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Das Leben und der Tod des Königs Lear

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Achter Auftritt

Edmund (kommt zurük.) Es ist doch eine vortreffliche Narrheit der Welt, daß wenn wir meistens durch eigne Schuld unglüklich sind, wir auf Sonne, Mond und Sterne die Schuld unsrer Unfälle werfen, und uns bereden möchten, wir seyen Bösewichter durch fatale Nothwendigkeit, Thoren durch himmlischen Antrieb, feige Memmen, Diebe und Spizbuben durch die Obermacht der Sphären; Säuffer, Lügner und Ehebrecher durch einen unwiderstehlichen Einfluß der Planeten; und alles, worinn wir schlimm sind, durch göttliches Verhängniß. Eine unvergleichliche Ausflucht für den H** Jäger, den Menschen, seine bökische Neigungen auf Rechnung der Gestirne zu schreiben. Mein Vater hielt mit meiner Mutter unter dem Drachenschwanz zu, und unter dem Einfluß des grossen Bären wurde ich gebohren; folglich kan ich nicht anders als rauh und schelmisch seyn. Wahrhaftig, ich würde gewesen seyn wer ich bin, wenn gleich der allerjungfräulichste Stern am ganzen Firmament über meine Bastardisation gefunkelt hätte.

Neunte Scene.

(Edgar kömmt zu ihm.)

Edmund.

Husch! – Er kömmt gleich der Entwiklung in der alten Comödie.4 Meine Rolle ist, spizbübische Melancholie mit einem Seufzer, wie Tom von Bedlam – O! diese Finsternisse bedeuten solche Mißhelligkeiten! fa, sol, la, mi, —

Edgar.

Wie stehts, Bruder Edmund, in was für einer tiefsinnigen Betrachtung seyd ihr begriffen?

Edmund. Ich denke, Bruder, an eine Weissagung, die ich dieser Tagen las, was auf diese Verfinsterungen folgen würde.

Edgar.

Bekümmert ihr euch um solche Dinge?

Edmund. Ich versichre euch, diese Weissagungen treffen zum Unglük nur gar zu wol ein. Wenn sahet ihr meinen Vater das lezte mal?

Edgar.

Verwichne Nacht.

Edmund.

Sprachet ihr mit ihm?

Edgar.

Ja, zwey Stunden an einander.

Edmund. Schiedet ihr vergnügt von einander? Fandet ihr kein Mißvergnügen bey ihm, weder in Worten noch Gebehrden?

Edgar.

Nicht das geringste.

Edmund. Besinnet euch, worinn ihr ihn etwann beleidigt haben möchtet, und lasset euch erbitten, seine Gegenwart zu meiden, bis die erste Hize seines Unwillens sich verlohren haben wird, welche izt so sehr in ihm tobet, daß es ohne Unglük für eure Person schwerlich ablauffen könnte.

Edgar.

Irgend ein schändlicher Bube muß mich bey ihm verläumdet haben.

Edmund. Das fürcht' ich eben; ich bitte euch, weichet ihm sorgfältig aus, bis sich seine Wuth in etwas gelegt hat; und wie ich sage, kommt mit mir in mein Zimmer, wo ich machen will, daß ihr ohne bemerkt zu werden, Mylord reden hören könnet. Ich bitte euch, geht; hier ist mein Schlüssel; wenn ihr heraus geht, so gehet bewaffnet.

Edgar.

Bewaffnet, Bruder!

Edmund. Bruder, ich rathe euch das beste; ich will kein ehrlicher Mann seyn, wenn man etwas gutes gegen euch im Sinn hat. Ich habe euch gesagt, was ich gesehen und gehört habe; doch auf die gelindeste Art; es kan nichts entsezlichers seyn. – Ich bitte euch, gehet.

Edgar.

Werde ich bald wieder von euch hören?

(Geht ab.)

