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»Darüber habe ich noch nicht nötig zu denken«, erwiderte Mr. Marksman. »Ich denke zurückzugeben, habe aber den Tag noch nicht festgesetzt. Auch weiß ich noch nicht, wann ich ihn bestimmen kann. Vorläufig habe ich etwas zu tun bekommen.« Hierbei verfinsterte sich sein Antlitz, indem er einen Seitenblick auf den von Dibbledean mitgebrachten Koffer warf, welchen er mit einem Kalmuckrock bedeckt hatte. »Was es ist, kümmert Dich nicht; ich habe zu tun – und das ist genug. Frag ja nicht etwa wieder, was ich Neues vom Lande mitgebracht? oder was ich zu tun habe? – Tust Du das, so sind wir zeitlebens geschiedene Freunde. Ich habe Dich gern Zack, aber – Nun! wenn Du gehen musst, warum zauderst Du noch? – Warum reinigst Du Dich nicht wenigstens einmal?« Lachend verabschiedete sich Zack und ging.

Es war ein schöner, heller Tag, aber der klare Himmel trug auch Zeichen wiederkehrenden Frostes an sich. Zack, beständig an Mr. Marksmans Abenteuer denkend, war in großer Extase. Was war das Leben des glücklichen Malers mit dem verglichen, was Mat durchlebt hatte!

Der junge Thorpe war kaum in Laburnum Road angelangt, als er auch schon zu zweifeln begann, ob er auch wirklich auf Mr. Blyths Rat seine Geisteskräfte den schönen Künsten widmen könne.

Mit diesen Zweifeln kam er vor Turnpike an und erblickte einen Gentleman, welcher in ein Notizbuch skizzierte. Dies konnte kein anderer als Valentin sein – und er war es auch wirklich.

Mr. Blyth blickte ungewöhnlich ernsthaft, als er Thorpes Hand schüttelte. »Fangt nicht etwa an, Euch zu rechtfertigen, Zack«, sagte er; »ich bin jetzt nicht im Begriff, Euch zu tadeln. Lasst uns ein wenig weiter gehen, ich habe etwas Neues aus Baregrove-Square zu erzählen.«

Aus der Erzählung, welche Valentin jetzt begann, schien hervorzugehen, dass er sich sogleich nach Empfang von Zacks Briefe Mr. Thorpe genähert habe, mit der freundlichen Absicht, Friede und Versöhnung zwischen Vater und Sohne zu stiften. Seine Mission sei aber gänzlich fehlgeschlagen, Mr. Thorpe sei bei seiner Zusammenkunft mit ihm viel reizbarer und heftiger geworden, und als er ihn zur Verzeihung und Versöhnung gegen den weggelaufenen Sohn geraten und dazu zu bereden versucht, habe Mr. Thorpe ihn als zudringlichen und unberechtigten Einmischer angeklagt. Und als Mr. Yollop später im Zimmer erschien und den Gegenstand des Gesprächs vernahm, bediente er sich solcher Worte, dass Valentin genötigt war, das Haus zu verlassen. Der Hinweis auf Gnade und Barmherzigkeit war von Mr. Yollop und Mr. Thorpe, welche alles glauben, was ihre klerikalen Alliierten sagen, als laxe Prinzipien der Künstler betrachtet worden, die nicht den gehörigen Begriff für die Sünde des Lasters hätten. Im Eifer der Diskussion bemerkte Mr. Yollop mit affektierter Höflichkeit, dass Mr. Blyths Profession nicht die Befähigung besitze, moralische Fehler und Konsequenzen solcher Fehltritte zu ermessen. Währenddessen sprach Mr. Thorpe gerade und offen von den skandalösen Gerüchten über die Abkunft und Verwandtschaft Madonnas, welche vor Jahren in mehreren Stadtvierteln verbreitet gewesen wären. Diese Schmähungen brachten auch Valentin in Hitze, er erklärte sie als schändliche Verleumdungen und verließ das Haus mit dem Entschluss, nie wieder eine Verbindung weder mit Mr. Yollop, noch mit Mr. Thorpe zu unterhalten und den Umgang mit ihnen gänzlich abzubrechen.

Nachdem er kaum seit einer Stunde wieder in seiner Wohnung war, erhielt er ein Schreiben von Mrs. Thorpe, worin sie ihre tiefe Besorgnis über die heutige Begegnung und den daraus entstandenen Zwist aussprach und Mr. Blyth um Verzeihung bat, indem sie bemerkte, er möchte den Gesundheitszustand Mr. Thorpes berücksichtigen, welcher derart sei, dass der Familienarzt streng verboten habe, auf seinen abwesenden Sohn bezüglichen Visiten anzunehmen oder Untersuchungen anzustellen. Wenn diese Regeln nicht viele Tage hindurch befolgt würden, so träte wieder gesteigertes Herzklopfen ein, was dann eine vollständige Krankheit zur Folge hätte. Bei regelmäßiger Sorgfalt und Vermeidung aller Aufregungen würde der Zustand nicht gefährlich werden.

