an. »Es liegt nun in Ihrer Hand, Valeria,« schrieb Mrs. Macallan, »unter diesen erschwerenden Umständen Eustace zu stärken und zu beruhigen. Seine Ansichten haben sich nicht verändert, seitdem wir Spanien verlassen. Ich war es, der von ihr ging, äußerte er sich oft zu mir, deshalb ist es auch meine Pflicht, zu ihr zurückzugehen. Er würde seinen Entschluß ausgeführt haben, wenn er nicht durch neue Krankheit daran verhindert worden wäre. Nehmen Sie also den Willen für die That und kommen Sie nach Paris. Ich glaube nicht, daß ich eine abschlägliche Antwort von Ihnen zu gewärtigen habe. Nun noch ein Wort der Vorsicht. Vermeiden Sie auf das Sorgfältigste jene Anspielung auf den Prozeß und Ihre Bemühungen seine Unschuld aufzudecken. Er fühlt ein solches Entsetzen bei der Erinnerung an jene Vorgänge, daß er mehr als einmal die Absicht geäußert hat, Gleninch verkaufen zu wollen.«

Eustace’s Mutter hatte aber kein völliges Vertrauen auf ihre Ueberredungsgabe gehabt, denn sie hatte ihrem Briefe noch einen Zettel beigefügt, auf welchem einige schwache Zeilen von meines Gatten schwacher Hand standen:

»Ich bin zu hinfällig, um weiter reisen

»zu können Valeria. Willst Du zu mir kom-

»men und mir vergeben?«

Dann folgte etwas Unlesbares. Das Schreiben dieser wenigen Worte hatte ihn schon völlig erschöpft.

Ich faßte sofort den Entschluß, alle ferneren Versuche zur Wiedererlangung des zerrissenen Briefes aufzugeben.

Wenn Eustace mich später nach diesen Angelegenheiten befragen sollte, nahm ich mir vor, ihm offen und ehrlich zu antworten: »Ich habe das Opfer gebracht, welches Deine Ruhe sicher stellt. Als es am Schwersten war, von meinem Vorhaben abzustehen, habe ich meine Halsstarrigkeit gedemüthigt und, um meines Gatten willen meine Forschungen eingestellt.«

Noch kurz vor meiner Abreise schrieb ich an Mr. Playmore und theilte ihm mit, daß ich es vollständig aufgegeben habe, das Geheimniß aufzudecken welches unter dem Schutthaufen von Gleninch begraben liege.

Fünfzehntes Capitel.
Unser neuer Honigmond

Auf der Rückreise nach London war ich sehr niedergedrückt. Das plötzliche Aufgeben meines großen Lebensplanes, den ich bis jetzt mit so großer Mühe und so großem Glück verfolgt, war eine harte Ueberwindung für eine Frau von Ehre und Pflichtgefühl.

Ich hatte geglaubt London so frühzeitig zu erreichen, daß ich noch mit dem Abendzuge weiter reisen könnte. Der Zug versäumte aber den Anschluß, und es blieb mir daher nichts übrig, als noch eine Nacht in Benjamins Villa zu schlafen.

Meine Ankunft überraschte ihn. Ich fand ihn allein in seiner Bibliothek bei einer wundervollen Erleuchtung von mehreren Lampen und Kerzen bei deren hellem Schein er sich damit beschäftigte, kleine Papierschnitzel zusammenzusetzen welche zerstreut vor ihm auf dem Tische lagen.

»Was in aller Welt machen Sie da?« fragte ich.

Benjamin erröthete, beinahe wie ein junges Mädchen früher erröthet wäre. In unserer Zeit ist das Erröthen aus der Mode gekommen.

»O, nichts, nichts,« entgegnete er verwirrt. Er streckte die Hand aus, um die Papierschnitzel vom Tisch zu fegen als ich ihn daran verhinderte.

»Sie haben von Mr. Playmore gehört,« sagte ich. »Sagen Sie mir die Wahrheit ja oder nein?«

Benjamin erröthete noch tiefer und antwortete: »Ja!«

»Wo ist der Brief?«

»Ich darf ihn Ihnen nicht zeigen Valeria.«

Dies machte mich nur noch neugieriger.

Das beste Mittel, Benjamin zu meinen Gunsten zu stimmen war, ihm von dem Opfer zu erzählen welches ich meinem Gatten gebracht.

