Nehmt es wie es ist

Tekst
Autor:
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Jawohl!

So begeistert habe ich mich wohl bisher noch nicht über meine von mir ausgesuchte Musik geäußert, und ich weiß auch nicht, ob sich diese Begeisterung je wiederholen wird.

Warten wir es ab.

Ich habe nun noch einen Text in der Hinterhand, welchen ich erst vor ein paar Tagen wieder einmal gelesen habe, und von dem ich meine, dass er durchaus zum Thema eines schwierigen Lebens und auch in gewisser Weise zum Thema Depressionen passt.

Hier ist er:

Alwin hatte eine Arbeitswoche, wieder eine, am Band in der hiesigen Papierfabrik hinter sich gebracht.

Und es war natürlich eine deprimierende Woche gewesen. Es konnte gar nicht anders sein.

Und er glaubte … ja, er wusste, dass ihr noch viele weitere folgen sollten.

Aber er war nicht der Mann sich dagegen aufzulehnen.

Er ließ es laufen, wie es kam, gottgewollt nahm er es hin, fatalistisch ließ er es geschehen.

So war es … so war er immer schon gewesen.

(Seine Sache war es nicht, spontan zu reagieren, Risiken einzugehen, Dinge auf sich zukommen zu lassen, in Schwierigkeiten zu geraten, und am Ende einigermaßen alles geregelt zu bekommen. Nein, dies alles war es nicht … und so war er schon gar nicht.)

Soweit er zurückdenken konnte, war es ihm so ergangen.

Er wusste nicht weshalb es so war, aber dass es so war, hatte er tief verinnerlicht.

Wie er sich auch schon längst mit dem Gefühl, einer großen wäre zu viel gesagt, aber doch manifesten Sinnlosigkeit seines Daseins arrangiert hatte.

Alwins bisheriges Leben, ja, mehr noch und weitergehend, auch seine Perspektiven waren wenig ermutigend; genaugenommen war so gar nichts Ermutigendes dabei gewesen oder zu erwarten.

Nun also saß Alwin an diesem späten Freitagnachmittag wieder auf seinem Balkon … einem hässlichen, baufälligen Anhängsel seiner kleinen Wohnung.

Er hatte es in seiner Wohnung nicht mehr ausgehalten, auch deshalb, weil es dort viel zu heiß und schwül gewesen war.

Denn schon seit dem Mittag hatte eine große Schwüle und ein sich ankündigendes Gewitter über der ganzen Stadt gelegen, war in alle Ecken der Stadt gekrochen, ließ kaum Bewegung zu und verbreitete eine Lethargie, die so, auch weil Alwins Heimatstadt direkt an der Ostsee lag und durch ständige Winde bleibende Schwüle kaum einmal zuließ, selten vorkam.

Alwin saß nun also auf seinem Balkon, dort auf einem alten, verschlissenen Campingstuhl, und nippte lustlos an einer Bierflasche.

Wenn er dies nicht tat, blinzelte er in den nun schon recht dunklen, drohenden Himmel, der das unausweichliche Gewitter ankündigte.

Eigentlich beobachtete er nicht wirklich den Himmel, sondern er konzentrierte sich auf das große an der Balkonbrüstung befestigte Spinnennetz.

Eine grau-schwarze Spinne hatte es kunstvoll gewoben und wartete nun ruhig und bewegungslos auf ein Opfer, das sich dann auch, wie zur Belohnung und zur Bestätigung ihrer endlosen Geduld, in dem Moment dort verfing, als Alwin sich blinzelnd beobachtend mit dem Netz und dem Geschehen dort beschäftigte.

Er hörte nun nicht mehr die schrillen Schiffssirenen vom nahegelegen Hafen, hörte und sah ebenso wenig die kreischenden Möwen, die sich immer mal wieder bis an das Haus, an seinen Balkon vorwagten.

Er hatte mit dieser Spinne zu tun, die nun plötzlich aufgeschreckt, durch das wippende Netz und durch die zappelnde im Netz klebende Fliege, zwar für einen Moment noch verharrend, aber sicher schon bald aktiv werdend, ihrem naturgewollten, tödlichen Tun nachgehen würde.

Zwischenzeitlich hatte das Gewitter die Stadt erreicht.