Nach diesem Referat über ihren Gatten begann sie über sich selbst zu sprechen, erwähnte den Empfang von Zacks Schreiben und bemerkte, dass ihre Besorgnis und Unruhe dadurch nur noch vermehrt worden sei. Wahrscheinlich werde Zack zu Mr. Blyth als seinem ersten Freunde eilen, und daher bat sie, er möchte seinen ganzen Einfluss anwenden, um ihn von desperaten Schritten oder vom Verlassen des Landes, was sie ganz besonders befürchtete, gütigst abhalten. Könnte Mr. Blyth ihr dies verbürgten, so vermöchte sie ihren Gatten zu beruhigen, indem sie ihm die Versicherung geben könnte, dass Zack sich gegenwärtig unter Schutz und guter Führung befinde, ohne deshalb in die einzelnen Details eingehen zu müssen. Hierdurch würde sie von der großen Angst, von der sie schon so viel gelitten, gänzlich befreit werden.

Damit endete der Brief plötzlich, aber als Postscript befand sich die Bitte um recht baldige Antwort Nachdem Mr. Blyth dies alles treu an Zack berichtet hatte, fügte er hinzu: »Nun, lieber Thorpe, was sich auch zwischen Ihnen und Ihrem Vater ereignet haben mag, es vermindert durchaus die Achtung nicht, welche ich stets für Ihre Mutter gefühlt habe, und es ist mein erster Wunsch, ihr mit allen Kräften dienen zu können. Ich sage Ihnen, als meinem jungen Freunde, treu und wahr, dass Sie wirklich den schärfsten Tadel verdienen und – Jedoch ich will das letzte Wort nicht aussprechen, setze aber mein volles Vertrauen in Sie und lebe der Hoffnung, dass Sie jede Tat unterlassen, welche Ihnen das Ehrgefühl und die Liebe zu Ihrer Mutter verbietet.«

Diese Berufung und das erzählte Faktum brachten eine tiefe Wirkung auf Zack hervor. Sein heißes Verlangen nach einem Wanderleben voller Reize und Gefahren ward durch die sanfte Temperatur des freundschaftlichen Einflusses sehr abgekühlt und gemäßigt. »Ihr seid nachsichtig mit meinen Fehlern, Mr. Blyth, ich verdiene Eure gute Meinung und Euer Vertrauen nicht«, sagte er gerührt. »Ich weiß, ich habe schlecht gehandelt und mein Betragen verdient strenge Bestrafung. Aber man muss das Vergangene nicht wieder neu auftischen. Sagt mir einzig nur, was ich tun soll, gebt mir Euren Rat – ich will alles tun, ich will ihn befolgen um meiner Mutter Willen – auf mein Ehrenwort!«

»Das ist recht, das ist männlich gesprochen«, rief Valentin, indem er ihn auf die Schulter schlug. »Hört nun, was ich Euch zu sagen habe. Vorläufig wird es nicht gut sein, nach Hause zu geben, selbst wenn Ihr das wolltet – was ich aber auch nicht glaube. Denn der Zustand Eures Vaters würde durch Eure Ankunft nur noch bedeutend verschlimmert werden; also tut Ihr nicht gut daran, hinzugehen. Aber Beschäftigung müsst Ihr haben während Eurer Abwesenheit vom Hause! Ich weiß nicht, ob Ihr dazu Lust habt. – Ihr habt großen Anteil an der Malerei genommen und wolltet gern selbst ein Maler werden; jetzt ist’s nun Zeit, Euren Entschluss zu prüfen. Wenn ich die Erlaubnis bekomme, Euch ins Britische Museum einführen zu können, um Eure Morgenstunden auszufüllen, und Euch dann in irgendeine Privat-Akademie unterbringe, denn meine ist nicht streng genug für Euch, wo Ihr Eure Abendstunden nützlich verwerten könnt, – werdet Ihr dann auch Stand halten? – Dort lässt sich aber kein Unsinn treiben und kann man keine gerösteten Teekuchen essen. Wirklicher Ernst, Beständigkeit und harte Arbeit stehen Euch bevor, aber ich werde Euch gern hilfreich sein, wenn Ihr Euch selbst beherrscht und tätig seid! Ich kann Euch gegenwärtig keinen bessern Plan vorschlagen. Wollt Ihr Euch verpflichten, alles zu befolgen? —«