Zehnter Auftritt

Edmund. Ich diene euch in diesem Geschäfte. Ein leichtgläubiger Vater, und ein edler Bruder, dessen Gemüthsart so entfernt ist jemand ein Leid zu thun, daß er auch keines argwöhnen kan, und dessen alberne Ehrlichkeit die Helfte meiner Ränke unnöthig macht. Ich sehe diesem Geschäft unter die Augen. Wenn mir die Geburt keine Ländereyen gab, so soll mein Wiz sie mir verschaffen. Mir ist alles recht, was sich machen läßt.

(Geht ab.)

Eilfter Auftritt

(Des Herzogs von Albanien Palast. Gonerill und Haushofmeister treten auf.)

Gonerill.

Wie? mein Vater schlägt meinen Hof-Junker, weil dieser seinen Narren ausgescholten hat?

Hofmeister.

So ist es, Gnädige Frau.

Gonerill. Tag und Nacht beleidigt er mich; es vergeht keine Stunde, da er nicht in diese oder jene grobe Übelthat aufsprudelt, die uns alle an einander hezt; ich will es nicht länger leiden: Seine Ritter fangen an ganz ausgelassen zu werden, und er selbst macht uns um einer jeden Kleinigkeit willen Vorwürffe. Wenn er von der Jagd zurük kömmt, will ich nicht mit ihm reden; sagt, ich befinde mich nicht wol. Wenn ihr von euerm vorigen Dienst-Eifer gegen ihn nachlasset, werdet ihr wohl thun; ich nehme die Verantwortung auf mich.

Hofmeister.

Er kömmt würklich, Gnädige Frau; ich hör' ihn.

Gonerill. Ermüdet seine Geduld durch so viel Nachlässigkeiten, als euch nur beliebt, ihr und eure Cameraden; ich möchte gern, daß es zur Untersuchung käme. Wenn es ihm nicht ansteht, so mag er zu meiner Schwester gehen, deren Sinn mit dem meinigen darinn übereinkömmt, sich nicht beherrschen lassen zu wollen; der thörichte alte Mann, der alle diese Gewalt immer ausüben will, die er doch weggegeben hat. Nun, bey meinem Leben! Alte Leute werden wiederum Kinder, und müssen, wie Kinder, ausgescholten und nicht geliebkoset werden, wenn man sieht daß sie nur unartiger davon werden.

Hofmeister.

Euer Gnaden haben vollkommen recht.

Gonerill. Seinen Rittern kan man auch kältere Blike zukommen lassen; was daraus entstehen mag, das hat nichts zu bedeuten; weiset die übrigen Bedienten deshalben an; ich will sogleich an meine Schwester schreiben, damit sie eben denselben Weg einschlägt – Macht, daß das Mittag-Essen fertig wird.

(Sie gehen ab.)

Zwölfter Auftritt

(Die Scene verändert sich in einen offnen Plaz, vor dem Palast.)

Kent (tritt auf, verkleidet.) Wenn ich eben sowol einen andern Accent und eine langsamere Aussprache annehmen kan, als ich meine Gestalt verändert habe, so kan meine gute Absicht vielleicht zu dem völligen Endzwek kommen, um dessentwillen ich meine Person verläugne. (Man hört Hifthörner. Lear, seine Ritter und Bediente treten auf.)

Lear. Laßt mich nicht einen Augenblik auf das Mittag-Essen warten. Geht, macht es fertig. Wie nun, wer bist du?

(Zu Kent.)

Kent.

Ein Mann, Sir.

Lear.

Wofür giebst du dich? was willt du bey uns?

Kent. Ich gebe mich für nicht weniger, dann ich scheine; für einen, der demjenigen treulich dienen will, der mich in Pflicht nimmt, der ehrliche Leute liebt, und mit vernünftigen Leuten gern umgeht; der nicht viel spricht, weil er sich vor Tadel fürchtet; der ficht, wenn er's nicht vermeiden kan, und keine Fische ißt.*

Lear.

Wer bist du?

Kent.

Ein recht ehrlicher gutherziger Kerl, und so arm als der König.

Lear.

Wenn du für einen Unterthanen so arm bist, als er es für einen König ist, so bist du arm genug. Was willt du?