Vereinzelt entluden sich bereits Blitze und schon bald folgten diesem grellen Leuchten die Donner, die erst fern, dann aber sehr schnell näher rückten, und die dann über dem Hafen gemeinsam mit den Blitzen ihr Naturschauspiel boten.

Auch war die Spinne mittlerweile bei ihrem Opfer angelangt, das sich nun ermüdet durch den kurzen, heftigen, aber völlig aussichtslosen Kampf, bald erstarrt, nur hin und wieder leicht zuckend, seinem Schicksal ergeben hatte.

Bevor sich die Spinne endgültig an ihr tödliches Tun machte, umkreiste sie einige Male geschwind ihr Opfer, und es erschien dem Beobachter, als vollführte sie eine Art Todestanz.

Aber das war sicherlich nur eine Einbildung gewesen.

Auch kam Alwin gar nicht weiter dazu, sich hierüber Gedanken zu machen, denn er wurde plötzlich durch ein lautes Knacken, das sehr schnell in ein betäubendes Kreischen überging, und das sich über seinem Kopf abspielte, aus seinen Beobachtungen und Gedanken gerissen.

Und ehe er noch recht den Kopf gehoben hatte, war auch schon der Balkon über ihm heruntergestürzt und hatte ihn mit infernalischem Getöse und begleitet von einem hellen Blitz und einem sogleich folgenden fulminanten Donner unter sich begraben.

So hatte Alwins trostloses Leben mit einem großen Knall geendet.

Was sicherlich ausgefallen, dennoch nur konsequent gewesen war.

Das war es dann auch schon mit meiner kurzen Story, meinem eher kurzen Text.

Und mehr muss ich, mehr will ich hierzu auch nicht sagen (und das Thema Depressionen somit abhaken).

Nun aber schnell zu meinem nächsten Lieblingswerk, meiner nächsten Lieblingsplatte.

Mitte der achtziger Jahre bekam ich von einem Freund (nicht der, mit dem ich endlos lang Billard gespielt und Elvis Presley`s „Suspicious Minds“ gehört hatte), er hatte Uwe geheißen, eine LP geliehen, es war „The Velvet Underground & Nico“, produziert von Andy Warhol.

Er hatte mir nichts weiter dazu gesagt, nur so viel, dass diese Scheibe schon gut zwanzig Jahre alt, also eine Ewigkeit alt, wäre, und dass ich mich doch mal überraschen lassen sollte.

Und die Überraschung gelang.

Ich hörte zeitlose Musik … Avantgardemusik.

(Dies ist jetzt wohl ein Widerspruch in sich? Aber egal!)

Man kommt getragen, leidend, fetzig, poppig und zerstörerisch daher.

Ein Gefühlskosmos musikalisch ausgedrückt und komprimiert in elf Songs.

Und so soll es auch sein, so kann, so muss es auch manchmal sein.

Vergesst das meiste des heutigen Schrotts und tut euch diese Platte an.

Ihr werdet es nicht bereuen.

Hier wäre nun wieder ein Amen oder ähnliches angebracht, aber es kommt nicht, es muss auch so gehen ... und es geht auch so.

Die Platte übrigens habe ich meinem damaligen Freund nicht zurück gegeben, oder besser gesagt, nicht zurück geben können, und es war keine böse Absicht, keine Gemeinheit, gar Habgier oder einfach deshalb, weil ich diese Platte zu sehr geliebt habe, nein, denn schon einige Tage später, an einem Wochenende, waren wir, er und ich, zusammen auf seinem Moped, seiner Kreidler, unterwegs nach Dänemark gewesen, und auf dieser Tour wurden wir von einem dänischen Pkw-Fahrer gerammt, der, die Vorfahrt nicht achtend, auf die Hauptstraße eingebogen war.

Natürlich stürzten wir, dabei mein Freund so unglücklich, dass er, kaum, dass er in das Krankenhaus transportiert worden war, verstarb.

Eine grausige Erinnerung, die bleibt.

Mir selbst war erstaunlicherweise nicht viel passiert, aber der Unfallverursacher, der dänische Pkw-Fahrer, ein zweiunddreißig jähriger junger Mann, nahm sich schon ein paar Tage später das Leben.

Er erhängte sich an einem Baum im Garten der Eltern.

Musik.

„The Velvet Underground & Nico“, produced by Andy Warhol.