»Ja ja! bis auf den Buchstaben«, erwiderte Zack, welcher jetzt fest entschlossen seine romantische Wanderlust aufgab. »Ich kenne nichts Besseres, Mr. Blyth, als Euren Rat und Plan für die Zukunft zu befolgen.«

»Bravo!!« rief Valentin in seiner alten herzlichen Manier. »Die schwerste Last und Besorgnis, welche die ganze Zeit auf meiner Brust gelegen, ist jetzt verschwunden. Lass Dich umarmen, lieber Zack! Ich nenne Dich von jetzt ab Du und will sogleich einen tröstenden Brief an Deine Mutter schreiben. —«

»Gebt ihr die Versicherung meiner beständigsten Liebe«, sagte Zack.

»Ja, das will ich, in dem Glauben, dass Du auf dem Wege der Besserung bist und Dich einer solchen Botschaft würdig machst«, ergänzte Mr. Blyth. »Lass uns umkehren, denn je früher ich ihr schreibe, desto leichter wird mein Herz. Aber nebenbei gesagt, es gibt noch eine andere wichtige Frage, an die ich vorhin nicht dachte und welche auch Deine Mutter in ihrer Angst vergessen zu haben scheint. Wie stehts mit Deinen Geldverhältnissen? – Hast Du gegenwärtig eine Wohnung? – Kann ich Dir in irgendeiner Weise helfen? —«

Diese Fragen beantwortete Zack sogleich mit seiner natürlichen Offenherzigkeit, indem er sein erstes Zusammentreffen mit Mr. Marksman und den heutigen Besuch in Kirk Street erzählte.

Obgleich Mr. Blyth nicht mit einer übergroßen ängstlichen Vorsicht begabt war und auch nicht viel Welt- und Menschenkenntnis besaß, so runzelte er dennoch die Stirn und schüttelte das Haupt, als er die kuriose Geschichte mit anhörte. Dann sprach er seine große Missbilligung über Zacks leichtsinnige Bereitwilligkeit aus, mit einem solchen fremden Menschen gleich so intim zu werden, und erinnerte ihn daran, dass das erste Begegnen mit seinem neuen Bekannten in einem verrufenen, gemeinen Hause erfolgt sei; auch habe er doch, wie er selbst zugestehe, nicht die geringste Kenntnis von dessen Vergangenheit. Daher rate er ihm ernsthaft und dringend, sobald als möglich alle Verbindungen mit diesem gefährlichen Unbekannten abzubrechen, und zwar bei der ersten Gelegenheit.

Zack dagegen war nicht träge, um hinreichende Gründe aufzufinden, sein Benehmen in dieser Hinsicht zu rechtfertigen. Zuerst konstatierte er, dass Mr. Marksman als Fremder ganz unschuldigerweise in den Tempel der Harmonie gelangt sei, ohne dieses berüchtigte Haus näher zu kennen, und dass er dann sehr schändlich beschimpft worden und erst nach dieser Beschimpfung die Ursache jenes Tumultes geworden sei. Was seine Familienereignisse und seinen wirklichen Namen beträfe, darüber möge er wohl gute und vernünftige Gründe zur Verheimlichung haben. Im Übrigen erzählte er seine anderweitigen Lebensschicksale sehr offen; auch sei sein ganzes Benehmen offenherzig und stets ginge er den geradesten Weg vorwärts. Wohl möge er exzentrisch sein und ein abenteuerliches Leben geführt haben, aber deswegen dürfe man ihn noch nicht als einen schlechten Charakter verdammen. Und das Darlehen, das er von ihm erhalten, gäbe den sichersten Beweis, dass er kein Schwindler, kein schlechter Mensch sei. Seine genaue Kenntnis der Lokalitäten, Sitten und Gebräuche in Kalifornien, welche er diesen Morgen in seiner Erzählung dargelegt habe, bewiese ganz zuverlässig, dass er dort, wie er selbst sagte, sein Geld durch Goldgraben erworben habe.

 

Mr. Blyth gab zu, dass diese Argumente zu berücksichtigen seien, aber nichts desto weniger halte er an seiner ersten Meinung fest; dann bot er ihm Geld aus seiner eigenen Börse an, damit er sich seiner heute früh eingegangenen Verpflichtung wieder entledigen könne.

Zack erwiderte, wenn er diesen Rat befolgen und seinem neuen Freunde ein solch offenbares Zeichen des Misstrauens gäbe, so hege er nicht den geringsten Zweifel, dass er ihn sogleich niederschlagen würde, und fügte hinzu, »lasst Euch sagen, Mr. Blyth, Mr. Marksman ist einer jener Männer, welcher es wirklich tut.«

Valentin schüttelte den Kopf und meinte, dies sei nur Spaß.

