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Das Leben und der Tod des Königs Lear

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Siebender Auftritt

Gloster.

Ich bin deinetwegen bekümmert, guter Freund; aber es ist des Herzogs Wille so, der, wie alle Welt weiß, sich keinen Einhalt thun läßt. Ich will für dich bitten.

Kent. Ich bitte euch, thut es nicht, Sir. Ich habe lange gewacht und gewandert; einen Theil der Zeit kan ich ausschlaffen, und den übrigen will ich verpfeiffen. Eines ehrlichen Manns Glük kan endlich müde Füsse kriegen. Ich wünsche euch einen guten Morgen.

Gloster.

Der Herzog ist hierinn zu tadeln; es wird übel aufgenommen werden.

(Geht ab.)

Kent. Du guter König must izt das alte Sprüchwort erfahren: Du kommst aus des Himmels Segen in die warme Sonne. Komm näher, du Signal-Feuer für diese Unterwelt, damit ich bey deinen hülfreichen Stralen diesen Brief durchlesen könne:

(indem er den Mond ansieht)

Niemand sieht mehr Wunder als der Elende – Ich kenne ihn, er ist von Cordelia, die höchstglüklicher Weise von meinem verdunkelten Lauf benachrichtiget worden. Ich werde in diesem ungebührlichen Zustand Zeit finden, darauf zu denken, wie unser Verlust ersezt werden könne; ihr müden und ausgemachten Augen, bedient euch des Vortheils, diese schändliche Wohnung nicht zu sehen. Gute Nacht, Glük; lächle noch einmal, dann dreh' dein Rad.

(Er entschläft.)

(Die Scene verwandelt sich in einen Wald.)

(Edgar tritt auf.)

Edgar. Ich habe mich selbst ausruffen gehört, und bin, Dank sey einer glüklichen Höle in einem Baum, der Jagd entgangen. Kein Seehaven ist frey, kein Ort, wo nicht Wachen und ungewöhnliche Aufmerksamkeit auf meine Ertappung warten. Da ich nicht entrinnen kan, will ich mir auf eine andre Art helfen, und bin entschlossen, die niedrigste und armseligste Gestalt anzunehmen, die nur immer die Dürftigkeit ersinnen kan, den verachteten Menschen näher zum Vieh herab zu sezen. Mein Gesicht will ich mit Schmuz entstellen, meine Lenden mit Binden umwikeln, mein Haar in Knoten schlingen, und mit dargebotner Naktheit, den Winden und den Verfolgungen des Wetters Troz bieten. Die Dörfer zeigen mir ein Muster an den Tollhaus-Bettlern, die mit heulenden Stimmen, in ihre gefühllose, abgestorbene, nakte Arme, Nädeln, hölzerne Pfriemen, Nägel und Rosmarin-Zweige schlagen, und in diesem entsezlichen Aufzug, vor kleinen Pacht-Höfen, armen Bauerhütten, Schaaf-Hürden und Mühlen, bald durch mondsüchtige Flüche, bald durch Gebete, der Mildthätigkeit der Leute Gewalt anthun. Armer Turlupin8! Armer Tom! Das ist izt etwas – als Edgar bin ich nichts.

{ed. – Bei Wieland folgt, wie schon in der englischen Ausgabe von Warburton, der neunte Auftritt auf den siebenten.}

Neunter Auftritt

(Die Scene verwandelt sich wieder in des Grafen von Gloster Schloß.)

(Lear, Narr, und ein Ritter.)

Lear.

Das ist wunderlich, daß sie von Hause abreisen, ohne mir meinen Boten zurük zu schiken.

Ritter. So viel ich erfahren habe, war die Nacht vorher noch kein Gedanke an diese Entfernung.

Kent.

Heil dir, mein edler Meister!

Lear.

Ha! machst du deine Schmach zu deinem Zeitvertreib?

Kent.

Nein, Mylord.

Narr. Ha, ha! er trägt verzweifelte Kniebänder; Pferde werden am Kopf gebunden, Hunde und Bären am Hals, Affen um die Lenden, und Menschen an den Beinen; wenn ein Mann gar zu lustig auf den Beinen ist, so trägt er hölzerne Unterstöke.

