Tax Compliance

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dd) Erklärungsfristen

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Schließlich regelt § 149 Abs. 2 AO noch die Fristen, innerhalb derer Steuererklärungen abzugeben sind. Soweit die spezielleren Einzelsteuergesetze, z.B. das UStG in § 18, nichts anderes bestimmen, sind danach Steuererklärungen grds. bis zum Ende des 5. Monats nach Ablauf des Veranlagungszeitraumes abzugeben. Für die wichtigsten Steuerarten wie die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und USt. erscheint jedes Jahr ein gleichlautender Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder, der insoweit die Einzelheiten regelt.[63]

b) Mögliche Risiken und Konsequenzen aus einer Verletzung der Steuererklärungspflichten

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Die Verletzung der Steuererklärungspflicht durch das Unternehmen kann sich in vielfacher Weise gravierend auswirken, nicht zuletzt deshalb, weil, wie eingangs dieses Abschn. erwähnt, mit Abgabe der Steuererklärung (oder auch ihrer Nichtabgabe) u.U. der steuerstrafrechtliche Bereich erreicht ist. In jedem Falle führt die Verletzung der Steuererklärungspflicht dazu, dass dem Finanzamt nicht mehr vorgeworfen werden kann, es habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt.[64] Daneben wirkt sich die Erklärungspflicht nach § 149 Abs. 1 S. 1 AO und damit jede Erklärungsabgabe (oder auch die Nichtabgabe der vorgeschriebenen Erklärung) auf die Anlaufhemmung der Festsetzungsverjährung nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO, d.h. auf den Beginn der Festsetzungsverjährungsfrist, aus. Je später die Erklärung abgegeben wird, umso später beginnt die Festsetzungsverjährungsfrist und umso länger läuft die Festsetzungsverjährung. Dies gilt erst Recht, wenn vom Unternehmen keine Erklärung abgegeben werden sollte: Dann beträgt die Anlaufhemmung drei Jahre, d.h. die Festsetzungsverjährung beginnt erst zum Ende des 3. Jahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 1701 Abs. 2 Nr. 1 AO).

aa) Verspätete Abgabe von Steuererklärungen

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Wird eine Steuererklärung vom Unternehmen verspätet abgegeben, kommt zunächst der Versuch des Finanzamtes in Betracht, die Abgabe der Erklärung mit den Zwangsmitteln gem. §§ 328 ff. AO, in aller Regel also Zwangsgeld, zu erzwingen. Des Weiteren ist ein Verspätungszuschlag gem. § 152 AO möglich, der 10 % der festgesetzten Steuer und max. 25 000 EUR betragen darf. Ebenso ist natürlich eine Schätzung gem. § 162 AO denkbar, wobei die Erklärungspflicht gem. § 149 Abs. 1 S. 4 AO auch nach der Schätzung bestehen bleibt. Um derartige steuerliche Maßnahmen des Finanzamtes vor der verspäteten Abgabe gegen das Unternehmen zu verhindern, empfiehlt sich ein frühzeitiger Fristverlängerungsantrag des Unternehmens oder auch seines Beraters, selbst wenn dieser den Fristen gem. § 149 Abs. 2 AO und der darauf beruhenden, regelmäßigen Schreiben der obersten Finanzbehörden der Länder widersprechen sollte. Denn eine Fristverlängerung ist gem. § 109 Abs. 1 AO möglich, bei entsprechender Begründung auch rückwirkend gem. § 109 Abs. 1 S. 2 AO. Letzteres bedeutet, dass die Voraussetzungen für einen bereits festgesetzten Verspätungszuschlag i.S.d. § 152 AO rückwirkend entfallen.

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Darüber hinaus kann auch eine verspätete Abgabe der Erklärung – jedenfalls, wenn keine Fristverlängerung beantragt wurde – zu einer Steuerhinterziehung führen. Wie sich aus § 370 Abs. 4 1. HS AO, „nicht rechtzeitige Festsetzung“ ergibt, kann auch dieser Sachverhalt den Tatbestand einer Hinterziehung i.S.d. § 370 Abs. 1 AO erfüllen. Seit den verschärften Bedingungen zur Selbstanzeige (1.1.2015), einerseits Vollständigkeitsgebot, andererseits Regelungen nach § 371 Abs. 1 S. 2 AO – Nachmeldung innerhalb einer Steuerart für die letzten zehn Kalenderjahre – kann die verspätet abgegebene Steuererklärung auch ohne Weiteres als Selbstanzeige ausgelegt werden und führt dann u.U. nicht zur Strafbefreiung (wenn die verschärften Bedingungen nicht beachtet sind).