Wenn ich über meine Musik, also die Platten, die mich musikalisch über Jahrzehnte begleitet haben und die mir durchaus mein Leben erleichtert haben, und über meine Themen, die mich stark berühren haben, egal ob aktuell oder doch auch nicht mehr ganz so neu, wenn ich also über diese Themen nachdenke und etwas niederschreibe, dann muss ich an dieser Stelle darauf hinweisen (manchmal ist es schon sehr schwurbelig oder verquert was ich da so zusammenschreibe ... man, man, man), dass meine Vorgehensweise weiß Gott keine wissenschaftliche ist.

Und der aufmerksame Leser wird es längst bemerkt haben, denn das Wissenschaftliche ist nun schon längst nicht mehr mein Metier, wenn es das denn überhaupt jemals gewesen war.

Ich möchte mich äußern, möchte meine Gedanken darlegen, und hoffe, dass der eine oder die andere, oder besser gesagt die anderen, etwas damit anfangen können, egal ob sie nun ablehnend oder zustimmend sind. Hauptsache ist, dass bei ihnen etwas in Gang gesetzt wird, sie sich ihre Gedanken machen, und auch, und dieses ist mir ebenso wichtig, dass sie mehr oder weniger gut unterhalten werden. Ja, diesen Anspruch verbinde ich schon noch mit dem von mir Durchdachtem und Niedergeschriebenem.

Das war es denn auch schon mit meinen Ansprüchen. … Okay!

Also, wie gesagt, ich verkünde keine Wissenschaft, keine Wahrheiten (… ist klar, wird ein jeder sogleich sagen), habe aber dennoch den Anspruch Wahres und Richtiges darzulegen, also bringe ich Meinungen, Mutmaßungen, Tatsachen, die sich bei mir über Jahrzehnte gebildet haben, zu Papier, auch auf Grund dessen, dass ich doch einen gewissen intellektuellen Background besitze, und immer noch rege, offen, bewusst und kritisch alles verfolge, was immer mir möglich ist.

„Ja, hat der denn nichts Anderes zu tun?“, wird man mich vielleicht fragen, und ich sage: Ja und Nein.

Und außerdem, unabhängig hiervon, ist es doch so, dass man ist wie man ist, und nicht so ohne weiteres, oder eher kaum, aus seiner Haut kann. Soll in diesem, meinem Fall heißen: Ich musste und muss mich einfach an den Computer setzen und schreiben … und all die gute Musik, all die guten Platten und CDs musste ich auch wieder einmal hören.

 

Genug dieser Zwischenbemerkung, ich wollte mich eigentlich einem anderen Punkt zuwenden, diesen in meinen Text einflechten, einem Punkt, einem Streitpunkt, der immer noch aktuell ist und der es sicherlich auch noch länger bleiben wird:

Es ist der Punkt, es ist das Thema, das unter den Stichworten Islam versus Westen/Christentum gehandelt wird (ich habe es ja schon einmal kurz weiter oben angerissen).

Es geht jetzt hier nicht um die weitergehende Problematik, die natürlich auch immer einer tiefergehenden Betrachtung würdig ist, also um die weitergehende Problematik, nämlich um den allgemeinen Konflikt Osten gegen Westen, oder besser gesagt: USA als Weltmacht heute und China als die Weltmacht in spe. Nein ich möchte mich dem anderen Problemkreis, dem anderen Streitpunkt noch einmal zuwenden, einfach deshalb, weil er mich momentan mehr beschäftigt.

Dieses ist es nun, was ich jetzt genau sagen will, und worauf ich jetzt noch einmal konkret eingehen will:

Können der Islam und der Westen (mit seinem Christentum), hier bediene ich mich der Einfachheit halber pauschal dieser Begrifflichkeiten, denn ich glaube nicht, dass ein weiteres „Aufdröseln“ unbedingt notwendig ist, und noch ungenauer und antiquierter wären die Begriffe Morgenland/Abendland, diese also nicht … können denn nun der Islam und der Westen überhaupt miteinander?

Ich weiß selbstverständlich keine oder die schlüssige Antwort, kann aber durchaus einige Argumente oder wenigstens doch ein Hauptargument bringen, welches vielleicht einer Entscheidungsfindung dienlich ist.

Grundsätzlich ist es für mich so, dass der Westen ein großes Plus auf seinem Konto hat, denn er hat in der Vergangenheit die Reformation, die Aufklärung, die Französische Revolution und die Industrialisierung durchgestanden, besser gesagt, durch litten.