Aber Zack erklärte, es sei voller Ernst und schilderte die sonderbaren Eigenheiten von Mr. Marksman’s Charakter; auch erzählte er einige seiner wildesten Abenteuer und die kuriose Art, wie er seine Banknoten platziert, ihm dann sein Bett zur Verfügung gestellt habe und wie aufgebracht er über seine Weigerung gewesen sei. »Auch wollte er keine Schuldverschreibung annehmen«, fuhr Thorpe fort, »aber ich versteckte sie heimlich unter die Banknoten; doch will ich mit Euch wetten, dass er sie, wenn er sie dort findet, entweder zerreißt oder ins Feuer wirft.«

Mr. Blyth blickte verwirrt und wusste nicht, was er sagen sollte. Das sonderbare Benehmen des verdächtigen Fremden in Hinsicht seiner Banknoten war, gelind gesagt, zu rätselhaft für ihn.

»Lasst mich ihn zu Eurer Gemäldeausstellung mitbringen«, bemerkte Zack. »Lernt ihn erst selbst kennen, bevor Ihr ihn verdammt. Er ist der wunderlichste, aber beste Kerl auf der Welt. Seht ihn, hört ihn sprechen, und wenn Ihr dann zu mir sagt, ich soll mit ihm brechen, so will ichs tun. Sicherlich kann ich nicht anders handeln. Darf ich ihn zur Gemäldeschau bringen? – Erbat ich es nicht schon in meinem Briefe? —«

»Bevor ich antworte«, sagte Valentin , denke ich, »ob es wohl doch nicht besser sei, dieses Mannes Beleidigung zu riskieren und meinen Rat zu befolgen.«

»Ich würde mich schämen, ihn zu beleidigen«, antwortete Zack. »Auf meine Ehre, nachdem was zwischen uns vorgegangen ist, würde ich mich schämen, ihn zu beleidigen und so zu handeln, wie Ihr mir sagt.«

»Dann, Zack, ist es durchaus notwendig – weil ich soeben an Deine Mutter schreiben will – dass ich Deinen neuen Gesellschafter sobald als möglich selbst kennen lerne.«

»Wollt Ihr mit nach Kirk Street gehen, wo er wohnt?«

»Ich muss erst einen Brief an Deine Mutter schreiben, bevor ich irgendetwas anderes tue. Und dann erwarte ich Lavinchens Vater zum Tee. Ich möchte wohl wegschlüpfen, das ist sicher, aber der arme alte Gentleman würde es als eine Vernachlässigung aufnehmen.«

»Wie steht es morgen? – Morgen ist Freitag, wie Ihr wisst.«

»Der Freitag ist unglücklicherweise schon versagt. Ich muss auf dem Lande ein altes Gemälde retouchieren, mit neuen Farben auffrischen. Es geschieht in eines Freundes Hause, wo ich diniere und erst mit dem Nachtzuge wieder nach London zurückreise. Also morgen kann es auch wiederum nicht geschehen.«

»Und am nächsten Tage findet Eure Gemäldeausstellung statt?«

»Zack, Zack, Du tust besser, ihn dahin mitzubringen, aber erinnere Dich, welchen Unterschied ich stets zwischen meinem öffentlichen Studien- und meinem Privathaus mache. Ich betrachte die glorreiche Mission der Kunst als ein Gemeingut für alle Menschen und bin stolz, meinen Gemäldesaal allen ehrbaren Personen öffnen zu können, aber meine andern Zimmer gehören nur meinen nächsten Freunden. Darin kann und will ich keine Fremden sehen. Merke Dir’s.«

»Versteht sich! Ich werde nicht anders handeln, mein alter teurer Freund. Nur sehen und hören sollt Ihr den alten, ehrbaren Mat. Dann will ich Euch Rede stehen.«

»Zack! Zack! Ich wünsche, Du wärst nicht gar so schrecklich sorglos in Hinsicht Deiner neuen Bekanntschaft. Ich habe Dich schon oft gewarnt, Dich und Deine Freunde durch Leichtsinn ins Unglück zu bringen. Wo gedenkst Du jetzt hinzugehen? —«

»Zurück nach Kirk Street. Dies ist mein nächster Weg. Ich versprach Mat —«

»Bedenke, was Du mir versprochen hast und was ich eben im Begriff stehe, Deiner Mutter zu versprechen. Weile noch einen Augenblick, ich hab Dir noch mehr zu sagen. Was tust Du morgen? Es nicht möglich, bis dahin die Ordre für den Eintritt ins Museum zu erlangen. Wie gedenkst Du Deine Zeit morgen anzuwenden?«