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Allerdings dürfte unbestritten sein, dass der Unrechtsgehalt einer sog. Steuerverkürzung auf Zeit durch die lediglich verspätete Abgabe der Erklärung deutlich geringer ist, als die nachfolgend angeführte Abgabe einer bewusst falschen Steuererklärung oder einer endgültigen Nichtabgabe der Erklärung. Selbst wer vorsätzlich – die Frage des Vorsatzes spielt in diesem Bereich immer eine große Rolle, andernfalls käme Leichtfertigkeit i.S.d. § 378 AO in Betracht – zu spät die Steuererklärung des Unternehmens abgibt, sucht i.d.R. allenfalls einen Stundungseffekt.[65] Dem wurde über Jahrzehnte hinweg dadurch Rechnung getragen, dass der Steuerschaden des Fiskus zu Recht lediglich im Zinsnachteil des Staates gesehen wurde. Dieser wurde analog der zu bezahlenden Zinsen nach §§ 233 ff. AO mit 0,5 % der hinterzogenen Steuersumme pro Monat berechnet. Bedauerlicherweise sieht der BGHSt. nunmehr im Rahmen seiner seit 2008 ständig sich verschärfenden Rspr. (zu diesem Zeitpunkt erfolgte der Wechsel der Zuständigkeit für Steuerstrafsachen vom 5. Senat in Leipzig auf den 1. Senat in Karlsruhe) den Steuerschaden bzw. den tatbestandsmäßigen Erfolg i.S.d. § 370 Abs. 1 AO im vollen Nominalbetrag der verspätet erklärten Steuern, was zu erheblich höheren Strafauswürfen in diesem Bereich der Hinterziehung auf Zeit führt. Der Umstand der „Hinterziehung auf Zeit“ soll nach dieser Rspr nur noch ein Strafzumessungsgrund sein.[66]

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Neuerdings wird die „Hinterziehung auf Zeit“ von den Finanzämtern mit Hilfe der verschärften Regelungen zur Selbstanzeige seit 1.1.2015 zu dem Versuch missbraucht, mit verhältnismäßig geringfügigen, externen Beratern häufig nicht bekannten Verstößen gegen die Erklärungspflicht von wenigen Tagen und Wochen, an sich rechtmäßige Selbstanzeigen zu torpedieren. Denn der Sachverhalt der z.B. verspäteten Abgabe der ESt.-Jahreserklärungen, von denen das Unternehmen bei Abgabe durch externe Berater häufig nichts weiß, taucht zumeist nicht in den Nachmeldungen zur ESt. auf, selbst wenn diese Nachmeldungen des Unternehmens den erforderlichen Zeitraum von zehn Kalenderjahren umfassen.[67]

bb) Hauptfall: Fehlerhafte Steuererklärungen

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Hauptfall der Verletzung der Steuererklärungspflicht dürfte jedoch, wie bereits eingangs dieses Kap. erwähnt, derjenige sein, dass von den Unternehmen, bewusst oder häufig unbewusst aufgrund fehlender Kommunikation mit den jeweiligen Abteilungen der für die steuerliche Bearbeitung und für die Buchführung verantwortlichen Mitarbeitern, unrichtige oder unvollständige und damit falsche Erklärungen abgegeben werden. Insoweit ist je nach dem konkreten Sachverhalt zu unterscheiden:


Wurde die Erklärung entgegen der Verpflichtung aus § 150 Abs. 2 S. 1 AO, wahrheitswidrig, bewusst falsch abgegeben und dadurch Steuern verkürzt, so ist der Tatbestand einer Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO gegeben.
Wurde der Fehler dagegen in der Erklärung nur grob fahrlässig, d.h. leichtfertig begangen, so kommt lediglich eine bußgeldrechtliche Ahndung als Ordnungswidrigkeit gem. § 378 AO, leichtfertige Steuerverkürzung, in Betracht.
Entdeckt das steuerpflichtige Unternehmen dagegen erst im Nachhinein einen von ihm damit versehentlich begangenen Fehler in der Erklärung, so muss es diesen an sich gem. § 153 Abs. 1 AO korrigieren, wenn es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern gekommen ist (dazu sogleich unten Rn. 102). Unterlässt das Unternehmen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes diese Korrektur, so kann es aufgrund einer Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 153 AO ab diesem Zeitpunkt zu einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen kommen.
In diesem Zusammenhang stellt sich, gerade bei den häufig sehr komplexen Steuererklärungen von Unternehmen mit vielfachen Rückstellungsbildungen, evtl. Auslandssachverhalten etc., die Frage, welche Tatsachen und Sachverhalte im Einzelnen dem Finanzamt vorzutragen sind, um eine wahrheitsgemäße/richtige und vollständige Steuererklärung i.S.d. § 150 Abs. 2 AO abzugeben. Betrifft das z.B. auch von der h.M. oder der Vw.-Auff. abweichende Rechtsmeinungen?