Lear.

Wer ist der, der deinen Plaz so sehr mißkennt, dich hieher zu sezen?

Kent.

Es ist Er und Sie, euer Sohn und eure Tochter.

Lear.

Nein.

Kent.

Ja.

Lear.

Nein, sag ich.

Kent.

Ich sage, Ja.

Lear.

Beym Jupiter, schwör ich, Nein!

Kent.

Bey Juno, schwör ich, Ja.

Lear. Das hätten sie sich nicht unterstanden; sie konnten, sie wollten es nicht thun; das ist ärger als Mord, die Ehrerbietung gegen mich so gewaltthätig zu verlezen. Sage mir, so schnell als möglich, wodurch du eine solche Begegnung verdienen, oder was sie dazu bringen konnte, dich so mißzuhandeln, da du von uns kamest?

Kent. Mylord, als ich Ihnen in Ihrem Hause, Eurer Hoheit Briefe überreichte, kam, eh ich noch vom Boden, wo mich die Ehrfurcht knien hieß, aufgestanden war, ein rauchender Postillion an, der ganz beschwizt und halb athemlos einen Gruß von Gonerill seiner Gebieterin keuchte, und Briefe übergab, die sogleich, ohne auf die meinige Acht zu haben, überlesen wurden; dem Inhalt derselben zufolge, liessen sie sogleich ihre Leute aufbieten, die Pferde fertig halten, befahlen mir ihnen zu folgen und zu warten, bis es ihnen gelegen sey mir zu antworten, und gaben mir kalte Blike. Da ich nun hier den andern Boten antraf, dessen Willkomm (wie ich merkte) den meinigen vergiftet hatte, und sah', daß es eben der Gesell war, der sich lezthin so unartig gegen Eu. Hoheit aufführte, so zog ich, weil ich mehr Mannheit als Wiz bey mir hatte, den Degen gegen ihn; er brachte mit seinem zaghaften Geschrey das Haus in Bewegung, und euer Sohn und eure Tochter fanden dieses Vergehen der Schmach würdig, die ich hier erdulde.

Lear. O! wie schwillt diese Mutter zu meinem Herzen auf! Herunter (hysterica passio!) Du klimmender Kummer, dein Element ist unten; wo ist diese Tochter?

Kent.

Bey dem Grafen, Mylord, hier drinnen.

Lear.

Folget mir nicht – bleibt hier zurük —

(Er geht ab.)

Ritter.

Verbrachet ihr sonst nichts, als was ihr da gesagt habet?

Kent.

Nichts. Wie kömmts, daß der König in so kleiner Anzahl anlangt?

Narr. Wenn du um dieser Frage willen in den Stok gesezt worden wärest, so hättest du es wol verdient.

Kent.

Warum, Narr?

Narr. Man muß dich zu einer Ameise in die Schule thun, zu lernen, daß man im Winter nicht arbeitet. Alle die ihrer Nase folgen, werden von ihren Augen geleitet, die Blinden ausgenommen; und unter zwanzig Nasen ist nicht eine die den nicht röche, der stinkt. Wenn ein grosses Rad einen Hügel herunter lauft, so laß es unaufgehalten, oder es bricht dir den Hals, wenn du ihm nachlaufst; wenn es aber aufwärts geht, so laß dich von ihm nachziehen. Wenn ein weiser Mann dir einen bessern Rath giebt, so gieb mir meinen wieder zurük; ich möchte nicht, daß ihm jemand andrer folgte als ein Spizbube, da ihn ein Narr giebt.

Zehnter Auftritt

(Lear und Gloster treten auf.)

Lear.

Sie wollen nicht mit mir reden? sie sind unpäßlich, sie sind müde, sie haben die ganze Nacht durch gereißt? Blosse Ausflüchte!

Anzeigen von Empörung und Abtrünnigkeit. Bring mir eine bessre Antwort —

Gloster.

Mein theurer Lord, Ihr kennet die feurige Gemüthsart des Herzogs!

Wie unbeweglich und fest er in seinen Entschliessungen ist —

Lear.

Rache! Pest! Tod! Verderben! feurig? was feurige Gemüthsart?

Wie? Gloster, ich will mit dem Herzog von Cornwall und seinem Weibe reden.