»Ich habe nichts weiter mit der Sache zu thun schloß ich meinen Bericht. »Es kommt nun ganz ans Mr. Playmore an, ob er die Forschungen aufgeben. oder fortsetzen will. Die Lesung dieses Briefes ist gleichermaßen der Abschied von meinen Bestrebungen. Wollens Sie mir das Schreiben nicht zeigen?«

Benjamin war zu glücklich über meinen Bericht als daß er meiner Bitte hätte widerstehen können. Er gab mir den Brief.

Mr. Playmore wendete sich an Benjamin weil er von diesem voraussetzte, daß er als alter Aktenwurm Gelegenheit gehabt habe, zerrissene Dokumente zusammenzusetzen. Außerdem machte Mr. Playmore Benjamin auf die Notizen aufmerksam, die er bei Dexter niedergeschrieben und welche von der höchsten Wichtigkeit sein konnten. Der Brief schloß mit einer Warnung, daß die Correspondenz vor mir geheim gehalten werden solle, damit nicht neue, möglicherweise trügerische Hoffnungen in mir erweckt würden.

Nun verstand ich erst den Ton in welchem mein würdiger Rathgeber an mich geschrieben. Sein Interesse bei Auffindung des Briefes war so mächtig in ihm geworden daß er mich von der Theilnahme ausschließen wollte, in der Befürchtung, daß ich zum Mißlingen des Unternehmens beitragen könnte.

Am anderen Morgen früh begleitete mich Benjamin auf den Bahnhof.

»Ich werde noch heute nach Edinburgh schreiben,« sagte er, am Fenster meines Coupes stehend. »Haben Sie etwas an Mr. Playmore zu bestellen?«

»Nein meine Rolle ist ausgespielt.«

»Soll ich Ihnen schreiben wie das,Experiment in Gleninch ausgefallen ist?«

Ich bejahte.

Mein alter Freund lächelte.

»Schon recht,« entgegnete er. »Ich sehe, daß Sie Sich doch noch etwas für die Sache interessiren. Ich kenne die Adresse des Banquiers in Paris, auf welchen Ihre Wechsel lauten. Ehe Sie es Sich versehen, werden Sie dort einen Brief von mir finden. Schreiben Sie mir, wie es Ihrem Gatten geht und nun Gott befohlen!«

Noch an demselben Abend war ich mit Eustace vereinigt. Er war noch zu schwach, um den Kopf von seinen Kissen erheben zu können. Ich kniete neben dem Bett nieder und küßte ihn. In seinen müden Augen schimmerte neuer Muth.

»Ich muß nun weiterleben, um Deinetwillen,« flüsterte er.

Meine Schwiegermutter hatte uns allein gelassen.

Als Eustace jene Worte gesprochen, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, ihm die neue Hoffnung mitzutheilen, welche unseren ferneren Lebenspfad erleuchten sollte.

»Du mußt nun auch um eines Anderen willen weiter leben,« sagte ich.

Er blickte mich verwundert an.

»Meinst Du meine Mutter?«

»Ich meine unser Kind,« flüsterte ich, mein Haupt an seine Brust legend.

Nun hatte ich meine Belohnung für Alles, « was ich aufgegeben. Ich vergaß Mr. Playmore, ich vergaß Gleninch. Unser neuer Honigmond begann mit jenem Tage.

Die Zeit verstrich in unserer stillen Querstraße. Die Wogen des pariser Lebens rauschten ungehört an uns vorüber. Langsam, aber beharrlich gewann Eustace seine Kraft zurück. Die Aerzte verwiesen ihn fast ganz auf meine Pflege.

»Sie sind sein Arzt,« sagten sie.

»Je glücklicher Sie ihn machen, je schneller wird er genesen.«

Nur einmal wurde die ruhige Oberfläche unseres Lebens durch eine Erwähnung der Vergangenheit gekräuselt. Eine zufällige Aeußerung von mir rief Eustace unser letztes Zusammensein bei Major Fitz-David zurück. Er erkundigte sich sehr zart nach den ferneren Vorgängen und sprach die Hoffnung aus, daß die Sache nun Vollständig zur Ruhe gekommen sei. Meine Antwort mußte ihn vollständig zufriedenstellen, aber ich konnte nicht umhin, zu meiner eigenen Beruhigung ebenfalls eine Concession von ihm zu verlangen.

»Eustace,« sagte ich zu ihm, »bist Du nun vollständig von jenen grausamen Zweifeln geheilt, die Dich einst veranlaßten, von mir zu gehen?«

Seine Antwort machte mich erröthen vor Vergnügen.

»O Valeria, ich würde nimmer von Dir gegangen sein, wenn ich Dich damals erkannt hätte, wie ich Dich jetzt kenne.«

So war also der letzte Zweifel geschwunden.

