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Märgi loetuks
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»Ach, Mr. Vendale,« sagte sie traurig, es wäre freundlicher gewesen, wenn Sie Ihr Geheimniß niemals aus gesprochen hätten. Haben Sie den Unterschied vergessen, der uns trennt? Es kann nie, nie geschehen.«

»Es kann uns nur eins von einander trennen, Marguerite – Ihr Wort. Meine Geliebte, mein Kleinod, es giebt keinen höheren Grad der Herzensgüte, keinen höheren Grad der Schönheit, als Du besitzest. Komm! flüstre mir das eine kleine Wörtchen zu, welches mir versichert, daß Du mein Weib werden willst.«

Sie seufzte schwer. »Denken Sie an Ihre Familie und an die meine,« flüsterte sie.«

Vendale zog sie ein Weniges näher zu sich heran. »Wenn Sie dergleichen Kleinigkeiten nur erwähnen, so muß ich glauben, Sie beleidigt zu haben.«

Sie sah zu ihm empor. »Nein! nein!« rief sie unschuldvoll. In demselben Augenblick, in dem die Worte über ihre Lippen gingen, wurde es ihr klar, welche Auslegung ihnen gegeben werden konnte. Das Bekenntniß war ihr ohne ihr Wollen entschlüpft. Ein liebliches Erröthen überzog ihr Antlitz. Sie machte einen vergeblichen Versuch sich von den Armen des Geliebten los zu machen.

Sie sah ihn flehend an. Sie versuchte zu sprechen. Die Worte starben in dem Kuß, den Vendale auf ihre Lippen drückte. »Lassen Sie mich, Mr. Vendale,« sagte sie schwach.

»Nenne mich George.«

Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust. Das Herz strömte ihr über. »George,« flüsterte sie.

»Sage, daß Du mich liebst.«

Ihre Arme umfaßten sanft seinen Nacken. Ihre Lippen berührten schüchtern seine Wange und sie flüsterte die beseligenden Worte – »Ich liebe Dich!«

Durch das tiefe Schweigen, welches folgte, vernahm man deutlich das Oeffnen und Schließen der Hausthür und um so deutlicher, als auf der Straße Todtenstille herrschte.

Marguerite sprang auf.

»Laß mich fort,« sagte sie. »Er kommt!«

Sie eilte aus dem Zimmer, im Vorübergehen Madame Dor auf die Schulter klopfend. Madame Dor erwachte mit einem lauten Seufzer, sah erst über die eine, dann über die andre Schulter, blickte in ihren Schooß und gewahrte weder Strümpfe, noch Wolle noch Stopfnadel darin. In diesem Augenblicke vernahm man Fußtritte, welche die Treppe heraufkamen. »Mon Dieu!« sagte Madame Dor und wendete sich heftig zitternd dem Ofen zu. Vendale suchte in höchster Eile Strümpfe und Knäul vom Boden auf und schleuderte den ganzen Haufen über die Schulter der Dame. »Mon Dieu!« sagte Madame Dor zum zweiten Mal, als die Wolllawine in ihren geräumigen Schooß niederwetterte. Die Thür öffnete sich,« Obenreizer trat ein. Sein erster Blick in das Zimmer sagte ihm, daß Marguerite fehle! »Was!« rief er aus. Meine Nichte nicht da? Meine Nichte nicht da, um Sie während meiner Abwesenheit zu unterhalten. Das ist unverzeihlich. Ich werde sie sogleich holen.«

Vendale hielt ihn zurück.

