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Die Mohicaner von Paris

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CXIV
Prosit von Galilée Copernic

Die Bühne des Sieur Galilée Copernic lag, wie gesagt, aus dem Platze, der sich damals erstreckte und noch erstreckt, vom Theater von Madame Saqui. welches das Theâtre des Funambules geworden ist, bis zum Theâtre du Cirque Imperial, früher genannt Cirque Olympique oder, noch populärer, Cirque Frankoni.

Die fünf bis sechs Fuß hohe Bühne hatte zum Horizont eine ungeheure gemalte Leinwand in mehrere Felder abgetheilt, wo kolossale Frauen, weiße Neger, Riesen, Zwerge, Robben, Sirenen, Hahnenkämpfe, Scorpione Büffel verschlingend, ein Skelett Theorbe spielend, Latude aus der Bastille entweichend, Ravaillac Heinrich IV. in der Rue de la Ferronnerie ermordend, endlich der Marschall von Sachsen den Sieg bei Fontenoy erfechtend dargestellt waren. – Die Schlachten aus der Zeit der Republik und des Kaiserreichs waren ausdrücklich verboten. – Ueberdies war eine Sammlung von allen vergangenen und zukünftigen Bildern der bekannten Messen an den Stangen des Gerüstes ausgehängt und schaukelte sich im Winde wie lateinische Segel; so daß das Etablissement des Herrn Galilée Copernic einer, im Ocean der Menge schiffenden, ungeheuren Jonke glich.

Diese Bühne, – es ist nothwendig, daß wir daraus zurückkommen, – diese Bühne, welche eine benutzbare Oberfläche von sieben bis acht Fuß Breite und etwa zwanzig Fuß Länge bot, war glänzend beleuchtet durch einen Kasten von vierzehn Lämpchen, denen ein dichter Rauch entströmte, welcher sich, wie ein Peristyl, an diesem dem Gotte der Kunst geweihten Tempel erhob.

Man hatte sie um fünf Uhr angezündet, und der Anblick dieser Beleuchtung hatte ein wenig die Menge beruhigt, welche schon seit einer Stunde wartete; da aber über zwanzig Minuten die Lämpchen angezündet waren, da sie bedeutend rauchten und trotz des Theaterzettels, der positiv aus den Schlag vier Uhr große Parade gespielt von Herrn Phénix Fasiou und Herrn Copernic Galilée ankündigte, Niemand erschien, so gab die Menge, obschon sie durchaus nichts bezahlte, Schreie der Entrüstung und Hurrahs der Wuth von sich.

Eines, was ich seitdem ich Theater mache und es demüthig der Würdigung der Philosophen und der Analyse der Gelehrten unterwerfe, bemerkt habe, ist übrigens, daß ein Zuschauer, je weniger er bezahlt hat, desto anspruchsvoller ist. und daß bei den ersten Vorstellungen die bittersten Kritiken und die heftigsten Pfeifen beinahe immer von denjenigen kommen, die, um einzutreten, nicht die Mühe gehabt haben, die Hand in die Westentasche zu stecken.

Die Menge, welche seit einer Stunde und zwanzig Minuten wartete und an diesem Abend, man weiß nicht warum, dreimal zahlreicher war als gewöhnlich, die Menge glaubte sich also berechtigt, gegen dieses Verbrechen beleidigter Menge durch drohendes Geschrei und Flüche entlehnt den verschiedenen Poissards-Katechismen, welche damals im Umlaufe waren und zum Gebrauche der jungen Leute von guter Familie veröffentlicht wurden, zu protestieren.

Endlich, gegen halb sechs Uhr, erschien Herr Galilée Copernic selbst, als er das von den Zuschauern, welche nichts sahen, von den Zuhörern, welche nichts hörten, ausgestoßene Geschrei der Entrüstung vernahm, welche Herr Galilée Copernic, der nach der seiner Baracke verliehenen schaukelnden Bewegung urtheilte, der Sturm sei ernst und die Menge fange an hohl zu gehen, erschien, sagen wir, endlich selbst aus der Bühne mit seinem Cassandre-Costume bekleidet.

Doch dieser Anblick, von dem man hätte glauben sollen, er sei geeignet, die Aufregung zu beschwichtigen, schien dieselbe im Gegentheile zu vermehren. Trotz der Majestät, mit der sich Herr Galilée Copernic der Menge repräsentierte, brach diese in ein Zischen und Pfeifen aus, in ein Zischen so heftig, in ein Pfeifen so schrill, daß der unglückliche Komödiant fünf Minuten lang nicht ein einziges Wort artikulieren konnte.

