Бесплатно

Gesetz und Frau

Текст
Автор:
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена

По требованию правообладателя эта книга недоступна для скачивания в виде файла.

Однако вы можете читать её в наших мобильных приложениях (даже без подключения к сети интернет) и онлайн на сайте ЛитРес.

Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

Siebzehntes Capitel.
Die verzögerte Krisis

»Sehen Sie Sich vor, Valeria!« sagte Mrs Macallan. »Ich befrage Sie nicht, ich empfehle Ihnen nur Vorsicht, um Ihrer selbst willen. Eustace hat dasselbe bemerkt, was mir ausgefallen ist. Es ist eine Veränderung mit Ihnen vorgegangen. Also nehmen Sie Sich in Acht.«

So sagte mir meine Schwiegermutter, als wir später am Tage miteinander allein waren. Ich hatte mein Bestes gethan, um die Spuren zu verwischen welche die schreckliche Nachricht von Gleninch in mir zurückgelassen. Wer aber konnte lesen, was ich gelesen, wer konnte fühlen was ich gefühlt, ohne in Blick und Mienen die geringste Veränderung zu verrathen? Selbst wenn ich der elendeste Heuchler unter der Sonne gewesen, bezweifle ich, dass ich mein Geheimniß vor aller Welt hätte verbergen können.

Nachdem Mrs. Macallan das Wort der Vorsicht gesprochen, ging sie nicht ferner auf den Gegenstand ein. Sie that Recht daran; obgleich es hart für mich war, ohne den geringsten Rath den Weg der Pflicht zu finden, den ich meinem Gatten gegenüber einzuschlagen hatte. Bei seiner angegriffenen Gesundheit ihm Benjamins Brief zu zeigen und ihm die mir zugegangene Warnung mitzutheilen war einfach unmöglich. Da ich mich aber einmal verrathen hatte, ging es wiederum nicht an, ihn gänzlich im Dunklen zu lassen. Ich dachte die ganze Nacht darüber nach. Als der Morgen kam, entschloß ich mich, meinen Mann in’s Vertrauen zu ziehen. Ich ging direct auf das Ziel los: »Eustace,« begann ich, »Deine Mutter hat mir gestern gesagt, daß Du eine Veränderung an mir bemerkt. Ist das richtig?«

»Ganz richtig, Valeria,« sagte er in leiseren Tönen als gewöhnlich und indem er mich nicht anblickte.

»Wir haben jetzt einander nichts zu verbergen,« antwortete ich. »Ich muß Dir daher sagen daß ich bei unserem Banquier einen Brief aus England fand, der mich sehr beunruhigte. Willst Du mir Zeit lassen, ehe ich darüber deutlicher spreche, und willst Du mir glauben, daß ich als treues Weib gegen Dich handele, indem ich dieses Gesuch an Dich richte?«

Eustace antwortete nicht. Ich bemerkte, daß er einen inneren Kampf kämpfte. War ich zu weit gegangen? hatte ich die Stärke meines Einflusses überschätzt? Mein Herz klopfte, meine Stimme zitterte, aber ich sammelte Muth genug, um seine Hand zu nehmen und noch eine Bitte an ihn zu richten.

»Eustace,« sagte ich, »hast Du noch nicht gelernt, mir zu vertrauen?«

Zum ersten Mal blickte er mich an. Ich sah, wie die letzte Spur des Zweifels aus seiner Miene erstarb.

»Du versprichst mir, früher oder später die ganze Wahrheit zu enthüllen?« sagte er.

»Ich verspreche es Dir von ganzem Herzen.«

»Ich vertraute Dir, Valeria!«

Sein ehrliches Auge verrieth mir, daß er es meinte, wie er es sprach. Wir besiegelten unseren Contrakt mit einem Kuß.

Noch an demselben Tage beantwortete ich Benjamins Brief, erzählte ihm, was ich gethan und bat ihn und Mr. Playmore, mich von den ferneren Vorgängen in Gleninch in Kenntniß zu setzen.