Und was hat es nicht alles für Opfer gekostet, sich der alten Fesseln zu entledigen.

Aber dieses will ich jetzt gar nicht weiter ausführen, ich muss es einfach als bekannt voraussetzen, und wer in der Geschichte nicht so firm ist, muss es mir glauben. Und ich denke, dass es auch gehen sollte, mir dieses abzunehmen, auch wenn es alles viel komplexer ist (natürlich: „… es ist doch alles immer viel komplexer“), so ist es doch grundlegend wahr, dass man beispielsweise die Reformation, die Aufklärung und die Französische Revolution mehr oder weniger erfolgreich bewältigt hat, und somit auch ein Stück hinsichtlich der gesellschaftlichen Fortentwicklung vorangekommen ist.

Sicherlich hatte auch der Islam, nehmen wir nur das Hochmittelalter, über tausend Jahre ist es nun her, seine Zeit, ja, geradezu eine Hoch-Zeit, mit alle dem, was da von Mohammeds Anhänger geschaffen worden ist. Dies muss man neidlos anerkennen, muss aber auch sagen, dass all dieses oder doch das allermeiste nicht bis in die Neuzeit, die Jetztzeit, gewirkt hat oder herübergerettet werden konnte, gerade auch was gesellschaftliche Impulse und Entwicklungen betrifft.

Wahrscheinlich hätte es sich auch gar nicht derart auswirken können, weil schlicht und einfach die Zeit dafür noch nicht gekommen war.

(Bei solchen Sätzen fällt einem, oder jedenfalls mir, immer der Satz von Karl Marx, oder Kuddel Marx wie ihn mein alter Philosophielehrer immer genannt hatte, ein, der Satz nämlich: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Und mit diesem Satz hatte er mit Sicherheit Recht gehabt, denn er als großer Denker, Ökonom, Historiker, auch Soziologe konnte ökonomische, historische und gesellschaftliche Konstanten erkennen und beurteilen, konnte absolut in größeren Zusammenhängen denken. Was er allerdings nicht konnte, war, die kleineren Zusammenhänge, dass auf den einzelnen Bezogene adäquat zu beurteilen, denn dazu war er einfach zu wenig Psychologe. Dieses ging ihm eindeutig ab, obgleich auch dieses immer dazu gehören sollte, will man denn Allumfassenderes aussagen.)

Erst später, mit Beginn der Neuzeit war die Zeit reif für Reformation, Aufklärung, Französische Revolution, auch Industrialisierung, und man konnte sich des allmächtigen Christentums erwehren (hier sind die „Westler“ oder besser gesagt, die Europäer und die Nordamerikaner gemeint, die sich in diesem Falle erwehren konnten), selbstverständlich nicht, indem man es abschaffte, denn da ist immer noch die „Macht des Geschichtlichen“ davor, d.h. was weit über ein Jahrtausend so allmächtig gewirkt hat, das hat ein immenses Beharrungsvermögen, kann also nicht abgeschafft werden, kann nur teilreformiert, kann nur, vielleicht unter Millionen von Opfern, in die neue Zeit und die neuen Gegebenheiten überführt werden.

Dies ist mehr oder weniger bewältigt worden, und kann, wie oben gesagt, als Plus, als Erfolg verbucht werden.

Ich denke, dass der Islam da noch einiges vor sich hat, da er bisher nichts Vergleichbares vorzuweisen hat, denn es ist mir nicht glaubhaft zu vermitteln, dass man mit dem, was vor sehr langer Zeit niedergeschrieben worden ist, das Hier und Jetzt und überhaupt die Zukunft bis in alle Ewigkeiten bewältigen kann.

Reformen, so ungenügend sie auch erst einmal sein mögen und in der Regel auch sind, sind notwendig. Und im Westen hat es, dank Reformation, Aufklärung, Französische Revolution und der späteren industriellen Revolution, das eine musste zwangsläufig auf dem anderen folgen, ja auch geklappt.

Dies kann man sagen, wohl wissend, dass noch sehr viel hier im Westen im Argen liegt, und nicht wissend, dass dieses „Experiment“ überhaupt gut gehen wird, denn reformieren und aufklären ist ein Vorgang, der niemals aufhört. Es können aber gleichwohl Teilerfolge, neben all den Niederlagen, verzeichnet werden. Aber wie all dieses enden wird, ist schwer abzuschätzen (und wie viele Rollbacks muss man wohl noch erleben?).