Als er dies sah, wandte er sich um, hielt seine beiden Hände in Form eines Trichters vor den Mund und verlangte im Innern irgend einen Gegenstand, den ihm die weiße Hand von Mademoiselle Musette reichte. – Dieser Gegenstand war ein Hofthorschlüssel, dessen Ton bald aus eine so triumphierende Art die Pfeifen der Menge beherrschte, daß die Menge ganz erstaunt schwieg und Meister Galilée Copernic allein pfeifen ließ. Man hätte glauben sollen, es sei ein Boa-Solo mitten unter einem Concerte von Klapperschlangen.

Endlich, wie man aller Dinge müde wird, selbst des Pfeifens, entfernte Galilée Copernic den Schlüssel von seinem Munde, und da er allein die Ruhe störte, so trat aufs Neue Stille ein.

Er benützte sie, um bis an den Lampenkasten vorzutreten, und nachdem er mit einer erhabenen Würde gegrüßt hatte, sprach er:

»Mylords und meine Herren, ich denke, nicht an mich sind diese Pfeifen gerichtet.«

»Doch! doch! an Dich und an Fasiou!« riefen hundert Stimmen.

»Ja, ja, ja, an alle Beide!« wiederholte die Menge. »Nieder mit Copernic! nieder mit Fasiou!«

»Mylords und meine Herren,« fuhr Copernic fort, sobald die Stille wiederhergestellt war, »es wäre Ungerechtigkeit, würde man mich für einen Verzug verantwortlich machen, der Sie verletzt, denn aus den Schlag vier Uhr mit meinem Cassandre-Costume bekleidet, war ich bereit, die Ehre zu haben, vor Ihnen zu erscheinen.«

»Nun wohl, warum sind Sie denn nicht erschienen?« fragten dieselben Stimmen. »Wo waren Sie? was thaten Sie?«

»Wo ich war und was ich that, Mylords und meine Herren?«

»Ja, ja, ja, wo waren Sie? woher kommt der Verzug? Sie verletzen das Publicum! Entschuldigungen! Entschuldigungen!«

»Woher dieser Geheimnisvolle Verzug komme? woher er komme, Mylords und meine Herren?, . Muß ich es Ihnen sagen? . . . Ja, ich glaube, es geziemt sich, Ihnen dieses Zeichen von Ehrerbietung zu geben.«

»Sprechen Sie! sprechen Sie!«

»Nun wohl, da ich es Ihnen sagen muß: dieser Verzug kommt von einem ungeheuren, erschrecklichen, unerhörten Unglück, das vor einem Augenblicke Ihrem Lieblingskünstler, unserem Kameraden, unserem Freunde Phénix, Fasiou zugestoßen ist, welcher, wie Jeder weiß, die Bedientenrolle spielen sollte; eine unerläßliche Rolle in einem Stücke von nur vier Personen, wobei der Diener die erste Rolle spielt.«

Es entstand eine gewaltige Bewegung in der Menge, wodurch sie bewies, sie sei nicht unempfindlich für das Fasiou widerfahrene Unglück.

Copernic bedeutete durch einen Wink, er wolle fortfahren, und die Zuschauer, ungeduldig, von ihrer Angst befreit zu werden, beeilten sich, wieder zu schweigen.

Cassandre fuhr fort:

»Doch was für ein Unglück ist denn Phénix Fasiou widerfahren? werden Sie mich einstimmig fragen. Mylords und meine Herren, es ist ihm ein Unglück widerfahren, wie es Ihnen, mir, dem Herrn, der Dame, unsern Freunden, unsern Feinden widerfahren kann, denn wir sind Alle sterblich, wie mir eines Tages im Vertrauen der Fürst Metternich sagte.«

Neuer Tumult unter der Menge.

»Ja, Mylords und meine Herren,« rief Copernic die durch seine Worte hervorgebrachte Sensation benützend, um sich der Menge völlig zu bemächtigen; »ja, Fasiou, Ihr geliebter Künstler wäre vorhin beinahe gestorben.«

Bei dieser Kunde brachen mehrere Zuschauer und sehr viele Zuschauerinnen in ein banges, trauriges Stöhnen aus.