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Zunächst ist festzuhalten, dass es im Gesetz (bisher) keine Vorschrift gibt, wonach sich ein Steuerpflichtiger bei seiner Steuererklärung an der höchstrichterlichen Rspr. und/oder an der Vw.-Auff. zu orientieren hätte.[68] Nach dem Gesetz muss der Steuerpflichtige „wahrheitsgemäße“(§ 150 Abs. 2 AO) Angaben machen. Er darf aber auch keine „unvollständigen“ oder „unrichtigen“ Angaben machen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). „Unrichtig“ ist eine Angabe nach der Rspr. dann, wenn zwischen der Erklärung und der Wirklichkeit ein Widerspruch besteht, was nach dem objektiven Empfängerhorizont der Finanzbehörde zu bemessen ist.[69] Maßgebend ist also wie der Empfänger die Erklärung verstehen durfte und musste. Ähnlich verhält es sich mit der Bewertung der „Vollständigkeit“ von Angaben: Eine unvollständige Angabe des Steuerpflichtigen liegt dann vor, wenn eine Erklärung im Rechtsverkehr nur so gewertet werden kann, dass sie zu einem bestimmten Sachverhalt eine abschließende, vollständige Aussage enthält, aber tatsächlich etwas fehlt. Das Verschweigen von Tatsachen erhält dann einen positiven Erklärungswert dergestalt, dass weitere zu offenbarende Tatsachen nicht vorhanden sind.[70]

 

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Danach ist festzuhalten: Dem Unternehmen steht es frei, eine ihm günstige steuerrechtliche Gestaltung zu wählen und zu vertreten. Es macht jedenfalls dann keine unrichtigen Angaben i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn es offen (oder auch verdeckt) eine ihm günstige, unzutreffende Rechtsansicht vertritt, aber die steuerlich erheblichen Tatsachen richtig und vollständig vorträgt und es dem Finanzamt dadurch ermöglicht, die Steuer unter abw. rechtlicher Beurteilung von der Steuererklärung des Unternehmens zutreffend festzusetzen. Um allerdings Missverständnisse mit der Finanzbehörde zu vermeiden und insb. im Zusammenhang der Compliance-Management-Regelung des Unternehmens empfiehlt sich angesichts der BGH-Rspr., dass das Unternehmen (bzw. seine Berater) seine ggf. abw. Sicht der Dinge und die dazugehörenden Tatsachen in einer separaten Anlage bereits zur Steuererklärung wenigstens kurz darstellt und damit publik macht. Die Geltendmachung eines strafrechtlichen Vorwurfes ist dann insoweit ausgeschlossen.

cc) Nichtabgabe von Steuererklärungen

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Der sicherlich seltenste Fall beim Unternehmen ist derjenige der Nichtabgabe einer Steuererklärung. Dies wird lediglich in Fällen einer (bevorstehenden) Insolvenz eines Unternehmens in Betracht kommen. In dieser Konstellation kann die Finanzverwaltung zunächst reagieren wie im Falle der verspäteten Abgabe, also mit einem Zwangsgeld i.S.d. §§ 328 ff. AO, einem Verspätungszuschlag gem. § 152 AO bis maximal 25 000 EUR, einer Schätzung gem. § 162 AO. Hinzu kommt allerdings, für den Fall einer bevorstehenden Insolvenz noch ein erhebliches Haftungsrisiko für die Geschäftsleitung des Unternehmens gem. §§ 69 ff., 34, 191 AO, ggf. sogar gem. § 71 AO als für Steuerhinterziehungstatbestände Verantwortliche des Unternehmens.

c) Vermeidung von möglichen steuerlichen/steuerstrafrechtlichen Konsequenzen bei Fehlern in der Erklärungsabgabe durch eine Compliance-Struktur