»Ich bitte Miß Obenreizer nicht zu stören,« sagte er. »Sie sind ohne Ihren Freund wiedergekommen, wie ich sehe.«

»Mein Freund ist bei unserm unglücklichen Landsmann zurückgeblieben, um ihn zu trösten. Eine herzbrechende Scene, Mr. Vendale! Die Wirthschaft wandert zum Pfandleiher – die Fantilie schwimmt in Tränen. Wir verstummten Alle. Mein bewunderungswürdiger Freund war der einzige, der Fassung behielt. Er ließ auf der Stelle eine Flasche Wein holen.«

»Könnte ich wohl ein Wort allein mit Ihnen reden, Mr. Obenreizer?«

»Gewiß.« Er wandte sich an Madame Dor. »Meine Beste, Sie bedürfen der Ruhe. Mr. Vendale ist so gütig, Sie zu entschuldigen.«

Madame Dor erhob sich und machte sich seitwärts auf die große Reise vom Ofen in ihr Bett hinein. Sie verlor einen Strumpf. Vendale nahm ihn auf und öffnete ihr die Thür. Sie ging zwei Schritte weiter und verlor drei andere Strümpfe. Vendale, im Begriff dieselben, wie den ersten, aufzulangen, wurde von Obenreizer, der Madame Dor einen warnenden Blick zuwarf, mit einer Fluth von Entschuldigungen daran verhindert. Madame Dor, den Blick gewahrend, ließ den ganzen Haufen Strümpfe fallen und versuchte, von panischem Schrecken erfaßt, so schnell sie in ihrer Schwerfälligkeit vorwärts konnte, die Unglücksscene zu verlassen. Obenreizer ergriff wüthend die ganze Sammlung mit den Händen. »Gehen Sie,« rief er und schwang, sich zum Wurf vorbereitend, die ganze Ladung in die Luft. Madame Dor sagte: »Mon Dieu!« und verschwand im Nebenzimmer, in das ihr ein Hagelschauer von Strümpfen nachfolgte.

»Was müssen Sie, Mr. Vendale, von dem widerlichen Sichaufdrängen solcher häuslichen Beschäftigungen denken?« sagte Obenreizer, indem er die Thür schloß. »Ich für mein Theil schäme mich derselben. Wir fangen das neue Jahr so schlecht wie möglich an. Heut Abend geht Alles schief. Bitte, setzen Sie Sich – und sagen Sie mir, ob ich Ihnen etwas anbieten darf? Wollen wir wieder einer Ihrer vortrefflichen englischen Sitten Ehre bezeigen? Ich studiere darauf, wie Sie es nennen, »jolly« zu sein. Wie wäre es mit einem Grog?«

Vendale schlug mit aller nöthigen Achtung vor der vortrefflichen englischen Sitte den Grog aus.

»Ich möchte mit Ihnen über eine Angelegenheit sprechen, die mich tief berührt,« sagte er. »Es kann Ihnen nicht entgangen sein, Mr. Obenreizer, daß ich vom ersten Augenblick an eine mehr als gewöhnliche Bewunderung für Ihre reizende Nichte empfunden habe?«

»Sie sind überaus gütig. Ich danke Ihnen im Namen meiner Nichte dafür.«

»Vielleicht ist es Ihnen auch nicht entgangen, daß später meine Bewunderung für Miß Obenreizer zu einem innigeren und tieferen Gefühl angewachsen ist?«

»Wir wollen es Freundschaft nennen, Mr. Vendale.«

»Rennen Sie es Liebe und Sie werden der Wahrheit näher kommen.«

Obenreizer sprang von seinem Stuhl auf. Der schwache kaum sichtbare Streifen, der andeutete, daß er gern die Farbe wechseln möchte, wurde plötzlich auf seinen Wangen bemerklich.«

»Sie sind Miß Obenreizers Vormund.« fuhr Vendale fort. »Ich fordere von Ihnen die höchste Gunst, die mir werden kann – ich fordere von Ihnen die Hand Ihrer Nichte.«

Obenreizer sank in den Stuhl zurück. »Mr. Vendale,« sagte er, »Sie sehen mich zu Stein erstarrt.«

»Ich werde warten,« erwiderte Vendale, »bis Sie Sich gesammelt haben.«

»Nur ein Wort noch, ehe ich mich zu sammeln versuche. Sie haben meiner Nichte nichts davon gefragt?«

»Ich habe Ihrer Nichte mein ganzes Herz ausgeschüttet, und habe Grund zu hoffen —«