Mr. Playmores nächste Nachricht enthielt unter Anderem Folgendes:

»Spätestens in 14 Tagen hoffe ich Ihnen eine vollständige Copie senden zu können. Unterdessen kann ich Ihnen auch mittheilen daß die sonst beklagenswerthe Sache auch ihre glänzende Seite hat, indem das Dokument, sowohl gesetzlich wie moralisch, Ihres Gatten Unschuld beweist. Es könnte jedenfalls als Entlastungs-Instrument benutzt werden, wenn Ihr Gatte darin willigte, die Rücksicht gegen die Todte vergessend, es zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Verstehen Sie mich wohl, er kann nicht noch einmal verhört werden, und zwar technischer Gründe wegen mit denen ich Ihnen nicht beschwerlich fallen will. Aber wenn die Facta welche bei dem Verhör genannt wurden, sich wiederum bewahrheiten, könnte es allerdings zu einem neuen Verhör kommen, und das Verdict eines zweiten Gerichtshofes würde unzweifelhaft Ihren Gatten von jeder Schuld freisprechen. Halten Sie diese Mittheilung vorläufig geheim, und lassen Sie in Ihrer Stellung, Eustace gegenüber, keine Veränderung eintreten bis Sie die vollständige Copie des zu erwartenden Briefes gelesen haben.«

Ich wartete also.

Die 14 Tage waren noch nicht vorüber, als die vollständige Zusammensetzung des Briefes gelang. Einige kleinere unbedeutende Streifen abgerechnet, deren fehlende Buchstaben ergänzt werden mußten, war das Werk beendet, und die Copie desselben gelangte an meine pariser Adresse.

Bevor ich meine Leser mit dem Inhalte dieses schrecklichen Briefes bekannt mache, ersuche ich sie um die Gefälligkeit, sich noch einmal die Umstände recapituliren zu lassen, unter denen Eustace Macallan seine erste Frau heirathete.

Erinnern Sie Sich also, daß das arme Geschöpf sich in ihn verliebte, ohne seine Gegenneigung zu erwecken. Erinnern Sie Sich, daß er Alles that, um ihre Gesellschaft zu vermeiden, und daß er, als er die Entdeckung, ihrer Liebe machte, sich heimlich von ihr entfernte und nach London zurückging. Erinnern Sie Sich ferner, daß sie, ohne sich vorher angemeldet zu haben, in seiner Wohnung in London eintraf, daß er sich bemühte ihren Ruf zu retten, daß ihm dies ohne seine Schuld fehlschlug, und daß er endlich, in einer Anwandlung halber Verzweiflung, die Sache durch eine schnelle Heirath beendete, um den Skandal zu unterdrücken, der ihr sonst bis an das Ende ihrer Tage angehaftet haben würde. Ziehen Sie dies Alles in Betracht und vergessen Sie nicht, daß er dennoch sein Möglichstes that, um den Widerwillen zu unterdrücken, den die Unglückliche ihm einflößte, und daß er wenigstens ein aufmerksamer Gatte war, wenn er auch kein liebevoller sein konnte.

Und nun lesen Sie den Brief und beurtheilen Sie ihn so milde wie möglich.

Achtzehntes Capitel.
Das Bekenntnis der Frau

»Gleninch, 19. October 18 . .
Mein Gatte!

Ich habe Dir über einen Deiner Freunde etwas sehr Schmerzliches mitzutheilen.

Du hast mich niemals ermuthigt, Dir vertrauensvoll zu begegnen. Wenn Du mir die Rechte eingeräumt hättest, welche andere Frauen genießen, würde ich zu Dir gesprochen haben, während ich nun gezwungen bin, zu schreiben. So sei es denn.