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Es versteht sich von selbst, dass die Unternehmensleitung entsprechend dem Commitment in einer Compliance-Richtlinie auf die Einhaltung der Grundsätze von § 150 Abs. 2 AO, wahrheitsgemäße und vollständige Steuererklärungen, drängen muss. Dies wird auch im Interesse der bisherigen Steuer- und/oder Rechtsabteilung sein. Allerdings gilt dies im Rahmen der Compliance-Implementierung verstärkt für die sich aus der Risikoanalyse ergebenden steuerlichen Risikobereiche des Unternehmens. Gerade für diese Bereiche müssen, neben der Bestimmung der Verantwortlichen für die rechtzeitige Abgabe der Steuererklärungen inkl. der beizulegenden Unterlagen (§ 150 Abs. 4 AO) wie Bilanz, GuV oder Einnahme-Überschussrechnung etc. konkret Verantwortliche nebst Stellvertreter bestimmt werden. Daneben müssen Kontrollmechanismen wie regelmäßige Controllinggespräche, etwa viertel-/halbjährlich, und kurze Informationswege bei neuen Risiken ab einer bestimmten Größenordnung aufgezeigt und installiert werden. Kurzum, es muss die Kommunikation nebst entsprechenden Einsichts- und Kontrollrechten zwischen Compliance-Verantwortlichen, Steuerabteilung und den jeweiligen operativen Abteilungen konkret geregelt werden, insb. auch die unterjährigen Kontrollmaßnahmen, die anschließend in diesem heiklen Bereich sorgfältig zu dokumentieren sind für etwaige Fälle von Verstößen.

4. Die Mitwirkungspflicht zur Berichtigung von im Nachhinein als unrichtig erkannten Steuererklärungen gem. § 153 AO

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§ 153 AO ergänzt die bereits erörterten Erklärungs- und Mitwirkungspflichten der §§ 149, 150, 90 AO und dient damit ebenso der gesetzmäßigen Besteuerung (§ 85 AO). Er ist Ausfluss der Verpflichtung zur Abgabe wahrheitsgemäßer und vollständiger Steuererklärungen gem. §§ 150 Abs. 2, 90 Abs. 1 S. 2 AO, die sich durch die gesamte Abgabenordnung zieht und daher nach Abgabe der Erklärung fortbestehen bleibt.[71] Der Nachmeldung kommt auf dem Gebiet der Unternehmensbesteuerung eine sehr große Bedeutung zumindest für mittlere und größere Unternehmen zu, da in diesem Bereich, wie bereits mehrfach im Kap. erwähnt, ein Großteil der Erklärungen fehlerhaft beim Finanzamt eingereicht wird, dies zumeist unbewusst.[72] Verschärft wird die Problematik noch durch die Neuregelung der Selbstanzeige seit 1.1.2015, nach der im Selbstanzeigebereich das strenge Vollständigkeitsgebot gilt und der Mindestberichtigungszeitraum von zehn Kalenderjahren gem. § 371 Abs. 1 S. 2 AO zu beachten ist. Aufgrund der großen Bedeutung des Themas „Nachmeldung und Selbstanzeige“ ist diesem Gebiet im vorliegenden Werk ein eigenes 13. Kap. gewidmet, auf das hiermit vorliegend verwiesen werden kann. Da die Bedeutung des § 153 AO im vorliegenden Zusammenhang aber ebenfalls eine Rolle spielt, die durch die Geltung der Norm nicht nur für Steuererklärungen, sondern auch darüber hinaus für sonstige steuerliche Erklärungen wie z.B. Anträge auf Herabsetzung von Steuervorauszahlungen[73] erhöht wird, seien die folgenden Anm. an dieser Stelle gestattet.

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Durch das neue Selbstanzeigerecht sind sämtliche Beteiligte, zum einen das am Besteuerungsverfahren beteiligte Unternehmen und seine Verantwortlichen, zum anderen die Finanzverwaltung, gehalten, in jedem Einzelfall eines strafrechtlichen Risikos bzw. eines Erklärungsfehlers zu hinterfragen, ob der Fehler in der Ursprungserklärung unverschuldet oder möglicherweise bedingt vorsätzlich begangen wurde. Dies stellt gerade in einem größeren Unternehmen u.U. ein nicht unerhebliches Problem dar, da sich die Aufarbeitung und Prüfung eines solchen Sachverhaltes über mehrere Abteilungen hinweg erstrecken kann und die Aufarbeitung daher mehrere Wochen andauern kann. Hilfe kann an dieser Stelle der vom BMF[74] am 23.5.2016 verabschiedete, in diesem Kap. schon mehrfach aufgrund seiner Auswirkung auf ein Tax Compliance-System zitierte Anwendungserlass zu § 153 AO bieten, der den Beteiligten insb. auch Richtlinien für die Abgrenzung der Anzeige- und Berichtigungspflicht (§ 153 AO) von einer Selbstanzeige geben soll (vgl. Tz. 2 des AEAO zu § 153 AO).