Kent.

Dienste.

Lear.

Wem willt du dienen?

Kent.

Euch.

Lear.

Kennst du mich, Bursche?

Kent. Nein, Sir; aber ihr habt etwas in eurer Person, das ich gerne meinen Herrn nennen möchte.

Lear.

Und was ist das?

Kent.

Ansehen.

Lear.

Was für Dienste kanst du thun?

Kent. Ich kan ehrliche Geheimnisse bey mir behalten, reiten, lauffen, ein lustiges Mährchen auf eine langweilige Art erzählen, und eine leichte Commission ungeschikt ausrichten – Wozu ein alltäglicher Mensch nur immer tüchtig ist, dazu bin ich der Mann; und das Beste an mir, ist Fleiß.

Lear.

Wie alt bist du?

Kent. Nicht jung genug, Sir, um ein Weibsbild, wegen ihres Singens zu lieben; und nicht alt genug, um wegen irgend einer Ursache in sie vernarrt zu seyn. Ich hab acht und vierzig Jahr auf meinem Rüken.

Lear. Folge mir, ich nehme dich in meine Dienste; wenn du mir nach der Mahlzeit nicht schlechter gefällst, so werden wir nimmer von einander scheiden. Das Mittag-Essen! hO! das Mittag-Essen! – Wo ist mein Schlingel? mein Narr? Geht, ruft meinen Narren her. Ihr, Ihr, Bengel! Hört ihr, wo ist meine Tochter? (Der Haushofmeister kömmt.)

Hofmeister.

Wenn es beliebt —

(Er geht wieder ab.)

Lear.

Was sagt der Kerl da? Ruft den Lümmel zurük – Wo ist mein Narr? ho!

Ich denke, die ganze Welt ligt im Schlaf Was ists? was sagt der Maulaffe?

Ritter.

Mylord, er sagt, eure Tochter befinde sich nicht wohl.

Lear.

Warum kam der Sclave nicht zurük, als ich ihn rief?

Ritter.

Er antwortete mir rund heraus, er wolle nicht.

Lear.

Er wolle nicht?

Ritter.

Mylord, ich weiß nicht was es zu bedeuten hat; aber meines Bedünkens, wird Euer Hoheit nicht mehr mit der ehrfurchtsvollen Zuneigung begegnet, wie ehmals – Es zeigt sich eine gewaltige Abnahme von Freundlichkeit, sowol bey allen Bedienten, als bey dem Herzog und Eurer Tochter selbst.

Lear.

Ha! sagst du das?

Ritter.

Ich bitte um Vergebung, Mylord, wenn ich mich irre; aber meine Pflicht kan nicht schweigen, wenn ich denke, Eure Hoheit werde beleidiget.

Lear. Du erinnerst mich nur an meine eigne Beobachtungen. Ich habe seit kurzem eine höchst kaltsinnige Nachlässigkeit bemerkt, die ich aber mehr meiner eignen allzu eifersüchtigen Aufmerksamkeit, als einer Absicht Unfreundlichkeit gegen mich zu zeigen, beymaß. Ich will genauer Acht geben. Aber wo ist mein Narr? ich habe ihn diese zween Tage nicht gesehen.

 

Ritter. Seitdem meine junge Lady nach Frankreich abgegangen ist, ist er ganz niedergeschlagen.

Lear.

Nichts mehr hievon; ich hab es wol bemerkt. Geht, und sagt meiner Tochter, ich möchte mit ihr reden. Und ihr geht, und ruft mir meinen Narren her – ha – Sir! kommt ihr hieher, Sir? wer bin ich, Sir? (Der Haushofmeister kömmt.)

Hofmeister.

Milady's Vater.

Lear. Milady's Vater? Mylords Schurke! ihr Hurensohn von einem Hund, ihr Sclave, ihr Kettenhund!

Hofmeister.

Ich bin nichts dergleichen, Mylord, ich bitte mir's aus.

Lear.