Copernic dankte der Menge mit der Hand und mit dem Blicke und fuhr dann in folgenden Worten fort:

»Vernehmen Sie die Thatsache. Mylords und meine Herren, die Thatsache jedes Schmuckes entkleidet und Ihnen in ihrer erschrecklichen Einfachheit vor die Augen gestellt. Man hatte seit einiger Zeit bemerkt, daß sich Fasiou in Winkel zurückzog, daß Fasiou traurig wurde, daß Fasiou abmagerte; das Auge umzog sich sichtbar mit einem blauen Kreise; die Backenknochen wurden von Tag zu Tag röther und hervorspringender; die Zähne entblößten sich vom Fleische, und das Kinn näherte sich merkbar der Nase, die sich, der des unglücklichen Vaters Aubry ähnlich, welchen ich an den Usern des Mississipi kennen lernte, traurig gegen das Grab neigte! . . . Was hatte Fasiou? welcher brennende Schmerz wühlte dumpf in diesem auserwählten Künstler? verschlimmerte sich sein Magen? schwächte sich seine Brust? Nein; das Wachsthum von Phénix war vollendet. – War es das Elend, das einfache Elend, was ihn verfolgte? war er genötigt, aus den Straßen mit bloßem Kopfe zu gehen, aus Mangel an einem Hute; barfuß zu geben aus Mangel an Schuhen; in Hemdärmeln aus Mangel an einem Rocke? Nein, Sie konnten sich hiervon durch sich selbst überzeugen: Fasiou hat einen neuen Dreispitz, neue Schuhe, eine neue Jacke, die ich ihm von meinen alten Kleidern zu nehmen erlaubt habe. – Hatte Fasiou einen geliebten Verwandten zu beweinen? führte er in der Tiefe seines Herzens das Trauergeleit seines Vaters oder seiner Mutter? war sein Oheim gestorben, ohne ihm etwas zu vermachen, oder sein Neffe ihm Schulden hinterlassend? Nein, Mylords und meine Herren; Fasiou hatte weder Vater, noch Mutter, Fasiou hatte keinen Oheim, Fasiou hatte keine Familie.– Aber, werden Sie mich fragen, Mylords und meine Herren, aber was hatte denn Fasiou? was er hatte, meine Herren? was er hatte?«

»Ja, ja, was hatte er?« rief die Menge.

»Er hatte, was zu haben wir Alle, groß wie klein, reich wie arm, Gefahr laufen: Fasiou hatte Herzenspein! Fasiou war verliebt! . . . Ich höre einige Militäre murmeln: ›Das ist nicht wahr; Fasiou hat eine Trompetennase, und man ist nicht verliebt mit einer Trompetennase!« Ich erlaube mir, den Herren Militären aller Grade, von den Corporalen bis zu den Marschällen von Frankreich, zu sagen, daß sie mir sehr geringschätzig. sowohl was die Ferse von Fasiou, als was das Instrument betrifft, nach welchem diese Nase geformt ist, zu sein scheinen. Durch welche Ungerechtigkeit sollte der Mensch, der eine Trompetennase hätte, den Glückseligkeiten dieser Weit fremd bleiben, und welches ist das, göttliche oder menschliche. Gesetz, das das ausschließliche Privilegium der Wollust denen, welche eine Papageinase haben, zum Nachtheile derjenigen, welche eine Waldhornnase haben, einräumt? Fasiou ist hinsichtlich der Nase unvollständig gebaut, ich gebe es zu; Fasiou ist aber, abgesehen von der Nase gebaut wie die anderen Menschen; und wegen einer mehr oder minder habichtartigen, mehr oder minder aufgestülpten Nase sagen Sie zu ihm: ›Fort!‹ Sie schleudern ihm das Wort: Race! zu? Pfui meine Herren, das fällt Ihnen im Ernste nicht ein: Fasiou kann unpassend sein, Fasiou ist aber nicht unempfindlich für die Liebe. Und zum Beweise hierfür dient, Mylords und meine Herren, daß. wie ich Ihnen zu sagen die Ehre gehabt habe, Fasiou verliebt ist, verliebt zum Anbinden, wahnsinnig verliebt! – Das Mylords und meine Herren, war das Geheimnis der Magerkeit und der Melancholie von Fasiou. Was machte, was ersann bei dieser Gelegenheit der Unglückliche? Ich kann nicht ohne zu schaudern daran denken; und ich sage es Ihnen nicht ohne zu schaudern . . . Er hatte die Idee, sich durch das Wasser, durch das Pulver, durch dass Feuer, durch den Strick oder durch das Gift zu vernichten! An den Mitteln, sein unseliges Vorhaben zu vollführen, fehlte es also Fasiou nicht; er war im Gegentheile nur in Verlegenheit über die Wahl; doch es gibt Mittel und Mittel, wie mir eines Tages im Vertrauen der Herr Graf von Nesselrode sagte.