a) Inhalt der Berichtigungspflicht gem. § 153 AO

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§ 153 Abs. 1 AO erlegt dem steuerpflichtigen Unternehmen eine Anzeige- und Berichtigungspflicht auf, während Abs. 2 und Abs. 3 lediglich Anzeigepflichten ohne entsprechende Berichtigungspflicht beinhalten. Nach der entscheidenden Norm des § 153 Abs. 1 AO bestehen daher folgende Voraussetzungen:


Es muss eine unrichtige oder unvollständige Erklärung beim Finanzamt abgegeben worden sein. Diese Voraussetzung ist identisch wie bei einer Selbstanzeige.

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Festzuhalten ist aber, dass die Anzeigepflicht sich nur auf in tatsächlicher Hinsicht unzutreffende oder unvollständige Steuererklärungen bezieht, nicht auf Erklärungen, die (nur) in rechtlicher Hinsicht unzutreffend waren. Denn die Wahrheitspflicht gem. § 150 Abs. 2 AO bezieht sich lediglich auf Tatsachen, die sich in aller Regel in der Sphäre des Steuerpflichtigen abspielen.[77] Auf reine Rechtsfehler muss also nicht hingewiesen werden. Die rechtliche Subsumtion eines vollständig mitgeteilten Sachverhaltes ist Aufgabe des Finanzamtes. Selbiges gilt, wenn das Finanzamt selbst bei der Veranlagung Fehler begangen haben sollte. Auch insoweit besteht keine Anzeigepflicht gem. § 153 Abs. 1 AO.[78]

b) Adressaten der Berichtigungspflicht gem. § 153 Abs. 1 AO

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Die Berichtigungspflicht betrifft im Unternehmen einerseits bei einem Einzelunternehmen den Steuerpflichtigen und seinen Gesamtrechtsnachfolger, also den Erben oder einen übernehmenden Rechtsträger bei einer Umwandlung, oder die eingangs des Kap. (Rn. 7) erörterten Personen, die entweder gesetzliche Vertreter i.S.d. § 34 AO sind, also Geschäftsführer, Vorstände etc. oder Verfügungsbefugte i.S.v. § 35 AO. Nicht zur Berichtigung verpflichtet sind nachgeordnete Mitarbeiter bis hin zu Prokuristen, soweit sie nicht ausnahmsweise gem. § 35 AO berechtigt sind. Erst Recht nicht Adressat des § 153 AO ist der steuerliche Berater, der ohne Zustimmung der Unternehmensleitung selbst bei Erkennen eines Fehlers von sich aus aufgrund des Mandatsgeheimnisses nicht tätig werden darf.[79]

c) Mögliche Konsequenzen aus einer Verletzung der Anzeige- und Berichtigungspflichten gem. § 153 AO

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Die Einhaltung der Berichtigungspflicht ist steuerlich mit den Zwangsmitteln gem. §§ 328 ff. AO erzwingbar, was allerdings nur sehr theoretisch sein dürfte. Denn in aller Regel hat das Finanzamt von dieser Verpflichtung keine Kenntnis. Ein Verspätungszuschlag ist in steuerlicher Hinsicht nicht zulässig.[80] In steuerstrafrechtlicher Hinsicht kommt je nach Lage des Einzelfalles sowie des Vorsatzgrades entweder eine Verfolgung als Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) oder eine bußgeldrechtliche Ahndung im Sinne einer leichtfertigen Steuerverkürzung gem. § 378 AO in Betracht. Dies hängt davon ab, was der für die Abgabe der Steuererklärung Verantwortliche sich zum Zeitpunkt der Einreichung der Steuererklärung bei der Finanzbehörde im Einzelnen gedacht hat. Taugliche Täter dieser Unterlassenstat können wiederum lediglich die Unternehmensverantwortlichen, die eben unter Rn. 106 ff.) als Adressaten der Berichtigungspflicht benannt worden sind, sein, nicht aber nachgeordnete Mitarbeiter des Unternehmens.