Aber dieses ist jetzt abschließend nicht die Frage, wie es enden wird, denn es geht, und das ist der Punkt, immer nur darum, dass angemessen auf die jeweiligen Zeitumstände reagiert wird, und dieses, um das nun mal wieder auf halbwegs Verständlicheres herunter zu brechen, und dieses heißt, nochmals wiederholt, dass seinerzeit richtig mit Reformation, mit Aufklärung und mit der Französischer Revolution auf das Christentum und die damaligen Zeitumstände (beziehungsweise, dass wohl eher die Zeitumstände es eigenständig und unabhängig mit sich gebracht haben) reagiert worden ist, und dass der Islam Ähnliches noch vollbringen muss.

(Eine kühne Behauptung, ich weiß, aber ich lasse sie hier trotzdem stehen.)

Natürlich höre ich schon die Stimmen, die da sagen, dass der Islam dies genau nicht will, und da ist ja vielleicht auch etwas dran.

Jeder muss selbstverständlich seinen Weg finden, seinen eigenen Weg ... natürlich.

Und Geschichte wiederholt sich nun mal nicht.

Aber gewisse grundsätzliche geschichtliche Entwicklungen und Konstanten sollte man durchaus berücksichtigen und hoffentlich richtige Schlüsse daraus ziehen.

Und vielleicht wurde ja auch mit dem, was sich in den letzten Jahren in Nordafrika und vor einiger Zeit in der Türkei entwickelt hat, etwas angeschoben, was wir vielleicht später einmal unter die Begrifflichkeiten Reformation und Aufklärung in einem eher islamischen Sinne subsumieren können. ... Vielleicht!?

(Und ich hoffe sehr, dass man nicht folgender Meinung zustimmen oder endgültig zu jener Erkenntnis kommen muss: Der Islam sei ein autoritäres, archaisches System, das sich der Mittel der Moderne bedient, ohne deren Geist zu übernehmen. Er sei mit demokratischen Werten und Strukturen nicht kompatibel, könne mit Gewaltenteilung, Trennung von Staat und Kirche, Selbstbestimmung des Individuums, Glaubens- und Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung und freie Partnerwahl nicht viel anfangen oder gar tolerieren.)

So, nun bin ich fertig, sowohl mit meiner kleinen Abhandlung als auch mit meiner Schaffenskraft, vorerst jedenfalls, denn so viel Gedankenakrobatik in einem Rutsch bin ich gar nicht mehr so recht gewohnt. Also ... Pause.

Die Beatles werden mich sicherlich bald wieder aufmöbeln.

So, jetzt geht es wieder.

Aber bevor ich zu den Beatles komme, muss ich kurz einen Einschub machen, denn ich habe mir einige Songs von der österreichischen Gruppe Ja, Panik angehört.

Eine Band in der späten Nachfolge des Musikers Falco.

Die Lieder dieser Gruppe sind soweit ganz okay, aber ich hätte keinen Grund sie hier weiter zu erwähnen, wäre da nicht ein Song, ein vierzehnminütiger Song, ein Song mit dem merkwürdigen Titel „DMD KIU LIDT“.

Das ist ein Geniestreich.

So etwas wie ein deutsches, pardon, österreichisches „Desolation Row“, fast jedenfalls, jedenfalls geht er in die Richtung.

Ja, ich scheue diesen Vergleich mit Bob Dylan nicht und fordere euch zum hören ... zum hören auf.

Na, habe ich zu viel versprochen? ... Nein!

Mir ging es hier mit diesem Stück genauso wie seinerzeit, es muss Anfang der achtziger Jahre gewesen sein, als ich einen Song der DDR-Band „City“ hörte und sogleich elektrisiert gewesen bin. Es war der Song, er lief über eine ganze Schallplattenseite, gut siebzehn Minuten, es war der Song „Am Fenster: I. Traum, II. Tagtraum, III. Am Fenster“.

Wie es manchmal so ist, einzelne Stücke begeistern total, und das war es dann aber auch, denn nur in diesem einen Song konzentriert sich alles. Da hat man etwas zustande gebracht, etwas, was man als Sternstunde dieser Band bezeichnen darf und muss. Der Rest des musikalischen Schaffens ist auch okay, aber er reicht doch nie an dieses eine Lied heran.