Der Mann, vor dem ich Dich zu warnen habe, ist ein Gast Deines Hauses, Miserrimus Dexter. Es giebt kein falscheres und elenderes Geschöpf auf der Erde. Wirf meinen Brief nicht fort. Ich wurde ihn nicht geschrieben haben, wenn ich nicht die völlige Ueberzeugung gewonnen, daß Alles, was ich schreibe, wahr ist.

Du wirst Dich erinnern, daß ich meine Mißbilligung darüber äußerte, als Du mir mittheiltest, der Mann würde uns besuchen. Hättest Du mir Zeit gelassen, würde ich Dir Gründe für jene Mißbilligung angeführt haben. Du wolltest ja aber nicht warten, sondern beschludigtest mich der ungerechtfertigten Abneigung gegen die Verkrüppelung Deines Freundes. Ich habe nie ein anderes Gefühl gegen Unglückliche gehabt, als das des Mitleids. Was aber Mr. Dexter betrifft, so weigerte ich mich, ihn als Gast zu empfangen, weil er früher um meine Hand angehalten und weil ich mich deshalb des Gedankens nicht entschlagen konnte, er werde mich auch ferner noch mit seiner entsetzlichen schuldbewußten Liebe verfolgen.

War es nicht die Pflicht eines treuen Weibes, zu handeln, wie ich es gethan? War es nicht Deine Pflicht als ehrenwerther Gatte, mich zur Nennung meiner Gründe aufzufordern?

Mr. Dexter wurde also für viele Wochen unser Gast, und er wagte es, mir abermals von seiner Liebe zu sprechen. Er beleidigte uns Beide, indem er erklärte, daß er mich anbetete und daß Du mich haßtest. Er versprach mir an seiner Seite endlose Glückseligkeit in einem fernen Lande, und prophezeite mir an Deiner Seite unendliches Elend in einer trüben Häuslichkeit.

Weshalb sprach ich nicht zu Dir, damit Du dies Ungeheuer gehen hießest?

War ich aber gewiß, daß Du mir Glauben schenken, und Deinem Freunde mißtrauen würdest? Ich hörte Dich einst sagen, daß die häßlichen Frauen immer die eitelsten wären. Vielleicht hättest Du mich auch der Eitelkeit beschuldigt.

Ich will mich aber nicht unter diese Anklage flüchten. Ich bin ein armes eifersüchtiges Geschöpf, immer in Zweifel, ob Du mich liebst; immer in Zweifel, ob Du eine Andere mir vorziehst. Aus dieser meiner Schwäche hat Dexter Vortheil gezogen. Er versprach, mir zu beweisen, daß ich Dir eine Last sei, daß Du vor meiner Berührung zurückschrecktest, und daß Du den Tag verfluchtest, an dem Du mich zu Deinem Weibe gemacht. So lange ich es vermocht, widerstrebte ich der Versuchung, seine Beweise kennen zu lernen. Es war eine entsetzliche Versuchung, deshalb hatte ich nicht die Kraft, ferner gegen sie anzukämpfen. Ich verbarg den Widerwillen, den der Elende mir einflößte; ich gab ihm die Erlaubniß zu reden, ich gestattete dem Feinde meines Gatten, mich in sein Vertrauen zu ziehen? Und weshalb that ich das? Weil ich Dich liebte; einzig und allein, weil ich Dich liebte. Vergieb mir, Eustace! Das war meine erste Sünde gegen Dich, und es soll auch meine letzte sein.

Ich will mich nicht schonen, sondern Dir ein volles, wahres Bekenntniß ablegen. Du wirst es mich vielleicht entgelten lassen, was ich gethan; aber Du wirst wenigstens gewarnt sein und Deinen Freund in seiner wirklichen Gestalt erblicken.