»Was!« unterbrach ihn Obenreizer. »Sie haben meiner Nichte einen Antrag gemacht, ohne mich zu fragen, ob ich meine Erlaubniß dazu gebe?« Er schlug mit der Hand auf den Tisch und verlor zum ersten mal, seitdem Vendale ihn kannte, völlig die Fassung. »Sir!« rief er empört, »was ist das für eine Art sich zu betragen? Ich frage als ein Ehrenmann einen andern Ehrenmann: Wie können Sie das rechtfertigen?«

»Es rechtfertigt sich dadurch,« sagte Vendale ruhig, »daß ich nach englischer Sitte gehandelt habe. Sie bewundern ja alle unsere englischen Gewohnheiten. Ich kann nicht einmal mit Aufrichtigkeit vorgeben das zu bedauern, was ich gethan habe, Mr. Obenreizer. Ich kann nur versichern, daß ich nicht beabsichtigt habe, in dieser Angelegenheit einen Mangel an Achtung gegen Sie herauszukehren. Nachdem ich das gesagt habe, darf ich Sie wohl ersuchen, mir offen mitzutheilen, welcher Grund Sie bewegt, meine Werbung nicht zu begünstigen?«

»Der unumstößliche Grund,« erwiderte Obenreizer, »daß meine Nichte in der Gesellschaft mit Ihnen nicht auf gleicher Stufe steht. Meine Nichte ist die Tochter – eines armen Bauern, und Sie sind der Sohn eines Gentleman. Sie erzeigen uns eine Ehre,« setzte er hinzu, sich nach und nach wieder zu seinem gewöhnlichen höflichen Ton hinaufstimmend, »welche unsrerseits die dankbarste Anerkennung verdient, aber die Ungleichheit ist zu auffallend, das Opfer ist zu groß. Ihr Engländer seid eine stolze Nation, Mr. Vendale Ich habe lange genug in diesem Lande gelebt, um zu wissen, daß eine solche Heirath, wie Sie sie beabsichtigen, ein allgemeines Aergerniß abgäbe. Keine Hand würde sich Ihrem Weibe, der Bäuerin, entgegenstrecken und Ihre besten Freunde würden Sie verlassen.«

»Einen Augenblick!« rief Vendale, den Redenden unterbrechend. »Ohne große Anmaßung werde ich wohl das Recht in Anspruch nehmen können, meine Landsleute im Allgemeinen und meine Freunde im Besonderen besser zu kennen, als Sie. In der Achtung Derjenigen, an deren Meinung überhaupt etwas gelegen ist, wird meine Gattin selbst die genügendste Rechtfertigung meiner Wahl abgeben. Wenn ich nicht ganz sicher wäre – ich bitte zu bemerken, daß ich »ganz sicher« sage – ihr eine Stellung bieten zu können, die sie anzunehmen vermag, ohne der leisesten Spur von Demüthigung ausgesetzt zu sein, so würde ich sie nie, möchte es mir kosten, was es wollte, gebeten haben, mein Weib zu werden. Sehen Sie noch irgend sonst ein Hinderniß? Haben Sie eine Einwendung gegen meine Person zu machen?«

Obenreizer wehrte mit beiden aufgespreizten Händen die Beschuldigung höflichst von sich ab. »Eine Einwendung gegen Ihre Person!« rief er aus. »Theurer Sir, schon die bloße Frage ist mir schmerzlich.«