Nun ist aber gut, denn mir geht es ja nicht vorrangig um einzelne Songs, wobei … Ausnahmefälle seien mir immer gestattet, aber ich will, wenn möglich, Gesamtkunstwerke auf Platten und auf CDs vorstellen.

Und Gesamtkunstwerke haben die Beatles mit ihren jeweiligen Platten geschaffen.

Wer, wenn nicht sie!?

Denn selbstverständlich sind die Beatles die Größten.

Und dies sage bei allem Respekt vor den anderen Heroen, als da sind (siehe auch ganz oben) Elvis Presley, The Rolling Stones, Brian Wilson, Bob Dylan, Van Morrison, Neil Young, The Clash, Nick Cave, Eminem, Kanye West vielleicht, Sufjan Stevens usw., na ja, so viel usw. kommt da gar nicht mehr, was jedenfalls die ganz Großen betrifft.

Die Beatles sind die Klassiker der Klassiker!

Ihr seht, dass ich mich in meinen Begeisterungsarien immer noch steigern kann.

Und wenn ich mich auch, wie versprochen, auf eine oder zwei Platten der jeweiligen Gruppen oder Musiker beschränken will, so hätten es hier doch gerne vier sein können, aber es bleibt eben auch hier bei zweien, nämlich „Sgt. Pepper`s Lonely Hearts Club Band“ und „The Beatles“, auch als das Weiße Album bekannt.

Gerne hätte ich noch „Revolver“ und „Abbey Road“ hinzugenommen.

Aber ich beschränke mich auf die anderen beiden: „Sgt. Pepper“ reiht Hit an Hit, und ich meine hier nun weniger zeitlich begrenztes, fixiertes Hitparaden-Gedudel, also einmal ein Hit, dann schon schnell wieder vergessen, und immer wieder suchend nach Neuem, sondern eher Zeitloses, d. h. es passt immer, egal ob in den sechziger, siebziger, achtziger, neunziger Jahren, ob heute oder in der Zukunft … es passt immer.

Und das kann man jetzt auch nicht wirklich verstehen, wohlgemerkt verstehen, nein, dies muss man einfach fühlen und nehmen, nehmen wie es ist, nämlich als wahr. Amen.

Auch ist die Geschlossenheit dieses Werkes grandios, denn ein Song folgt dem anderen mit einer Stringenz und Folgerichtigkeit, die sehr deutlich macht, für mich jedenfalls, was ich schon immer mit dem Wort Gesamtkunstwerk meinte.

Also: Beatles forever!

Anders ist es mit dem Weißen Album.

In ihm wurde experimentiert, es wurden wohl auch Grenzen ausgelotet, manchmal auch darüber hinaus gegangen, das ganze Spektrum ihres immensen musikalischen Könnens demonstriert. Hat man bei „Sgt. Pepper“ den Eindruck, das seinerzeit dort Paul McCartney federführend gewesen ist, so meint man nun, beim Weißen Album, John Lennon den Ton angebend herauszuhören.

Aber das ist nicht entscheidend, wichtiger ist, dass in beiden Alben, die Beatles letztlich als Gesamtheit herüberkommen, sich zwei (ohne doch ganz George Harrison und Ringo Starr zu vernachlässigen, ihren kleineren Anteil natürlich auch würdigend) zusammen gefunden haben, sich musikalisch (menschlich, wie man hörte, weniger) famos ergänzten und auf einer höheren Ebene lieferten ... also Musik ablieferten, die bleibt.

Zum Weißen Album sei noch eine Anekdote angeführt, die erzählt, dass damals in den USA dieser Charles Manson, nachdem er sich mit Drogen vollgedröhnt und das Weiße Album wieder und wieder gehört hatte, und wohl beflügelt oder besser „vergiftet“ dadurch, nach „Helter Skelter“ und folgenden Songs sicherlich besonders, seine Leute losschickte, damit sie die hochschwangere Schauspielerin Sharon Tate und andere im Haus von Roman Polanski abschlachteten, was sie dann auch auf sehr grausame Art und Weise taten.