Ich sagte zu ihm, »wie können Sie beweisen, daß mein Gatte mich im Geheimen haßt?«

»Durch seine eigene Handschrift,« antwortete er. »Sie sollen sein Tagebuch lesen!«

Ich sagte: »das Tagebuch und die Schieblade, in der es liegt, sind verschlossen.«

Er antwortete: »ich kann ohne jegliches Risiko in den Besitz des Tagebuches gelangen. Ich muß Sie nur bitten, mir Gelegenheit zu einem ungestörten Beisammensein zu geben. Ich werde dann das offene Tagebuch mitbringen.«

 

Ich sagte: »wir kann ich Ihnen diese Gelegenheit geben?«

Er deutete auf den Schlüssel in der Verbindungsthür zwischen meinem Zimmer und der kleinen Bibliothek. Er sagte, bei meiner Verkrüppelung werde ich die erste Gelegenheit, Sie hier unbelauscht sprechen zu können, vielleicht nicht zu benutzen vermögen. Ich muß meine Zeit abwarten. Lassen Sie mich diesen Schlüssel nehmen und die Thür verschlossen bleiben. Wenn der Schlüssel vermißt wird, und Sie, mit der Angabe, daß die Thür verschlossen sei, kein Gewicht darauf legen, wird die Geschichte in Vergessenheit gerathen, und ich werde, ohne Verdacht zu erregen, Sie stets ungestört sprechen können. Wollen Sie das thun?«

Ich that es.

Ja! Ich wurde die Mitschuldige dieses doppelzüngigen Elenden. Ich habe mich selbst entwürdigt und Dich beleidigt, indem ich darin willigte, Dein Tagebuch zu lesen. Ich bin ganz durchdrungen von der Schlechtigkeit meiner Handlung. Ich kamt Dir nur wiederholen, daß ich Dich liebe und in der Befürchtung lebe, nicht wieder geliebt zu werden.

Und Miserrimus Dexter erbietet sich, meine Zweifel zu enden, indem er mir Deine geheimsten Gedanken zeigt, durch Deine eigene Handschrift bestätigt.

Zu diesem Behuf soll er, während Deiner Abwesenheit, im Verlauf der nächsten beiden Stunden mit mir zusammenkommen. Ich soll mich damit zufrieden erklären, nur einmal in das Tagebuch zu blicken, und ihm die Erlaubniß geben, am andern Tage zu derselben Zeit mit seinem Beweisstück wiederkommen zu dürfen. Bevor dies geschieht, wirst Du diese Zeilen durch meine Wärterin empfangen. Nachdem Du sie gelesen, gehe aus wie gewöhnlich, kehre unbemerkt zurück und öffne die Schieblade, in welcher Du Dein Tagebuch verborgen hältst. Du wirst es nicht finden. Stelle Dich in der Bibliothek auf die Lauer, und Du wirst, wenn Dexter mich verläßt, Dein Tagebuch in seinen Händen sehen.«

October 20.

»Ich habe Dein Tagebuch gelesen.

Endlich weiß ich, wie Du über mich denkst. Ich habe gelesen, was Miserrimus Dexter mir angekündigt hatte: daß ich Dir eine Bürde sei für das ganze Leben.

Du wirst das, was ich Dir gestern geschrieben, nicht zu der Zeit und durch die Gelegenheit erhalten, wie ich es beabsichtigt. Ich muß heute noch einige Worte hinzufügen Nachdem ich dann das Couvert gesiegelt und an Dich, adressirt, werde ich es unter mein Kopfkissen legen. Es wird dort gefunden werden, wenn man mich in den Sarg legt. Dann, wenn es zu spät, zu hoffen oder zu helfen, wirst Du meine letzten Worte erhalten.

Ich habe genug von meinem Leben. Ich muß sterben.