Selbst die Erinnerung an meine unruhigen und gefahrvollen Tage in London schien meinem Gedächtniß zu entschwinden. Wir gingen völlig Einer in den Andern auf. Wir glaubten, daß unsere Hochzeit erst vor ein oder zwei Tagen stattgefunden. Ein letzter Sieg über mich selbst sollte aber erst mein Glück vollständig machen. Ich fühlte noch immer ein geheimes Verlangen, zu wissen, wie es mit dem zerrissenen Briefe geworden. Wie mächtig die Neugierde ist? Im Besitz alles Dessen, was ein Weib glücklich machen kann, setzte ich noch einmal meinen ganzen Schatz aufs Spiel, um die letzten Vorgänge in Gleninch kennen zu lernen.

Ich ersehnte den Tag, an dem ich genöthigt sein würde, meine geleerte Börse beim Banquier wieder stillen zu lassen. Der Tag kam. Ich ging zum Banquier und verlangte mein Geld, ohne des Briefes Erwähnung zu thun. Sollte Benjamin nicht geschrieben haben? Endlich erschien aus den inneren Räumen ein kleiner Mann mit einem Schreiben in der Hand.

»Ist-das für Sie, Madame?« fragte er.

Ein Blick auf die Adresse ließ mich Benjamins Hand erkennen. Erst als ich wieder in meinem Wagen saß, wagte ich es, den Brief zu öffnen.

Die ersten Worte sagten mir, daß das Experiment mit dem Müllhaufen geglückt und daß die Fragmente des zerrissenen Briefes gefunden seien.

Sechzehntes Capitel.
Der Müllhaufen

Der Kopf schwindelte mir. Ich mußte eine ganze Weile warten, bis ich weiter lesen konnte. Zunächst fiel mein Blick auf einen Satz, nahe dem Ende, der mich überraschte.

An dem Eingange unserer Straße befahl ich dem Kutscher, wieder umzukehren und mich nach dem Bois de Bonlogne zu fahren.

Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Brief genau durchzulesen, damit ich wüßte, wie ich mich nachher meinem Gatten und meiner Schwiegermutter gegenüber zu benehmen hätte.

Das Schreiben begann mit dem Bericht unseres Agenten aus Amerika. Diesem war es gelungen, die Tochter des Verwalters nebst ihrem Gatten in einer kleinen Stadt im Westen aufzufinden.

Seine ersten Fragen lieferten keine ermuthigenden Resultate. Die Frau war etwas confus und schien auch ihrer Erinnerung nicht mehr recht zu trauen. Glücklicher Weise war aber ihr Mann klug und intelligent. Er zog den Agenten bei Seite und sagte: »Ich verstehe meine Frau, Sie aber nicht. Sagen Sie mir, was Sie zu wissen wünschen, und ich werde dann versuchen, es aus ihr herauszubringen.«

Es verstrichen ein Tag und eine Nacht. Am nächsten Morgen sagte der Mann zum Agenten: »Sprechen Sie jetzt mit meiner Frau, sie wird Ihnen antworten Sie müssen nur nicht lachen, wenn sie zu lange bei Kleinigkeiten verweilt. Lassen Sie sie erzählen und hören Sie ruhig zu.«

In Folgendem ist der Bericht der Frau zusammengefaßt.

Sie entsann sich sehr gut, nachdem die Herrschaft Gleninch verlassen, mit dem Reinigen und Lüften der Zimmer betraut worden zu sein. Ihre Mutter war damals krank und konnte ihr nicht helfen. Das Mädchen fühlte sich nicht wohl in dem großen Hause, nach dem, was in demselben vorgefallen. Auf ihrem Wege zur Arbeit sah sie zwei Kinder aus der Nachbarschaft im Park spielen. Die beiden Kinder folgten ihr nach dem Hause. Das Mädchen nahm sie gern mit, als willkommene Gesellschaft in den öden Räumen.

Sie begann ihre Arbeit im Corridor der Gäste, indem sie sich das Sterbezimmer auf dem andern Corridor bis zuletzt aufhob.

In den ersten beiden Zimmern war wenig zu thun.

Das Körbchen für den Auskehricht wurde nicht bis zur Hälfte gefüllt. Das dritte Zimmer, welches von Mr. Dexter bewohnt gewesen, befand sich im schlechteren Zustande als die beiden anderen. Da hier mehr zu thun war, gab sie weniger auf die Kinder Acht. Das Müll wurde von den Dielen gefegt, Asche und Kohlen aus dem Kamin genommen und beides in den Korb geschüttet, als das Mädchen eines der Kinder schreien hörte.