 

Ich will hiermit nur sagen, und glaube es auch wirklich, dass es unter besonderen Umständen durchaus mal so sein kann, dass Musik also im Guten, man denke nur an Sex und an all die Nachkommen, die, während eine befeuernde oder besinnliche Musik lief, gezeugt worden sind, aber auch im Schlechten, hier sei an Marsch- oder Trommelmusik - Stanley Kubricks Barry Lyndon lässt grüßen - erinnert, die Soldaten in den Tod begleitete, oder besonders erinnert an diese grandiose Szene aus dem Film Apocalypse Now wo mit Richard Wagners Musik Napalmbomben aus Kampfhubschraubern geworfen und geschossen worden sind, zu Taten oder Regungen verführen kann, die ohne diese Musik so nicht, und vor allem in dieser Konsequenz nicht, durchgeführt worden wären.

Und das sich der Philosoph Friedrich Nietzsche nach dem Besuch der Oper „Carmen“ so euphorisiert zeigte, dass ihm, salopp gesagt, einer abging, auch dieses kann ich absolut nachvollziehen, dabei aber immer auch die Zeiten und Umstände, gerade auch hinsichtlich der Sexualität, wohlweislich bedenkend.

Aber genug hier von ... erst einmal.

Die Rolling Stones kommen.

Natürlich dürfen sie neben den Beatles nicht fehlen, denn auch sie haben Erstklassiges abgeliefert, und es gab die Zeit, und ich erinnere es noch sehr gut daran, dass noch zum Ende der siebziger Jahre und in die achtziger Jahre hinein, da auch noch, so waren die Zeiten einmal, dass ihretwegen und wegen der konkurrierenden anderen Briten „Glaubenskriege“ ausgefochten worden sind.

Auch mein alter Freund Jürgen, derjenige, mit dem ich regelmäßig Billard gespielt und dazu wieder und wieder Elvis Presleys Hit „Suspicious Minds“ als gewollte Dröhnung gelauscht hatte, gehörte zu den ganz großen Stones Verehrern.

Was hatte der mir nicht mit denen und deren Songs in den Ohren gelegen, und er traf doch durchaus auf offene Ohren meinerseits, so war es ja nicht, aber dass ich die Beatles mindestens genauso gut fand wie diese andere englische Band, das konnte und wollte er nicht verstehen.

„Du sollst nur den einen Gott neben dir haben, dem nur anhängen oder anbeten“, heißt es so schön. Aber nicht mit mir. Lass es heißen wie es will, natürlich, lass es heißen, aber nicht mit mir, so bin ich nicht, längst nicht mehr, denn wirklicher Christ, Katholik war ich nur in der Kindheit gewesen.

Zu den Beatles habe ich bereits Endgültiges gesagt, und ich will nun eben auch hier, und weil es außerdem doch zwangsläufig so kommen muss, mit den Stones weitermachen.

Und da ist dann sogleich und mit einer Selbstverständlichkeit „Exil On Main St.“ zu nennen. Dieses Werk ist in sich ebenso geschlossen wie „Sgt. Pepper“ und es ist, ihr wisst schon, dass nun wieder das Wort Gesamtkunstwerk fallen müsste, ich erspare es mir aber, ihr wisst es ja ohnehin, also ebenso geschlossen wie „Sgt. Pepper“, vielleicht nicht ganz so variantenreich, dafür aber rockiger, fetziger, animalischer, und manchmal, je nach Temperament, und besonders dann wenn man jünger ist … und manchmal also muss man es genauso haben.

Lass es rocken, „Let it rock“, und wenn es zwischendurch auch mal ruhiger wird, „Let It Loose“, und somit dabei wieder Kräfte gesammelt werden, und vielleicht auch, um sich seines Partners, seiner Partnerin körperlich anzunähern und Begehrlichkeiten kund zu tun, wird danach doch wieder weiter gerockt, „All Down The Line“.

So musste, so muss es sein, wann immer es ging … wann immer es heutzutage noch geht.

(War dies jetzt wieder zu verquert? Ach egal! Wer mich wirklich verstehen will, der versteht mich auch!)

Also hier nun auch: Rolling Stones forever!

Das zweite, von mir favorisierte Stones-Album ist „Let It Bleed“, ein paar Jahre, drei Jahre genau, vor „Exil“, das 1972 erschien, veröffentlicht. (Gerne hätte ich auch noch „Sticky Fingers“ eingebracht, aber ich beschränke mich, wie ihr wisst, und hier noch einmal wiederholt, grundsätzlich auf maximal zwei Platten). Mit diesem Werk griffen die Stones musikalisch gewisse gesellschaftliche Entwicklungen auf, die, wie manche meinten, revolutionäre Veränderungen mit sich brächten.