Gloster.

Gut, Mylord, so habe ich sie berichtet.

Lear.

Sie berichtet? Verstehst du mich, Mann?

Gloster.

Ja, mein Gnädiger Lord.

Lear. Der König will mit Cornwallen reden, der Vater will mit seiner Tochter reden; befiehlt ihr, ihm aufzuwarten – Sind sie dessen berichtet? – Mein Athem! Mein Blut! – Feurig? der feurige Herzog? Sagt dem heissen Herzog, ich – Nein! izt noch nicht; es mag seyn, daß er nicht wohl ist. Krankheit verabsäumt immer alle Pflichten, an die unsre Gesundheit gebunden ist; wir sind nicht wir selbst, wenn die unterligende Natur der Seele mit dem Leib zu leiden befiehlt. Ich will Geduld haben; ich war zu hastig, die Laune eines Kranken dem Gesunden zur Last zu legen. – Verwünscht sey mein Zustand! – Aber wofür sollte er hier sizen? Diese Handlung überführt mich, daß ihre Entfernung von Hause nur ein Kunstgriff ist. Gebt mir meinen Diener los – Geht, sagt dem Herzog und seinem Weib, ich wolle mit ihnen sprechen, izt gleich; sagt ihnen, sie sollen kommen und mich anhören, oder ich will vor ihrer Kammerthüre die Trommel schlagen lassen, bis sie schreyt, schlaft zu Tod.

Gloster.

Ich wollte, es wäre alles gut zwischen euch.

(Geht ab.)

Lear.

O! mein Herz, mein schwellendes Herz! herunter!

Narr.

Schrey ihm zu, Nonkel, wie das Küchen-Mädchen den Älen, die sie lebendig in die Pastete gethan hatte; sie schlug sie mit einem Steken ernstlich auf die Nasen und schrie, zu Boden mit euch, ihr Muthwilligen, zu Boden! Es war ihr Bruder, der aus lauter Gütigkeit gegen sein Pferd Butter an sein Heu that.

Eilfter Auftritt

(Cornwall, Regan, Gloster und Bediente, zu den vorigen.)

Lear.

Ich wünsche euch beyden einen guten Morgen.

Cornwall.

Euer Gnaden sind willkommen.

 

(Kent wird losgemacht.)

Regan.

Ich bin erfreut Eu. Hoheit zu sehen.

Lear. Regan, ich denke, ihr seyd es, ich weiß die Ursachen warum ich es denke; wenn du nicht erfreut wärest, ich wollte mich im Grab von deiner Mutter als einer Ehebrecherin scheiden. (Zu Kent.) O! seid ihr frey? Ein andermal hievon. Geliebte Regan, deine Schwester ist nichts: O Regan, sie hat ihre Undankbarkeit gleich einem Geyer hier

(er zeigt auf sein Herz)

angefesselt, an meinem Herzen zu nagen. Ich kan kaum mit dir reden; du kanst nicht glauben, mit was für einer ausgearteten Bosheit – o Regan! —

Regan. Ich bitte euch, Mylord, habet Geduld; ich hoffe, ihr wisset weniger ihren Werth zu schäzen, als sie ihre Pflicht zu vergessen.

Lear.

Sagst du? Wie ist das?

Regan. Ich kan nicht denken, meine Schwester sollte nur im mindesten ihre Schuldigkeit beyseite sezen. Wenn sie vielleicht die Ausschweiffungen eurer Begleiter eingeschränkt hat, so geschah es aus solch einem Grund, und zu einem so heilsamen Zwek, daß sie gegen allem Tadel gesichert ist.

Lear.

Meine Flüche über sie! —

Regan. O Sir, ihr seyd alt, die Natur steht bey euch auf der äussersten Grenze ihres Gebiets. Ihr solltet euch durch einen Verstand leiten lassen, der besser zu unterscheiden wüßte was euch anständig ist, als ihr selbst; ich bitte euch also, Mylord, kehret zu meiner Schwester zurük, sagt, ihr habet ihr Unrecht gethan —

Lear. Sie um Verzeihung zu bitten? Merkt ihr auch, wie wol sich das schiken wird? Liebste Tochter, ich bekenne daß ich alt bin, Alter ist unvermöglich, ich bitte dich auf meinen Knien, daß du mir Kleider, Unterhalt und Bette zukommen lassen wollest.