 

»Er hatte vor Allem, ich wiederhole es, das Mittel des Flusses; der Fluß läuft für Jedermann, und Fasiou konnte sich vom Hont Notre-Dame herab ins Wasser stürzen; doch mit Schrecken bedenkend, daß er schwimmen konnte, und daß eine Kälte von zwölf Grad herrschte, sah er ein, er würde nicht ertrinken und sich nur einen Schnupfen zuziehen! Er mußte also aus die jedem Andern geöffnete, für ihn allein verschlossene Todesart verzichten. Er hatte das Mittel des Feuergewehrs; er konnte sich erschießen; Fasiou überlegte aber, er habe dergestalt Angst vor dem Knalle, daß er in dem Augenblicke, wo sich der Schuß hörbar machte, über Hals und Kopf davon laufen würde, so daß die Kugel in die Lust ginge und wieder herabfiele, ohne ihn getroffen zu haben! – Er hatte das Mittel der Flamme; er konnte sich wie Sardanapal aus einen Scheiterhaufen legen, sich sein Frühstück, sein Mittagessen, sein Abendbrod dahin bringen lassen, den Scheiterhaufen in Brand stecken und verzehrend sich verzehren machen; doch da er sich einerseits erinnerte, daß er Phénix Fasiou hieß, da er andererseits in Plinius und Herodot gelesen hatte, der Phönix erstehe wieder aus seiner Asche, so dünkte es ihm völlig unnütz, am Sonntag zu sterben, um am Montag oder Dienstag wiedergeboren zu werden. – Er hatte das Mittel des Strickes; mit anderen Worten gesagt, er konnte sich henken; doch als er plötzlich an die Menge von Leuten dachte, deren Glück er machen sollte, indem er ihnen den unfehlbaren Talisman, welchen man den Strick eines Gehenkten nennt, hinterlassen würde, da umschwebte ein menschenfeindliches Lächeln seine Lippen, und er verzichtete aus dieses philanthropische Mittel! – Es blieb das Gift, das unheilvolle Gift, das finstere Gift; denn, meine Herren, mag es das Gift von Mithridates. das Gift von Hannibal, das Gift von Locusta, das Gift der Borgia, das Gift der Medici oder das Gift der Marquise von Brinvilliers sein, das Gift ist immer Gift, wie mir eines Tags im Vertrauen der Fürst von Talleyrand sagte. Er beharrte also bei diesem letzten Mittel, beim unheilvollen Gifte, beim finsteren Gifte, und als ich ihn so bleich, entstellt, keuchend, häßlich auf mich zukommen sah, da zitterte ich an allen Gliedern, und ich errieth beim ersten Anblicke, er habe sich selbst entleibt. Ich fragte ihn folglich liebevoll:

›Was hast Du denn, Bursche! daß Du uns, das Publikum und mich, seit einer Stunde so warten lassest‹«

›Herr Copernic,‹ antwortete Fasiou, ›ich habe meinen Tagen ein Ende gemacht.‹

»Diese Offenherzigkeit rührte mich. Zu gleicher Zeit setzte mich Eines in Erstaunen, ich muß es gestehen: daß ich aus seinem eigenen Munde die’ beklagenswerthe Neuigkeit von seinem Tode erfuhr. Da ich aber hundertmal erstaunlichere Dinge als dieses gesehen habe, so schritt ich in meiner Untersuchung fort.

›Und aus welche Art,‹ fragte ich ihn mit einer für mein Alter und für meine Stellung sehr bewegten Stimme, ›aus welche Art hast Du Deinen Tagen ein Ende gemacht?‹

›Ich habe mich vergiftet,‹ erwiderte mir Fasiou.

›Womit?‹

›Mit Gift.‹

»Ich gestehe, daß mir diese Antwort als Erhabenheit das »daß er stürbe« des alten Horaz und das »Ich« der Medea weit hinter sich zu lassen schien.