Darfst du solche Blike auf mich schiessen, du Galgenschwengel?

(Er giebt ihm eine Ohrfeige.)

Hofmeister.

Ich will nicht geschlagen seyn, Mylord.

Kent.

Und gestürzt auch nicht, du nichtswürdiger Ballspieler, du?

(Er unterschlägt ihm ein Bein.)

Lear.

Ich danke dir, Camerad. Du dienst mir, und ich will dich lieben.

Kent. Kommt, Sir, steht auf, fort! Ich will euch einen Unterschied machen lehren. Fort, fort! wenn ihr euern grossen Wanst noch einmal messen wollt, so versucht es noch einmal; aber fort, pakt euch! Seyd ihr gescheidt? So —

(Er schmeißt den Hofmeister hinaus.)

Lear. Ich danke dir, mein gutwilliger Bursche! es ist Ernst in deinem Dienst. * In Königin Elisabeths Zeiten wurden die Papisten mit gutem Grund für Feinde der Regierung gehalten. Daher kam die Redensart: (Er ist ein ehrlicher Mann, und ißt keine Fische,) um einen Freund der Regierung und Protestanten zu bezeichnen. Fletcher zielet hierauf in seinem Weiberfeind, wo er, da Lazarillo von der Wache vor der Courtisane Haus gefangen genommen, diese leztere sagen läßt: Meine Herren, es freut mich daß ihr ihn entdekt habt. Er sollte vor zwanzig Pfund unter meinem Dach nichts zu essen gekriegt haben; und wahrhaftig er gefiel mir gleich nicht, da er Fische verlangte. Und Marstons Niederländische Courtisane – Ich versichre, ich bin keine von den gottlosen Leuten, die am Freytag Fische essen.

Dreyzehnter Auftritt

(Der Narr kömmt zu ihnen.)

Narr.

Ich will ihn auch miethen – Hier ist meine Kappe. —

(Er giebt ihm seine Kappe.)

Lear.

Wie, mein artiger Schurke! was thust du?

Narr.

Ihr Esel, ihr thätet am besten, wenn ihr meine Kappe – nähmet.

Kent.

Warum, Junge?

Narr. Warum? Weil sich jemands anzunehmen, gefährlich ist; wenn du nicht lächeln kanst wie der Wind geht, so wirst du bald den Schnuppen kriegen. Hier, nimm meine Schellen-Kappe – Wie, dieser Bursche hier hat zwo von seinen Töchtern verbannt, und der dritten einen Segen wider seinen Willen gegeben; wenn du ihm folgst, so must du nothwendig meine Kappe tragen. Wie gehts, Onkel? Ich wollt, ich hätte zwo Kappen und zwo Töchter.

Lear.

Warum das, Junge?

Narr.

Wenn ich ihnen alle meine Haab und Gut gebe, so will ich meine Kappe für mich selbst behalten. Hier ist meine, bettle du eine von deinen Töchtern.

Lear.

Nimm dich in Acht, Schurke! Die Peitsche —

Narr. Die Wahrheit ist ein Hund, sie muß in den Hundsstall; muß hinausgepeitscht werden, wenn der Lady ihre Brake beym Feuer sizen und stinken darf.

Lear.

Das ist ein verdammter Stich!

Narr (zu Kent.)

Kerl, ich will dich reden lehren.

Lear.

Thu es.

Narr.

 
Gieb Acht, Nonkel!
Hab mehr dann du zeigst,
Sprich minder als du verschweigst,
Leyh minder als du hast,
Reit mehr als du gehst,
Lern mehr als du glaubst,
Seze minder als du wirfst,
Laß deinen Wein und dein Mensch,
Und bleib fein zu Hause,
So wirst du mehr haben als zwey
Zehner zu zwanzig.
 

Kent.

Das ist nichts, Narr.

Narr. So ist es wie der Athem eines unbezahlten Advocaten; ihr gebet mir nichts davor; könnt ihr nichts zu nichts gebrauchen, Nonkel?

Lear.