Außer der Liebe zu meinem Dasein hatte ich Dir bereits Alles geopfert. Nun ich weiß, daß ich Deine Gegenneigung nie erwerben kamt, wird mir das letzte Opfer leicht gemacht. Mein Tod wird Dir die Freiheit geben, Mrs. Beanly zu heirathen. Du glaubst nicht, welche Selbstbeherrschung es mich kostet, meinen Haß gegen sie zu unterdrücken und nicht die Bitte an sie zu richten, daß sie ihren Besuch während meiner Krankheit einstellen möge. Ich konnte es aber nicht übers Herz bringen, dies zu thun, wiederum weil ich Dich liebte, wiederum weil ich fürchtete, Dir meine Eifersucht zu zeigen. Und wie wußtest Du mir Dank? Laß Dein Tagebuch antworten: »Ich gab ihr heute Morgen einen zärtlichen Kuß, und ich hoffe, das arme Wesen wird die Ueberwindung nicht bemerkt haben, die es mich kostete.« Ich habe das Geheimniß also jetzt entdeckt. Ich weiß, daß Du Dein Zusammenleben mit mir als die Hölle bezeichnest. Ich weiß, daß Du Dir aus Mitleid Mühe gabst, nicht vor mir zurückzuweichen, wenn ich Dich liebkosen wollte. Ich bin nur ein Hinderniß zwischen Dir und der Frau, die Du anbetest und vergötterst. Ich will Dir nicht länger im Wege stehen. Es ist weder ein Opfer von mir, noch ein Verdienst für mich. Das Leben ist mir unerträglich geworden.

Ich habe die Mittel zum Sterben dicht bei der Hand.

Das Arsenik, welches ich Dich bat, mir zu kaufen befindet sich in meinem Toilettekästchen. Ich täuschte Dich, indem ich es für andere Zwecke verlangte. Mein ursprünglicher Grund war, den Versuch zu machen, ob es mir durch Anwendung des Arseniks nicht gelingen würde, meinen Teint zu bessern, nicht etwa aus Eitelkeit, sondern um Dir angenehm zu erscheinen. Ich nahm etwas zu diesem Behuf, aber ich ließ genug übrig, um mich tödten zu können. So hat denn das Gift doch seinen Zweck erfüllt. Es sollte mich von einem schlechten Teint befreien so befreit es Dich von einer häßlichen Frau. Laß meine Leiche nicht nach meinem Tode öffnen, sondern zeige diesen Brief dem Arzt, der mich behandelt. Meine Handschrift wird bestätigen daß ich Selbstmörderin war; sie wird verhüten daß Unschuldige in Verdacht kommen. Ich will Niemand getadelt oder bestraft wissen. Ich vernichte die Firma des Chemikers und reinige sorgsam die Flasche vom Gift.

Nun mein Lebewohl und noch einige Worte über mein letztes Gespräch mit Dir.

October 21. 2 Uhr Morgens.

Ich wies Dich gestern aus dem Zimmer, als Du eintratest, mich zu fragen, wie ich die, Nacht verbracht. Dann sprach ich, als Du mich verlassen, schmachvolle Worte über Dich zu der bezahlten Wärterin. Vergieb mir das. Ich bin fast außer mir. Du weißt weshalb.

¼4 Uhr Morgens.

O, mein Gatte! Ich habe die That gethan, welche Dich von dem verhaßten Weibe befreien wird. Ich habe das ganze Gift genommen das noch in dem Papier vorräthig war. Wenn es nicht genug sein sollte, habe ich noch mehr in der Flasche.

10 Minuten nach fünf.

Du bist gerade hinausgegangen nachdem Du mir die Medizin gereicht. Bei Deinem Anblick sank mir der Muth. Ich dachte bei mir selbst, wenn er mich freundlich ansieht werde ich ihm gestehen, was ich gethan und ihn bitten, mein Leben zu retten. Du blicktest mich aber gar nicht an. Ich ließ Dich gehen, ohne ein Wort zu sprechen.

½6 Morgens.

Ich fühle die ersten Wirkungen des Giftes. Die Wärterin schläft am Fuß des Bettes. Ich will sie nicht wecken Ich will sterben.

½10 Morgens.

Die Schmerzen wurden zu heftig – Ich mußte die Wärterin wecken. Der Arzt ist gekommen.