›Und wo hast Du Gift gefunden?‹ fragte ich mit der Ruhe eines Mannes, der hundert zweiunddreißig Arten Gegengifte kennt.

›Im Schranke Ihres Schlafzimmers,‹ antwortete mir Fasiou mit einer hohlen Stimme.

»Bei diesen Worten sträubte sich meine Perrücke aus meinem Haupte, und mein Bart, den ich so eben rasiert hatte, wuchs rasch wieder. Ich erbleichte von der Scheitel bis zu den Zehen und ich wankte aus meiner Base.

›Unglücklicher!‹ rief ich meine Worte stammelnd, ›ich hatte Dir verboten, diesen Schrank zu öffnen!‹

›Das ist wahr, Herr Copernic,‹ erwiderte mir Fasiou mit einer verzweifelten Miene, ›doch ich hatte Sie dort zwei Töpfe einschließen sehen.‹

›Habe ich Dich nicht daraus aufmerksam gemacht, Elender! diese zwei Töpfe enthalten Arsenikmus, das der große Schach von Persien, dessen erster Arzt ich bin, von mir hatte verlangen lassen, um ihn von den Ratten zu befreien, die seinen Palast beunruhigen?‹

›Ich wußte es,‹ erwiderte Fasiou mit einer wilden Energie.

›Und Du hast einen davon gegessen?‹

›Ich habe beide gegessen.‹

›Sogar die Töpfe?‹

›Nein, Herr, doch ihren Inhalt.‹

›Ganz?‹

›Unglücklicher!‹ rief ich.

»Und ich wiederhole dreimal dieses Adjectiv, welches mir die Lage von Fasiou vortrefflich zu charakterisieren schien. Dergestalt, Mylords und meine Herren, daß diese Vergiftung, die Ursache, die sie herbeigeführt hat, die Vorfälle verschiedener Art, welche die Folge davon gewesen sind, die Thränen, die der Selbstmord von Fasiou aus den Augen aller seiner Kameraden, von denen er vergöttert wird, hervorspringen gemacht hat, – diese Dinge und noch viele andere, meine Herren, welche zu Ihrer Kenntniß zu bringen unnütz ist, zu meinem großen Bedauern momentan die Vorstellung verzögert haben. Sind Sie nicht unbarmherzig, wie ich mir so gern einbilde; macht eine gewisse Gemüthsbewegung verursacht durch diese bejammernswerthe Erzählung Ihre Herzen in der Tiefe Ihrer Brust beben, so werden Sie leicht diesen Verzug aus Gründen eines Hintritts vergeben, und Sie werden uns erlauben, ruhig den Lauf unserer Vorstellungen wieder aufzunehmen und Ihnen heute Abend, wie es der Zettel ankündigt, zu spielen:

 
Zwei sehr pressante Briefe.
Lustspielskizze in einem Acte,
 

in welchem Phénix Fasiou die Rolle von Gille und Ihr Diener die von Cassandre geben wird.

»Aber, werden Sie mir sagen, – die Mengen sind voller unerwarteter Fragen! – aber, werden Sie mir sagen, wie kommt es einerseits, daß Fasiou hingerafft wird, und daß er andererseits, und dessen ungeachtet, die Rolle von Gille gibt? Die Antwort ist leicht, Mylords und meine Herren, und ich habe an mehreren Höfen Europas Fragen aufgelöst, die noch viel unauflösbarer, als die, welche Sie an mich zu richten mir die Ehre erweisen. In der That, Mylords und meine Herren, wenige Worte werden genügen, um Ihnen dieses Problem zu erklären. – Einige von Ihnen haben wahrscheinlich von der sprichwörtlichen Gefräßigkeit von Fasiou reden hören. Es ist Niemand von der Gesellschaft, der ihn nicht aus den Kreuzwegen, je nach der Jahreszeit, gedörrte Pflaumen, Mispeln, Nüsse oder Kastanien knuspernd getroffen hat. Der unglückliche Einfluß, den natürlich dieses beständige Verschlucken von Leckereien aus den Darmkanal unseres armen Freundes haben mußte, ich will ihn nicht untersuchen, ich erkundige mich bei Niemand darüber, ich will ihn nicht kennen; allein den Einfluß dieser maßlosen Gefräßigkeit aus meine Speisekammer, ihn vermöchte ich nicht mit Stillschweigen zu übergehen; das brauche ich Niemand zu fragen; das kenne ich nur zu gut durch mich selbst.