Wie? Nein, Junge; man kan nichts aus nichts machen.

Narr (zu Kent.) Ich bitte dich, sag ihm, so hoch belauffen sich just die Einkünfte von seinen Ländern; er würd' es einem Narren nicht glauben.

Lear.

Ein bittrer Narr!

Narr. Junge, weist du den Unterschied zwischen einem bittern Narren, und einem süssen?

Lear.

Nein; sag ihn dann.

Narr. Der Lord, der dir rieth dein Land wegzugeben, komm, laß ihn hier zu mir hersizen, und du steh vor ihn hin; so wird man den bittern und den süßen Narren nicht lange suchen müssen; der ist persönlich hier, und der andere dort.

Lear.

Nennst du mich einen Narren, Junge?

Narr. Alle deine andre Titel, mit denen du gebohren warst, hast du weggegeben.

Kent.

Diß ist nicht so ganz und gar närrisch, Mylord.

Narr. Nein, mein Treu! Lords und grosse Herren wollen mir's nicht lassen; wenn ich ein Monopolium dafür hätte, so würden sie auch einen Antheil daran haben wollen; ja die Damen noch dazu, sie würden nicht leiden wollen, daß ich alles Närrische für mich allein hätte, sie würden mich bemausen. Gieb mir ein Ey, Nonkel, so will ich dir zwo Kronen geben.

Lear.

Was für zwo Kronen sollen das seyn?

Narr. Was? Wenn ich das Ey mitten in zwey geschnitten, und was darinn ist, aufgegessen habe, so geb ich dir die zwo Kronen von den Schaalen. Wie du deine Krone mitten in zwey gespalten, und beyde Theile weggegeben hast, da trugst du deinen Esel auf dem Rüken durch den Koth; du hattest wenig Wiz in deiner kahlen Krone, wie du deine göldne weg gabst; wenn ich hierinn mir selbst gleich rede, so laß den peitschen, der es zuerst wahr findet.

(Der Narr singt ein Liedchen.)

Lear.

Seit wenn seyd ihr so liederreich, Herr Bengel?

Narr. Schon lange vorher, eh du deine Töchter zu deinen Müttern machtest; denn wie du ihnen die Ruthe gabst, und deine eigne Hosen herunter liessest, da —

(Er singt wieder ein Liedchen.)

5 Ich bitte dich, Nonkel, halt einen Schulmeister, der den Narren lügen lehre; ich habe eine rechte Lust lügen zu lernen.

Lear.

Wenn du liegst, Schurke, so wirst du gepeitscht.

Narr. Mich wundert, von was für einer Art Geschöpfe du und deine Töchter sind; sie wollen mich peitschen lassen, wenn ich die Wahrheit sage; du willt mich peitschen lassen, wenn ich lüge; und zuweilen werd' ich gepeitscht, weil ich gar nichts sage; ich wollte lieber irgend etwas anders seyn als ein Narr; und doch wollte ich nicht Du seyn, Nonkel! Du hast deinen Wiz an beyden Enden abgeschnitten, und nichts in der Mitte gelassen. Hier kömmt eines von den Stüken.

Vierzehnter Auftritt

(Die Vorigen. Gonerill.)

Lear. Wie nun, Tochter? was will diß Stirnband hier? Ihr rumpft seit kurzem die Stirne ein wenig zu viel.

Narr. Du warest ein ganz hübscher Kerl, wie du nicht nöthig hattest, dich um ihre Falten zu bekümmern – Nun bist du ein 0 ohne Zahl; ich bin besser als du izt bist; ich bin ein Narr, und du bist nichts. – Doch, ja, mein Treu! ich will mein Maul halten —

(zu Gonerill)

so befiehlt mir euer Gesicht, ob ihr gleich nichts sagt.

(Er singt wieder.)

(Zu Lear.) Du bist eine gescheelte Bohne.