Man beargwohnt Niemand. Merkwürdig, der Schmerz hat mich wieder verlassen. Ich habe jedenfalls zu wenig von dem Gift genommen. Ich muß die Flasche öffnen. Mein Wunsch zu sterben ist unverändert. Ich habe der Wärterin verboten, Dich zu rufen. Sie ist auf meinen Wunsch hinuntergegangen. Ich kann unbeachtet das Arsenik aus meinem Toilettenkästchen nehmen.

10 Minuten vor 10 Morgens.

Ich hatte gerade Zeit, die Flasche zu verbergen, als Du abermals in mein Zimmer tratest.

Ein anderer Moment der Schwäche überschlich mich, als ich Dich erblickte. Ich entschloß mich, mir noch eine letzte Chance zu gestatten, um leben zu bleiben; das heißt, ich wollte Dir noch eine Gelegenheit bieten, freundlich gegen mich zu sein. Ich bat Dich, mir eine Tasse Thee zu reichen. Wenn Du bei dieser Verrichtung mich nur durch ein gütiges Wort, durch einen freundlichen Blick ermuthigt hättest, würde ich die zweite Dosis des Giftes nicht genommen haben.

Du erfülltest meinen Wunsch, aber Du warst nicht gütig. Du reichtest mir den Thee, Eustace, als wenn man einem Hunde zu trinken giebt. Und dann wundertest Du Dich, daß ich die Tasse fallen ließ, als ich sie Dir zurückgeben wollte. Ich konnte nicht anders. Meine Hand zitterte. Wenn Du an meiner Stelle gewesen wärest, würde Deine Hand ebenfalls gezittert haben, mit dem Arsenik unter den Betttüchern. Ehe Du von mir gingst, wünschtest Du höflich, daß der Thee mir gut bekommen möge, und Du blicktest mich nicht einmal an dabei. Du sahest auf die zerbrochene Tasse.

Als Du mich verlassen hattest, nahm ich wiederum Gift, diesmal die doppelte Dosis.

Ich habe hier noch eine kleine nachträgliche Bemerkung zu machen.

Als ich die Firma von der Flasche entfernte, und sie in meinem Toilettenkästchen zurücklegte, fiel es mir ein, daß ich dieselbe Vorsicht nicht auf das leere Packet, mit der Firma des anderen Chemikers, ausgedehnt hatte. Ich warf es zwischen andere Papiere. Die Wärterin beklagte sich über all’ die Schnitzel, raffte sie zusammen und brachte sie fort. Ich hoffe, daß der Chemiker durch meine Sorglosigkeit keine Unannehmlichkeiten gehabt haben möge.

Dexter hat Dein Tagebuch wieder in die Schublade gelegt und drängt mich um seine Antwort auf die Vorschläge. Hat denn dieser Elende gar kein Gewissen? Wenn dem so ist, wird er es schlagen fühlen; wenn mein Tod ihm die Antwort giebt.

Die Wärterin ist wieder in meinem Zimmer gewesen. Ich habe sie fortgeschickt, weil ich allein sein wollte.

Was ist denn eigentlich die Uhr? Kommen die Schmerzen schon wieder über mich?

Mögen sie mir nur noch so viel Zeit lassen, meinen Brief zu beenden und zu adressiren. Dann werde ich ihn unter dass Kopfkissen legen, damit man ihn nach meinem Tode findet.

So lebe denn wohl. Ich wünsche, ich wäre hübscher gewesen. Liebender hätte ich nicht sein können. Noch jetzt möchte ich Dein Antlitz sehen; noch jetzt, wenn Du bei mir wärest, möchte ich Dir das Geständniß dessen machen, was ich gethan, damit Du mich retten könntest, ehe es zu spät ist. Aber Du bist nicht hier. Es ist auch wohl besser so.

Noch einmal Lebewohl! Sei glücklicher, als Du es mit mir gewesen bist. » Ich liebe Dich, Eustace, und vergebe Dir.