»Wir beide sind Geschäftsmänner,« fuhr Vendale fort. »Sie erwarten natürlich von mir eine Darlegung meiner Verhältnisse, die Ihnen beweist, daß ich eine Frau sicher zu stellen vermag. Ich kann meine pekuniäre Lage in zwei Worten schildern. Ich erbte von meinen Eltern ein Vermögen von zwanzig Tausend Pfund. Von der Hälfte dieser Summe beziehe ich eine Rente, welche, wenn ich sterbe, auf meine Wittwe übergeht. Sollte ich Kinder hinterlassen, so würde das Capital unter sie vertheilt werden, nachdem sie großjährig geworden sind. Die andre Hälfte meines Vermögens steht zu meiner eigenen Verfügung und steckt augenblicklich in dem Weingeschäft. Ich sehe genau, auf welche Art sich das Geschäft bedeutend heben muß. Wie die Sachen jetzt liegen, bin ich außer Stande, im Augenblick die Rückzahlung des Capitals zu verlangen, das mir mehr als zwölf Hundert Pfund jährlich einträgt. Zählen Sie den Zins meiner Rente dazu, so erreicht die Totalsumme meiner jährlichen Einkünfte in diesem Augenblick fünfzehn Hundert Pfund. Ich habe die beste Aussicht, dieselben bald zu vermehren. Haben Sie gegen meine pekuniären Verhältnisse eine Einwendung zu machen?«

 

Obenreizer stand auf. Er war in die letzte Verschanzung zurückgetrieben und ging rathlos im Zimmer auf und nieder. Er wußte in der That nicht, was er zunächst thun oder sagen sollte.

»Bevor ich die letzte Frage beantworte,« sagte er nach einer kurzen Berathung mit sich selbst, »Bitte ich, mich einen Augenblick entschuldigen zu wollen. Ich muß mit Miß Marguerite Rücksprache nehmen. Sie ließen eine Aeußerung fallen, die andeutete, daß Sie die Gesinnungen, mit denen Sie so freundlich sind, meine Nichte zu betrachten, erwidert glauben?«

»Ich bin so unauesprechlich glücklich,« sagte Vendale, zu wissen, daß sie mich liebt.«

Obenreizer schwieg einen Augenblick; der Schatten senkte sich über seine Augen, und der kaum bemerkbare Streifen wurde aus seinen Wangen sichtbar.

»Wenn Sie mich eine kurze Zeit entschuldigen wollen,« sagte er mit ceremoniöser Höflichkeit, »ich möchte gern ein paar Worte mit meiner Nichte sprechen.« Er verbeugte sich und Verließ das Zimmer.

Als Vendale sich allein befand, kehrten seine Gedanken (eine nothwendige Folge der gehabten Unterredung) zu den Gründen zurück, die Obenreizer ihm entgegen gehalten hatte, und er begann dieselben in Erwägung zu ziehen. Obenreizer hatte seiner Werbung Hindernisse in den Weg gelegt, jetzt fing er an seiner Heirath entgegen zu arbeiten – einer Heirath, die selbst die eigene Bescheidenheit als eine vorteilhafte anerkennen mußte. In Anbetracht dessen erschien Obenreizers Handlungsweise unbegreiflich. Was hatte sie zu bedeuten?

Vendale suchte eine Antwort auf diese Frage. Es fiel ihm ein, daß Obenreizer mit ihm in einem Alter sei und Marguerite, genau genommen, nur dessen Stiefnichte. Die Eifersucht des Liebenden erwachte in ihm, und er fragte sich selbst, ob er in Obenreizer mehr einen Nebenbuhler zu fürchten, als einen Vormund zufrieden zu stellen habe? Doch fuhr ihm der Gedanke nur durch den Sinn, um gleich wieder zu verschwinden. Marguerites Kuß, den er noch auf seiner Wange fühlte, erinnerte ihn freundlich, daß Eifersucht, wenn auch nur für einen Augenblick empfunden, ein Verrath an ihr sei.

Bei näherem Nachdenken schien es ihm, als ob ein Beweggrund anderer Art die Erklärung zu Obenreizers Benehmen liefern könne. Marguerite’s Anmuth und Schönheit waren köstliche Zierden des kleinen Haushalts. Sie verliehen ihm einen besonderen Reiz und sicherten Obenreizer einen besonderen Einfluß in geselliger Beziehung. Sie rüsteten ihn mit einem Mittel aus, sein Haus anziehend zu machen, ein Mittel, welches mehr oder weniger dazu beitragen konnte, seine Privatzwecke zu fördern. War er der Mann, auf solche Vortheile zu verzichten, ohne daß ihm die möglichste Entschädigung dafür würde? Vendale’s Heirath mit seiner Nichte bot ihm ohne alle Zweifel beträchtliche Vortheile, aber es gab Hunderte in London, die mehr Ansehen und größeren Einfluß als Vendale besaßen. War es nicht denkbar, daß der Ehrgeiz dieses Mannes ganz im Geheimen höher hinaus wollte, als zu Vortheilen, wie sie ihm die Verbindung bot? Als Vendale sich eben die Frage im Geist aufwarf, erschien der Mann in Rede selbst, um sie zu beantworten oder nicht zu beantworten, wie die Folge lehren wird.