Regan. O Sir, nichts weiter; das sind Launen, die nicht auszustehen sind; kehret ihr zu meiner Schwester zurük.

Lear. Nimmermehr, Regan. Sie hat mich um die Helfte meines Gefolgs geschwächt, mich mit schwarzen Bliken angesehen, mich mit ihrer Zunge, recht wie eine Natter, ins Herz gestochen. Alle aufgehäuften Raachen des Himmels fallen auf ihren undankbaren Kopf. Schlaget, ihr anstekenden Lüfte, ihre jungen Beine mit Lahmheit —

Cornwall.

Pfui, Sir, Pfui!

Lear. Ihr durchdringenden Blize, schiesset eure blendenden Flammen in ihre hochmüthigen Augen! Steket ihre Schönheit an ihr aus Sümpfen gesaugte Nebel, von der mächtigen Sonn emporgezogen zu fallen, und ihren Stolz zu versengen.

Regan. O! ihr gütigen Götter! – So werdet ihr mir wünschen, wenn der rasche Humor regiert.

Lear. Nein, Regan, du sollt niemals meinen Fluch haben; deine zärtliche Natur wird dich nicht in Härtigkeit ausarten lassen; ihre Augen sind scharf; die deinen erquiken und brennen nicht. Du bist nicht fähig mir mein Vergnügen zu mißgönnen, mein Gefolg zu vermindern, ein hastiges Wort übel auszulegen, mir an meinem Unterhalt abzubrechen, und den Riegel gegen meine Ankunft zu stossen. Du kennst die Pflichten der Natur besser, das Band der Kindschaft, die Geseze der Höflichkeit, und die Forderungen der Dankbarkeit. Du hast noch nicht vergessen, daß ich dir die Helfte meines Königreichs geschenkt habe.

Regan.

Guter Sir, zur Hauptsache —

(Man hört Trompeten.)

Lear.

Wer legte meinen Mann in den Stok? (Der Haushofmeister kommt.)

Cornwall.

Was für Trompeten sind das?

Regan. Meiner Schwester, ohne Zweifel; ihr Brief sagt, daß sie bald hier seyn wolle. Ist eure Lady gekommen?

Lear. Diß ist ein Sclave, dessen leicht-geborgter Hochmuth in der wankelmüthigen Gnade seiner Gebieterin wohnt. Fort, Schurke, aus meinem Gesicht!

Cornwall.

Was meynten Euer Gnaden hiemit?

Zwölfter Auftritt

(Gonerill tritt auf.)

Lear. Wer legte meinen Diener in den Stok? Regan, ich habe gute Hoffnung, du wußtest nichts davon – Wer kömmt hier? O ihr Himmel! wenn ihr alte Leute liebet, wenn eure sanfte väterliche Regierung den Gehorsam heiliget, wenn ihr selbst alt seyd,9 so macht meine Sache zur eurigen, sendet herab und nehmet meine Partey! Schämt euch nicht, auf diesen eisgrauen Bart zu sehen – O Regan, du nimmst sie bey der Hand?

Gonerill. Und warum nicht bey der Hand, Sir? Was hab ich gesündiget? Nicht alles ist Verbrechen, was Unbesonnenheit tadelt, und Aberwiz so benennt.

Lear. O! meine Seiten! ihr seyd zu hart! Könnt ihr noch halten? – Wie kam mein Mann in den Stok?

Cornwall. Ich ließ ihn hineinsezen, Sir; aber seine unordentliche Aufführung verdiente eine noch geringere Beförderung.

Lear.

Ihr? Ihr thatet es?

Regan. Ich bitte euch, Vater, erkennet doch eure Schwäche – Wenn ihr bis zum Verfluß ihres Monats mit meiner Schwester wieder umkehren, und mit Abdankung der Helfte euers Gefolges, bey ihr wohnen wollet, so kommet dann zu mir. Izt bin ich nicht zu Hause, und nicht mit so vielem versehen, als zu eurer Unterhaltung nöthig ist.