Wenn Du einmal nichts Anderes zu denken hast, dann erinnere Dich zuweilen und freundlich, wenn es Dir möglich, Deiner armen, häßlichen

Sarah Macallan.«

Neunzehntes Capitel.
Was konnte ich sonst noch thun?

Sobald ich meine Thränen getrocknet und mich nach Lesung des jammervollen Lebewohls wieder ein wenig gesammelt hatte, flogen meine Gedanken zu Eustace. Er durfte nimmer lesen, was ich gelesen.

Zu diesem Ende war es also gekommen! Ich hatte mein Leben daran gesetzt, ein Ziel zu erreichen, und nun war es erreicht. Dort auf dem Tische vor mir lag der Unschuldsbeweis meines Mannes, und aus Barmherzigkeit mit ihm, aus Barmherzigkeit mit dem Andenken seiner verstorbenen Frau bestand meine ganze Hoffnung darin, daß er diese Zeilen nimmer lesen möge.

Ich blickte auf die seltsamen Umstände zurück, unter denen der Brief entdeckt worden war. Wie schrumpfte nun mein eigenes Verdienst zusammen. Der geringfügigste Umstand hätte den ganzen Lauf der Begebenheiten ändern können. Ich hatte mich fortwährend bemüht, Ariel zu verhindern, ihren Herrn um die Geschichte zu bitten. Wenn sie trotz meiner Einmischung nicht zum Ziel gelangt wäre, würden Miserrimus Dexters letzte klare Gedanken vielleicht nimmer auf die Tragödie von Gleninch gekommen sein. Und wiederum, wenn ich meinen Stuhl bewegt, und Benjamin dadurch das Signal zum Einstellen seines Schreibens gegeben, würde er nicht die anscheinend sinnlosen Worte aufgezeichnet haben, welche zur Entdeckung der Wahrheit führten. Wenn ich auf jene Begebenheiten zurückblickte, mußte mir der Brief Schrecken einflößen. Ich verfluchte den Tag, an welchem seine Fragmente gefunden worden. Gerade zu der Zeit, wo Eustace seine Gesundheit wieder erlangt, gerade zu der Zeit, die uns in Glück und Freude vereinigt und uns in ein oder zwei Monaten Vater- und Mutterfreuden verhieß, gerade in dieser Zeit tauchte das dunkle Gespenst von Gleninch wieder auf. Aus jenem Briefe blickte es mich an und bedrohte meines Gatten Ruhe, wenn nicht sein Leben. Die Stunde schlug von der Uhr unter dem Spiegel. Es war die Zeit, in welcher Eustace mir seinen Morgenbesuch zu machen pflegte. Er konnte jeden Augenblick eintreten und mir den Brief ans der Hand reißen. In, einem Anfall des Schreckens ergriff ich das elende Papier und warf es ins Feuer. Es war ein Glück, daß ich nur die Copie besaß. Hätte ich das Original gehabt, würde es dasselbe Schicksal ereilt haben. Der letzte Rest des Briefes war eben verglimmt, als Eustace eintrat.

Er blickte nach dem Feuer. Der graue Rauch des verbrannten Papieres stahl sich eben in den Schornstein Eustace wußte, daß ich den Brief erhalten. Beargwöhnte er, was ich gethan? Er sagte nichts, sondern blickte ernst in das Feuer. Dann trat er näher und heftete seine Augen auf mich. Ich glaube, daß ich sehr bleich war. Seine ersten Worte fragten mich, ob ich krank sei.

Ich war entschlossen, ihn nicht zu täuschen.

»Ich fühle mich allerdings etwas nervös erregt,« antwortete ich.

 

Er sah mich wieder an, als wenn er noch mehr erwartete.

Ich blieb stumm. Er zog einen Brief aus der Brusttasche seines Rockes und legte ihn auf den Tisch, auf denselben Platz, den soeben der andere eingenommen.

»Ich habe auch diesen Morgen einen Brief gehabt,« sagte er.