Eine große Veränderung machte sich bei Obenreizer bemerkbar, als er seinen früheren Platz wieder einnahm. Seine Haltung war weniger sicher und um seinen Mund zeigten sich Spuren einer Erregung, deren er noch nicht ganz Herr zu fein schien. War ihm von sich selbst oder von Vendale etwas über die Lippen geschlüpft, was Marguerite’s Zorn gereizt und ihr eine bestimmte Erklärung entlockt hatte? Es konnte sein oder auch nicht. Das Eine war sicher – er sah aus wie Jemand, der eine Zurückweisung erfahren hat.

»Ich habe mit meiner Nichte gesprochen« begann er, »und mich überzeugt, daß selbst Ihr Einfluß, Mr. Vendale, dieselbe nicht blind gemacht hat gegen Hindernisse, die sich in Bezug auf die gesellschaftliche Stellung gegen Ihren Antrag aufthürmen.«

»Darf ich fragen« erwiderte Vendale, »ob das das ganze Ergebniß Ihrer Unterredung mit Miß Obenreizer ist?«

Durch den Schatten, der Obenreizers Gerücht bedeckte, flammte es wie ein Blitz.

»Sie sind Herr der Situation,« antwortete er mit höhnisch unterwürfigem Ton. »Wenn Sie auf einer Erklärung bestehen, so gebe ich sie Ihnen in folgenden Worten. Meiner Nichte Wille und der meinige sind bis jetzt eins gewesen, Mr. Vendale. Sie haben sich zwischen uns gestellt und fortan fällt der Wille meiner Nichte mit dem Ihrigen zusammen. Bei mir zu Lande geben wir es zu, wenn wir aus dem Felde geschlagen sind und finden uns mit Anstand darin. Ich werde mich auch mit Anstand darin finden unter einer Bedingung. Lassen Sie uns auf Ihre pecuniären Verhältnisse zurückkommen. Ich habe einen Einwand gegen Sie zu erheben, mein theurer Sir – einen sehr überraschenden kühnen Einwand für Jemand in meiner Lebenslage einem in der Ihrigen gegenüber.«

»Welchen?«

»Sie haben mich mit einer Werbung um die Hand meiner Nichte beehrt. Trotz allem Dank und aller Erkenntlichkeit, muß ich bitten, dieselbe für jetzt zurück zu nehmend.

»Warum?«

»Weil Sie nicht reich genug sind.«

Dieser Einwand, wie der Redner vorausgesehen hatte, überraschte Vendale aufs Höchste. Für einen Augen blick war er sprachlos.