»Zu einem schönen, guten, langen und gesunden Streifzug aufs Land mit Freund Mat, welcher so gern wie jeder andere auf Sohlleder wandernde Mann einen Spaziergang macht. Lebt wohl, alter teurer Knabe, herzlichen Dank für alles Gute, was Ihr an mir tun wollt. Ich denke an alle meine Versprechungen, die ich Euch gemacht, und werde sie erfüllen, auf meine Ehre! Ich lebe der Hoffnung, dass wir uns künftigen Sonnabend wieder treffen und Ihr meinen neuen Freund sehen und alles gut finden werdet.«

»Ich hoffe, dass ich nicht alles schlecht finden werde«, sagte Mr. Blyth und ging nach seiner Wohnung.

Sechstes Kapitel – Die Gemäldeschau

Der größte Tag des Jahres in Valentins Hause war stets der Tag seiner Gemäldeausstellung in seinen Zimmern. Es wurden hier alle seine für die Ausstellung der Königlichen Akademie gemalten Bilde den Freunden und sonstigen Bewunderern zur Schau gestellt. Vermöge seiner liberalen Prinzipien, dass Jedermann in seinem Gemäldesaal willkommen sei, welcher sich für Kunst interessiere oder sich durch eine Einladung hierzu geehrt fühle, sandte er zahlreiche Einladungen nach links und rechts in alle Richtungen der Gesellschaft, ganz ohne Unterschied des Standes. Diese Aufmerksamkeit widmete er jedes Jahr dem Publikum, trotz seiner bescheidenen Stellung, die er in der Kunst repräsentierte. Daher bekam er Besucher aus allen Rangstellungen und Klassen der Gesellschaft; die soziale Skala derselben vermehrte sich je nach dem Herabsteigen von der höheren zur niederen Klasse. Die hohe Aristokratie ward gewöhnlich repräsentiert durch die verwitwete Countess of Brambledown, die Aristokratie der Kunst durch zwei oder drei Königliche Akademiker und die Geldaristokratie durch acht bis zehn reiche Familien, welche in der Absicht kamen, sowohl die verwitwete Countess (Gräfin) als die Gemälde zu sehen.

Dies war die auserlesene Gesellschaft, Nach ihr flutete die große allgemeine Masse der Besucher hinein, eine unwissende obskure Menge, der blind verehrende Mob der Gesellschaft, die verschiedenartigsten Mischungen der Personen von kleiner Wichtigkeit, zweifelhafter Wichtigkeit und solcher von gar keiner Wichtigkeit. Den Beschluss machte Mr. Blyths alte Hausdienerschaft, also sein Gärtner, seines Weibes alte Amme, der Bruder seiner Hausmagd und der Vater seiner Köchin. Einige seiner respektablen Freunde klagten über die nivellierenden Tendenzen und gleichmachenden Prinzipien, welche ihn bewegten, eine solche bunte Mischung aller Gesellschaftsklassen zu seiner Gemäldeausstellung einzulassen. Aber Valentin beharrte nichts desto weniger dabei, Jahr für Jahr seine Besucher aus den hohen und niederen Regionen einzuladen, und war ganz außerordentlich erfreut, dieses Verhalten von keiner geringeren Person als Lady Brambledown selbst gebilligt zu sehen. Diese Dame gehörte einstmals zu den eifrigsten Torys (reaktionäre Aristokratie) war aber jetzt zur extremen radikalen Partei übergegangen, schnupfte Tabak, schimpfte auf die Pairs, erzählte skandalöse Hofgeschichten und zeigte sich stets als glühende Verehrerin von Oliver Cromwell.

An jenem ereignisvollen Sonnabend, wo Mr. Blyths Werke einem Beifall spendenden Publikum zur Schau gestellt wurden, hatte er sich schon sehr früh in ein glänzendes Morgenkostüm gekleidet und seinen Gemäldesaal eine Stunde vor dem erwarteten Erscheinen des Volks geöffnet.

Dank Madonnas industrieller Aufmerksamkeit war der Studiensaal zu einem glänzenden Zimmer dekoriert und ausgestattet worden. Ein Halbzirkel hübscher Stühle stand symmetrisch in Front der Gemälde. Das sinnreiche klassische Landschaftsgemälde, »das goldne Zeitalter« ruhte großartig auf seiner eigenen Staffel, während sein umfangreichstes Bild, das er jemals gearbeitet, das den größten Raum einnimmt und in den glänzendsten Rahmen gespannt war, nämlich: »Columbus, im Anschauen der neuen Welt versunken« – an der Wand im Hintergrund hing; es war zu groß und schwer, als dass es auf ein Postament hätte gestellt werden können.