Lear. Zu ihr zurük kehren, und fünfzig Mann abdanken? Nein, eher will ich allen Aufenthalt unter einem Dach abschwören, lieber gegen die Anfälle der Luft kämpfen, und ein Geselle des Wolfs und der Eule seyn; so grausam auch ein solcher Zustand ist – Mit ihr zurük kehren? Eben so leicht könnte ich dazu gebracht werden, vor den Thron des feurigen Franzosen, der unsre Jüngste ohne Erbgut nahm, niederzuknien, und wie ein armer Schildknappe um eine Ritterzehrung zu betteln – Mit ihr zurük kehren? Überrede mich lieber ein Sclav und Karren-Gaul von diesem verfluchten Hofschranzen zu seyn. —

(Er deutet auf den Hofmeister.)

Gonerill.

Es steht in euerm Belieben, Sir.

Lear. Ich bitte dich, Tochter, treib mich nicht zum Wahnwiz. Ich will dich nicht beunruhigen, mein Kind. Lebe wohl! Wir wollen nicht mehr zusammen kommen, einander nicht mehr sehen. Aber du bist doch mein Fleisch, mein Blut, meine Tochter – oder vielmehr ein Schaden der in meinem Fleisch ist, und den ich wider Willen mein nennen muß; du bist ein Geschwär, eine Pestbeule, eine aufgeschwollene Blatter in meinem vergifteten Blute. Doch ich will dich nicht schelten. Die Schaam mag kommen wenn sie will, ich ruffe ihr nicht; ich bitte den Donnerer nicht, dich zu schlagen, und erzähle dem allesrichtenden Jupiter keine Geschichten von dir: Bessre dich wenn du kanst, und wenn es dir gelegen ist. Ich kan Geduld haben, ich kan bey Regan bleiben, ich und meine hundert Ritter.

Regan. Nicht vollkommen so; ich habe izt nicht für euch gesorgt, ich bin nicht darauf versehen, euch gehörig zu empfangen; gebt meiner Schwester Gehör. Leute die mit Passionen urtheilen, könnten sich begnügen zu denken, ihr seyd alt, und so – Aber sie weiß, was sie thut.

Lear.

Ist das wohl gesprochen?

Regan. Ich darf es behaupten, Sir. Was? fünfzig Begleiter? Ist es nicht genug? Wozu braucht ihr mehr? Ja, wozu so viele? Da beydes, Überlast und Gefahr, gegen eine so grosse Anzahl reden. Wie könnten so viel Leute in einem Hause unter zweyerley Befehl Friede halten? Es ist schwer, es ist ganz unmöglich.

Gonerill. Könntet Ihr, Mylord, dann nicht von unsern Bedienten zugleich bedient werden?

Regan. Warum nicht, Mylord – wenn sie alsdann etwann saumselig seyn sollten, so könnten wir sie zur Gebühr weisen. Wenn Ihr zu mir kommen wollet, (denn nun merke ich, was die Sache auf sich hat,) so bitte ich nicht mehr als fünf und zwanzig mitzubringen; denn ich werde nicht mehr als fünf und zwanzigen Plaz und Versorgung geben.

Lear.

Ich gab euch alles —

Regan.

Und ihr gabet es zu rechter Zeit.

Lear. Machte euch zu meinen Beschirmern, meinen Pflegern, mit dem einzigen Vorbehalt einer solchen Anzahl; muß ich mit fünf und zwanzig zu euch kommen? Regan, sagtet ihr so?

Regan.

Und sag es noch einmal, Mylord, ich werde nicht mehr aufnehmen.

Lear. Diese runzlichten Geschöpfe sehen doch noch ganz hübsch aus, wenn sie neben andern stehen, die noch runzlichter sind. Nicht der schlimmste zu seyn, verdient einigen Grad von Lob;

(zu Gonerill)

ich will mit dir gehen, deine Fünfzig sind doch noch einmal so viel als fünf und zwanzig, und du liebst mich um die Helfte nicht so wenig als sie.

Gonerill. Höret mich, Mylord, wozu braucht ihr fünf und zwanzig, zehen oder fünf, euch in ein Haus zu folgen, wo zweymal so viel Befehl haben, euch aufzuwarten?