»Ihr Einkommen beläuft sich auf fünfzehn hundert Pfund jährlich,« fuhr Obenreizer fort. »In meinem armen Vaterlande würde ich vor einem solchen Einkommen auf die Knie fallen und rufen: Welch ein fürstliches Vermögen! Im reichen England bleibe ich ruhig sitzen und denke: Eine bescheidene Selbstständigkeit, theurer Sir; nichts mehr; vielleicht ausreichend für ein Weib aus Ihrer Lebenssphäre, die keine gesellschaftlichen Vorurtheile zu bekämpfen hat, aber nicht halb genug für eine niedrig geborene Ausländerin, gegen welche sich alle gesellschaftlichen Vorurtheile auflehnen. Sir! wenn meine Nichte Sie jemals heirathet, so wird sie beim Beginn ihrer Ehe eine mühselige Arbeit vor sich haben, um ihre Stellung zu behaupten. Ja, ja. Sie sehen es nicht so an, aber es bleibt – bleibt unwiderruflich meine Ansicht von der Sache. Zum Besten meiner Nichte verlange ich, daß ihr die mühselige Arbeit so viel wie möglich erleichtert werde. Die Gerechtigkeit gebietet, ihr alle äußeren Vortheile, die ihr dabei Von Nutzen sein können, zu gewähren. Sagen Sie mir doch, Mr. Vendale, kann Ihre Frau von den erwähnten fünfzehn hundert Pfunden jährlich ein Haus in einem vornehmen,Stadtviertel, einen Lakaien, der ihr die Zimmerthür öffnet, einen Kammerdiener, der sie bei Tische bedient, und Wagen und Pferde haben, die sie fahren? ich lese die Antwort auf Ihrem Gesicht – Ihr Gesicht sagt: Nein. Gut. Beantworten Sie mir noch eine Frage und ich bin zu Ende. Gehen wir die Gesamtheit Ihrer wohlerzogenen gebildeten und liebenswürdigen Landsmänninnen durch, ist es oder ist es nicht Thatsache, daß eine Lady, die Ein Haus in einem vornehmen Stadttheil, einen Lakaien, der ihre Zimmerthür öffnet, einen Kammerdiener, der sie bei Tische bedient, und Wagen und Pferde um sie zu fahren besitzt, von vorn herein vier Schritte in der Achtung aller englischen – Frauen steigt? Ja oder nein?«

»Kommen Sie zur Sache,« sagte Vendale. »Sie sehen diese Frage für eine entscheidende an. Was sind Ihre Bedingungen?«

»Meine Bedingungen sind niedrig, theurer Sir, sie beschränken sich darauf zu verlangen, daß Ihre Frau in Stand gesetzt werde, gleich im Beginn des Ehestandes jene Vier Schritte in der Achtung der Leute zu thun.

Verdoppeln Sie Ihr gegenwärtiges Einkommen – die größte Sparsamkeit kann in England dergleichen, wie ich angeführt habe, nicht mit weniger bestreiten. Sie erwähnten eben Ihrer Hoffnung, die Einnahmen Ihres Geschäftes sich bedeutend heben zu sehen. An’s Werk! – heben Sie! heben Sie! Ich bin Alles in Allem verteufelt gutmüthig. An dem Tage, an dem Sie mich durch klare Beweise üherführen können, daß Ihre Einkünfte sich auf dreitausend Pfund jährlich belaufen, kommen Sie und werben Sie noch einmal um die Hand meiner Nichte und sie ist die Ihre.«

»Darf ich fragen, ob Miß Obenreizer um diese Bedingung weiß?«

»Gewiß. Es ist noch ein wenig Gehorsam für mich in ihr, Mr. Vendale, das Ihnen nicht gehört; sie hat meine Bedingung angenommen. Mit einem Wort, sie unterwirft sich den Ansichten ihres Vormundes in Bezug auf ihr Wohlergehen, sie achtet ihres Vormundes bessere Kenntniß der Welt.« Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück mit der ganzen Sicherheit, die ihm seine Stellung verlieh und im vollen Besitz seiner guten Laune.

In der Lage, in der sich Vendale befand, schien jedes Streiten für die eigene Meinung im Augenblick wenigstens hoffnungslos zu sein. Es lag am Tage, daß kein Grund vorhanden war, seine Werbung abzulehnen. Ob Obenreizers Widerstand wirklich das Ergebnis; von dessen Ansicht über die Sache war, ob er die Heirath nur in der Hoffnung hinausschob, sie endlich vollständig zu vereiteln – wer konnte es wissen? In beiden Fällen aber war das dagegen Ankämpfen Vendales völlig nutzlos. Es gab kein andres Mittel, als sich zu fügen und das unter so guten Bedingungen, als zu erlangen möglich waren.