Außer Mr. Blyths Schreibbureau waren alle andern Gegenstände aus dem Gemäldesaal entfernt oder in Ecken gestellt worden. Das Zimmer war, wie schon gesagt, von allen alten unnützen Möbeln gesäubert und glänzend ausstaffiert. Mr. Blyth ging mit elastisch hüpfenden Schritten und voller Erwartung auf das erscheinende Publikum im Saale auf und ab, blickte zur Tür hinaus, ging wieder singend und pfeifend an seinen Gemälden vorüber, schaute sie entzückt an und blickte dann geheimnisvoll in ein kleines, schön gebundenes Manuskript, das er in der Hand trug; hierauf verfolgte er mit seinem Malerstabe die Linien in der Komposition des Columbus von Kopf bis zu Fuß, bewegte den Stab mit träumerischer Künstlergrazie und blickte aber stets zur Tür zurück, um den ersten enthusiastischen Besucher mit offenen Armen empfangen zu können.

Eine Treppe höher, in Lavinias Zimmer war die Szene ganz andrer Art. Hier war die Ankunft der Besucher auch eine hochwichtige Begebenheit, aber sie wurden mit vollkommener Ruhe und Schweigen erwartet. Mrs. Blyth lag in ihrer gewöhnlichen Position auf ihrem Bett und blickte in ein kleines Portefeuille mit Kupferstichen und Madonna stand vor einem Fenster, von dem sie eine volle Aussicht auf das Gartenthor hatte, um die Annäherung der Besucher bemerken zu können. Dies war an den Tagen der Gemäldeausstellung stets ihr Platz, von wo aus sie ihrer Adoptivmutter, welche zu weit vom Fenster entfernt lag, die Ankunft der verschiedenen Personen anzeigen konnte. An allen andern Tagen des Jahres hatte sich Mrs. Blyth ganz dem Dienste Madonnas gewidmet, indem sie ihr den Inhalt der Gespräche, welchen sie nicht hören konnte, näher zu erklären und verständlich zu machen suchte. Aber an diesem Tage war es Madonna, welche ihre Dienste Mrs. Blyth widmete, dadurch dass sie ihr das Ankommen der Kunstfreunde meldete, denn Mrs. Blyth konnte ihr Bett nicht verlassen.

Keine andere Begünstigung, welche das Mädchen in Valentins Hause genoss, hatte mehr Wert für sie als diese, denn sie war dabei der Gegenstand zärtlicher Aufmerksamkeit. Mrs. Blyth bat sie stets dringend, die Ankunft jedes einzelnen Gastes durch ihre bestimmten Zeichen kund zu tun. Es waren dies bestimmte Gesten und andere eigentümliche Besonderheiten, welche die betreffenden Personen als Gewohnheitsfehler besaßen und die man denselben bei ihren wiederholten Besuchen abgelauscht hatte und sie nun getreu nachahmte. Mit dieser Mimik wurden also die bezüglichen Personen angemeldet. Und ihr Gedächtnis in jahrelanger Bewahrung dieser Zeichen war wirklich ganz außerordentlich groß. Hatte Mrs. Blyth den Namen irgendeiner selten erscheinenden Person wieder vergessen, was sehr oft geschah, und es wurde ihr dann das Gewohnheitszeichen angegeben, so wusste sie sich nach Jahren wieder auf denselben zu besinnen und ins Gedächtnis zurückzurufen.

Auf den Einladungskarten war die Zeit der Gemäldeschau von elf bis drei Uhr angegeben. Schon war zehn Uhr längst vorbei. Madonna stand geduldig harrend vor dem Fenster, häkelte an einer Börse für Valentin und blickte sehr oft voller Spannung die Straße entlang. Mrs. Blyth summte einen Ton für sich hin, wendete ein Blatt nach dem andern um und hatte beim Anschauen der Kupferstiche die Zeit ganz und gar vergessen, so dass sie erstaunt war, als Madonna mit der Hand plötzlich ans Fenster klopfte, denn dies war das Signal, dass der erste pünktliche Besucher am Gartentor erschienen sei.

 

Als Mrs. Blyth ihre Augen erhob, musste sie über das Mädchen lächeln, denn dieses zog ihr jugendliches, rotwangiges Gesicht in Falten, machte eine große Zahl steifer ernster Verbeugungen und warf mehrere zärtliche Kusshände. Hierdurch ward die Ankunft des alten Kupferstechers angezeigt, welcher in seiner altmodischen Kleidung die Damen durch zahlreiche zitternde Verbeugungen und Kusshändchen begrüßte und ihnen damit seine Huldigung darbrachte.