Weder waren die Rolling Stones revolutionär (Street Fighting Man“, na ja, ich glaube eher nicht), noch mussten sie es wirklich sein, nämlich revolutionär, denn sie lebten mit Sicherheit gut in den damaligen Verhältnissen, auch war das „System“ (manchmal auch mit revolutionärer Inbrunst „Schweinesystem“ genannt) jemals wirklich in Gefahr revolutionär überwunden zu werden, denn in der westlichen Welt gab es zu der Zeit schlicht und einfach keine revolutionäre Situation, auch wenn es viele anders sehen wollten. Die Zeiten sprachen für Reformen und nicht für Revolutionen, Reformen, die dann auch folgten.

Und es sollen hier, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, auch ganz sicher nicht diese reformerischen Entwicklungen kleingeredet werden, weiß Gott nicht, denn sie waren zu der Zeit eine absolute Notwendigkeit, aber es ist eben wahr, dass es seinerzeit nur vorrangig darum gehen konnte, „alte Zöpfe abzuschneiden“ - nix mit Revolution. Nur Reformen waren angesagt.

Aber: Man machte sich folglich ans Werk, brachte auch sehr viel zustande, aber wie es dann häufig so ist: Das „System“ fängt alle oder fast alle seine Schäfchen wieder ein, mal mit Zuckerbrot, mal mit Peitsche, befriedet vieles und viele, bis hin zum später dann folgendem „Rollback“, der, fast schon naturgemäß, oft zu so einer Entwicklung, eben mit dieser Zwangsläufigkeit dazu gehört, dieses kann man jedenfalls aus der Geschichte lernen.

Also: Ich will nichts kleinreden, will nur meine Meinung hierzu sagen, will vor allen Dingen aber die Stones-Platte „Let It Bleed“ loben.

Denn es ist schon eine wahre Kunst Zeitströmungen zu erkennen, sie dann auch musikalisch so umzusetzen, dass andere etwas damit anfangen können, und nicht nur das, sondern auch, dass sie, die anderen, sich innerlich angesprochen fühlen, innerlich mitgehen und vielleicht diese Musik und die jeweilige Zeitumstände „unter einen Hut“ bringen können.

Dass dieses mal mehr, mal weniger glückt, ist klar, aber selbst wenn sie, die Stones, so einen rockig-poppig-discomäßigen Song wie „Miss You“ bringen, rennen sie natürlich auch dem Zeitgeist hinterher, ja schon, aber sie drücken ihn auch aus, jedenfalls ein klein wenig. Übrigens, gerade diesen Song, live gespielt auf ihrer „Some-Girls-Tournee“ in den Siebzigern, sollte man sich ruhig noch einmal ansehen und anhören, und man weiß dann, was man an diesen Briten hatte, und immer auch noch ein klein wenig hat, denn bald steht ja ihr fünfzigjähriges Bühnenjubiläum an.

Und was die Stones abschließend betrifft, meine ich, dies noch einmal betont, dass man sie, und überhaupt alle Künstler, nicht überfordern sollte. Früher nicht und heute schon gar nicht.

(Tut mittlerweile wahrscheinlich auch kaum noch einer.)

Sie machen Kunst, mehr oder weniger gute, mehr oder weniger ansprechende, mehr oder weniger berührende, aber Revolutionäres sollte man deshalb von ihnen nicht erwarten ... von keinem Künstler, denn mit der Annahme, dass die meisten Künstler doch eher eigenen Ausdrucksbedürfnissen, auch Unterhaltungsbedürfnissen und vor allem auch finanzielle Bedürfnissen für sich und andere befriedigen, liegt man richtig … weitaus richtiger.

Die Rolling Stones nun haben den großen Vorteil, dass sie Musik machten, gute Musik, die in geglückten Momenten, bei anderen tief in jede Faser des Körpers eindringen konnte, somit eben Freude bringen, euphorisierend wirken und auch Menschen zusammenführen konnte. Mehr soll man, mehr kann man nicht erwarten.

Olete lõpetanud tasuta lõigu lugemise. Kas soovite edasi lugeda?