»Da ich nun dachte, es sei die Stunde gekommen, der verderblichen Gefräßigkeit von Fasiou eine Falle zu stellen, so überlegte ich mir, aus welche Art diese Falle gestellt werden sollte. Sie begreifen wohl, man hat nicht den weißen Wein mit den ausgezeichnetsten Diplomaten des Continents getrunken, ohne einen Reflex von ihrem schlauen Scharfsinn und von ihrer wunderbaren Einbildungskraft bewahrt zu haben . . . Eine fremde Prinzessin, der ich das Leben bei einer Krankheit, wo sie von allen Aerzten ausgegeben worden war, zu retten das Glück hatte, schickte mir am Ende des vorigen Herbstes zwei Töpfe mit eingemachten Birnen, Confituren, für welche ich ihr in einem vertraulichen Augenblicke meine Schwäche gestanden hatte; doch sogleich mich erinnernd, daß genannter Fasiou, der für alle Dinge schwärmt, noch mehr als ich für die eingemachten Birnen schwärmte, beschloß ich, die erwähnte Falle der Leichtgläubigkeit dieses Pitre zu stellen, und ich theilte ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit mit, diese zwei Töpfe seien mit einem Arsenikmus gefüllt, das ich speciell für den großen Schach von Persien. in der Absicht, die ich Ihnen gesagt, bereitet habe. Fasiou hatte damals noch keine finstere Pläne gegen seine Person, und er schauderte, als er die Töpfe nur sah! Da er aber seitdem in die Ihnen bekannte Verzweiflung gerathen war, so dachte er an diese zwei Töpfe zuerst mit einem minder großen Schrecken; sodann, als er sich völlig an die Selbstmordgedanken gewöhnt hatte, mit kaltem Blute und sogar mit Freude . . .

»Sie begreifen nun Alles, Mylords und meine Herren. Da er den höchsten Grad von Verzweiflung erreicht hatte und zu sterben entschlossen war, so aß Fasiou die zwei Töpfe, von denen jeder ein Pfund Mus enthielt. Die ersten Symptome waren die der Vergiftung; doch, Dank sei es den rasch wirkenden Mitteln, die ich in seiner Lage anwandte, glaube ich Ihnen dafür stehen zu können, daß das Leben unseres Kameraden Phénix Fasiou nicht gefährdet ist. Wir werden also in einigen Secunden die Ehre haben, die Vorstellung zu beginnen. – Vorwärts, Musik!«

Bei diesem Ausrufe hörte man aus dem Innern der Baracke die Töne einer Posaune, einer Clarinette, einer türkischen Trommel und einer kleinen Trommel, ähnlich dem Geräusche, das aus einer Keßlerwerkstätte kommt, hervordringen.

Bei dieser nachahmenden Harmonie verbeugte sich Herr Galilée Copernic tief vor dem Publikum, und verschwand unter dem Beifallklatschen und dem freudigen Geschrei der Menge, welche diese Erzählung ihres vielgeliebten Cassandre wieder in gute Laune versetzt hatte; denn es gibt drei veränderliche Dinge, wie der Prediger Salomo sagt: die Menge, die Weiber und die Wellen.

In dem Augenblicke, wo die Musik wüthete, verkündigend, die so sehr ersehnte Parade werde sogleich beginnen, kamen von zwei Seiten des Boulevard, nämlich in der Richtung der Bastille und der Porte Saint-Martin, mehrere Personen gekleidet in lange braune Mäntel, wie man sie damals trug, herbei, welche Personen unter die Menge traten und sich bald mit ihr vermischten.

Für einen unaufmerksamen Vorübergehenden konnten diese verschiedenen Personen einander fremd scheinen; für einen verständigen Beobachter war es aber augenscheinlich, daß sich diese Männer unter irgend einem Titel kannten, denn jeder von ihnen wechselte bei seiner Ankunft mit denjenigen, welche schon da waren, ein unmerkliches Erkennungszeichen. Bald aber drangen sie, wie gesagt, in die compacte Masse ein, sonderten sich von einander ab, und schienen nur hierher gekommen zu sein, um der Vorstellung der Parade beizuwohnen, und Niemand achtete aus die mit dem gewöhnlichen Publikum des Herrn Galilée Copernic vermischte, heterogene Partei von Zuschauern.