»Ah!« rief Mrs. Blyth und nickte, um zu zeigen, dass sie das Signal verstanden habe. »Ah! Das ist der Vater. Ich wusste ganz sicher, dass er der Erste sein würde, und ich weiß genau, was er tun wird, sobald er eintritt. Er wird die Gemälde bewundern und eine bessere Ansicht darüber aussprechen als irgendjemand. Aber bevor er noch ein vernünftiges Wort darüber zu Valentin gesagt haben wird, ist gewiss schon der Zudrang der Besucher so groß geworden, dass er plötzlich nervenschwach wird und zu mir herauf kommt.«

Während Mrs. Blyth sich in solchen Vorstellungen über ihren Vater erging, signalisierte Madonna die Ankunft zweier anderer Besucher. Zuerst erhob sie ihre Hand rasch und strich ihre glatte Wange, dann stellte sie sich streng aufrecht und faltete majestätisch ihre Arme über ihren Busen. Mrs. Blyth erriet sogleich die Originale jener beiden pantomimischen Portraitskizzen. Die eine repräsentierte Mr. Hemlock, den kleinen Kritiker eines noch kleineren Blattes, welcher die prinzipielle Gewohnheit hatte, seinen Schnurrbart nicht fünf Minuten lang in Ruhe zu lassen. Die andere zeigte Mr. Bullivant an, den emporstrebenden, schön haarigen Bildhauer, welcher auch Gedichte schrieb und fortwährend so eifrig die verschiedenen Attituden studierte, dass er selbst oft wie seine eigene Statue vor einem Ladenfenster stand. Nach einigen Minuten hörte Mrs. Blyth Pferdegetrappel, ein starkes Knirschen von Wagenrädern und die Annäherung einer Chaise. Madonna trug sogleich eine Fußbank zum nächsten Stuhl, rollte den Saum ihres Kleides empor und in den Schoß, stemmte die Hände in die Seite, tat dann, als ob sie schnupfte, und schaute vergnügt zu Mrs. Blyth, gleichsam um zu sagen: »Ich denke, Sie können mich nicht missverstehen!« »Unmöglich! – Die Alte Lady Brambledown mit Muff und Schlupftabaksdose.«

Dicht hinter der verwitweten Countess folgte ein Besucher niederen Standes. Madonna blickte, als wäre sie ein wenig erschrocken über die Kühnheit ihrer Nachahmung, begann zu kauen, als hätte sie ein Primchen Tabak im Munde, tat dann so, als ob sie es herausnähme und hinter sich würfe, und dies alles geschah in einem Moment. Er erschien, um sich zu vervollkommnen, Mangels, der Gärtner. Obgleich ein alter Gewohnheits-Tabakkauer, warf er doch sein Primchen weg, sobald er in bessere Gesellschaft trat. Er betrachtete dies als eine Pflicht, die er seiner eignen Respektabilität schuldig zu sein glaubte.

Ein anderer Wagen. Madonna setzte sich pantomimisch eine Brille auf, nahm sie wieder ab, um sie zu putzen und setzte sie abermals auf; dann trat sie ein wenig vom Fenster zurück und spreizte ihr Kleid recht prahlerisch zur weitesten Dimension aus. Die neuen Ankömmlinge waren der Doktor, – dessen Brillengläser ihm nie rein und klar genug sind, – und dessen Frau, eine abgemagerte feine Lady, welche nur noch die Spuren verschwundener Reize zeigte, aber unter ihren Kleidern einen ungemeinen großen Ballon trug, den man Krinoline nennt.

Jetzt trat eine kleine Pause in der Prozession der Besucher ein. Mrs. Blyth winkte der Madonna, ergriff sie beider Hand und fragte durch die Fingersprache: »Noch keine Zeichen von Zack – meine Liebe?«

Das Mädchen blickte bekümmert nach dem Fenster und schüttelte das Haupt.

»Wenn er heraufzukommen wagt, dürfen wir nicht so artig gegen ihn sein, wie gewöhnlich. Er hat sich sehr schlecht betragen und wir müssen versuchen, ihn zu beschämen.«

Madonnas Antlitz errötete bei diesen Worten. Sie blickte erstaunt, sorgenvoll, verwirrt und ungläubig. Zacks Benehmen schlecht? – sie konnte es nimmer glauben!

»Ich werde versuchen, ihn tüchtig zu beschämen«, wiederholte Mrs. Blyth.