Als sie aufblickte sah sie die Kleinen unter, einem Tisch sitzen. Das Jüngste war in einen leeren Papierkorb gerathen. Das älteste hatte eine alte Flasche mit flüssigem Leim und einen Pinsel darin gefunden und beschmierte mit demselben das Gesicht des Kleinsten. Dieses, sich dagegen wehrend, war schließlich mit dem Papierkorbe umgefallen und hatte geschrieen.

 

Das Mädchen nahm dem ältesten Kinde die Flasche fort und zwickte ihm das Ohr. Dann setzte sie das Kleine wieder zurecht und gebot Beiden, sich ruhig zu verhalten. Dann fegte sie einige Papier-Fragmente, die aus dem Korb gefallen waren, zusammen und warf sie mit sammt der Gummiflasche in den Müllkasten. Dies gethan, machte sie sich an das Reinigen des vierten Zimmers.

Als sie mit den Kindern das Haus wieder verließ, leerte sie ihren Kasten auf den bereits vorhandenen Müllhaufen.

Das war der Bericht, welchen die Verwalterstochter abstattete.

Der Schluß, den Mr. Playmore aus demselben gezogen, war ein entschieden günstiger; denn er gab sich der Hoffnung hin, den zerrissenen Brief auf dem Schutt herauszufinden.

Es war nicht zu vermuthen, daß der Müllhaufen bereits durchstöbert worden war, seit die Herrschaft Gleninch verlassen.

Gleich, nachdem Benjamin den Brief erhalten, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, das Experiment mit dem Zusammensetzen der Papierstücke an dem wirklichen Briefe zu machen.

»Ich glaube beinahe, Sie haben mich mit Ihren Forschungen angesteckt,« schrieb er. »Zu meinem Unglück habe ich nichts zu thun, und mehr Geld als ich gebrauche. Das Resultat davon ist, daß ich mich, mit Mr. Playmore’s Erlaubniß, hier in Gleninch befinde, um den Müllhaufen zu durchsuchen.«

Mr. Benjamin und Mr. Playmore hatten sofort lebhafte Sympathie für einander gefühlt; denn beide waren im höchsten Grade penibel und ökonomisch.

Nachdem Alles auf das Genaueste berechnet war, wurden nach Ablauf einer Woche zwei Leute mit Spaten engagirt, um den Schutt allmälich abzutragen. Außerdem war derselbe, zum Schutz gegen die Einflüsse der Witterung, mit einem Zelt überspannt worden. Schließlich hatten sie auch einen jungen Mann in Sold genommen, welcher längere Zeit bei einem Professor der Chemie gearbeitet hatte und sich vorzüglich darauf verstand, verblichene Schrift wieder herzustellen. Mit diesen Vorbereitungen versehen, machte man sich ans Werk. Benjamin und der junge Mann wohnten in Gleninch, um die Arbeiten jeden Augenblick überwachen zu können.

Drei Tage des Handthierens mit Spaten und Sieb lieferten durchaus kein Resultat. Dadurch ließ man sich aber nicht abhalten, weiter zu forschen.

Am vierten Tage wurden die ersten Papierstückchen gefunden. Nach genauer Prüfung erwiesen sie sich als die Fragmente alter Prospekte von Kaufleuten. Gegen Abend erschienen noch mehrere Stückchen Papier. Im Gegensatz zu den anderen waren diese geschrieben. Mr. Playmore, welcher jeden Abend hinauskam, wurde gefragt, ob er die Handschrift kenne.

Nach genauer Prüfung erklärte er, daß die Zeilen ohne allen Zweifel von Eustace Macallans erster Frau geschrieben waren.

Diese Entdeckung erhöhte den Enthusiasmus der Sucher.

Spaten und Sieb wurden von diesem Augenblicke an außer Thätigkeit gestellt, und nur der sorgfältigeren Hand wurde die Fortsetzung der Arbeit gestattet.

Das Hauptaugenwerk war darauf gerichtet, die Papierstücke, wie sie gefunden waren, in eigens dazu gefertigte flache Kästchen zu legen.

Beim Eintreten der Dunkelheit wurden die Arbeiter entlassen. Benjamin und seine beiden Collegen setzten ihre Forschungen bei Lampenlicht fort. Die Papierstückchen wurden jetzt nach Dutzenden geordnet. Die Arbeit ging gut von Statten. Dann hörten aber die Papierstückchen auf. Sollten sie bereits Alles gefunden haben? Nach fortgesetztem Bemühen kam eine große Entdeckung. Es erschien nämlich die Gummiflasche, von welcher des Verwalters Tochter gesprochen. Dann folgten noch wichtige Resultate, nämlich mehrere Papierstückchen welche durch Gefälligkeit der Gummiflasche aneinandergeklebt waren.