Gonerill. Nicht allein, Sir, dieser euer zaumloser Narr, sondern auch andre von euerm übermüthigen Gefolge, fangen hier stündlich Zank und Händel an, und brechen in ganz ausgelassene und unerträgliche Unordnungen aus. Ich dachte, wenn euch dieses nur bekannt gemacht würde unfehlbare Hülfe zu finden; aber nun muß ich allerdings aus dem was ihr erst kürzlich gesagt und gethan habt besorgen, daß ihr diese Ausschweiffungen in euern Schuz nehmet, und sogar selbst aufmuntert; thut ihr's, so wird der Fehler dem Tadel nicht entgehen, noch wird es an Mitteln fehlen, Einhalt zu thun; die, obgleich zu euerm Besten abgesehen, doch die unangenehme Folge haben möchten, daß ihr, nicht ohne Schaam, von der Nothwendigkeit eine vorsichtigere Aufführung lernen müßtet.

Narr. Denn ihr wißt, Nonkel, der Sperling nährte den Kukuk so lang, bis seine Jungen ihm den Kopf abbissen; So löscht das Licht aus, und wir sizen im Finstern.

Lear.

Seyd ihr unsre Tochter?

Gonerill. Ich wünschte, ihr möchtet einen Gebrauch von dem guten Verstand machen, womit ihr, wie ich weiß, so wol versehen seyd; und diese Dispositionen von euch thun, die euch seit kurzem zu etwas ganz anderm machen, als ihr ordentlicher Weise seyd.

Narr.

Kan ein Esel nicht wissen, wenn der Karren das Pferd zieht? Schrey, Nachtigall, ich liebe dich.

Lear. Kennt mich hier jemand? Diß ist nicht Lear! Geht Lear so? spricht er so? wo sind seine Augen? Entweder ist sein Hirn geschwächt, sein Verstand in Todesschlaf versunken – Ha! wach ich? – Es ist nicht so! wer ist hier, der mir sagen kan, wer ich bin? Lear's Schatten? Ich möcht' es gern erfahren; denn nach den Kennzeichen der untrüglichen Vernunft zu schliessen, stand ich in einem falschen Wahn, da ich Töchter zu haben glaubte. Euer Name, schönes Frauenzimmer?

Gonerill. Diese Verwundrung, Sir, ist sehr im Geschmak eurer übrigen neuen Grillen. Ich bitte euch, meine Absichten recht zu verstehen. So wie ihr alt und ehrwürdig seyd, solltet ihr auch weise seyn. Ihr haltet hier hundert Ritter und Schildknappen, so ausgelassenes, verwegenes und schwelgerisches Volk, daß dieser unser Hof, von ihren Sitten angestekt, einer liederlichen Schenke gleich sieht; Epicurisches Wesen und Unzucht machen ihn mehr einem Weinhaus und Bordel, als einem fürstlichen Palast ähnlich. Die Schaam selbst spricht für ungesäumte Hülfe. Lasset euch von einer erbitten, die sonst das was sie bittet nehmen wird, euer Gefolge um fünfzig zu vermindern; und die übrig bleibenden solche Leute seyn zu lassen, die sich für eure Jahre schiken, und sich selbst und euch kennen.

Lear.

Finsterniß und Teufels! Sattelt meine Pferde! Ruft meine Leute zusammen – Ausgearteter Bastard! Ich will dich nicht beunruhigen.

Ich habe noch eine Tochter übrig.

Gonerill.

Ihr schlagt meine Leute; und euer zügelloses Gesindel will von Leuten bedient seyn, die besser als sie sind.

Fünfzehnter Auftritt

(Zu ihnen, der Herzog von Albanien.)

Lear.

Weh dem, den zu spät die Reue trift! O Sir! seyd ihr gekommen?

Ist es euer Wille, sprecht, Sir? laßt meine Pferde bereit halten —

Undankbarkeit! du marmorherziger Teufel; scheußlicher wenn du dich in einem Kind zeigst, als in einem Meer-Ungeheuer.

Albanien.

Ich bitte, Sir, seyn Sie geduldig.