»Ich thue Einspruch gegen die Forderungen, die Sie erheben begann er.«

»Natürlich« sagte Obenreizer. »Ich muß sagen, daß ich in Ihrer Stelle auch Einspruch thun würden.«

»Wenn ich mir dennoch dieselben gefallen lasse.« fuhr Vendale fort, »so bin ich so frei, mir zwei Punkte auszumachen. Erstens erwarte ich, daß es mir gestattet werde, Ihre Nichte aufsuchen zu dürfen!«

»So, so? – Meine Nichte aufsuchen zu dürfen, damit Sie ihr ebensolche Angst um das Heirathen einflößen können, als Sie selbst beseelt? – Wenn ich nein sagte, würden Sie ohne meine Erlaubniß kommen?«

»Unzweifelhaft.«

»Welcher köstliche Freimut! Wie durch und durch Englisch! Sie sollen sie sehen, Mr. Vendale, sollen sie sehen an bestimmten Tagen, die wir miteinander festsetzen wollen. Was noch?«

»Ihr Einwand gegen meine Vermögensverhältnisse,« fuhr Vendale fort, »hat mich vollständig überrascht. Ich möchte mich vor der Wiederholung einer solchen Ueberraschung sicher stellen. Ihre jetzigen Ansichten halten mich mit einem Einkommen von dreitausend Pfund jährlich für geeignet zum Heirathen, kann ich sicher sein, daß sich in der Zukunft Ihre Ansichten über England nicht erweitern und Ihre Forderungen mit denselben steigen werden?«

»Auf gut Englisch, sagte Obenreizer, »Sie zweifeln an meinem Wort?«

»Sind Sie gesonnen, es mir auf mein Wort zu glauben, wenn ich Sie benachrichtigte, daß sich mein Einkommen verdoppelt habe?« fragte Vendale. »Wenn mich mein Gedächtniß nicht trügt, so sprachen Sie eben von klaren Beweisen?«

»Gut ausgedacht, Mr. Vendale! Sie vereinigen die Schnelligkeit des Ausländers mit der Gründlichkeit des Briten. Erlauben Sie mir, Ihnen von Herzen zu gratuliren, und erlauben Sie mir, Ihnen eine schriftliche Garantie für mein Wort auszustellen.«

Er erhob sich, setzte sich an sein Schreibpult, warf einige Zeilen auf das Papier und überreichte sie Vendale mit einer tiefen Verbeugung. Die gegenseitigen Verpflichtungen waren klar auseinandergesetzt und mit gewissenhafter Pünktlichkeit unterschrieben und untersiegelt.

»Genügt Ihnen diese Garantie?«

»Vollständig.«

»Erfreut es zu hören, versichre ich Sie, wir haben ein kleines Scharmützel ausgefochten – wir sind wahrhaftig auf beiden Seiten bewunderungswürdig schlau zu Werke gegangen. Jetzt sind unsere Geschäfte abgemacht. Ich trage nie etwas nach. Sie tragen auch nichts nach. Kommen Sie, schütteln wir uns auf gut Englisch die Hand.«

Vendale reichte etwas erschreckt von Obenreizers plötzlichem Uebergang aus einem Extrem in das andere, seine Hand hin.

»Wann habe ich die Erlaubniß. Miß Obenreizer zu sehen?« fragte er, als er sich zum Gehen anschickte.

»Beehren Sie mich morgen mit Ihrem Besuch,« sagte Obenreizer, »und wir wollen dir Zeit festsetzen. Kann ich Ihnen einen Grog anbieten, ehe Sie gehen?« Nein? Gut, gut, wir wollen den Grog versparen bis zu den dreitausend Pfund jährlich und bis zur Hochzeit. Wann Wann wird das sein?«

»Ich habe vor einigen Monaten einen Ueberschlag gemacht von dem, was das Geschäft zu leisten vermag,« sagte Vendale. »Wenn derselbe richtig ist, so wird sich mein jetziges Einkommen verdoppeln. —«

»Und die Hochzeit stattfinden,« setzte Obenreizer hinzu.

»Und die Hochzeit stattfinden,« wiederholte Vendale, »in Zeit von einem Jahr. Gute Nacht.«