Regan.

Wozu braucht ihr nur einen einzigen?

Lear. O! philosophiert nicht über das was man nicht braucht, oder die elendesten Bettler haben in ihrer grösten Dürftigkeit noch Überfluß. Gestehet der Natur nicht mehr zu, als die Natur bedarf, so ist des Menschen Leben so wohlfeil als des Viehes. Du bist eine Lady; wenn warm gekleidet gehen schon Pracht ist, so wirf deine Kleider weg, die Natur bedarf nicht was du zur Pracht trägst, da es dich schwerlich warm halten kan; aber was die wahre Nothdurft betrift – Ihr Himmel! Gebt mir die Geduld die ich vonnöthen habe. Ihr seht mich hier, ihr Götter, einen armen alten Mann, von Gram so gedrükt als von Jahren: Wenn ihr es seyd, die dieser Töchter Herzen wider ihren Vater empören – o so treibet euer grausames Spiel nicht so weit, mich zahm wie einen Thoren dulden zu machen. Rühret mich mit edelm Zorn! o laßt nicht weibische Waffen, Wassertropfen, meine männliche Wange befleken! – Nein! Ihr unnatürlichen Unholden, ich will solche Raache an euch beyden nehmen, daß alle Welt – ich will solche Dinge thun – die meine Seele sich selbst noch nicht gestehen darf10 – Dinge, worüber der Erdboden sich entsezen soll. – Ihr denkt, ich soll weinen? Nein, ich will nicht weinen – ob ich gleich Ursache genug zum Weinen habe. – Eh soll diß Herz in tausend Stüke brechen eh ich weinen will – O Narr, ich werde wahnsinnig werden —

(Lear, Gloster, Kent und Narr gehen ab.)

Dreyzehnter Auftritt

Cornwall.

Wir wollen uns wegbegeben; es kömmt ein Ungewitter.

Regan. Diß Haus ist klein, der alte Mann und seine Leute können nicht wol darinn versorgt werden.

Gonerill. Es ist seine eigne Schuld, daß er keine Ruhe hat; er mag die Folgen seiner Thorheit kosten.

Regan. Ihn für seine Person will ich mit Vergnügen aufnehmen, aber nicht einen einzigen Begleiter.

Gonerill. Das ist auch mein Vorsaz. Wo ist Mylord von Gloster? (Gloster kömmt zurük.)

Cornwall.

Er begleitete den alten Mann – Hier kommt er wieder.

Gloster. Der König ist in der äussersten Wuth, und will fort, ich weiß nicht wohin.

Cornwall.

Das beste ist, ihm den Lauf zu lassen, den er selbst nimmt.

Gonerill (zu Gloster.)

Mylord, sprechet ihm auf keinerlei Art zu, daß er bleibe.

Gloster. Aber, die Nacht bricht an, und die Winde stürmen entsezlich; auf manche Meile herum ist kaum ein Busch —

Regan. O Sir, eigensinnigen Leuten müssen die Übel die sie sich selbst zuziehen, für Lehrmeister dienen. Sperret eure Thüren zu; er hat verzweifelte Leute bey sich; und die Klugheit befiehlt zu fürchten, wozu sie ihn aufhezen könnten, da es so leicht ist, ihn zu verführen.

Cornwall.

Verschließt eure Thüren, Mylord, es ist eine ungestüme Nacht.

Meine Regan räth wol; kommt, eh das Wetter angeht.

(Gehen ab.)

Dritter Aufzug

Erster Auftritt

(Eine Heyde.)

(Man hört einen Sturm mit Donner und Blizen.)

(Kent und ein Ritter treten von verschiedenen Seiten auf.)

Kent.

Wer geht hier in diesem schlimmen Wetter?

 

Ritter.

Einer dessen Gemüthsfassung diesem Wetter sehr ähnlich ist.

Kent.

Ich kenne euch; wo ist der König?