Jetzt wurde die Scene in das Innere des Hauses verlegt, und zwar an den großen Tisch in der Bibliothek.

Benjamins Geschicklichkeit im Zusammensetzen der Papierstücke erwies sich jetzt von großem Nutzen.

Zunächst lag aber dem Chemiker die Aufgabe ob, die Papierstücke derartig von einander loszulösen daß keines derselben verletzt wurde. Es boten sich aber noch andere Schwierigkeiten dar. Das Papier war nämlich, wie es oft bei Briefen geschieht, auf beiden Seiten beschrieben, und es mußte zum vollständigen Verstehen des Inhalts und demzufolge zum Zusammensetzen der einzelnen Theile, jedes Stückchen in der Mitte auseinander gerissen werden, so daß zwei weiße Seiten entstanden welche dann, nach Ueberstreichung mit seinem Cement, zur ursprünglichen Form des Schreibens zu vereinigen waren.

Dieses Kunststück hätten Mr. Benjamin und Mr. Playmore niemals zu Wege gebracht, wenn das Papier nicht vom stärksten Notenpapier gewesen wäre, und wenn die geschickten Hände des Chemikers die Aufgabe nicht in kurzer Zeit und vollständig zweckdienlich gelöst hätten.

Nachdem also der erste Brief auf diese Weise zusammengesetzt und von Mr. Benjamin und Mr. Playmore geprüft worden war, ergab sich ein vollständiger Sinn. Der erste glücklich ausgefallene Versuch berechtigte zu den schönsten Erwartungen für die Zukunft. Obgleich keine Ueberschrift vorhanden, ging doch aus dem ganzen Ton hervor, daß der Brief nur an eine Person gerichtet sein konnte.

Diese eine Person war mein Gatte.

Außerdem sprachen alle Anzeichen dafür, daß dieser Brief derselbe war, welchen Miserrimus Dexter nach Beendigung des Prozesses unterschlagen und nachher zerrissen hatte.

Das waren die Entdeckungen bis zu der Zeit, als Benjamin an mich geschrieben. Er war im Begriff gewesen, seinen Brief zur Post zu geben, als Mr. Playmore ihn daran verhindert hatte, unter dem Vorgeben daß er einige Tage später mir noch mehr mitzutheilen haben werde. »Wir sind ihr die Mittheilung unserer Resultate schuldig,« hatte der Anwalt gesagt, denn ohne ihre Vorarbeiten bei Miserrimus Dexter 2c. würden wir nie zur Untersuchung des Müllhaufens gekommen sein. Ihr Verdienst also in Ehren. Dennoch lassen Sie uns noch einige Tage mit Abschickung des Briefes warten, weil ich ihr gern ein umfassendes Resultat mittheilen möchte.

Nach Ablauf jener drei Tage wurde der Brief in Ausdrücken abgefaßt, welche mich in Aufregung versetzten: »Der Chemiker schreitet rasch mit seinen Arbeiten vor,« schrieb Benjamin, »und mir selber ist es geglückt, einen Theil des zerrissenen Briefes so zusammenzusetzen, daß es zum Verständniß führt. Dasselbe leitet zu überraschenden Schlüssen. Wenn Mr. Playmore und ich nicht gänzlich im Dunkeln tappen, liegt die ernstlichste Nothwendigkeit für Sie ob, den mit vieler Mühe wiederhergestellten Brief für Jedermann geheim zu halten. Die Enthüllungen welche durch das Entdeckte zu Tage getreten sind so entsetzlicher Natur, daß sich meine Feder sträubt, sie zu copiren bis es mir durch die absolute Nothwendigkeit geboten sein wird. Entschuldigen Sie, daß ich durch diese Nachrichten Ihren Frieden störe. Früher oder später müssen wir doch mit Ihnen über diese Angelegenheiten reden, und dann ist es besser, wenn Sie bereits vorbereitet sind: Diesem Briefe war noch ein Postscriptum von Mr. Playmore’s Hand beigefügt:

»Bitte, lassen Sie ja die Vorsicht walten,

»welche Mr. Benjamin Ihnen anempfiehlt und

»nehmen Sie dies noch als eine Warnung

»von mir. Wenn es uns gelingt, den ganzen

»Brief zusammenzusetzen, so ist diejenige Per-

»son, die ihn unter keinen Umständen sehen

»darf – Ihr Gatte.«