»Und ich werde versuchen, ihn nachher zu trösten«, dachte Madonna, indem sie ihr Haupt weg wandte, um nicht von ihrem Antlitz erraten zu werden.

Jetzt erschallte die Torklingel wieder. »Vielleicht ist er‘s«, fuhr Mrs. Blyth fort und nickte mit dem Kopfe nach dem Fenster.

Madonna ging, um zu sehen; drehte sich aber gleich mit einer komischen Miene von Täuschung wieder um, krümmte ihre Daumen in die Achselgrube, so als ob sie eine Weste an habe. Nur Mr. Gimble, der Gemäldehändler welcher den Wert der Kunstwerke mit den Händen abmisst.

In diesem Augenblick ertönte ein sanfter Schlag an Mrs. Blyths Tür und herein trat ihr Vater mit seinem beständigen Schnupfen, den nichts zu kurieren vermochte; verbeugend und Hände küssend klagte er über anstrengendes Treppensteigen, ganz so, wie es seine Tochter vorher gesagt hatte.

»Oh, Lavinia! Die verwitwete Countess befindet sich im Gemäldesaal und ihre Ladyship lieben die Gemälde sehr«, rief der alte Mann aus und lächelte dabei mit schwacher und zitternder nervöser Freude.

»Komm und setz’ Dich nieder, Vater, und sieh, wie Madonna die Besucher anzeigt Es ist amüsanter als irgendeine Komödie.«

»Und ihre Ladyship lieben die Gemälde«, wiederholte der alte Kupferstecher, während seine alten wässerigen Augen freudefunkelnd umherblickten, dann nahm er an der Bettseite seines Lieblingskindes Platz.

Schon wieder erschallte die Torklingel – neues Interesse. Madonna vermochte die große Zahl der Besucher nicht auf einmal zu signalisieren. Im Gemäldesaal wurden binnen kurzer Zeit alle Plätze besetzt und sogar der Hintergrund mit Zuschauern gefüllt.

Lady Brambledown, deren Beschauung und Studium den ganzen Morgen in Anspruch nahm, saß auf dem Ehrenplatz im Zentrum, schnupfte sehr häufig, warf mit liberalen Redensarten in kreischender Stimme um sich und war ganz außerordentlich vergnügt, sich von all den respektablen Familien so ehrfurchtsvoll angestaunt zu sehen. – Da waren zwei Königliche Akademiker, – der eine, ein finsterer mürrischer Akademiker hatte sich in einen wahrhaft losschnallen Mantel gehüllt und starrte beständig in sprachloser Hartnäckigkeit die Bilder an, indem er sie ganz und gar annihilierte und gar nicht als Kunstwerke gelten lassen wollte; der andere, ein wohlwollender Akademiker mit einem großen Regenschirm war in beständigem Zweifel und wusste nicht, ob er den »Columbus« oder das »goldene Zeitalter« loben und preisen sollte. Da er Mr. Blyth in Liebe und Freundschaft zugetan war, so fuhr er immer mit der Hand vor den Gemälden hin und her, gleichsam vergleichend und rief von Zeit zu Zeit:

»Ja, ja; ah! ja, ja, ja.«

Da waren der Doktor nebst Gemahlin, welche beständig den außerordentlich großen massiven Rahmen des »Columbus« bewunderten, aber über das Gemälde selbst nicht ein Wort sagten. Ferner waren anwesend Mr. Bullivant, der Bildhauer, und Mr. Hemlock, der Journalist; beide wechselten sehr oft und feierlich mit den kritischen Wörtern als »ästhetisch«, »sensuös«, »subjektiv«, »objektiv«, aber niemand wusste daraus eine Idee abzuleiten. Da war Mr. Gimble, beständig lobend und pfeifend durchs ganze Alphabet des Kunstjargons, aber nicht mit der geringsten Spur eines Begriffs vom Subjekt weder in Theorie noch Praxis. Da waren mehrere respektable Familien, welche ebenfalls den Geist der Kunstwerke zu begreifen suchten, es aber nicht vermochten. Dann waren noch andere respektable Familien vorhanden, welche dies gar nicht versuchten, aber in beständiger Nähe der Countess verharrten. Und was die große allgemeine Masse der Besucher betraf, so zeigte diese mehr Enthusiasmus als Beurteilungskraft. Aber draußen vor der Tür standen noch einige bescheidene Zuschauer, welche sich in ehrfurchtsvoller Bewunderung zuflüsterten, das »goldene Zeitalter« sei ein geschmackvolles Ding und der »Columbus« eine wundervolle Piece; diese still bewundernden Verehrer waren Mr. Blyths Gärtner, der Vater seiner Köchin u. a.