»Und ich, Valeria, habe keine Geheimnisse vor Dir.«

Ich verstand den Vorwurf, der in meines Mannes letzten Worten war, aber ich ließ denselben unbeantwortet.

»Wünschest Du, daß ich ihn lesen soll?« war Alles, was ich darauf erwiderte.

»Ich habe bereits gesagt, daß ich keine Geheimnisse vor Dir habe,« wiederholte er. »Das Couvert ist offen. Ueberzeuge Dich, was darinnen ist.«

Ich nahm aus dem Couvert nicht etwa einen Brief, sondern einen Ausschnitt ans einer schottischen Zeitung.

»Lies es,« sagte Eustace.

Ich las Folgendes:

»Seltsame Vorgänge in Gleninch.

In Mrs. Macallans Landhause scheint sich ein Roman des wirklichen Lebens abspielen zu wollen. Auf einem vereinsamten Müllhaufen haben geheime Nachgrabungen stattgefunden. Jedenfalls ist etwas entdeckt worden, man weiß aber noch nicht was. So viel steht fest, daß vor einigen Wochen zwei Fremde nach Gleninch kamen, welche unter Beaufsichtigung unseres Landsmannes Mr. Playmore Tag und Nacht in der Bibliothek bei verschlossenen Thüren arbeiteten. Sollte dennoch ein neues Licht auf die geheimnißvollen Vorgänge geworfen werden, welche unsere Leser aus der Vergangenheit von Gleninch kennen gelernt haben? Vielleicht kann Mr. Macallan bei seiner Rückkehr Aufschluß darüber geben. Bis dahin müssen wir unsere, Neugier bezähmen.«

Ich legte den Zeitungsausschnitt mit keiner sehr dankbaren Gesinnung gegen den Schreiber auf den Tisch. Wahrscheinlich die Hinterbringung eines Reporters und die Uebersendung eines Unbefugten. Da ich durchaus nicht wußte, was ich sagen sollte, wartete ich, bis Eustace sprechen würde.

»Verstehst Du, was das bedeuten soll, Valeria?«

Ich antwortete bejahend.

Er wartete wiederum, als wenn er noch mehr von mir hören wollte. Ich schwieg.

»Soll ich denn nicht mehr erfahren, als ich bis jetzt weiß?« sagte er nach einer Pause. »Willst Du mir nicht mittheilen, was in meinem Hause geschieht?«

»Du hast versprochen, mir zu vertrauen,« begann ich.

Er gab das zu.

»Um Deiner selbst willen muß ich Dich bitten, Eustace, mir dies Vertrauen noch etwas länger zu schenken. Du sollst Alles wissen, wenn Du mir noch etwas mehr Zeit läßt.«

»Wie lange soll ich denn noch warten?« fragte er mit gerunzelter Stirn.

Ich sah ein, daß die Zeit gekommen, wo das Hinhalten nichts mehr nützen konnte.

»Küsse mich,« sagte ich, »bevor ich Dir erzähle.

Er zögerte, aber ich bestand darauf. Er gab nach. Nachdem er mir einen, gerade nicht sehr zärtlichen Kuß gegeben, bestand er von Neuem darauf, zu wissen, wie lange er noch zu warten habe.

»Bis unser Kind geboren ist,« sagte ich.

Die Bedingung setzte ihn in Erstaunen. Ich preßte zärtlich seine Hand und blickte ihn freundlich an.

»Sage Du mir, daß Du damit zufrieden bist,« entgegnete ich.

Er bestätigte es mir.

So hatte ich wiederum Zeit gewonnen mit Benjamin und Mr. Playmore zu berathschlagen. Während Eustace mit mir im Zimmer war, hatte ich der Tröstung genug gewonnen, um mit ihm sprechen zu können. Als er mich aber bald nachher verließ, überkam mich tiefe Trauer, wenn ich daran dachte, wodurch ich so viele Güte und Nachsicht wohl verdient. Endlich erleichterte ein Thränenstrom die Bedrückung meiner Seele.