Ritter. Mit den erzürnten Elementen kämpfend, befiehlt er den Winden die Erde in die See zu wehen, oder die krausen Wellen über das feste Land aufzuschwellen, damit die Welt eine neue Gestalt bekomme oder aufhöre. Er rauft seine weissen Haare, und bemüht sich in sich selbst, in seiner innerlichen Welt, die streitenden Sturmwinde und die berstenden Wolken zu überrasen. In einer solchen Nacht, wo der wüthende Hunger auch die wildesten Thiere nicht aus ihren Hölen zu treiben vermochte, rennt er mit unbedektem Haupt hin und wieder, und stößt seinen Grimm in Verwünschungen aus —

Kent.

Aber wer ist bey ihm?

Ritter.

Niemand als der Narr, der sich bemüht, ihn der Kränkungen, die sein Herz zerreissen, durch seine Thorheiten vergessen zu machen.

Kent. Sir, ich kenne euch, und wage es unter der Bürgschaft meiner euch nicht unbekannten Gesinnungen, euch einen wichtigen Auftrag zu machen. Es ist Mißhelligkeit, ob sie gleich aus Staatslist noch verborgen wird, zwischen den Herzogen von Albanien und Cornwall: Sie haben Bediente, (und welche Grosse haben nicht solche?) die unter dem Schein der Treue heimliche Kundschafter sind, und Frankreich alles verrathen, was in unserm Staat vorgeht – die Zänkereyen der Herzoge, oder die rauhe Art womit beyde dem guten alten Könige begegnet sind, oder vielleicht etwas noch tiefferes, wozu beydes nur die Vorbereitungen sind – was es auch seyn mag, gewiß ist, daß ein Französisches Kriegsheer im Begriff steht in dieses geschwächte Königreich einzufallen. Unsre Nachlässigkeit hat ihnen schon Zeit gelassen, sich in unsern besten Seehäfen Anhänger zu machen, und sie werden nicht lange säumen, ihre Feldzeichen öffentlich aufzusteken. Wenn ihr nun anders auf meinen Credit so viel wagen wollet, in Eile nach Dover abzugehen, so werdet ihr Leute finden, die euch danken werden, wenn ihr ihnen eine wahrhafte Nachricht gebet, über was für unnatürliche und unsinnigmachende Beleidigungen der König zu klagen Ursach hat. Ich bin ein Edelmann von Stand und Bedeutung, und würde euch diesen Dienst nicht auftragen, wenn ich nicht wißte, daß ich mich auf euch verlassen kan.

Ritter.

Ich will weiter mit euch hievon reden.

Kent. Nein, thut es nicht; zur Bestätigung daß ich weit mehr bin, als meine Aussen-Seite, öffnet diesen Beutel und nehmt, was darinn ist. Wenn ihr Cordelia sehen werdet, wie ihr nicht zweifeln dürft, so zeigt ihr diesen Ring, und sie wird euch sagen wer der gute Freund ist, den ihr izt nicht kennt.

Ritter.

Gebt mir euere Hand, habt ihr sonst nichts zu sagen?

Kent. Wenig Worte, aber, der Würkung nach, mehr als alles bisherige. Wir wollen uns trennen, um den König zu suchen, und der erste der ihn erblikt, soll dem andern ein Zeichen geben.

(Gehen ab.)

8Im vierzehnten Jahrhundert entstand eine Art von Zigäunern, Turlupins genannt, eine Brüderschaft von nakenden Bettlern die in Europa auf und ab lieffen; dem ungeachtet hat die Römische Kirche sie mit dem Kezer-Namen beehrt, und würklich einige von ihnen zu Paris verbrannt. Was sie aber für eine Art von Religionisten gewesen, sehen wir aus Genebrards Nachricht von ihnen, (Turelupini Cynicorum sectam suscitantes, de nuditate pudendorum & publico coitu.) In der That nichts anders, als eine Art Tollhaus-Narren. Warbürton.
9König Lear deutet hier auf die alte heidnische Theologie, welche lehrt, daß (Coelus) oder (Uranus) (der Himmel) von seinem Sohn Saturnus abgesezt worden, der sich wider seinen alten Vater auflehnte, und ihn durch Gewalt der Waffen austrieb. Da sein Fall demjenigen, worinn Lear sich befindet, so ähnlich war, so war es natürlich, sich bey diesem Anlas an ihn zu wenden.
10(Nescio quid ferox Decrevit animus intus & nondum sibi audet fateri.) (Seneca in Med.)