Lear

(zu Gonerill).) Verdammter Habicht! Du lügst! Mein Gefolge sind ausgesuchte Leute, von den seltensten Gaben, die alles kennen, was die Pflicht von einem Ritter fordert, und die den Adel ihrer Namen in allen Stüken behaupten – O sehr kleiner Fehler! Wie häßlich schienst du an Cordelia! da du, gleich einem Hebel, meine ganze Natur aus ihrer gewohnten Stellung hubst, und alle Liebe aus meinem Herzen zogst, und zu Galle machtest – O Lear, Lear, Lear! Schlag an diese Thür, (Er schlägt sich an den Kopf.)

die deine Thorheit ein- und deine Vernunft ausließ – Geht, geht, meine Leute.

Albanien. Mylord, ich bin so unschuldig, daß ich nicht einmal weiß, was euch in diesen Unwillen gesezt hat.

Lear. Es mag so seyn, Mylord – Höre mich, Natur, theure Göttin, höre einen Vater! Hemme deinen Vorsaz, wenn er war, diß Geschöpf fruchtbar zu machen. Banne Unfruchtbarkeit in ihre Schooß, trokne die Werkzeuge der Vermehrung in ihr auf, und laß niemals aus diesem geschändeten Leib einen Säugling entspringen, der ihr Ehre mache. Muß sie aber gebähren, so erschaff ihr Kind aus Galle, und laß es leben, sie ohne Rast mit unnatürlicher Bosheit zu peinigen; laß es Runzeln in ihre junge Stirne graben, und mit glühenden Thränen Canäle in ihre Wangen äzen; laß es alle ihre Mutter-Schmerzen, mit Hohngelächter, alle ihre Wohlthaten mit Verachtung erwiedern; damit sie fühle, wie viel schärfer als einer Schlange Biß es ist, ein undankbares Kind zu haben! Geht, geht, meine Leute!

 

Albanien.

Nun, ihr Götter, die wir anbeten, woher kommt diß!

Gonerill. Bekümmert euch nicht, es zu wissen, sondern laßt seinem Wahnwiz freyen Lauf —

Lear. Was? Fünfzig von meinem Gefolge auf einen Streich! – Innerhalb vierzehn Tagen! —

Albanien.

Was ist denn die Sache, Mylord?

Lear.

Ich will dir's sagen – Leben und Tod! —

(zu Gonerill)

ich schäme mich, daß du Macht hast meine Mannheit also zu erschüttern! – O! daß diese heissen Thränen, die mit Gewalt aus meinen Augen brechen, dich ihrer würdig machen könnten – Stürme und Wetter über dich! daß nichts dich gegen die unheilbaren Wunden des Fluchs eines Vaters schüze! – Ihr alten unmännlichen Augen, weint ihr schon wieder? Ich will euch ausreissen und wegwerffen, um mit dem Wasser das ihr verliehrt, Leim zu waschen. Ha! ist es dazu gekommen! So sey es dann: Ich habe eine andre Tochter, die, wie ich gewiß bin, zärtlich und hülfreich ist; wenn sie diß von dir hören wird, sie wird dein wolfisches Gesicht mit ihren Nägeln zerkrazen; du sollt finden, daß ich die Gestalt wieder annehmen werde, die ich, deiner Einbildung nach, auf ewig abgelegt habe.

(Lear und Gefolge gehen ab.)

4Das ist, er kömmt recht (a propos.) Ein Compliment, welches Shakespeareden regelmässigen Stüken macht.
5Der Übersetzer bekennt, daß er sich ausser Stand sieht, diese, so wie künftig, noch manche andre Lieder von gleicher Art zu übersezen; denn mit dem Reim verliehren sie alles. Er hat sie inzwischen hieher sezen wollen, damit andre, wenn sie Lust haben, mit mehrerm Erfolg, sich daran versuchen können. (1.) Fools ne'er had less grace in a Year for wise Men art grown foppish; And Know not how their Wits to wear their Manners are so apish. (2.) Then they for sudden joy did weep And I for sorrow sung, That such a King should play bo-peep And go the fools among.}